Edda Göring
Edda Göring (* 2. Juni 1938 in Berlin; † 21. Dezember 2018 in München[1]) war die Tochter des nationalsozialistischen Politikers und Reichsmarschalls Hermann Göring und seiner zweiten Ehefrau, der Theaterschauspielerin Emmy Göring (geborene Sonnemann).
Leben
Emmy Göring wurde im Alter von 44 Jahren im Rittberg-Krankenhaus in Berlin-Lichterfelde künstlich befruchtet[2] und brachte Edda im Berliner Westsanatorium zur Welt.[3] Zu ihren Taufpaten gehörte Adolf Hitler.[4] Sie wurde möglicherweise nach Benito Mussolinis Tochter Edda oder nach einer Freundin ihrer Mutter benannt. Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie unter anderem in Carinhall, dem nahe Berlin gelegenen herrschaftlichen Landsitz ihres Vaters.
Am 21. Mai 1945 wurde sie mit ihren Eltern im US-amerikanischen Lager Camp Ashcan in Mondorf in Luxemburg interniert. Während des Nürnberger Prozesses durfte sie ihren Vater im Gefängnis besuchen.[5] In der Nacht vor seiner geplanten Hinrichtung durch den Strang beging Hermann Göring am 15. Oktober 1946 Suizid mithilfe einer Giftkapsel.[6]
1948 wurde Edda Göring in die dritte Klasse der Oberrealschule Sulzbach-Rosenberg eingeschult. Die Familie lebte inzwischen in der Nähe von Hersbruck.[7] Ende November des Jahres siedelte sie mit ihrer Mutter und deren Schwester Else Sonnemann nach Etzelwang über.[8]
Ab 1949 prozessierte Emmy Göring jahrelang, um Wertgegenstände aus dem Besitz ihres Mannes zu erhalten. Viele davon erklärte sie zum Erbe der inzwischen zehnjährigen Tochter.[9] Edda Göring wurde am 12. April 1953 in der Kreuzkirche zu München konfirmiert. Sie wohnte zu dieser Zeit in der Adelheidstraße in München.
Edda Göring begann ein Jurastudium an der Universität München,[10] das sie aber offenbar nicht beendete. Zwischenzeitlich arbeitete sie in einem Krankenhauslabor und hatte ein neues Berufsziel: medizinisch-technische Assistentin.[11]
Nach dem Krieg war Edda Göring regelmäßig zu Gast im Bayreuther Haus von Hitlers früherer Förderin Winifred Wagner. Deren Enkel Gottfried Wagner erinnerte sich später an die Einladungen seiner Großmutter, die zu jener Zeit politische Freunde empfing wie Edda Göring, Ilse Heß, den damaligen NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden, Gerdy Troost, die Frau des NS-Architekten und Hitler-Freundes Paul Ludwig Troost, den britischen Faschisten-Führer Oswald Mosley, den verwandten NS-Filmregisseur Karl Ritter sowie den rassistischen Autor und ehemaligen Reichskultursenator Hans Severus Ziegler. 1986 gab sie dem schwedischen Fernsehen ein Interview, in dem sie Hermann Göring als liebevollen Vater beschrieb, sich aber eindeutig von dessen Politik distanzierte. Interviewer war der schwedische Autor und Regisseur Björn Fontander. Auf ihren Wunsch wurde das Interview nicht in Deutschland ausgestrahlt. Heute ist es im Internet zu sehen.[12]
Ab 1976 war sie fünf Jahre lang mit dem damaligen Stern-Reporter Gerd Heidemann befreundet, dem sie 1981 die Tagebücher ihres Vaters Hermann Göring verkaufen wollte; diese wurden später an einen Sammler aus der Schweiz veräußert. Eine Kopie davon ist beim Institut für Zeitgeschichte archiviert.[13] Die Beziehung zu Heidemann fand als Nebenhandlung Eingang in Helmut Dietls Film Schtonk! von 1992. In dieser Komödie, die sich um die gefälschten Hitler-Tagebücher dreht, spielt Christiane Hörbiger eine fiktive Nichte Görings, Freya von Hepp, deren Rolle an Edda Göring angelehnt ist.
