Cotton made in Africa
Cotton made in Africa (CmiA) ist ein freiwilliger Nachhaltigkeitsstandard für afrikanische Baumwolle mit Sitz in Hamburg. Mit dem 2005 als Public-Private-Partnership gestarteten Textilsiegel soll nachhaltiger, kleinbäuerlicher Baumwollanbau in Subsahara-Afrika gefördert werden. Nach der ähnlich aufgebauten und mit CmiA kompatiblen Better Cotton Initiative ist CmiA mittlerweile der zweitgrößte Nachhaltigkeitsstandard für Baumwolle. Die Corporate-Social-Responsibility-Initiative finanziert Förderprojekte, die den Menschen in Afrika helfen sollen, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien. Gleichzeitig fordert sie von den Produzenten, sich an bestimmte Regeln zu halten und auf Nachhaltigkeit zu achten. CmiA-Baumwolle wird zu Marktpreisen abgenommen und stammt, außer beim grünen CmiA-Biosiegel, nicht aus ökologischer Landwirtschaft. CmiA finanziert sich mehrheitlich durch westliche Textilhandelsunternehmen, die die CmiA-Baumwolle gegen eine Lizenzgebühr pro Volumen abnehmen.
Geschichte
CmiA wurde 2005 vom Hamburger Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Otto Group, Michael Otto, gegründet. Träger war die Foundation for Sustainable Agriculture and Forestry (‚Stiftung für nachhaltige Land- und Forstwirtschaft‘), die damals vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Otto Group, Tom Tailor, WWF Deutschland und der Welthungerhilfe getragen wurde. 2007 benannte sie sich in Aid by Trade Foundation (‚Stiftung Hilfe durch Handel‘) um.[1][2] Die Bill & Melinda Gates Foundation sowie mehrere private und staatliche Partner finanzierten das Projekt in der Anfangsphase,[3] das erste Projektland war Benin.[4] 2007 wurden die ersten 400.000 Textilien mit dem CmiA-Siegel verkauft.[5]
Anfänglich war das Projekt Teil der Competitive African Cotton Initiative (COMPACI), einem Projekt der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft und der damaligen Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Es wurde bis 2012 mit insgesamt 4,5 Millionen Euro unterstützt.[5] Auch das Bundesministerium förderte das Projekt in den Jahren 2005–10 mit insgesamt 1,48 Millionen Euro,[6] ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. In den ersten Jahren wurden 150.000 Menschen in Benin, Burkina Faso und Sambia geschult.[1]
Im Jahr 2012 nahmen rund 475.000 Kleinbauern aus den Ländern Elfenbeinküste, Mosambik, Malawi, Sambia und Simbabwe an dem Programm teil. 2012 kamen weltweit 20 Millionen Textilien mit dem Label in den Handel.[7] 2016 war CmiA mit 320.100 Tonnen nach der Better Cotton Initiative der zweitgrößte Nachhaltigkeitsstandard für Baumwolle.[8] Die staatliche Förderung des Programms wurde immer weiter zurückgefahren, seit 2017 finanziert es sich nur noch aus eigenen Einnahmen und privaten Spenden.[9] 2019 wurden 600.000 Tonnen von etwa 886.000 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern (davon etwa 169.500 Frauen) in elf afrikanischen Staaten erzeugt. Über die Handelspartner, darunter Aldi, die Otto Group, Vlisco oder die Rewe Group, wurden etwa 125 Millionen Textilien mit dem CmiA-Siegel verkauft.[10] Über 30 % der afrikanischen Baumwollproduktion waren 2019 CmiA-zertifiziert.[11]
Zielsetzung
