Bouldern
Bouldern (englisch boulder „Felsblock“) ist das Klettern ohne Kletterseil und Klettergurt an Felsblöcken, Felswänden oder an künstlichen Kletterwänden bis zur Absprunghöhe. Absprunghöhe ist die Höhe, aus der noch ohne wesentliches Verletzungsrisiko von der Wand zum Boden abgesprungen werden kann.
Seit den 1970er-Jahren ist das Bouldern eine eigene Disziplin des Sportkletterns. Es hat vor allem seit den 1990er-Jahren eine rasante Entwicklung erlebt. Der Boulderweltcup findet seit 1998 statt. Bei den Kletterweltmeisterschaften 2001 in Winterthur war die Disziplin erstmals bei einer Weltmeisterschaft präsent. Im Wettkampfprogramm der Olympischen Sommerspiele war Bouldern zum ersten Mal bei den Spielen in Tokio 2021 vertreten, als Unterkategorie des Sportkletterns.
Ursprung
Bereits um 1890 bestiegen in Frankreich die sogenannten „Bleausards“ die im Wald von Fontainebleau liegenden Sandsteinfelsen.
Der Bouldersport wurde durch John Gill (USA) und Wolfgang Fietz (Deutschland) maßgeblich geprägt. Gill entwickelte bereits in den 1950er und 1960er Jahren neue Klettertechniken und setzte dabei Elemente aus dem Gerätturnen ein. Er verwarf die Drei-Punkt-Regel, nach der beim Klettern von den vier Gliedmaßen stets drei mit dem Fels in Kontakt sein sollen, und praktizierte stattdessen einen dynamischen Bewegungsstil. Hierdurch konnte er den Schwung der letzten Bewegung für den nächsten Zug nutzen, sodass eine fließende Gesamtbewegung (sogenannter „flow“) entstand.
Gill hat zudem die Verwendung von Magnesia in den Klettersport eingeführt. Mit diesem Pulver wird der auftretende Handschweiß getrocknet und die Griffigkeit der Finger erhöht. Zum Schutz vor Sturzverletzungen dienen Bouldermatten.
Allgemein
Bouldern am Fels
Zur Bewertung der Schwierigkeit eines Boulders existieren unterschiedliche Bewertungssysteme.
John Gill führte erstmals ein Bewertungssystem für die Schwierigkeit einzelner Boulderprobleme ein. Diese „John Gill B-Scale“ nahm in ihrer ursprünglichen Form eine Einteilung von B1 bis B3 vor. Die Bewertung B1 steht dabei für einen Schwierigkeitsgrad, bei dem das Boulderproblem schwerer als eine äußerst schwere Kletterroute im Toprope-Stil ist. B2 soll deutlich schwerer sein als B1. B3 wird vergeben, wenn ein Boulder ein einziges Mal von einem Kletterer bewältigt wurde. Dieses geschlossene Bewertungssystem konnte nicht lange aufrechterhalten werden, was zu einer Öffnung der Skala und der Einführung neuer Schwierigkeitsgrade führte. Dieser Prozess wurde auch durch die von John Sherman („Vermin“) in den USA entwickelte offene V-Skala beschleunigt. Diese ist vom Schwierigkeitsgrad an die B-Skala angelehnt.
Die weiteste Verbreitung hat beim Bouldern die Fb.-Skala (Fontainebleau-Skala) gefunden. Diese differenziert zudem ein Boulderproblem danach, ob es sich um ein reines Boulderproblem (Fb.-Bloc) oder um ein Traversenproblem (Fb.-Trav) handelt.
Die Bewertungssysteme sind nicht fixiert. Da immer schwierigere Routen bewältigt werden, kommt es regelmäßig zu Abwertungen und Erweiterungen der Bewertungsskalen. Davon unberührt bleibt der individuell empfundene Schwierigkeitsgrad.
Wie auch beim Vorstiegsklettern wird es zusätzlich als besondere Leistung angesehen, einen Boulder zu flashen, d. h. ihn im ersten Versuch ohne vorheriges Ausprobieren zu klettern. Die Klettertechniken entsprechen denen anderer Kletterdisziplinen. Unterschiedlich ist dabei ihr Vorkommen: Dadurch, dass Boulderprobleme vergleichsweise kompakt sind, sind sie häufig mit starkem Einsatz von Technik verbunden beziehungsweise verlangen eine hohe Körperkraft.
