Bankbilanzierung
Die Bankbilanzierung ist die Bilanzierung für Banken, genauer für alle Kreditinstitute. Sie unterscheidet sich wesentlich von der Bilanzierung der Nichtbanken, die keine typischen Bankgeschäfte betreiben. Im Rahmen der Bankbilanzierung wird eine Bilanz aufgestellt, bei der Kreditinstitute spezifische Rechnungslegungsstandards zu beachten haben. Der Jahresabschluss eines Kreditinstituts umfasst die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und den Anhang.
Allgemeines
Nichtbanken und Kreditinstitute unterliegen allgemein in Deutschland den Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs und – bei der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien – auch dem Aktiengesetz. International gelten für alle Unternehmen die Rechnungslegungsstandards des International Accounting Standards Board (IASB), sofern die bilanzierenden Unternehmen als Wertpapieremittenten an einem organisierten Kapitalmarkt auftreten. Diese sind nach der IAS-Verordnung der EU vom Juli 2002[1] verpflichtet, seit 2005 in ihren Konzernabschlüssen zwingend die International Financial Reporting Standards (IFRS) anzuwenden. Hier gilt für Kreditinstitute insbesondere der International Financial Reporting Standard 7.
Schematisches Beispiel einer Bankbilanz
Aktivseite | Passivseite |
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Unterschiede zur Nichtbankbilanzierung
Kreditinstitute haben bei ihrer Bilanzierung über diese allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften hinaus auch die speziell für sie geltenden Bestimmungen der §§ 340 ff. HGB und der Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung (RechKredV) zu beachten. Hieraus ergeben sich formelle und materielle Unterschiede zur Bilanzierung bei Nichtbanken.
Materielle Vorschriften
In den §§ 340 bis 340o HGB sind ergänzende Vorschriften für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute enthalten, die die Besonderheiten der Kreditwirtschaft berücksichtigen. § 340a HGB regelt, welche Vorschriften des HGB auch für die Kreditwirtschaft gelten und welche nicht (§ 340a Abs. 2 HGB). § 340b HGB befasst sich mit Pensionsgeschäften, wenn sie unter die hier kodifizierte Legaldefinition fallen. § 340c HGB enthält Vorschriften zur Gewinn- und Verlustrechnung und zum Anhang, nach § 340d HGB ist bei der Fristengliederung die Restlaufzeit maßgebend, § 340e HGB befasst sich mit der Bewertung von Vermögensgegenständen, § 340f HGB behandelt die Vorsorgereserven, § 340g HGB den „Fonds für allgemeine Bankrisiken“, § 340h HGB enthält Vorschriften über die Währungsumrechnung, § 340i HGB regelt die größenunabhängige Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses, § 340l HGB regelt die Offenlegungspflichten, der Rest beinhaltet Strafvorschriften bei Verstößen.
Formelle Vorschriften
Die Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung (RechKredV) sieht eine andere Gliederungsreihenfolge und eine genauere Fristengliederung als bei Nichtbanken vor. Bankbilanzen folgen dem nach § 2 RechKredV vorgeschriebenen Gliederungsschema und orientieren sich auf der Aktivseite am Ordnungsprinzip der Liquidierbarkeit, so dass die Aktiva mit den liquidesten Bilanzpositionen wie Barreserve und Kassenbestand beginnen. Während bei Nichtbanken § 285 Nr. 1a HGB nur kurz- und langfristige Laufzeiten bei Forderungen und Verbindlichkeiten unterscheidet, sind diese Bilanzpositionen nach § 9 Abs. 2 RechKredV genaueren Fristengliederungen unterworfen (< 3 Monate, > 3 bis 1 Jahr, > 1 bis 5 Jahre und > 5 Jahre). Nach § 2 RechKredV müssen Kreditinstitute abweichend von § 275 HGB die Gewinn- und Verlustrechnung nach besonderen Formblättern erstellen, wobei die Konto- oder Staffelform zulässig ist. Grund hierfür ist die banktypische Eigenheit, dass Kreditinstitute keine Umsatzerlöse wie Nichtbanken erwirtschaften, sondern überwiegend Zinserträge (§ 28 RechKredV), denen die Zinsaufwendungen (§ 29 RechKredV) gegenüberzustellen sind. Nach § 34 RechKredV sind zusätzliche Erläuterungen im Anhang zu machen, § 35 RechKredV verlangt zusätzliche Pflichtangaben.
Liquidität und Barreserve
Die Bilanz gibt Auskunft darüber, wie schnell und mit welchen finanziellen Einbußen Vermögensgegenstände im Bedarfsfall liquidiert werden können. Man bezeichnet dies als statische Liquidität. Als Besonderheit gegenüber Bilanzen von Industrieunternehmen, in denen lediglich die Position Kasse als Barreserve vorhanden ist, werden bei Banken auch Zentralbankguthaben wie beispielsweise das Mindestreserveguthaben als Barreserve bilanziert, auch wenn dieses in normalen Zeiten nicht verfügbar ist.