Die Stiftung möchte die Lebensbedingungen von Baumwollkleinbauern in Subsahara-Afrika zu verbessern, indem sie sie Produzenten schult, nachhaltiger zu wirtschaften, und ihre Produkte für den westlichen Massenmarkt erschließt. So soll eine Markenbekanntheit und eine Nachfrage für afrikanische Baumwolle geschafften werden. Die kleinbäuerlichen Betriebe sollen an der gestiegenen Wertschöpfung beteiligt werden. Anders als beim fairen Handel wird den Produzenten der Baumwolle kein fester Mindestpreis, sondern ein Marktpreis bezahlt. Das Programm finanziert sich überwiegend durch Lizenzgebühren, die der Textilhandel zahlt.[12][13][3] Damit organisiert die Stiftung unter anderem landwirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Schulungen, in denen die Kleinbauern unter anderem effiziente und umweltschonende Anbaumethoden nach den CmiA-Verifizierungskriterien erlernen können, um Ernteerträge und damit das verfügbare Einkommen zu verbessern. Die Menschen in Subsahara-Afrika sollen sich durch diese Qualifizierung aus der Armut befreien. Gemeinsam mit Unternehmenspartnern, Baumwollgesellschaften und der öffentlichen Hand investiert die Stiftung auch in Projekte, die zum Beispiel die schulische Infrastruktur in den Projektregionen verbessern oder Fraueninitiativen unterstützen.[13][3]
CmiA-Standard
Der CmiA-Standard gilt für den Anbau und die Entkörnung von Baumwolle in Subsahara-Afrika. Er definiert zwei Anforderungsstufen:[14]
- Ausschlusskriterien entscheiden darüber, ob Betriebe überhaupt an der Initiative teilnehmen können. Zu diesen Mindestanforderungen gehören etwa der Ausschluss von Sklaverei, Menschenhandel, ausbeuterischer Kinderarbeit (nach ILO-Konventionen 138 und 182) oder die Abholzung von Primärwäldern. Weiterhin sind besonders gefährliche Pestizide und genverändertes Saatgut verboten. Auch können nur Baumwollgesellschaften teilnehmen, die ihre Waren mindestens zu 95 % von Vertragsbauern und Vertragsbäuerinnen beziehen, deren Anbaufläche kleiner als 20 Hektar ist.
- Darüber hinaus müssen CmiA-Kleinbauern und Baumwollgesellschaften eine Reihe Nachhaltigkeitsindikatoren wie Maßnahmen zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Fruchtwechsel oder Pflanzenschutzmethoden nach dem Schadschwellenprinzip beachten. Diese Kriterien müssen nicht alle von Anfang an zu 100 % erfüllt werden, aber Kleinbauern und Produzenten müssen Pläne zu Verbesserungen erarbeiten und nachweisen, dass sie diese Richtlinien zunehmend besser erfüllen.
Die Standards werden alle zwei Jahre durch unabhängige Organisationen (2019: AfriCert und EcoCert) überprüft, je abwechselnd bei den Baumwollgesellschaften und den Entkörnungsbetrieben. Zu Beginn der Zusammenarbeit müssen die Unternehmen eine Selbstauskunft über die Befolgung der CmiA-Kriterien abgeben. Zusätzlich führen die externen Fachleute Kontrollbesuche durch.[15][16]
Als Textilsiegel wird CmiA in zwei Formen vergeben:[17][18]
- Cotton made in Africa inside: das Endprodukt enthält nur CmiA-Baumwolle und ist entlang der Produktions- und Lieferkette rückverfolgbar.
- Supporting the Cotton made in Africa Initiative: Beim Spinnen wird die Baumwolle gemischt. Die Spinnereien kaufen die gleiche Menge zertifizierter Baumwolle, die sie als CmiA-Garn weiterverkaufen. Die tatsächliche Herkunft im Endprodukt ist unklar.
