Feldnachrichtentruppe
Die Feldnachrichtentruppe war eine Truppengattung im Heer der Bundeswehr. Sie war ein Element der Aufklärung im Heer. Aufgabe war die nicht-nachrichtendienstliche Informationsgewinnung durch Befragung und Beobachtung von Personen. Die Feldnachrichtentruppe zählte zu den Einsatz- und Führungsunterstützungstruppen des Heeres.
Die Feldnachrichtentruppe wurde nach ihrer Aufstellung zunächst als Frontnachrichtentruppe bezeichnet. 2008 wurde die Feldnachrichtentruppe als eigenständige Truppengattung aufgelöst. Letzter größerer Truppenteil war das Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr. Das Personal wurde größtenteils zur Aufstellung der Heeresaufklärungstruppe herangezogen. In der Heeresaufklärungstruppe existieren in geringem Umfang weiter Feldnachrichtenkräfte, die ähnlich wie die außer Dienst gestellte Feldnachrichtentruppe operieren.
Auftrag
Die Feldnachrichtentruppe war ein Element der Nachrichtengewinnung und Aufklärung der Bundeswehr. Im Gegensatz zu Nachrichtendiensten erfolgte der Einsatz der Soldaten laut Dienstvorschrift nicht verdeckt. Die Erkenntnisse der Feldnachrichtentruppe trugen zur Herstellung eines umfassenden Lagebildes im Verteidigungsfall und zuletzt auch in den Auslandseinsätzen bei. Ziel war besonders das Erkennen von feindlichen Absichten, Truppendislozierungen sowie Erkenntnisse über die Kampfmoral feindlicher Streitkräfte oder weiterer Konfliktparteien, ferner eine Einschätzung der Stimmung in der Zivilbevölkerung in von eigenen Streitkräften besetztem oder kontrollierten Gebiet. Falls möglich, wurden auch Erkenntnisse über die Stimmung der Zivilbevölkerung in von gegnerischen Konfliktparteien kontrolliertem Gebiet gewonnen.
Dabei nutzte die Feldnachrichtentruppe die Methoden der zielorientierten Gesprächsführung, Befragung von Personen im Gewahrsam der Streitkräfte und der Beobachtung von Objekten und Personen.[1] Zusammenfassend werden diese Methoden auch als Human Intelligence (HUMINT) (englisch für „Informationsgewinnung mittels menschlicher Quellen“) bezeichnet.
Die Feldnachrichtentruppe operierte nicht nur in gesicherten rückwärtigen Gebieten, sondern mit der Truppe nah am vorderen Rand der Verteidigung, um Kriegsgefangene möglichst früh zu befragen. In den Auslandseinsätzen ergab sich ein gewisses Bedrohungspotential durch die Befragung nicht immer wohlwollender Zivilbevölkerung.
Geschichte
Die Feldnachrichtenkräfte entstanden aus der Frontnachrichtentruppe. Die Frontnachrichtentruppe wurde 1970 als Truppengattung etabliert, zählte aber immer zu den kleinsten Truppengattungen überhaupt. In der Heeresstruktur IV war jedem Korps eine nicht aktive oder nur teilaktive Frontnachrichtenkompanie unmittelbar unterstellt.
Bei diesen Geräteeinheiten handelte es sich um die Frontnachrichtenkompanie 100 Münster für das I. Korps, die Frontnachrichtenkompanie 200 in Nersingen (II. Korps) sowie die Frontnachrichtenlehrkompanie (teilaktiv) 300 in Diez an der Lahn (III. Korps). Die Frontnachrichtenlehrkompanie 300 unterstand im Frieden als Lehrtruppenteil der Schule für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Bad Ems, die damals die Frontnachrichtensoldaten ausbildete und für die Weiterentwicklung der Truppe verantwortlich war. Dort dienten auch mit Einsatzsprachen sprachkundige Wehrpflichtige.
