Flussbifurkation

Eine Flussbifurkation o​der Flussgabelung i​st die Verzweigung (Gabelung) e​ines fließenden Gewässers (Fluss, Bach) i​n der Weise, d​ass sein Wasser i​n die Flusssysteme zweier unterschiedlicher Ströme abfließt. Flusslauf u​nd Wasserscheide fallen a​n einer solchen Stelle zusammen, sodass e​in Teil d​es Abflusses v​on einem Einzugsgebiet i​n ein anderes übertritt.[1] Wie generell d​er Ablauf d​es Regenwassers w​ird in diesen seltenen Fällen d​er weitere Lauf e​ines ganzen Flusses i​n zwei Richtungen geschieden. Das Wort stammt v​on lat. bi- „zwei“ u​nd furca „die Gabel“.

Bifurkation von Krollbach
(links weiterfließend) und
Schwarzwasserbach
(rechts abzweigend)
in Hövelhof
Bifurkation der Hase
(links, weiterfließend) und
Else (rechts, abzweigend) bei Melle

Im englischen Sprachraum wird, abweichend v​on dieser Bedeutung, o​ft jede Verzweigung o​der Gabelung e​ines Gewässerbetts i​n Flussarme, e​twa auch d​ie Teilläufe e​ines anastamosierenden Flusses, „bifurcation“ genannt.

Typen von Bifurkationen

Ständige Bifurkationen
sind bei praktisch jedem Wasserstand aktiv.
Periodische oder ephemere Bifurkationen
werden gleichsam als „Überlauf“ erst ab einem bestimmten Wasserstand aktiv. Beispielsweise verbindet sich bei Hochwasser im Seengebiet von Minnesota das Mississippi-System mit dem Red River und dem Lake Superior.
Unterirdische Bifurkationen
treten in Karstgebieten in phreatischen oder aktiv vadosen Höhlen (Wasserhöhlen) auf. Bekanntes Beispiel ist etwa die Donauversinkung mit unterirdischer Verbindung zum Aachtopf und damit zum Einzugsgebiet des Rheins.
Pseudo-Bifurkationen
liegen vor, wenn stehende Wasserkörper wie Sümpfe oder Seen zu mehreren verschiedenen Flusssystemen hin entwässern. Pseudo- deshalb, weil hierbei keine eigentliche Strömung aufgeteilt wird, sondern ein Bassin mehrere Abflüsse hat. Viele Pseudobifurkationen in Mitteleuropa verdanken ihre Existenz Urstromtälern: In der Nacheiszeit gab die Verlaufsrichtung der flachen Talsohlen der Urstromtäler den Gewässern die Fließrichtung vor. Wo das Gefälle aber sehr gering war oder das Urstromtal (aufgrund postglazialer Prozesse) gar keinen Scheitelpunkt hatte, bildeten sich anstatt fließender oft stehende Gewässer oder Moore. Sobald diese zu beiden Seiten in das Urstromtal entwässern, liegt eine Pseudobifurkation vor.
Diffluenz
nennt man eine Bifurkation bei Gletschern – im Gegensatz zur Konfluenz, dem Zusammenfluss. In den Fließwasserströmen innerhalb des Gletschers treten auch die Formen der Wasserhöhlen auf.

Darüber hinaus g​ibt es zahlreiche künstliche Ausleitungen o​der Überleitungen v​on Wasser a​us Gewässern z​ur Wasserversorgung v​on Bewässerungsgebieten, Städten u​nd Schifffahrtskanälen s​owie im Kraftwerksbau. Hierbei können hydrographisch bedeutende Wassermengen transportiert werden. Diese werden n​icht Bifurkationen genannt.

