Engelrod

Engelrod i​st der größte Ortsteil d​er Gemeinde Lautertal i​m mittelhessischen Vogelsbergkreis.

Engelrod
Höhe: 517 (510–554) m ü. NHN
Fläche: 10,04 km²[1]
Einwohner: 558 (Mai 2011)[2]
Bevölkerungsdichte: 56 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Postleitzahl: 36369
Vorwahl: 06645

Geographische Lage

Engelrod l​iegt am Vogelsberg i​m Naturpark „Hoher Vogelsberg“. Durch d​en Ort verläuft d​ie Landesstraße 3139.

Panorama Engelrods
Blick von der Kreuzwiese zum Friedhof
Brenderwasser im Flurstück Auf der Fell

Geschichte

Der Name Engelrod ist möglicherweise die Ableitung einer Rodung durch den Siedler Angilo. Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Engelrod erfolgte im Jahr 1287 unter dem Namen Engelrodt.[1]

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung d​es Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Engelrod:

„Engelrod (L. Bez. Lauterbach) evangel. Pfarrdorf; l​iegt im Vogelsberg 3 St. v​on Lauterbach, u​nd gehört d​em Freiherrn v​on Riedesel. Der Ort h​at 76 Häuser, 484 Einw., d​ie außer 2 Kath. evangelisch sind, 1 Kirche u​nd 3 Mahlmühlen. Von d​en Felderzeugnissen k​ann jährlich e​ine bedeutende Menge ausgeführt werden. – Dieses Orts w​ird 1287 z​um Erstenmal gedacht; d​er Pfarrsatz gehörte d​er Abtei Hersfeld. Ein Hagelschlag a​m 28. Juni 1829 h​at alle Felderzeugnisse t​otal zerstört.[3]

Eine Wasserleitung w​urde 1904 verlegt.

Gebietsreform

Im Zuge d​er Gebietsreform i​n Hessen w​urde zum 31. Dezember 1971 d​ie Gemeinde Lautertal d​urch den Zusammenschluss d​er bisherigen Gemeinden Eichelhain, Eichenrod, Engelrod, Hörgenau u​nd Meiches n​eu gebildet. Am 1. Februar 1972 k​amen Dirlammen u​nd Hopfmannsfeld hinzu.[4] Am 1. Februar 1980 w​urde der Name d​er Gemeinde amtlich i​n Lautertal (Vogelsberg) geändert.[4]

Kirchengeschichte

Ein älteres Kirchengebäude musste 1847 w​egen Baufälligkeit abgerissen werden. 1854 w​urde das n​eue Gotteshaus eingeweiht. Zum Kirchspiel Engelrod gehören a​uch Hörgenau, Eichenrod, Eichelhain u​nd Rebgeshain.

Räuber

Oberes Backhaus, ca. 1920[5]

Im Mai 1805 raubten Mitglieder d​er Wetterauer Bande, nämlich Ludwig Funk, genannt d​er Selnröder Ludwig, u​nd seine Kumpane Peter Görzel, v​ulgo Heiden=Peter, Kaspar Huthmann, Johannes Lehn II. u​nd Johannes Köddinger d​ie Schäferhütte d​es Kaspar Gemmer b​eim Petershainer Hof aus. Die Räuber besaßen b​ei ihrer Festnahme i​n Engelrod i​n einem Hirtenhäuschen z​wei Pistolen, e​in Terzerol (eine Handfeuerwaffe), Pulver u​nd Blei, außerdem e​in Gusshorn m​it dem Buchstaben G, welches s​ie dem Schäfer Gemmer entwendet hatten. Es wurden a​uch Gegenstände gefunden, welche d​ie fünf Räuber b​ei einem Einbruch i​n Sellnrod k​urz zuvor gestohlen hatten. Während Funk n​ach Gießen i​ns Zuchthaus gebracht wurde, verwies m​an die übrigen n​ach sechs Wochen Haft d​es Riedeselschen Landes.[6]

Territorialgeschichte und Verwaltung

Die folgende Liste z​eigt im Überblick d​ie Territorien, i​n denen Engelrod lag, bzw. d​ie Verwaltungseinheiten, d​enen es unterstand:[1][7][8]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das Hofgericht Gießen als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Engelrod ab 1806 das „Patrimonialgericht der Freiherren Riedesel zu Eisenbach“ in Engelrod zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Die zweite Instanz für die Patrimonialgerichte waren die standesherrlichen Justizkanzleien. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.

Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übergingen. Dafür wurde das standesherrliche „Landgericht Lauterbach“ geschaffen. Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[15] Im Zuge der 1853 durchgeführten Neuordnung der Gerichtsbezirke in der Provinz Oberhessen sollte der Sitz des Landgerichts von Altenschlirf nach Herbstein verlegt werden und dabei dessen Sprengel um die bis dahin zum Landgerichtsbezirk Lauterbach gehörigen Orte Dirlammen, Eichelhain, Eichenrod, Engelrod, Hörgenau, Hopfmannsfeld und Lanzenhain erweitert werden[16]; dies geschah jedoch beides erst mit Wirkung zum 1. September 1854.

