Elefantenvögel
Die Elefantenvögel (Aepyornithidae, auch Madagaskar-Strauße oder madagassisch Vorompatras) sind eine ausgestorbene Familie der Laufvögel mit den drei Gattungen Aepyornis, Mullerornis und Vorombe. Sie ist durch Fossilien und zahlreiche subfossile Eifunde von der Insel Madagaskar vor der Ostküste Afrikas bekannt. Die erstmalige Entdeckung eines Fossils dieser Vögel gelang dem Franzosen Alfred Grandidier während einer seiner Forschungsreisen auf der Insel zwischen 1865 und 1870.
Elefantenvögel | ||||||||||||
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Aepyornis maximus | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Ordnung | ||||||||||||
Aepyornithiformes | ||||||||||||
Newton, 1884 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Familie | ||||||||||||
Aepyornithidae | ||||||||||||
Bonaparte, 1853 |
Anatomie
Die Aepyornithiden wiesen die typische cursoriale (auf Schnellläufigkeit abgestimmte) Anatomie eines Bodenvogels auf: Die Beine waren lang und die Zehen kurz, während der Flugapparat nahezu gänzlich zurückgebildet wurde. Die Armknochen sind bis auf den Oberarmknochen verloren, das Brustbein ist flach und ungekielt. Der Hals ist lang und trägt einen verhältnismäßig kleinen Schädel. Vorombe titan war mit geschätzten 536 bis 732 kg der vermutlich schwerste Vogel aller Zeiten. Aepyornis maximus war ebenfalls ein größerer Vertreter des Taxons und dürfte zwischen 2,7 und 3 m Höhe und über 400 kg Gewicht erreicht haben.[1] Damit handelt es sich mit um die größten bekannten Vögel der Erdgeschichte und die größten Vögel in historischer Zeit, vergleichbar mit Dromornis stirtoni[2] oder Brontornis burmeisteri[3] aus dem Miozän oder Pachystruthio dmanisensis aus dem Pleistozän. Die Riesenmoa (Dinornis) mit einer Scheitelhöhe von bis zu 3,6 m und einem geschätzten Gewicht von um die 250 kg, die am Ende des 14. Jahrhunderts ausgerottet wurden, waren die einzigen Vögel, die während historischer Zeit ähnliche Ausmaße erreichten. Von Aepyornis maximus sind auch subfossile Eierschalen und komplette Eier bekannt, deren Länge in einigen Fällen max. 34 cm und eine Breite von 22,5 cm beträgt.[4]
Evolution und Biogeographie
Die Aepyornithiden waren auf Madagaskar endemisch. Madagaskar trennte sich bereits in der Kreidezeit vom Kontinent Afrika, was einige Fachleute auf einen Verlust der Flugfähigkeit der Vorompatra in situ schließen ließ.[5] Phylogenomische Studien stützen die Paraphylie der Laufvögel in klassischer Auffassung und suggerieren einen unabhängigen Verlust der Flugfähigkeit innerhalb der Laufvögel.[6][7] Mitochondriale DNA legt nahe, dass Elefantenvögel innerhalb der Urkiefervögel nahe mit einem Taxon der Kiwis, Emus und Kasuaren verwandt sind.[8][9][10][11]
Nahrung
Es gibt keine direkten Belege der Nahrung, die Elefantenvögel üblicherweise zu sich nahmen. Die meisten heute lebenden Laufvögel sind Omnivoren. Es gibt jedoch dick beschalte Regenwaldfrüchte auf Madagaskar, die nach Meinung einiger auf die Verdauung durch Laufvögel ausgelegt waren. So weist etwa die Frucht der heute stark bedrohten Kokospalme Voanioala gerardii eine derartige dicke Schale auf, und einige madagassische Palmfrüchte zeigen eine dunkelblau-violette Farbe (z. B. Revenea louvelii und Satranala decussilvae), ähnlich jenen Früchten, die von Kasuaren bevorzugt werden.[12]
Arten
Die Familie Aepyornithidae wird in drei Gattungen unterteilt:[13]
- Aepyornis I. Geoffroy Saint-Hilaire, 1851
- Aepyornis hildebrandti Burckhardt, 1893 (Synonyme: Aepyornis gracilis, Aepyornis lentus)
- Aepyornis maximus I. Geoffroy Saint-Hilaire, 1851 (Synonyme: Aepyornis medius, Aepyornis cursor)
- Mullerornis Milne-Edwards & Grandidier, 1894
- Mullerornis modestus Milne-Edwards & Grandidier, 1869 (Synonyme: Aepyornis modestus, Mullerornis agilis, Mullerornis betsilei, Mullerornis rudis)
- Vorombe Hansford & Turvey, 2018
- Vorombe titan Andrews, 1894 (Synonyme: Aepyornis titan, Aepyornis ingens)
Der Gattungsname Vorombe ist der madagassischen Sprache entlehnt, wo Vorona Vogel und goavambe riesig bedeutet. Bei zusammengesetzten Wörtern neigt die madagassische Sprache zum Weglassen unbetonter Silben – man hört also nur Vurumbe, was gemäß madagassischer Orthografie dann Vorombe geschrieben werden müsste.