Im Territorialheer der Heeresstruktur IV waren bei den drei Territorialkommandos zusätzlich jeweils eine weitere Frontnachrichtenkompanie als Geräteeinheiten ausgeplant: die Frontnachrichtenkompanie 600 in Neumünster, die Frontnachrichtenkompanie 800 in Düsseldorf und die Frontnachrichtenkompanie 850 in Oftersheim.
Nach dem Kalten Krieg wurden die meisten dieser Kompanien aufgelöst. Die Truppe wurde in Feldnachrichtentruppe umbenannt und die verbliebenen Kräfte gebündelt. 2002 entstand daher durch Umgliederung der Feldnachrichtenlehrkompanie 300 (ehemals Frontnachrichtenlehrkompanie 300) das Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr. Auf Ebene der Divisionen und deren unterstellten Brigaden wurden teilaktive Feldnachrichtenzüge ausgeplant, die bis 2004 schrittweise aufgestellt wurden.
Die Schule für Nachrichtenwesen ging 2003 gemeinsam mit dem den Frontnachrichtentruppe besonders verbundenen Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr im 2002 neu aufgestellten und zur Streitkräftebasis zählenden Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr auf. Die Schule für Nachrichtenwesen wurde zur „Lehrgruppe Militärisches Nachrichtenwesen“. Neben der Ausbildung am Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr führte die Lehrgruppe Lehrgänge für Feldnachrichtenkräfte streitkräftegemeinsam durch.
Auflösung
Im Rahmen der Transformation der Streitkräfte wurde aus der Panzeraufklärungstruppe (mit Drohnenaufklärungskräften), der Fernspähtruppe, der Feldnachrichtentruppe und den Drohnenaufklärern der Artillerie die neue Truppengattung Heeresaufklärungstruppe aufgestellt. In Deutschland ist die Frontnachrichtentruppe daher nur mehr Teil der Heeresaufklärungstruppe und seit März 2008 keine eigenständige Truppengattung mehr. Das Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr wurde zeitgleich außer Dienst gestellt.
Weitere Entwicklung
Die Feldnachrichtenkräfte sind für die Gesprächsaufklärung in neu aufgestellten Feldnachrichtenzügen der Aufklärungsbataillone des Heeres aufgegangen und integraler Bestandteil des Aufklärungsverbundes des Heeres, aber auch die Marine und die Luftwaffe verfügen über Kräfte für die Gesprächsaufklärung.
Zu den Aufklärungskräften und -mitteln gehören im Weiteren neben der Spähaufklärung durch die Truppe auch die der luftgestützten abbildenden Aufklärung mit Drohnen (KZO, LUNA, ALADIN) und die Aufklärung mit Radar.
Die Aufklärungsbataillone mit Feldnachrichtenkräften sind im gesamten Bundesgebiet disloziert (Ahlen, Eutin, Füssen, Freyung, Gotha, Lüneburg, Munster, Seedorf, Zweibrücken). Zentrale Ausbildungsstätte für Feldnachrichtenkräfte des Heeres ist das Heeresaufklärungsschule in Munster.
Obwohl es heute eine Vielzahl von elektronischen Aufklärungsmitteln wie Satelliten und Aufklärungsdrohnen gibt, bleibt die Gesprächsaufklärung unverzichtbar. Viele lagerelevante Aufklärungsergebnisse in Einsatzgebieten werden durch Feldnachrichtenkräfte gewonnen. In den Einsatzgebieten der Bundeswehr sind Feldnachrichtenkräfte – neben geheimdienstlichen Methoden – das wichtigste und oft sogar das einzige Mittel, um Stimmungen und Absichten der Konfliktparteien sowie der Zivilbevölkerung zu erkennen. Damit tragen sie nicht nur entscheidend zum Gelingen der Mission bei, sondern leisten auch einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der eigenen Soldaten.
Ausbildung
Die lehrgangsgebundene Ausbildung erfolgte zunächst bis 2002 an der Schule für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Bad Ems. Ab 2002 wurde die Ausbildung im Heer an das Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr verlagert. Zusätzlich wurde ab 2003 die lehrgangsgebundene streitkräftegemeinsame Ausbildung auch teils in der „Lehrgruppe Militärisches Nachrichtenwesen“ des mittlerweile aufgelösten Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (Teil der Streitkräftebasis) absolviert.