Edda Göring arbeitete als Angestellte in der Gesundheitsbranche, zuletzt in einer Wiesbadener Rehaklinik. Sie blieb unverheiratet und widmete sich neben ihrem Beruf der Betreuung ihrer Mutter. Bei ihr wohnte sie auch bis zu deren Tod am 8. Juni 1973. Edda Göring lebte bis zu ihrem Tod im Münchner Stadtteil Lehel.[14]
Edda Göring verstarb nach Angaben des Münchner Kreisverwaltungsreferats am 21. Dezember 2018 und wurde in einem Urnengrab im neuen Teil des Münchner Waldfriedhofs beigesetzt.[1]
Rechtsstreit um Gemälde
Edda Göring hatte anlässlich ihrer Taufe am 4. November 1938 in Carinhall zahlreiche Kunstwerke zum Geschenk erhalten, unter anderem auch ein Bild der „Madonna mit dem Kind“ von Lucas Cranach dem Älteren, das kurz zuvor für das Wallraf-Richartz-Museum erworben und vom Oberbürgermeister der Stadt Köln aus den Sammlungen entnommen worden war.[15]
Nach dem Krieg focht die Stadt Köln die Schenkung mit Schreiben vom 8. August und 7. Dezember 1949 an, unter anderem mit der Begründung, die Schenkung sei durch Druck Görings zustande gekommen.[16] Auch der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland erhoben Anspruch auf das Gemälde.[17]
Generalanwalt Philipp Auerbach, „Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte“ in Bayern, war damals mit dem Rückführen der zahllosen Kunstschätze betraut, die dem Ehepaar Göring mehr oder weniger freiwillig zum Geschenk gemacht worden waren.
Der Bundesgerichtshof (BGH) gab mit Urteil vom 7. März 1962 einer Revision der Stadt Köln statt, die auf Feststellung, sie sei Eigentümerin des Bildes, geklagt, aber in der Vorinstanz verloren hatte. Der BGH führte dazu unter anderem aus, es sei zwar nicht festgestellt, dass die Schenkung auf Druck Görings zustande gekommen sei, sie habe aber grob gegen das Haushaltsrecht der Gemeinden verstoßen. Ein abschließendes Urteil fällte der BGH aber noch nicht, sondern verwies die Sache zurück.[18]
Edda Göring klagte auf Herausgabe des Cranachs.[19] Sie hat den Prozess um das Gemälde schließlich verloren. Der Bundesgerichtshof hatte die Sache an das Oberlandesgericht Köln mit dem Hinweis zurückverwiesen, dass die Frage zu prüfen sei, ob die Stadt Köln nach dem Haushaltsrecht überhaupt berechtigt gewesen sei, ein derart kostspieliges Geschenk zu machen. Der 5. Senat des BGH meinte, wenn die Stadt das Gemälde auch ganz freiwillig hingegeben habe, so könne doch die Schenkung deshalb als sittenwidrig bezeichnet werden, weil damit gegen das Gebot sparsamer Haushaltsführung verstoßen worden sei (Ausgabe für das Bild: 50.000,- Reichsmark).[20]
Am 23. Januar 1968 verkündete das Oberlandesgericht Köln das abschließende Urteil zugunsten der Stadt Köln.[21] Die Klage Edda Görings wurde abgewiesen. Das Gericht bezeichnete die auf Kosten der Bürgerschaft geschehene schenkweise Übereignung des wertvollen Bildes als sittenwidrig und damit als nichtig, und es beendete damit den Rechtsstreit nach über 15 Jahren. Das Bild hängt jetzt in der „Alten“ Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums (WRM 3207).[22]
Im November 2014 forderte Edda Göring per Petition die Herausgabe von Teilen des zum Teil geraubten und erpressten Vermögens ihres Vaters aus der NS-Zeit. Im April 2015 wurde dies einstimmig vom Rechtsausschuss des Bayerischen Landtages zurückgewiesen.[23]
Literatur
- Willi Frischauer: Ein Marschallstab zerbrach. Eine Göring-Biographie. Münster-Verlag, Ulm 1951, DNB 451383575, S. 314.
- Gerald Posner: Hitler’s Children. Sons and Daughters of Third Reich Leaders. Crux Publishing, London 2017, ISBN 978-1-909979-47-5, Kap. 10: Little Princess. Interview des Autors mit Edda Göring (amerikanisches Englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Originaltitel: Hitler’s Children. Sons and Daughters of Leaders of the Third Reich Talk About Themselves and Their Fathers. Erstausgabe: Random House, New York 1991).
