Bauordnungen (Deutschland)
Die Bauordnung (BauO) oder Landesbauordnung (LBO) des jeweiligen Bundeslandes ist ein Landesgesetz und Kern des jeweiligen Bauordnungsrechts. Die Länderkompetenz im Bauordnungsrecht wurde in einem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts festgestellt.
Anforderungen bei Bauvorhaben
Die jeweilige Landesbauordnung regelt als Bauordnungsrecht die Anforderungen, die bei Bauvorhaben zu beachten sind. Dagegen werden die Bedingungen, auf welchen Grundstücken überhaupt und in welchem Art und Ausmaß gebaut werden darf, durch das Bauplanungsrecht bestimmt. Die Anforderungen der Bauordnung beziehen sich hauptsächlich auf die Bebauung; dazu gehören zum Beispiel:
- die Stellplätze für Kraftfahrzeuge,
- das gesunde Wohnen (Belichtung, Raumhöhen, Schall-, Kälte- und Wärmeschutz),
- der Brandschutz,
- die Standsicherheit,
- die Flucht- und Rettungswege,
- die Versorgung und die Entsorgung, insbesondere die Entwässerung des Grundstücks,
- die Sicherheit von Baustelle und Bauwerk.
Ziel der Bauordnungen ist es, Gefahren für Leib und Leben abzuwenden, Schäden an fremden Sachen zu vermeiden, sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Von Verkehrsverbänden kritisiert wird, dass bei den Zuwegungen von Gebäuden und Grundstücken bislang die Verkehrssicherungspflicht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die Regeln der Wiener Straßenverkehrskonvention, die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) sowie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen (UN) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen weder in der Musterbauordnung noch in den Länderbauordnungen umgesetzt wurden.[1] Sie fordern deshalb eindeutige Regelungen, dass zu bewohnten und öffentlich genutzten Gebäuden grundsätzlich zumindest markierte Wege für den Fußverkehr vom öffentlichen Gehweg bis zu den Zu- und Abgängen der Gebäude führen müssen. Diese sind nach den in Deutschland geltenden Regelwerken zu dimensionieren, und der Hauptzugang muss barrierefrei erreichbar sein. Dagegen setzt sich in den Länderbauordnungen allmählich durch, dass die Rollstuhl-Zugänglichkeit von Wohneinheiten stärker berücksichtigt wird[2][3] und Stellplätze für Fahrräder, Kinderwagen und gesondert auch für Gehhilfen (z. B. Rollstühle, Rollatoren) einzurichten sind[4][5].
Andere Regelungen
Neben diesen materiellen Regelungen regeln die Bauordnungen auch die Formalien des Bauordnungsrechts wie
- den Ablauf des Baugenehmigungsverfahrens,
- die Organisation der Bauaufsichtsbehörden und
- die Voraussetzungen für die Bauvorlageberechtigung.
Die Bauordnung wird ergänzt durch zugehörige Erlasse und Durchführungsbestimmungen sowie technische Baubestimmungen und bauaufsichtlich eingeführte Rechtsnormen.
Auch weitere Themenbereiche zählen zum Bauordnungsrecht – beispielsweise die Garagenverordnung, Prüfungsbestimmungen zu Schornsteinen und Kaminen, Betrieben, Kleinkraftwerken usw.
Gleiches gilt auch für die Bauordnungen der Bundesländer in Österreich. Gewisse zusätzliche Einschränkungen können die einzelnen Gemeinden in der Gemeindebauordnung oder der Gemeindesatzung festlegen.
Geschichte
Die antiken Wurzeln der heutigen Bauordnungen[6] gehen auf innerhalb berufsständischer Organisationen wie Zünften und Bauhütten überlieferte Anforderungen an Bauwerke zurück. Mit dem Anwachsen der Städte nahmen die Sicherheitsanforderungen an Bauwerke zu. Insbesondere die Brandgefahr wuchs erheblich. Um dem entgegenzuwirken, wurden im späten Mittelalter städtische Bauordnungen geschaffen.
In der Zeit des Absolutismus kam es zu einer Verlagerung der Rechtsetzung von den Kommunen hin zu den Ländern und Staaten, außerdem gewann die Gestaltung der Bauwerke zunehmend Bedeutung in den Bauordnungen. Durchgehender Grundgedanke blieb aber bis in die 1980er Jahre das Prinzip der Prävention durch die Überwachung von Seiten der öffentlichen Hand.