Die Schule für Strategische Aufklärung der Bundeswehr dient seit 2003 für die Ausbildung aller Kräfte des Militärischen Nachrichtenwesens (MilNW) und der Elektronischen Kampfführung (EloKa).
Organisation
Einordnung
Die Feldnachrichtentruppe war eine eigenständige Truppengattung des Heeres. Sie zählte zu den Einsatz- und Führungsunterstützungstruppen.
Die Feldnachrichtentruppe war Teil des Aufklärungskräfte der Bundeswehr. Gewisse Ähnlichkeit zum Auftrag und zu den Einsatzgrundsätzen ergeben sich teilweise zu nachrichtendienstlichen Einrichtungen der Streitkräfte (Militärischer Abschirmdienst, Amt (später Zentrum) für Nachrichtenwesen der Bundeswehr), teils auch zum halb-militärischen Nachrichtendienst der Bundesrepublik (insbesondere Soldaten des Amtes für Militärkunde im Bundesnachrichtendienst). Die Feldnachrichtentruppe war jedoch kein im Geheimen operierender Militärnachrichtendienst, sondern gab von ihr ermittelte Aufklärungsergebnisse nur an diese weiter. Bei der Übernahme und Befragung von Kriegsgefangene wirkte die Feldnachrichtentruppe mit den Feldjägern zusammen.
Die Teilstreitkräfte Luftwaffe und Marine verfügten (bzw. verfügen bis heute) über eigene Feldnachrichtenkräfte, die nicht zur Feldnachrichtentruppe des Heeres zählten. Die Feldnachrichtenstaffel der Luftwaffe ist in Kerpen stationiert. Die Feldnachrichtenkräfte der Marine bestehen aus einem FN-Zug innerhalb der Aufklärungskompanie des Seebataillons in Eckernförde.
Truppenteile
Letzterer größerer Truppenteil der Feldnachrichtentruppe war das Feldnachrichtenzentrum der Bundeswehr, das mit der Außerdienststellung der Feldnachrichtentruppe ebenfalls außer Dienst gestellt wurde. Das Feldnachrichtenzentrum war Ausbildungsstätte der Feldnachrichtentruppe und gleichzeitig Truppensteller für die Einsätze der Bundeswehr.
Uniform
Die Soldaten der Feldnachrichtentruppe arbeiteten nicht nachrichtendienstlich oder verdeckt. Daher tragen sie die gewöhnliche Uniform der Bundeswehr. Die goldgelbe Waffenfarbe, Kragenspiegel, Barettfarbe und Barettabzeichen teilte sich die Feldnachrichtentruppe mit der Panzeraufklärungstruppe. Das Barettabzeichen zeigte einen stilisierten Spähpanzer auf zwei gekreuzten Reiterlanzen im Eichenlaubkranz (vgl. auch Uniform der Panzeraufklärungstruppe).
Einziges Unterscheidungsmerkmal war zuletzt das interne Verbandsabzeichen des Feldnachrichtenzentrums der Bundeswehr, dem die allermeisten Soldaten der Feldnachrichtentruppe unterstellt waren. Das interne Verbandsabzeichen wurde als Aufnäher am Ärmel der Feldbluse getragen oder als Anhänger auf der Brusttasche der Dienstjacke. Das interne Verbandsabzeichen zeigte eine Eule auf grünem Grund. Die Eule stand für Wachsamkeit und Weisheit. Die goldgelbe Umrandung entsprach der Waffenfarbe der Feldnachrichtentruppe.
- Kragenspiegel in der Waffenfarbe Goldgelb
Literatur
- Reinhard Scholzen: Heeresaufklärung. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-613-03408-2.
Einzelnachweise
- Interview mit einem Feldnachrichtenoffizier. In: Internetangebot zum Informationsangebot „Karriere bei der Bundeswehr“. Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) – Der Präsident, abgerufen am 6. Dezember 2010.