Bilanzierung von Eigenkapital
Eigenkapital besteht bei Kreditinstituten zunächst aus gezeichnetem Kapital, Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen sowie dem Bilanzgewinn bzw. dem Bilanzverlust. Über dieses harte Kernkapital hinaus werden bankenaufsichtsrechtlich noch bestimmte Kapitalinstrumente nach Art. 51 Kapitaladäquanzverordnung (englische Abkürzung CRR) und Ergänzungskapital nach Art. 62 CRR als Eigenmittel anerkannt.
Vorsorgereserven und Überkreuzkompensation
Kreditinstitute dürfen nach § 340f Abs. 1 HGB Forderungen aus dem Kreditgeschäft, Schuldverschreibungen und Aktien (die weder zum Finanzanlagevermögen noch zum Handelsbuch gehören, also nur das Anlagebuch betreffen) zu einem niedrigeren als dem sich aus dem strengen Niederstwertprinzip ergebenden Buchwert bewerten, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zulässig ist. Die Vorsorgereserven dürfen 4 % dieser Bilanzpositionen nicht überschreiten. Nähere Angaben brauchen hierzu im Jahresabschluss nicht gemacht zu werden (§ 340f Abs. 4 HGB). Hieraus ergibt sich eine Verbesserung der anrechenbaren Eigenmittel, weil die Vorsorgereserve als Ergänzungskapital anerkannt ist (Art. 63 Abs. 1 CRR gibt den Mitgliedsstaaten eine Öffnungsklausel für „other items“).
Erträge und Aufwendungen aus sonstigen Wertpapieren und Forderungen sind alle Erträge und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Wertpapierbestand der Liquiditätsreserve und dem Kreditgeschäft auftreten und keinen Zinsertrag bzw. laufenden Ertrag darstellen. Hier findet eine Überkreuzkompensation statt. Wird die Überkreuzkompensation genutzt, so ist im Jahresabschluss nicht erkennbar, ob und in welcher Höhe Vorsorgereserven gebildet oder aufgelöst wurden.
Dies stellt einen Unterschied zum IAS dar. Hier bezieht sich Risikovorsorge ausschließlich auf das Bewertungsergebnis im Kreditgeschäft. Als Nettogröße enthält sie den Saldo aus Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen für latente und erkennbar gewordene Risiken und den Erträgen aus der Auflösung dieser Posten. Die Möglichkeit der Bildung von Vorsorgereserven besteht nicht, weder für Kredite noch für Wertpapiere.
Bilanzierung von Finanzaktiva
Schuldverschreibungen
Eine Schuldverschreibung wird entweder unter Schuldverschreibung und andere festverzinsliche Wertpapiere oder unter Forderungen an Kunden bilanziert.
Je nachdem ob ein Kreditinstitut Schuldverschreibungen ausgibt, werden sie unterschiedlich bilanziert. Kauft ein Kreditinstitut Schuldverschreibungen, so werden sie unter o. g. Posten bilanziert. Gibt eine Bank jedoch selbst Schuldverschreibungen aus, so müssen diese im Passiva unter Verbindlichkeiten an Kunden aufgeführt werden.
Positionen unter dem Bilanzstrich
Hierunter fallen nicht bilanzierungsfähige Geschäftsvorfälle, die nach dem nächsten Bilanzstichtag aber für das bilanzierende Kreditinstitut eine Haftung, eine mögliche Verpflichtung (Kreditrisiko), einen Verlust oder einen Ertrag auslösen können. Eine Inanspruchnahme ist wahrscheinlich; sobald sie konkret wird, muss eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Die Position steht auf der Passivseite der Bilanz.
Sie lassen sich weiter untergliedern in:
- Schwebende Geschäfte: Beispielsweise Derivate weisen am Tag ihres Geschäftsabschlusses keinen Marktwert auf, so dass auch eine Bilanzierung nicht möglich ist. Sobald sie nach dem Geschäftsabschluss einen negativen Marktwert entwickeln, sind für diese drohenden Verluste nach § 249 Abs. 1 HGB Rückstellungen zu bilden. Positive Marktwerte bleiben wegen des Realisationsprinzips stets unberücksichtigt (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB).[2]
- Eventualverbindlichkeiten: Hier handelt es sich um Haftungsverpflichtungen, die auf das Kreditinstitut aus Avalkrediten (übernommene Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen) zukommen können.
- Andere Verpflichtungen: Hierunter fallen unwiderrufliche Kreditzusagen, Platzierungs- und Übernahmeverpflichtungen.
Im Anhang sind weitere Angaben zu machen.
Besondere Bewertungsvorschriften
Für Banken gelten folgende Bewertungsvorschriften:
- § 340e bis § 340h HGB für Kreditinstitute
- § 252 bis § 256 HGB allgemeine Bewertungsvorschriften
Gewinn- und Verlustrechnung
Die Kontoform der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich aus § 340a HGB und ersetzt die Vorschriften des – für Nichtbanken geltenden – § 275 HGB, weitere Einzelheiten regeln die §§ 28 ff. RechKredV. Die GuV gliedert sich bei Kreditinstituten folgendermaßen:
Aufwendungen | Erträge |
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Die GuV lässt sich anhand wichtiger Posten weiter charakterisieren. Es wird unterschieden zwischen Zinsergebnis, Handelsergebnis und Finanzanlageergebnis.