Seit 2014 gibt es auch das Bio-Siegel CmiA-Organic Standard, der die Anforderungen aus dem CmiA-Programm mit denen von GOTS und der EU-Öko-Verordnung kombiniert.[19]
Struktur
Die Multi-Akteur-Initiative CmiA wird von der Aid by Trade Foundation (AbTF) und der ATAKORA Fördergesellschaft GmbH getragen, wobei letztere für die Stiftung die Markenrechte vertreibt. Beide haben ihren Sitz in Hamburg. Die AbTF wird von einem Kuratorium beaufsichtigt. Zusätzlich gibt es noch einen Beirat, der mit unterschiedlichen Interessenvertreterinnen und -vertretern, etwa von Nichtregierungsorganisationen, besetzt ist.[20] Die AbTF und CmiA sind Mitglieder im Bündnis für nachhaltige Textilien.[21]
Resultate und Bewertung
Nach einer Studie im Auftrag der DEG war bis 2010/11 das Einkommen der CmiA-Teilnehmenden in Benin im Vergleich zu anderen Betrieben um fast 40 % gestiegen.[22] Laut dem Bundesministerium stieg auch in den ersten Jahren in Sambia das Einkommen der Teilnehmenden um bis zu 40 %.[6] Eine von CmiA beauftragten Lebenszyklusanalyse aus dem Jahr 2014 bescheinigte CmiA-zertifizierter Baumwolle in manchen Bereichen einen geringeren ökologischen Fußabdruck als konventionell erzeugter Baumwolle. CmiA-Baumwolle produziere im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt weniger Treibhausgase. Das liege vor allem an der geringen Mechanisierung beim Anbau und dem seltenen Einsatz industriell hergestellter Düngemittel und Pestizide. Auch werde zur Bewässerung nur Regenwasser statt Grundwasser genutzt.[23]
Eine unabhängige Untersuchung in den beninischen Kommunen Kandi und Pehunko kam hingegen 2014 zu dem Schluss, dass der CmiA-Baumwollanbau nicht nachhaltig sei, da die Erträge pro Hektar durch ungenügende Düngung und ineffiziente Schädlingsbekämpfung sänken. Gleichzeitig erzielten die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Vergleich zur ökologischen Landwirtschaft keine höheren Preise, müssten aber teure Chemikalien kaufen.[24]
Für die Weiterverarbeitung ist CmiA-Baumwolle attraktiv, da sie eine gute Qualität hat (beispielsweise wenige Verunreinigungen, lange Stapel), aber ohne Aufpreis eingekauft werden kann. Hat ein Spinnereibetrieb die passenden Zertifizierungen, kann er Garn aus CmiA-Baumwolle auch mit dem BCI-Siegel weiterverkaufen.[25]
Unter den Corporate-Social-Responsibility-Projekten wird CmiA als gutes Beispiel gesehen,[3][4] das innerhalb einer kapitalistischen, marktorientierten Umgebung die Lebensbedingungen in Subsahara-Afrika verbessere. CmiA könne als unabhängiger Vermittler zwischen internationalen Handelsunternehmen und den kleinbäuerlichen Betrieben dienen und nachhaltige Entwicklung fördern.[3]
Nach einer 2019 veröffentlichten Recherche von Solidar Suisse kauften die Handelsunternehmen Louis Dreyfus und Paul Reinhart in Burkina Faso Baumwolle, bei deren Erzeugung schwere Kinderarbeit eingesetzt wird, obwohl sie laut den Unternehmen CmiA-zertifiziert war. Solidar Suisse bemängelte in diesem Zusammenhang die Kontrollen von CmiA.[26]
Weblinks
Einzelnachweise
- Simone Preuss: Cotton made in Africa feiert 10. Jubiläum. In: fashionunited.de. 1. September 2016, abgerufen am 10. März 2021.
- Köhler und Otto für "Cotton - made in Africa". In: FashionUnited. 10. Juli 2006, abgerufen am 10. März 2021 (deutsch).
- Ortrud Kamps: CSR Project: Cotton Made in Africa. In: New Perspectives on Corporate Social Responsibility. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-06793-9, S. 443–471, doi:10.1007/978-3-658-06794-6_23 (englisch, springer.com [abgerufen am 12. März 2021]).
