Klaus Reinhardt (Mediziner)
Klaus Reinhardt (* 22. Mai 1960 in Bonn) ist ein deutscher Facharzt für Allgemeinmedizin und seit 2011 Vorsitzender des Hartmannbundes.[1] Er wurde 2015 Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer und am 30. Mai 2019 zu deren Präsidenten gewählt.
Leben
Reinhardt ist das älteste Kind der Ärzte Annemarie und Hans-Joachim Reinhardt. Geboren in Bonn, aufgewachsen seit 1965 in Bielefeld, machte er 1979 am Ratsgymnasium Bielefeld das Abitur. Er studierte von 1980 bis 1982 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Jura und Philosophie und wurde 1981 im Corps Rhenania Bonn recipiert.[2] Von 1982 bis 1989 studierte er an der Universität Padua Medizin. 1990 wurde er im Regierungsbezirk Detmold approbiert.[3] Bis 1994 war er unter anderem an der kantonalen psychiatrischen Klinik Beverin in Graubünden sowie in der Inneren Medizin an der Kantonalklinik Ospedale Civico in Lugano tätig.[4] 1997 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin.[3]
Reinhardt ist seit 2001 Mitglied der Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe und seit 2005 Mitglied des Vorstands sowie Vizepräsident. Bei der Bundesärztekammer (BÄK) war er von 2006 bis 2015 Vertreter in der Finanzkommission. Seit 2006 ist er Vertreter in der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin. Er war von Januar 2010 bis 2015 stellvertretender Vorsitzender der Finanzkommission der BÄK und ist seit November 2011 Mitglied und seit 2016 Vorsitzender des Ausschusses GOÄ der BÄK. Reinhardt ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe seit 1997 Mitglied der Vertreterversammlung und war dort von 2001 bis 2005 Mitglied im Ausschuss Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement sowie von 1997 bis 2005 Mitglied im Finanzausschuss. Seit 2005 ist er Mitglied im Ausschuss für Honorarverteilung, seit 2017 dessen Vorsitzender. Seit 2005 ist Reinhardt Vorsitzender des Hartmannbundes Westfalen-Lippe. Ebenfalls seit 2007 ist er Vorstandsmitglied des Landesverbandes der Freien Berufe NRW. 2009 wurde er stellvertretender Bundesvorsitzender des Hartmannbundes. Seit dem 28. Oktober 2011 ist er Bundesvorsitzender des Hartmannbundes. Seit 2015 ist er vom Deutschen Ärztetag gewähltes Mitglied des Bundesärztekammervorstandes. Reinhardt ist als Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt in Bielefeld niedergelassen. Er ist seit 1991 verheiratet mit Alexandra Simons-Reinhardt und Vater von vier Kindern.
Am 30. Mai 2019 wurde er in Münster auf dem 122. Deutschen Ärztetag zum neuen Präsidenten der Bundesärztekammer gewählt. Er setzte sich im dritten Wahlgang mit 124 zu 121 Stimmen durch gegen Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen.[5]
Positionen
Freiberuflichkeit
„Freiberuflichkeit bedeutet die Unabhängigkeit des Arztes bei medizinischen Entscheidungen, begründet auf ethischen Normen und Werten bei hoher fachlicher Kompetenz. Die Freiberuflichkeit ist also kein Selbstzweck, sie ist das Fundament der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Ob angestellt oder niedergelassen, das spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ich sehe mit größter Sorge, dass das hohe Gut der Freiberuflichkeit immer mehr unter Druck gerät. Durch Wettbewerb, Deregulierung und Kommerzialisierung, durch immer mehr staatliche Lenkung und sozialrechtliche Fesseln. Hier müssen wir entschieden dagegenhalten und uns klar zur Freiberuflichkeit und zur ärztlichen Selbstverwaltung bekennen.“[6]
Kommerzialisierung in der Medizin
„Es versteht sich von selbst, dass wir Ärzte wirtschaftlich handeln und vernünftig mit den Geldern der Versicherten umgehen müssen. Die große Gefahr liegt in der Kommerzialisierung der Medizin. Die wird übrigens von der Politik schon seit Jahrzehnten forciert. Das führt dazu, dass Investoren und Controller mehr und mehr versuchen, Einfluss auf medizinische Entscheidungen zu nehmen – auf Kosten der ärztlichen Unabhängigkeit und der Patientensicherheit. Die Übernahmewelle durch Fremdinvestoren bei den MVZ ist dafür ein aktuelles Beispiel. Die Politik muss endlich umdenken und eine klare Grenze zwischen ärztlicher und gewerblicher Tätigkeit ziehen. Der Patient ist kein Kunde und Gesundheit keine Ware.“[6]
Digitalisierung
