Finanzinstrument
Finanzinstrument (englisch financial instrument) ist ein Rechtsbegriff, mit dem im Finanzwesen alle Ansprüche, sonstige Vermögenswerte und Verpflichtungen bezeichnet werden, die unmittelbar oder mittelbar den Austausch von Zahlungsmitteln zum Gegenstand haben.
Allgemeines
Diese aus Finanzkontrakten oder sonstigen finanziellen Vereinbarungen resultierenden Rechte bzw. Pflichten müssen dabei stets auf finanziellen Sachverhalten beruhen.
Der Rechtsbegriff des Finanzinstruments kam bis Dezember 2004 im deutschen Bilanzrecht lediglich in der nur für Kreditinstitute seit Januar 1991 geltenden Bestimmung des § 340c Abs. 1 HGB vor, wonach in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag oder Aufwand des Handelsbestands der Unterschiedsbetrag aller Erträge und Aufwendungen aus Geschäften mit Finanzinstrumenten des Handelsbestands und dem Handel mit Edelmetallen sowie der zugehörigen Erträge aus Zuschreibungen und Aufwendungen aus Abschreibungen auszuweisen ist. Was unter einem Finanzinstrument konkret zu verstehen war, ließ das HGB hierbei allerdings offen.[1]
Mit Inkrafttreten des Bilanzrechtsreformgesetzes im Januar 2005 tauchte der Begriff Finanzinstrument erstmals auch betriebszweckneutral in den §§ 285 HGB, § 289 HGB und den Parallelvorschriften für den Konzernabschluss (§ 314 HGB, § 315 HGB) auf.
Rechnungslegung
Ein Finanzinstrument ist nach IAS 32.11 „ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem einen Unternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert und bei dem anderen Unternehmen zu einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument führt“.[2][3] Hierin kommt zum Ausdruck, dass beide Kontrahenten (eine Vertragspartei und deren Gegenpartei) einander korrespondierende Zahlungsströme oder Gegenleistungen auszutauschen haben.
Arten
- Originäre Finanzinstrumente sind Forderungen, Verbindlichkeiten und Eigenkapital.
- Derivative Finanzinstrumente sind nach IAS 39.9 Finanzinstrumente, die ihren Wert verändern infolge einer Veränderung des Zinssatzes, Wechselkurses, Index oder einer anderen bestimmten Variablen, die nur geringe oder keine Anschaffungsauszahlungen erfordern und zu einem späteren Zeitpunkt beglichen werden.[4] Hierzu gehören Forwards, Futures, Optionen oder Swaps.
Zu den Finanzinstrumenten gehören auch Energiekontrakte an Energiebörsen, bei denen eine effektive Lieferung vorgesehen ist und die über ein organisiertes Handelssystem gehandelt werden.
Kategorien
Finanzinstrumente werden nach IAS 39.9 bei der Bilanzierung alternativ folgenden Kategorien zugeordnet:
- Bestandshaltung bis zur Fälligkeit (englisch Held to Maturity): Laufzeiten oder Fälligkeiten werden vom Unternehmen eingehalten (Forderungen, Darlehen oder Anleihen).
- Bestandhaltung für Handelszwecke (englisch Held for Trading): sie dienen der Gewinnmaximierung und werden kurzfristig verkauft oder zurückgekauft. Hierzu gehören alle derivativen Finanzinstrumente, die nicht als Sicherungsgeschäft dienen.
- Kredite und Forderungen (englisch Loans & Receivables) werden nicht auf öffentlichen Märkten gehandelt.
- Zum Verkauf bestimmt (englisch Available for Sale) sind alle zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerte, die nicht zu einer der drei anderen Kategorien gehören.
Ein Wechsel der Kategorie ist nur mit genauer Begründung möglich.[5]
Bank- und Börsenwesen
Im Bank- und Börsenwesen gehören die verschiedenen Arten der Finanzinstrumente zum Kerngeschäft. Deshalb gibt es im Bankenaufsichtsrecht und Börsenrecht detaillierte Vorschriften, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten.
Bankwesen
Die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen und für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft) ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 KWG ein Bankgeschäft, so dass hierfür eine Banklizenz erforderlich ist. Als Bankgeschäft gilt auch die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Emission oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft; § 1 Abs. 1 Nr. 10 KWG). Als Finanzinstrumente gelten nach § 1 Abs. 11 KWG Aktien, Vermögensanlagen (mit Ausnahme von Genossenschaftsanteilen), Schuldverschreibungen, Genussscheine, Investmentzertifikate, Geldmarktpapiere, Devisen und Rechnungseinheiten, Derivate, Emissionszertifikate und Kryptowerte[6]. Durch die Berücksichtigung von Vermögensanlagen werden auch Treuhandvermögen, partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen und Namensschuldverschreibungen als Finanzinstrumente erfasst (§ 1 Abs. 2 VermAnlG).