Bouldern an künstlichen Kletteranlagen
In Boulderhallen oder künstlichen Kletteranlagen im Freien erfolgt die Bewertung einer Route zumeist durch Grifffarben oder an den Griffen angebrachte Kärtchen, anhand derer die Schwierigkeit erkennbar ist. Dabei wird der Schwierigkeitsgrad meist durch eine separate Farb- oder Zahlenskala repräsentiert. Trotzdem ist es ebenfalls üblich, die Wertung aus dem Felsbouldern zu verwenden. Um zusätzliche Schwierigkeit und Abwechslung zu bieten, können in vielen Hallen auch Volumen verwendet werden, welche optisch oft an natürlichen Stein angelehnt sind. Beim klettern zählen Volumen dabei als Wand und dürfen von allen benutzt werden, unabhängig von der gekletterten Route.
Normalerweise ist jeder Boulder durch seine Startgriffe und einen Top-Griff definiert, wobei der Top-Griff das zu erreichende Ziel darstellt. Die Startgriffe werden meistens durch einfache Kärtchen oder Streifen aus Klebeband markiert, teilweise sind die Griffe Kärtchen mit R (rechts), L (links) und T (Top) beschriftet und geben somit die Belegung der Hände an den Startgriffen vor. Die Startmarkierungen können auch zu einem einzelnen Startgriff zusammengefasst werden, der entsprechend von beiden Händen gehalten werden muss. Teilweise gibt es auch für die Belegung der Füße Kärtchen, sodass alle in einer eindeutigen Ausgangsposition starten.
In der Regel hat ein Problem vier bis acht Griffe, es gibt aber auch Routen, die lediglich aus einem Start- sowie Topgriff oder ausschließlich aus Volumen bestehen. Bei Wettkämpfen ist die maximale Länge auf zwölf festgesetzt, bei Amateurwettkämpfen gibt es jedoch auch längere Linien.
In Boulderhallen sind weiche Matten auf dem Boden verlegt, um die Sicherheit der Sportler zu gewährleisten,[1] im Freien wird meist Fallschutzkies verwendet. Die Sicherheitsanforderungen für künstliche Kletteranlagen zum Bouldern sowohl in der Halle als auch im Freien sind in der europäischen Norm DIN EN 12572-2 festgelegt.[2]
Wettkämpfe
Ein Wettkampf wird üblicherweise in drei Runden ausgetragen: Qualifikation, Semifinale und Finale. In jeder Runde ist eine bestimmte Anzahl von kurzen Kletterrouten (sogenannten Bouldern) ohne Seilsicherung in möglichst wenigen Versuchen vollständig zu durchklettern oder für eine Teilwertung zumindest ein Zonengriff zu erreichen. Dabei sollte kein Boulder eine Absprunghöhe von mehr als drei Metern haben. In den vom IFSC vorgegebenen Wettkampfsystem besteht die Qualifikation aus fünf Bouldern, das Halbfinale sowie das Finale aus jeweils vier Bouldern. Bei jedem Boulder sind die Startgriffe und -tritte klar markiert, außerdem der Zonengriff (früher als Bonusgriff bezeichnet) und ein Schlussgriff (Topgriff) oder eine stehend zu erreichende Schlussposition auf dem Boulder. Gewertet wird die Anzahl der Versuche, die der Athlet benötigt, um innerhalb einer vorgegebenen Zeit den Boulder vollständig zu durchsteigen bzw. um den Zonengriff für die Teilwertung zu erreichen. Ein Versuch gilt als begonnen, wenn der Wettkämpfer mit dem gesamten Körper den Boden verlassen hat. Unzulässige Wandkontakte des Wettkämpfers werden als Versuch gewertet, insbesondere wenn er vor dem vollständigen Verlassen des Bodens andere als die markierten Startgriffe und -tritte berührt. Für eine Wertung ist der Schlussgriff mit beiden Händen kontrolliert, das heißt in stabiler Körperposition zu halten, für die Wertung des Zonengriffs reicht das kontrollierte Halten mit einer Hand. Für die Wertung einer Runde ist die Anzahl der erfolgreich durchstiegenen Bouldern dieser Runde und bei Gleichstand die Anzahl der gehaltenen Zonengriffe maßgebend. Besteht auch dann noch Gleichstand, so wird zur weiteren Differenzierung die Gesamtsumme der Versuche für die vollständig durchstiegenen Boulder bzw. für die erreichten Zonengriffe herangezogen.[3]
Für Sportkletterwettkämpfe auf nationaler Ebene verabschieden die nationalen Klettersportverbände eigene Regelwerke, die sich jedoch inhaltlich eng an die IFSC-Regeln anlehnen oder sich auf diese beziehen (vergleiche z. B. die Regelwerke Deutschlands und Österreichs).[4][5]
Am 4. August 2016 beschloss das IOC, dass Sportklettern als olympische Kombination bei den Sommerspielen 2020 Teil des Programmes sein wird, der Wettbewerb besteht aus Speedklettern, Bouldern und Schwierigkeitsklettern.[6]
Ausrüstung
Wesentliche Ausrüstungsteile beim Bouldern sind Kletterschuhe, Magnesiasack, Bouldermatten (engl. crashpad „Sturzpolster“), Bürsten zwecks Griffreinigung und ein Fußabstreifer zum Putzen der Schuhe. Zusätzlich kann zur Prävention oder auch als Behandlung kleiner Verletzungen, wie beispielsweise Schnitte in der Haut, ein Tapeverband angelegt werden.