Zeitliches Auftreten und Aussterben
Ursprung und Entwicklung der Elefantenvögel sind nicht eindeutig. Die genetischen Daten zeigen, dass sie zumindest eine recht alte Gruppe sind. Laut diesen Untersuchungen trennten sich die Linien der Kiwis und Elefantenvögel – abhängig von der verwendeten Methodik – im Paläogen vor rund 62 bis 50 Millionen Jahren voneinander, letztere spalteten sich im Verlauf des Oberen Eozäns bis Mittleren Miozän vor 35 bis 17 Millionen Jahren auf.[9][10][11] Madagaskar war schon seit mindestens 80 Millionen Jahren eine eigenständige Insel. Ungeklärt ist, ob die Vorfahren der Elefantenvögel nach Madagaskar einwanderten oder bereits vor dem Aufbrechen von Gondwana dort lebten.[14] Die weitere känozoische Entwicklung der Gruppe ist unbekannt, da auf Madagaskar die entsprechenden Sedimente für eine Fossilerhaltung fehlen. Die ältesten eindeutigen Fossilreste sind Eierschalen von der Dünenfundstelle Faux Cap im äußersten Süden der Insel, die wohl älter als 50.000 Jahre sind. Begleitende Schnecken wurden mit Hilfe der Radiocarbonmethode auf rund 42.055 bis 32.605 Jahre vor heute datiert, was dem entwickelten Jungpleistozän entspricht.[15] Weitere direkt an Resten von Elefantenvögeln gewonnene und kalibrierte 14C-Daten liegen ebenfalls für Eierschalen aus Ankilitelo mit etwa 13.140 Jahren vor heute und für Beinknochen vom Christmas River mit 10.620 Jahren vor heute vor. Letztere werden Aepyornis maximus zugewiesen, für die ersteren beiden Fundstellen ist die genaue Artbestimmung unsicher. Die angegebenen Alterswerte markieren den Übergang vom Pleistozän zum Holozän.[16][17]
Die Elefantenvögel waren im Holozän wohl recht häufig auf Madagaskar. Sie kamen mit allen drei heute bekannten Gattungen über die ganze Insel verbreitet vor.[18] An Fossilien gewonnene absolute Alterswerte streuen für Aepyornis und Mullerornis weitgehend über den gesamten Zeitraum. Lediglich für Vorombe wurden bisher nur zwei Datierungen an Beinknochen vorgestellt, die den Zeitraum von vor 3680 bis 2350 Jahren vor heute abdecken.[16][14][13] Man stimmt weitestgehend darin überein, dass das Aussterben der Elefantenvögel auf menschliche Einflüsse zurückzuführen ist. Nach traditioneller Ansicht besiedelte der Mensch ab etwa 350 v. Chr. die Insel dauerhaft, einzelne Hinweise lassen aber auch frühere Aufenthalte annehmen.[16] Womöglich nutzten sie die riesigen Vögel als wichtige Fleischlieferanten wie einzelne zerlegte Kadaver aufzeigen.[18] Insbesondere die Eier dürften gefährdet gewesen sein, die einigen Indizien zufolge als Mahlzeiten zubereitet wurden.[19] Wahrscheinlich spielte auch die von den Einwohnern betriebene Brandrodung eine zusätzliche Rolle, da sie große Flächen des Lebensraums der Elefantenvögel zerstörte. Des Weiteren ist möglich, dass Krankheiten, übertragen durch eingeführtes Geflügel, einen Einfluss hatten.[20] Aus archäologisch-paläontologischer Sicht ist das Datum des Aussterbens der Elefantenvögel ebenfalls nicht sicher belegt. Die jüngsten Altersangaben fallen mit den subfossilen Funden von Andrahomana und Manambovo in das 12. bis 13. Jahrhundert. Bei beiden Fundstellen dienten wiederum Eierschalen als Grundlage für die Bestimmung. Zumindest für Andrahomana sind zudem Fossilreste von Aepyornis und Mullerornis belegt.[16][18][14][17] Im Jahr 1661 erwähnte Étienne de Flacourt in seinem Reisebericht über Madagaskar die Elefantenvögel als Vouron patra. Der nur wenige Zeilen lange Absatz beschreibt die Eier der Tiere, die an jene von Straußen erinnern. Zudem würden die Vögel nur selten angetroffen, da sie sehr trockene Landschaften bewohnten.[21] Es ist unwahrscheinlich, dass Flacourt die Elefantenvögel selbst gesichtet hatte, einige Autoren gehen aber davon aus, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch auf der Insel lebten.[22][23]