Da Edelmetalle und Sorten nicht aufgezählt sind, gelten diese nicht als Finanzinstrumente, so dass beispielsweise Wechselstuben nicht der Bankenaufsicht unterstehen. Die Einlagen bei Kreditinstituten (Sicht-, Termin- und Spareinlagen) sind aufsichtsrechtlich keine Finanzinstrumente, doch sind sie im Rahmen des Einlagengeschäfts als Bankgeschäfte definiert (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG). Das gilt auch für Kredite, die als Kreditgeschäft (Geld- und Kreditleihe) erfasst sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG). Werden Einlagen bei den Gläubigern und Kredite bei den Schuldnern bilanziert, so gelten sie bei diesen bilanzrechtlich als originäre Finanzinstrumente, weil sie Forderungen oder Verbindlichkeiten darstellen. Das gilt auch für die Bilanzierung bei Kreditinstituten.
Börsenwesen
Nach § 2 Abs. 4 WpHG zählen zu den Finanzinstrumenten Wertpapiere (Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Investmentzertifikate), Geldmarktpapiere, Derivate, Emissionszertifikate und Vermögensanlagen. In § 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG werden neben Schuldverschreibungen und Derivaten auch strukturierte Finanzprodukte und Emissionszertifikate zu den Finanzinstrumenten gezählt. Damit stimmt der wertpapierrechtliche Begriff des Finanzinstruments nicht vollständig mit dem bankrechtlichen überein, weil er die wertpapierfernen Finanzinstrumente ignoriert.
Die Aufzählung in § 2 WpHG hat Rechtsfolgen insbesondere für die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Wertpapierfirmen und die Anlageberatung der Kreditinstitute, bei der vor dem Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dem Privatanleger eine Geeignetheitserklärung nach § 64 Abs. 4 WpHG zu erteilen ist.
Wirtschaftliche Aspekte
Nicht alle Finanzprodukte und Finanzkontrakte sind oder beinhalten Finanzinstrumente. Genossenschaftsanteile und Namensschuldverschreibungen sind zwar Finanzprodukte, aber (wertpapierrechtlich) keine Finanzinstrumente.[7] Dieter Farny betont, dass Versicherer sich Versicherungsprämien beschaffen, um damit Kapitalanlage zu betreiben, wodurch Versicherungsverträge als Finanzkontrakte interpretiert werden können, die wahrscheinlichkeitsverteilte Auszahlungen von Versicherungsleistungen versprechen.[8] Auch diese Finanzkontrakte sind keine Finanzinstrumente.
Da Finanzinstrumente einen Wert besitzen, haben sie einen Nennwert oder sind Stückaktien, oft auch einen Kurswert (Aktien, Anleihen), tragen häufig ein Agio oder Disagio und können – müssen aber nicht – Zinsen tragen. Damit unterliegen sie einem Marktrisiko (Wechselkursrisiko, Zinsrisiko und sonstiges Preisrisiko) und stellen ein Finanzrisiko dar, das sich in einer Wertsteigerung, Wertminderung oder schlimmstenfalls in einem Totalverlust zeigen kann. Deshalb werden die Finanzinstrumente für Anleger in Anlageklassen oder die Risikoeinstellung der Anleger zu Finanzinstrumenten in Risikoklassen eingeordnet.
Sonstiges
Der ähnlich lautende Begriff Finanzierungsinstrument erfasst sämtliche zur Finanzierung von Unternehmen einsetzbaren Maßnahmen, zu denen auch Finanzinstrumente gehören können (beispielsweise die Unternehmensanleihe ist sowohl Finanzierungsinstrument als auch Finanzinstrument).
Einzelnachweise
- Christian Schwarz, Derivative Finanzinstrumente und Hedge accounting, 2006, S. 5
- Carl-Christian Freidank (Hrsg.)/Marc Böhlhoff, Vahlens großes Auditing-Lexikon, 2007, S. 466 ff.
- Gerald Preißler/German Figlin, IFRS-Lexikon, 2009, S. 46 ff.
- Carl-Christian Freidank (Hrsg.)/Klaus J. Müller, Vahlens großes Auditing-Lexikon, 2007, S. 331
- Alfred Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards - IAS/IFRS, 2015, o. S.
- Michael Kissler & Kilian Trautmann: Hinweise zu Kryptowerten und Kryptoverwahrung im Rahmen der jüngsten KWG-Novelle. Handelsblatt Fachmedien Corporate Finance, Juli 2020 (owlit.de).
- Anne Gläßner, Die Beschränkung des Vertriebs von Finanzprodukten, 2017, S. 190
- Dieter Farny, Versicherungsbetriebslehre, 2011, S. 893 f.