- Norbert Lebert, Stephan Lebert: Denn Du trägst meinen Namen. Das schwere Erbe der prominenten Nazi-Kinder. Karl-Blessing-Verlag, München 2000, ISBN 3-89667-105-7.
- Werner Maser: Hermann Göring. Hitlers janusköpfiger Paladin. Die politische Biografie. Edition q (Quintessenz), Berlin 2000, ISBN 3-86124-509-4, S. 273.
Weblinks
- GOERING'S DAUGHTER CHRISTENED - SOUND auf YouTube, abgerufen am 8. März 2019 (Deutsch: Görings Tochter getauft – Ton).
Einzelnachweise
- Lydia Wünsch, Sascha Karowski: Edda Göring: Hitlers Patentochter diskret beerdigt, tz.de, 8. März 2019 (abgerufen am 8. März 2019).
- Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Komplett überarbeitete Neuausgabe. E-Book-Version. Heyne, München 2013, ISBN 978-3-641-09876-6, o. S. Die Seite bei Google Books.
- Werner Brockdorff: Flucht vor Nürnberg. Pläne und Organisation der Fluchtwege der NS-Prominenz im „Römischen Weg“. Welsermühl, München/Wels 1969, S. 278.
- Emmy Göring erinnerte sich 1967 (An der Seite meines Mannes, Begebenheiten und Bekenntnisse, Göttingen 1967, S. 137) an die Taufe: „Getauft wurde sie vom Reichsbischof. Ihre Paten waren, außer Adolf Hitler und der Großdeutschen Luftwaffe, unsere nächsten Verwandten und Freunde, und dazu nahmen wir noch unsere Cilly.“
- Viktor von der Lippe: Nürnberger Tagebuchnotizen November 1945 bis Oktober 1946, Frankfurt am Main 1951, S. 490. Laut New York Times vom 13. September 1946 durfte Edda ihren Vater nicht sehen.
- Volker Knopf, Stefan Martens: Görings Reich: Selbstinszenierungen in Carinhall. 4. aktual. Auflage. Berlin 2007, S. 152.
- Helmut Ackermann: Teilnehmer einer Völkerwanderung. Books on Demand, Düsseldorf 2002, S. 261.
- Maria Rita Sagstetter: Hermann Göring auf Burg Veldenstein und in Sackdilling. In: Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hrsg.): Archivalische Zeitschrift. Band 88, Nr. 2, München 2006, S. 813.
- Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. München 2001, S. 100.
- Meldung im Spiegel 45/1958, abgerufen am 23. Oktober 2014
- N. Lebert, St. Lebert: Denn Du trägst meinen Namen – Das schwere Erbe der prominenten Nazi-Kinder. S. 174.
- https://www.youtube.com/watch?v=SAz1FLUPxTU abgerufen am 30. August 2021
- Ehemaliger Celler Chefärztin 12 Tötungen zur Last gelegt. (Memento vom 18. März 2016 im Internet Archive)
- N. Lebert, St. Lebert: Denn Du trägst meinen Namen – Das schwere Erbe der prominenten Nazi-Kinder. S. 187.
- Vgl. Inka Bertz, Michael Dorrmann: Raub und Restitution: Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute. 2008, S. 147; Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin.
- Günther Haase: Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls Hermann Göring. 2000, S. 200.
- Madonna ohne Makel. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1962 (online).
- Aktenzeichen V ZR 132/60, NJW. 1962, S. 955.
- Vgl. Bundesarchiv Koblenz, B 126/42680.
- Vgl. „Nation Europa“ [!], Band 12, Coburg 1966, S. 43.
- Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Januar 1968 – 4 U 104/66
- Adolf Klein: Köln im Dritten Reich: Stadtgeschichte der Jahre 1933–1945. Köln 1983, S. 234; Vgl. Esther Tisa Francini, Anja Heuss, Georg Kreis: Fluchtgut – Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution. Zürich 2001, S. 248.
- Tochter von Nazi-Verbrecher Göring forderte Erbe vom Freistaat zurück in der Augsburger Allgemeine vom 23. April 2015.