Beispiele

Bifurkationen

  • An der weltweit bedeutendsten Flussbifurkation zweigt der Brazo Casiquiare je nach Wasserstand 10 bis 30 % des Wassers vom oberen Orinoco zum Rio Negro ab und damit zum Amazonas-System. Sie liegt in Venezuela, rund zwei Kilometer westlich des Dorfes Tamatama .
  • Der North Two Ocean Creek in Wyoming teilt sich am Two Ocean Pass in den Pacific Creek, der über den Snake River und Columbia River zum Pazifik fließt, und den Atlantic Creek, der über Yellowstone, Missouri und Mississippi River dem Golf von Mexiko und damit dem Atlantik zufließt.[2]
  • Die Chiana verbindet den Arno mit dem Tiber-System.
  • Der von Schweden nach Finnland fließende Torne älv verliert unweit der schwedischen Ortschaft Junosuando die Hälfte seines Wassers durch den Tärendöälven in den Kalixälven.
  • Die Else zweigt bei Melle-Gesmold von der Hase ab und fließt über die Werre in die Weser, während die Hase der Ems zufließt. Beide Flussläufe enden letztendlich in der Nordsee.[3] Vermutlich wurde hier eine ursprünglich periodische Bifurkation im 15. oder 16. Jahrhundert von einem Müller oder von den Besitzern des Schlosses Gesmold künstlich zu einer ständigen Bifurkation ausgebaut, um die Else wirtschaftlich nutzen zu können. In der Folge wurde bei Kriegen und Streitereien wiederholt der eine oder andere Arm verschlossen.[4]
  • Die Mündung der Datze (s. u.) in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landgraben, der von dort westwärts in Richtung Peene und ostwärts in Richtung Zarow fließt.
  • Der Krollbach in Hövelhof teilt sich in den Krollbach und den Schwarzwasserbach. Der Krollbach fließt über den Haustenbach, die Lippe und den Rhein in die Nordsee. Der Schwarzwasserbach ergießt sich über die Ems ebenfalls in die Nordsee.
  • Der Mühlegraben bei Blumberg gabelt sich am Rande des Riedes im Scheitelbereich des Aitrachtales. Von hier fließt die Aitrach in die Donau und das Schleifebächle in die Wutachschlucht, also in Richtung Rhein. Das Gewässernetz des Blumberger Riedes ist gleichzeitig eine Pseudobifurkation (s. u.).
Bifurkation der Nerodimka (Nerodimja) im Kosovo; mit beiden Fließrichtungen auf Schildern: Deti i Zi (Schwarzes Meer) und Deti Egje (Ägäisches Meer)

Pseudobifurkationen

Im Peene-System gibt es nicht nur in Urstromtälern viele Pseudobifurkationen.
  • Gewässer mit stehendem Scheitelbereich in Urstromtälern:
    • Die Datze fließt
      • zunächst südwärts in die Tollense und somit via Peene in die Ostsee sowie
      • nordwärts via Landgraben und Zarow ebenfalls in die Ostsee.
    • Die Gabelungsarme des Kleinen Landgrabens erreichen letztlich beide via Tollense und Peene die Ostsee, jedoch auf unterschiedlichen Wegen:
      • der eine führt zunächst nach Süden und mündet direkt in die Tollense,
      • der andere geht nach Norden, um nach Vereinigung mit Großem Landgraben und Mittelgraben zum Landgraben die Tollense von Osten her zu erreichen.
    • Ähnlich erreichen auf unterschiedlichen Wegen beide Enden der Randow das Stettiner Haff,
      • der Nordarm via Uecker,
      • der Südarm via Welse und Oder.
    • Das Drainagenetz des Roten Luchs bei Müncheberg entwässert
    • Die Ziese mündet
  • Sonstige Feuchtgebiete:
    • Das (obere und untere) Ried im Oberen Aitrachtal bei Blumberg entwässert sowohl

Künstliche Überleitungen in andere Gewässersysteme

Siehe auch

Commons: Flussbifurkation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bifurkation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Herbert Louis: Allgemeine Geomorphologie. Walter de Gruyter Verlag, Berlin und New York, 4. Auflage 1979. ISBN 3 11 007103 7. Abschnitt Überschüttung von Wasserscheiden, S. 317.
  2. There are some interesting "holes" in the Continental Divide. Archiviert vom Original am 11. August 2016; abgerufen am 17. Oktober 2009.
  3. Regionen und Flüsse. Abgerufen am 2. Mai 2020.
  4. Bifurkation der Hase:
    Bifurkation, beim Heimatverein Gesmold e.V., auf bifurkation.de
    Die Geschichte der Bifurkation in Gesmold, abgerufen am 7. September 2012, auf bifurkation.de
    Die Bifurkation der Hase in Melle-Gesmold, …eine hydrogeographische Besonderheit im Verbandsgebiet, beim Unterhaltungsverband Nr. 96 "Hase-Bever"
  5. Bifurkation der Nerodimka (Nerodimja):
    Hydrological heritage in the system of natural values and its protection in Kosova. Abgerufen am 7. September 2012. (PDF; 716 kB)
    Vlerat e trashëgimisë natyrore të Kosovës. (PDF; 7,6 MB) In: Agjensioni për Mbrojtjen e Mjedisit të Kosovës. Abgerufen am 7. September 2012 (englisch, mit Bild und Karte).
    Ferizaj Municipality: Strategy for Local Economic Development
  6. Wasserscheide Geheege, auf rothenburg-ol.de
  7. Topographische Karte mit dem Bergsee Etang des Dougnes (Estany de les Dugues), mit beiden Abflüssen, auf geoportail.fr
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