Etymologie
Elefantenvogel
Oft wird angenommen, dass die Aepyornithidae der Ursprung der Legenden um den Vogel Roch (andere Schreibweisen: Vogel Ruch oder Rock) sind. Ein historischer Hinweis darauf findet sich in Megiser (1623).[24] Die Bezeichnung Elefantenvogel rührt von Marco Polos Beschreibungen des Roch her, in welchen ein adlerähnlicher Vogel von der Größe eines Elefanten geschildert wurde.[19] Eier des Vorompatra wurden möglicherweise irrtümlich als die eines riesigen Greifvogels interpretiert, was Aepyornis maximus diesen Namen einbrachte. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Roch auf Sichtungen des heute ausgerotteten madagassischen Verwandten des Kronenadlers basiert, Stephanoaetus mahery.[25]
Vorompatra
Vorompatra ist die alte madagassische Bezeichnung für den Aepyornis maximus, von der mehrere Schreibweisen existieren. Vorompatra bedeutet „Vogel der Ampatres“. Die Ampatres sind die heutige Androy-Region. Dies deckt sich mit Étienne de Flacourts Bericht, dem zufolge die angeblichen Reliktbestände des Elefantenvogels die Ampatres bewohnen würden.
Einzelnachweise
- S. J. J. F. Davies: Elephant birds. In Michael Hutchins (Hrsg.): Grzimek's Animal Life Encyclopedia. 8 Birds I Tinamous and Ratites to Hoatzins (2 ed.). Farmington Hills, MI: Gale Group, 2003, S. 103–104. ISBN 0-7876-5784-0.
- Peter Murray, Patricia Vickers-Rich: Magnificent Mihirungs: The colossal flightless birds of the Australian dreamtime. Indiana University Press, 2003.
- Herculano M. F. Alvarenga, Elizabeth Höfling: Systematic revision of the Phorusrhacidae (Aves: Ralliformes). Papéis Avulsos de Zoologia 43 (4), 2003, S. 58 links (PDF; 5,6 MB).
- Jiří Mlíkovský: Eggs of extinct aepyornithids (Aves: Aepyornithidae) of Madagascar: size and taxonomic identity. Sylvia 39, 2003, S. 133–138. (PDF; 172 kB).
- Marcel van Tuinen, Charles G. Sibley, S. Blair Hedges: Phylogeny and Biogeography of Ratite Birds Inferred from DNA Sequences of the Mitochondrial Ribosomal Genes. Molecular Biology and Evolution 15 (4), 1998, S. 370–376.
- Shannon J. Hackett, Rebecca T. Kimball, Sushma Reddy, Rauri C. K. Bowie, Edward L. Braun, Michael J. Braun, Jena L. Chojnowski, W. Andrew Cox, Kin-Lan Han, John Harshman, Christopher J. Huddleston, Ben D. Marks, Kathleen J. Miglia, William S. Moore, Frederick H. Sheldon, David W. Steadman, Christopher C. Witt, Tamaki Yuri: A Phylogenomic Study of Birds reveals their Evolutionary History. Science 320 (5884), 2007, S. 1763–1768, doi:10.1126/science.1157704.
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- Eric Buffetaut: Elephant Birds Under the Sun King? Etienne de Flacourt and the Vouron patra. Boletim do Centro Português de Geo-História e Pré-História 1 (1), 2018, S. 13–19.
- H. Megiser: Warhafftige … so wol Historische als Chorographische Beschreibung der … Insul Madagascar, sonsten S. Laurentii genandt (etc.). Groß, Leipzig 1623.
- Steen M. Goodman: Description of a new species of subfossil eagle from Madagascar: Stephanoaetus (Aves: Falconiformes) from the deposits of Ampasambazimba. Proceedings of the Biological Society of Washington 107, 1994, S. 421–428.
Literatur
- S. J. Clarke, J.-L. Schwenninger, G. H. Miller, M. L. Fogel und A. R. Chivas: Breathing life into the extinction of Aepyornis with eggshell amino acids and stable isotopes. online
- A. Feduccia: The origin and evolution of birds. Yale University Press, New Haven/London 1996: S. 283 ff. ISBN 0-300-06460-8