„Digitalisierung wird den Arzt nicht überflüssig machen. Vorstellbar sind technologische Prozesse, die den Arzt in seinem Tun unterstützen. Das fängt schon damit an, dass intelligente digitale Anwendungen Ärztinnen und Ärzte bei der Bewältigung von Bürokratie entlasten. Die Möglichkeiten reichen aber natürlich bis hin zur künstlichen Intelligenz, also algorithmischen Prozessen, die mithilfe von komplexen Datenanalysen Hilfe bei der Diagnose geben können. Und natürlich wird sich das Arzt-Patienten-Verhältnis wandeln. Die Fragenstellungen der Patienten werden konkreter und sicherlich auch durch größeres Vorwissen zum Beispiel aus eigenen Internetrecherchen geprägt sein. Das erleben wir schon jetzt. Dem müssen wir uns mit unserem ärztlichen Erfahrungsschatz und wissenschaftlichen Sachverstand stellen. Insofern wird die Digitalisierung die Rolle des Arztes verändern, sie ist aber nicht grundlegend abhängig vom Thema der Digitalisierung. (…) Wir brauchen eine Digitalisierungsstrategie, die ethische Grundlagen für den Umgang mit neuen digitalen Methoden schafft. Es darf zum Beispiel nicht so weit kommen, dass der Algorithmus, also die Maschine, über die Therapie entscheidet. Das wäre nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch medizinisch fahrlässig. Aktuell ist mir allerdings kein System bekannt, dass diese Fragen aufwirft. Sollte das aber absehbar werden, muss man sich damit befassen. Ärztliche Kunst bedeutet Empathie, persönliche Verantwortung, nicht das Abarbeiten von Algorithmen.“[7]
Klimaschutz
„Gesundheit und Wohlergehen der Menschen hängen ganz wesentlich vom Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ab. Klimaschutz ist deshalb immer auch Gesundheitsschutz. Es ist unsere ärztliche Pflicht, auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und uns für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele einzusetzen. (…) Das Ausmaß klimabedingter Gesundheitsfolgen kann die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme weltweit auf Dauer an ihre Belastungsgrenzen bringen. Damit wird der Klimawandel auch zu einer zentralen Gesundheitsfrage des 21. Jahrhunderts.“[8]
Öffentlicher Gesundheitsdienst
„Die Gesundheitsämter brauchen mehr materielle und personelle Ressourcen. Neben modernen digitalen Kommunikationssystemen müssen Anreize für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden, im Öffentlichen Gesundheitsdienst tätig zu werden. Dafür ist eine tariflich gesicherte, arztspezifische Vergütung der Amtsärzte unabdingbar.“[9]
Kritik
Reinhardt äußerte sich in der ZDF-Talkshow Markus Lanz kritisch zur alltäglichen Maskenpflicht während der COVID-19-Pandemie und verglich diese mit einem „Vermummungsgebot“. Er behauptete über Alltagsmasken, dass es „keine wissenschaftliche Evidenz für deren Wirksamkeit [gebe]“. Als der Moderator Markus Lanz nachfragte „Ernsthaft?“, antwortete er, „[d]as [sei] [s]eine persönliche Auffassung, zu der [gebe] es auch wissenschaftliche Studien.“ Er möchte sich jedoch „auf gar keinen Fall in diesen Maskenkrieg einmischen“.[10] Für seine Äußerungen bekam er starken Widerspruch aus seinen eigenen Reihen wie zum Beispiel von Karl Lauterbach und Susanne Johna (Vorsitzende des Marburger Bunds). Zwei Tage nach der Sendung äußerte er Bedauern über seine Äußerungen und erklärte: „Die aktuelle Evidenz aus vielfältigen Studien spricht für einen Nutzen des Mund-Nasen-Schutzes.“[11]
Einzelnachweise
- Geschäftsführender Vorstand. Hartmannbund, abgerufen am 9. Juli 2021.
- Kösener Corpslisten 1996, 127/1225.
- Dr. med. (I) Klaus Reinhardt. In: www.bundesaerztekammer.de. Abgerufen am 22. September 2019.
- Dr. med. (I) Klaus Reinhardt. In: www.quellepraxis.de. Abgerufen am 22. September 2019.
- Zeit online, 30. Mai 2019
- Der Patient ist kein Kunde und Gesundheit keine Ware! In: Akkreditierte Labore in der Medizin e. V. 10/2019. Abgerufen am 16. Juni 2021.
- Wir lassen uns nicht unter Zugzwang setzen. In: Deutsches Ärzteblatt. 13. September 2019, abgerufen am 16. Juni 2021.
- Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz. Bundesärztekammer, 19. September 2019, abgerufen am 16. Juni 2021.
- Mehr Investitionen in Krisenreaktionsfähigkeit notwendig. Bundesärztekammer, 18. März 2021, abgerufen am 16. Juni 2021.
- Katherine Rydlink: Lauterbach fordert Ärztekammer-Präsident zum Rücktritt auf L. In: Der Spiegel. 22. Oktober 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020.
- Erklärung des Präsidenten der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt: „Wirksamkeit der Schutzwirkung von Mund-Nasen-Masken ist wissenschaftlich belegt“. Abgerufen am 23. Oktober 2020.