Spotten
Da es keine Sicherung gibt, kann die Hilfe eines Spotters in Anspruch genommen werden. Diese Hilfsperson soll bei einer (beispielsweise stark überhängenden) Kletterstelle den Körper eines Stürzenden mit den Händen so steuern, dass er in eine aufrechte Position gerät, die eine Landung auf den Füßen ermöglicht. Ziel ist es dabei nicht, den Kletterer „aufzufangen“, sondern ein unkontrolliertes Aufschlagen von Rücken und Kopf auf den Boden zu verhindern. Dabei sollen nicht nur Verletzungen beim Kletterer verhindert werden, sondern beispielsweise in Hallen auch unachtsame Zuschauer geschützt werden, auf die der Kletterer ansonsten fallen könnte. Wenn nötig, wird die Hilfe von mehreren Spottern beansprucht; dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Sturzrichtung schwer vorhersehbar ist.[7]
Bekannte Bouldergebiete
- Albarracín in der Provinz Teruel, Spanien
- Ausserferrera (Magic Wood[8]) im Kanton Graubünden, Schweiz
- Bishop in Kalifornien, USA
- Castle Hill in der Region Canterbury, auf der Südinsel Neuseelands
- Chironico im Kanton Tessin, Schweiz
- Cresciano im Kanton Tessin, Schweiz
- Frankenjura in Bayern, Deutschland
- Grampians, Victoria, Australien
- Hampi in Karnataka, Indien
- Hueco Tanks in Texas, USA
- Kochel in Bayern, Deutschland
- Murgtal im Kanton St. Gallen, Schweiz
- Petrohrad in Tschechien
- Riesenstein in Heidelberg
- Rocklands in Südafrika
- Wald von Fontainebleau, Île-de-France, Frankreich
Es gilt als ältestes Bouldergebiet der Welt. In dem aus Sandstein bestehenden Gebiet wurde im Jahr 1947 auch der Boulderparcours erfunden. Diese Aneinanderreihung einzelner Boulderprobleme weist eine recht homogene Schwierigkeit auf. Der Parcours ist durchnummeriert, farblich gekennzeichnet und wird hintereinanderweg durchgeklettert. Manche Parcours sind so gestaltet, dass bei ihrer Begehung der Boden nicht betreten werden muss, vielmehr ist es möglich, durch Abklettern, Queren und Hinüberspringen durchgängig in Felskontakt zu bleiben.
- Zillertal in Tirol, Österreich
Der Boulderfelsen am Zillergrund wird durch die geplante Erweiterung eines Blockstein-Abbaus bedroht.[9]
Berühmte Boulderprobleme
- Der erste Boulder im Grad Fb. 6a in Fontainebleau war La Marie-Rose im Sektor Cuvier. Erstbegangen wurde der Boulder 1946 von René Ferlet.
- Das vielleicht weltweit bekannteste einzelne Boulderproblem befindet sich im Yosemite-Nationalpark (USA) und trägt den Namen Midnight Lightning (V8). Es wurde 1978 erstmals durch den amerikanischen Kletterer und Boulderer Ron Kauk bezwungen.