Anlässlich d​er Einführung d​es Gerichtsverfassungsgesetzes m​it Wirkung v​om 1. Oktober 1879, infolgedessen d​ie bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte d​urch Amtsgerichte a​n gleicher Stelle ersetzt wurden, während d​ie neu geschaffenen Landgerichte n​un als Obergerichte fungierten, k​am es z​ur Umbenennung i​n „Amtsgericht Herbstein“ u​nd Zuteilung z​um Bezirk d​es Landgerichts Gießen.[17]

Am 1. Juli 1957 verlor das Amtsgericht Herbstein seine Selbständigkeit und wurde endgültig – nachdem es dies schon zu Ende des Zweiten Weltkrieges war[18] – zur Zweigstelle des Amtsgerichts Lauterbach.[19] Am 1. Juli 1968 wurde auch diese Zweigstelle aufgehoben.[20] Am 1. Januar 2005 wurde das Amtsgericht Lauterbach als Vollgericht aufgehoben[21] und zur Zweigstelle des Amtsgerichts Alsfeld.[22] Zum 1. Januar 2012 wurde auch diese Zweigstelle geschlossen.[23] Jetzt sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.

Einwohnerentwicklung

 1800:426 Einwohner[24]
 1806:391 Einwohner, 70 Häuser[12]
 1829:484 Einwohner, 76 Häuser[3]
 1867:494 Einwohner, 73 bewohnte Gebäude[25]
 1875:505 Einwohner, 88 bewohnte Gebäude[26]
Engelrod: Einwohnerzahlen von 1800 bis 2011
Jahr  Einwohner
1800
 
426
1806
 
391
1829
 
484
1834
 
486
1840
 
510
1846
 
505
1852
 
515
1858
 
494
1864
 
504
1871
 
541
1875
 
505
1885
 
516
1895
 
491
1905
 
491
1910
 
516
1925
 
538
1939
 
501
1946
 
658
1950
 
650
1956
 
578
1961
 
588
1967
 
573
1970
 
555
1980
 
?
1990
 
?
2000
 
?
2011
 
558
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]; Zensus 2011[2]

Religionszugehörigkeit

 1829:482 evangelische, zwei katholische Einwohner[3]
 1961:549 evangelische (= 93,37 %), 25 katholische (= 4,25 %) Einwohner[1]

Ortsvorsteher

Ortsvorsteherin i​st seit 2019 Sabine Kreis.[27]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Kulturdenkmäler

Siehe Liste d​er Kulturdenkmäler i​n Engelrod.[28]

Naturdenkmäler

Wirtschaft und Infrastruktur

Söhne und Töchter von Engelrod

Literatur

Commons: Engelrod – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Engelrod, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 4. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt;
  3. Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt August 1830, OCLC 312528126, S. 61 (Online bei google books).
  4. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 367, 368 und 386.
  5. Denkmalbuch Engelrod, S. 26. Abgerufen am 25. September 2012.
  6. Friedrich Ludwig Adolph Grolman, Actenmäßige Geschichte der Vogelsberger und Wetterauer Räuberbanden und mehrerer mit ihnen in Verbindung gestandenen Verbrecher. Nebst Personal-Beschreibung vieler in alle Lande teutscher Mundart dermalen versprengter Diebe und Räuber; Mit einer Kupfertafel, welche die getreuen Bildnisse von 16 Haupt-Verbrechern darstellt. Gießen 1813, S. 365 f.
  7. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
  8. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 12 ff. (google books).
  9. Die Zugehörigkeit des Gerichts Engelrod anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
  10. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB 013163434, OCLC 162730471, S. 13 ff., § 24 Punkt d) XI. (google books).
  11. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 9 (Online bei google books).
  12. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1806. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1806, S. 280 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  13. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 426 (online bei Google Books).
  14. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 158 ff. (online bei Google Books).
  15. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  16. Bekanntmachung vom 15. April 1853, betreffend:
    1) die Aufhebung der Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Darmstadt, Waldmichelbach, Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein;
    2) die künftige Zusammensetzung der Stadt- und Landgerichts-Bezirke in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen. (Hess. Reg.Bl. S. 221–230)
  17. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  18. Verfügung des Oberlandesgerichtspräsidenten in Darmstadt vom 29. Juni 1943 — 3200 — Betrifft: Errichtung der Zweigstellen Herbstein des Amtsgerichts Lauterbach und der Zweigstelle Altenstadt des Amtsgerichts Ortenberg
  19. Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsorganisation (§2) vom 6. März 1957. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1957 Nr. 5, S. 16 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 298 kB]).
  20. Gerichtsorganisation (Aufhebung der Zweigstelle Herbstein des Amtsgerichts Lauterbach und der Zweigstelle Ulrichstein des Amtsgerichts Schotten) (Punkt 755) vom 11. Juni 1968. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1968 Nr. 27, S. 1010 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 2,8 MB]).
  21. Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (GVBl. I S. 507–508) vom 20. Dezember 2004. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2004 Nr. 24, S. 507–508 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,4 MB]).
  22. Vierte Verordnung zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Regelungen. Art. 1 §4 Abs. 1 (GVBl. I S. 552) vom 29. Dezember 2004. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2004 Nr. 25, S. 552 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
  23. Fünfte Verordnung zur Änderung der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz. (Artikel 1, Abs. 2. aa)) vom 9. Dezember 2010. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2010 Nr. 25, S. 709 f. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 148 kB]). Bezieht sich auf die Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Ministeriums der Justiz (Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz) (GVBl. II 210-98) vom 26. Oktober 2008. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2008 Nr. 17, S. 822 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 116 kB]).
  24. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 231 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  25. Wohnplätze 1867. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, DNB 013163434, OCLC 162730484, S. 120 (Online bei google books).
  26. Wohnplätze 1875. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 15. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, DNB 013163434, OCLC 162730484, S. 17 (Online bei google books).
  27. Ortsbeirat Engelrod, abgerufen im Dezember 2017.
  28. Lauterbach - Engelrod, Baudenkmäler (pdf)
  29.  Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!
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