- Nina Hälg: Cotton made in Africa. In: Lutz F. Krebs, Stefanie Pfändler, Corinna Pieper, Saghi Gholipour, Nico Luchsinger (Hrsg.): Globale Zivilgesellschaft : eine kritische Bewertung von 25 Akteuren. Books on Demand, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8391-0991-5, S. 353–366.
- Bill & Melinda Gates Foundation (Hrsg.): Cotton made in Africa – market analysis and implications for the value proposition. November 2009, S. 4–7, doi:10.21955/GATESOPENRES.1115932.1 (englisch, gatesopenresearch.org [abgerufen am 22. März 2021]).
- Afrikanische Baumwolle mit Gütesiegel. In: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Abgerufen am 10. März 2021.
- Fakten und Zahlen zu CmiA in 2013 (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) (PDF; 318 kB) Quelle: CmiA
- Vivek Voora, Cristina Larrea, Steffany Bermudez: Global Market Report : Cotton. International Institute for Sustainable Development (IISD), 2020, S. 2 (englisch).
- Aid by Trade Foundation (Hrsg.): COTTON MADE IN AFRICA Jahresbericht 2017. S. 8–9 (cottonmadeinafrica.org [PDF]).
- Cotton made in Africa: FAKTEN & DATEN 2019. (PDF) März 2020, abgerufen am 17. März 2021.
- Cotton made in Africa: Jahresbericht 2019. (PDF) Abgerufen am 25. März 2021.
- Bernd Ludermann: „Baumwolle von Kleinbauern in Afrika ist ökologisch und sozial verträglicher“. In: welt-sichten. 12. August 2012, abgerufen am 12. März 2021.
- Förderung der Baumwollwirtschaft in Subsahara-Afrika. In: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Abgerufen am 12. März 2021.
- Prinzipien & Kriterien. In: Cotton made in Africa. Abgerufen am 12. März 2021.
- Verifizierung & Kontrolle. In: Cotton made in Africa. Abgerufen am 17. März 2021.
- Cotton made in Africa (Hrsg.): Cotton made in Africa : Aggregated Verification Report 2019. Juni 2020 (englisch, cottonmadeinafrica.org [PDF]).
- Textilsiegel im Test - Wegweiser für nachhaltige Kleidung. In: test.de. Stiftung Warentest, abgerufen am 12. März 2021.
- Werden Sie Partner. In: Cotton made in Africa. Abgerufen am 12. März 2021.
- Aid by Trade Foundation bietet erstmals CmiA-Biobaumwolle an. In: fashionunited. 14. November 2014, abgerufen am 12. März 2021.
- Über CmiA. In: Cotton made in Africa. Abgerufen am 27. März 2021.
- Aid by Trade Foundation. In: Bündnis für nachhaltige Textilien. 15. Oktober 2014, abgerufen am 27. März 2021 (deutsch).
- Grundstein für Erfolgsmessung von Cotton made in Africa gelegt. In: UmweltDialog. 5. September 2011, abgerufen am 25. März 2021.
- Studie: Life Cycle Assessment of Cotton made in Africa (CmiA), 2014 (englisch, PDF, 3,0 MB)
- S. Claude-Gervais Assogba, Rigobert C. Tossou, Philippe Lebailly, Yves Z. Magnon: Sustainable Intensification of Agriculture in Benin: Myth or Reality? Lessons from Organic and Cotton Made in Africa Production Systems. In: International Journal of Agriculture Innovations and Research. Band 2, Nr. 5, 12. März 2014, ISSN 2319-1473, S. 694–704 (ijair.org [PDF]).
- Abdul Wadud: ‘CmiA’ has huge potential for sustainable fashion value chain. In: Bangladesh Textile Today. 7. April 2019, abgerufen am 25. März 2021 (englisch).
- Schweizer Händler beuten afrikanische Kinder aus. In: 20 Minuten. 27. Januar 2019, abgerufen am 25. März 2021.