- Rainbow Rocket (Fb. 8a)[10] Fontainebleau, einer der bekanntesten Dynos
- Trice (8a+), Flagstaff Mountain, Colorado, USA. Trice war der erste Boulder in diesem Grad (1975, Jim Holloway), die zweite Begehung erfolgte erst 32 Jahre nach der Erstbegehung.
- Tonino ’78: Bei der Erstbegehung 2004 der erste Boulder für den der Grad Fb. 8c+ vorgeschlagen wurde. Meschia, Italien, drei Begehungen: (1. Mauro Calibani, 2. Julien Nadiras, 3. Antoine Vandeputte). Der Schwierigkeitsgrad wurde durch die Wiederholer nicht bestätigt.
- La Danse des Balrogs (Fb. 8b), Branson, Fully, Schweiz: der weltweit erste Boulder im Grad Fb. 8b. Erstbegehung durch Frédéric Nicole 1992.
- Dreamtime (Fb. 8b+ bzw. 8c), Cresciano, Schweiz
- Gioia (8c), Varazze, Italien. Erstbegehung durch Christian Core 2008. Die erste Wiederholung erfolgte durch Adam Ondra, der eine Aufwertung auf 8c+ vorschlug. Im Jahr 2015 gab es aufgrund einer neuen Methode, eines Trittausbruchs und des Anklebens des ausgebrochenen Tritts, eine Kontroverse zwischen dem Erstbegeher und einigen US-amerikanischen Boulderern[11].
- Unendliche Geschichte (Fb. 8b+), Magic Wood, Averstal, Schweiz.
- The Game (Fb. 8c) Boulder Canyon, USA, gilt als eines der schwersten Boulderprobleme; erstbegangen von Daniel Woods
- Burden of Dreams (Fb. 9a), ist das erste Boulderproblem der Welt, für welches der bisher unbestätigte Schwierigkeitsgrad Fb. 9a bzw. V17 vorgeschlagen wurde. Es wurde 2017 von Nalle Hukkataival nach ungezählten Versuchen, die sich über Jahre hinzogen, erstbegangen.[12]
Literatur
- Bernd Zangerl: Bouldern. Bergwelten, Wals bei Salzburg 2019, ISBN 978-3-7112-0008-2
- Christoph Finkel: Boulder, Bloc und Felsbrocken. DAV Panorama, Heft 5/2004, S. 58–60
- Andi Hofmann: Besser Bouldern – Grundlagen & Expertentipps. Verl. Tmms, 2007, ISBN 3-930650-21-5
- Udo Neumann: Lizenz zum Bouldern. Verl. Udini, 2010, ISBN 978-3-9804809-5-6
Weblinks
- John Gill: Origins of Bouldering (Zur Geschichte des Boulderns, engl.)
- Bouldern für Anfänger
- Interaktive Deutschlandkarte aller Boulderhallen – parks.boulderhallen-info.de
Einzelnachweise
- Nationales Regelwerk 2011 (PDF; 526 kB) des Deutschen Alpenvereins – S. 32: 5.1.2, 5.1.6 – Zugriff am 23. Mai 2012.
- DIN EN 12572-2:2009 Künstliche Kletteranlagen – Teil 2: Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Boulderwände. Beuth Verlag, Berlin 2009, S. 24.
- Rules 2018. (pdf) IFSC, April 2018, S. 33–44, abgerufen am 26. September 2018 (englisch).
- Klettern – Nationales Regelwerk, Version 18.1. Deutscher Alpenverein, Mai 2018, abgerufen am 2. Oktober 2018.
- Österreichische Bestimmungen. Kletterverband Österreich, 5. März 2018, abgerufen am 2. Oktober 2018.
- IOC bewilligt fünf neue olympische Sportarten. spiegel.de. Abgerufen am 6. September 2016.
- „Spotten – so geht’s“ http://www.klettern.de/besser-klettern/sicherheit/spotten-so-geht-s.284207.5.htm – Zugriff am 25. Mai 2012
- Magic Wood, Bouldern. Abgerufen am 23. November 2019.
- Kletterszene bangt um Boulderfelsen orf.at, 13. November 2018, abgerufen 13. November 2018.
- http://bleau.info/sablons110/1460.html – Zugriff am 1. April 2013.
- A Chip off the Old Block: The Aesth(Ethics) of Rock. UKC, 8. April 2015, abgerufen am 27. Februar 2018 (englisch).
- Nalle Hukkataival: 9A-Boulder erstbegangen? In: klettern. (klettern.de [abgerufen am 6. Juni 2017]).