Zinsergebnis
Das Zinsergebnis umfasst mit den Zinsaufwendungen und Zinserträgen alle laufenden Aufwendungen und Erträge, die mit Finanzgeschäften verbunden sind.
Ertrags- und Aufwandskomponente bei Sonstigen Wertpapieren
- Bewertungsergebnis Kreditgeschäft
- Ergebnis aus Wertpapieren der Liquiditätsreserve
- Saldierungswahlrecht
Finanzanlageergebnis
Das Finanzanlageergebnis umfasst Bewertungs- und Veräußerungsergebnisse, die im Zusammenhang mit Finanzanlagen, d. h. Beteiligungen, Anteile an verbundenen Unternehmen und wie Anlagevermögen behandelte Wertpapiere.
Zinsspanne
Die bankspezifische betriebswirtschaftliche Kennzahl der Zinsspanne errechnet sich aus Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung:
Eine Erhöhung der Zinsspanne führt nicht zwingend zu einer Erhöhung des Zinsüberschusses. Eine Steigerung der Zinsspanne kann insbesondere auf eine sinkende Bilanzsumme bei konstantem Zinsüberschuss zurückgeführt werden.
Eine Erhöhung des Zinsüberschusses führt nicht zwingend zu einer Erhöhung der Zinsspanne. Verändern sich Zinsüberschuss und Bilanzsumme im gleichen Verhältnis, bleibt die Zinsspanne konstant.
Beim Zinsüberschuss handelt es sich um eine absolute Größe, wohingegen die Zinsspanne eine prozentuale Größe darstellt.
- Beispiel 1
- Zinsüberschuss 10, Bilanzsumme 100, Zinsspanne 0,1
- Die Zinsspanne erhöht sich von 0,1 auf 0,2 bei gleichzeitig konstantem Zinsüberschuss und einem Rückgang der Bilanzsumme auf 50.
- Zinsüberschuss 10, Bilanzsumme 50, Zinsspanne 0,2
- Beispiel 2
- Zinsüberschuss 10, Bilanzsumme 100, Zinsspanne 0,1
- Der Zinsüberschuss erhöht sich von 10 auf 20 bei gleichzeitiger Verdoppelung der Bilanzsumme auf 200. Die Zinsspanne bleibt konstant bei 0,1.
- Zinsüberschuss 20, Bilanzsumme 200, Zinsspanne 0,1
Zinsertragsbilanz
Das Zinsgeschäft ist der tragende Teil des Bankgeschäftes. Aus diesem Grund wird/wurde zusätzlich zur Bilanz und GuV eine Zinsertragsbilanz bei der Bundesbank eingereicht. Ein Hypothekendarlehen mit einem Volumen von 60.000 Euro und einem Anteil an der Bilanzsumme von 30 % hat bspw. bei einem Zinssatz von 9 % einen Zinsertrag von 5.400 Euro.
Bei der Zinsertragsbilanz wird sowohl der Zinssatz als auch das Volumen nach Ursprungslaufzeiten sowie nach Kundengruppen und Produkten gegliedert.
Berechnung eines jährlichen Zinsüberschusses: Zinserträge – Zinsaufwendungen.
Die Bruttozinsspanne (Zinsspanne, Zinsmarge, Marge) = Zinsüberschuss/Bilanzsumme
Es handelt sich um deskriptive Kennzahlen, die keinen Hinweis liefern, welche Projekte der Erreichung des Managementziels dienlich sind. Ursachen für unterschiedliche Durchschnittswerte bei diesen Kennzahlen können auf Unterschieden in:
- Laufzeiten
- Zinsphasen zur Zeit des Geschäftsabschlusses
- Bonitätsanforderungen
- Bearbeitungsgebühren
- Verkaufsstärke der Mitarbeiter
beruhen.
Informationsfunktionen der Bankbilanzierung
Rechnungslegungsinformationen, die vor der Entscheidung verfügbar sind, verbessern diese:
- Einleger einer Bank benötigt Informationen über die Sicherheit ihrer Anlage
- Eigenkapitalgeber sind auf Informationen über die zukünftige Unternehmensentwicklung angewiesen. Sie tragen das unternehmerische Risiko.
Informationen, inwieweit das Management die Interessen der Kapitalgeber gewahrt hat – hier geht es um die Konsequenzen von bereits getroffenen Entscheidungen –, ermöglichen die Kontrolle der Bankleitung in folgenden Prinzipal-Agenten-Beziehungen:
- Einleger versus Bankleitung
- Geschäftsleitung versus Anteilseigner.
Einzelnachweise
- Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 betreffend internationale Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243 S. 1
- Martin Jonas, Die Bildung von Bewertungseinheiten im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 2011, S. 58