Danach setzte in Deutschland im Zuge der Entbürokratisierung eine Reihe von Bauordnungsnovellen ein, die durch mehr Eigenverantwortlichkeit vom Präventionsprinzip Abschied nahmen, das heißt, die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften liegt beim Bauherrn, unterstützt durch die Bauvorlageberechtigten. Verstöße werden seitdem im Nachhinein zunehmend durch Bußgelder geahndet. 1995 gab es in neun von 16 Bundesländern ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren.[7]
Musterbauordnung
Die Musterbauordnung (MBO) soll die dem Landesrecht unterliegenden Landesbauordnungen vereinheitlichen. Sie wird ständig aktualisiert von der Bauministerkonferenz (ARGEBAU), in der alle Bundesländer vertreten sind. Auf dieser Musterbauordnung basieren die Bauordnungen sämtlicher Länder. Die Musterbauordnung selbst ist kein Gesetz. Aus Gründen der Vereinfachung und Übersichtlichkeit wird in der Regel jedoch auf die Musterregelungen Bezug genommen, die im Bereich der Bauprodukte und Bauarten nahezu einheitlich in den Ländern übernommen sind. Die Länderbauordnungen enthalten deshalb im Wesentlichen übereinstimmende Vorschriften; sie unterscheiden sich nur in Details.[8][9] Die aktuelle Fassung der Musterbauordnung stammt aus dem Jahr 2002 und wurde zuletzt im September 2020 geändert. Die einzelnen Versionen werden auf der Webseite der Bauministerkonferenz veröffentlicht.[10]
Liste der Landesbauordnungen
Die Tabelle enthält die Bezeichnungen der Bauordnung jedes Bundeslandes und das Datum der letzten Novellierung. Diese Liste ist alphabetisch nach Bundesland sortiert.
Bundesland | Titel | Abkürzung | Datum | Letzte Änderung | Link |
---|---|---|---|---|---|
Baden-Württemberg | Landesbauordnung für Baden-Württemberg | LBO | 05.03.2010 | 18.07.2019 | |
Bayern | Bayerische Bauordnung | BayBO | 14.08.2007 | 25.05.2021 | |
Berlin | Bauordnung für Berlin | BauO Bln | 26.09.2005 | 14.05.2020 | |
Brandenburg | Brandenburgische Bauordnung | BbgBO | 17.09.2008 | 20.05.2016 | |
Bremen | Bremische Landesbauordnung | BauO | 04.09.2018 | 14.05.2019 | |
Hamburg | Hamburgische Bauordnung | HBauO | 14.12.2005 | 28.01.2014 | |
Hessen | Hessische Bauordnung | HBO | 28.05.2018 | 03.06.2020 | |
Mecklenburg-Vorpommern | Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern | BauO MV 2015 | 15.10.2015 | 19.11.2019 | |
Niedersachsen | Niedersächsische Bauordnung | NBauO | 03.04.2012 | 20.05.2019 | |
Nordrhein-Westfalen | Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung 2018 | BauO NRW 2018 | 21.07.2018 | 02.07.2021 | |
Rheinland-Pfalz | Landesbauordnung Rheinland-Pfalz | LBauO | 24.11.1998 | 15.06.2015 | |
Saarland | Landesbauordnung | LBO | 18.02.2004 | 15.07.2015 | |
Sachsen | Sächsische Bauordnung | SächsBO | 28.05.2004 | 20.03.2020 | |
Sachsen-Anhalt | Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt | BauO LSA | 10.09.2013 | 17.07.2014 | |
Schleswig-Holstein | Landesbauordnung für das Land Schleswig-Holstein | LBO | 22.01.2009 | 29.11.2018 | |
Thüringen | Thüringer Bauordnung | ThürBO | 13.03.2014 | 22.03.2016 |
Literatur
- Werner Hoppe und Susan Grotefels: Öffentliches Baurecht – Juristisches Kurzlehrbuch für Studium und Praxis. C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1995 (Erste Auflage); 3. Auflage unter Mitarbeit von Jan-Dirk Just und Bernd Schieferdecker mit dem Titel Öffentliches Baurecht. Bauplanungsrecht mit seinen Bezügen zum Raumordnungsrecht, Bauordnungsrecht, in der Reihe Studium und Praxis, München 2004, ISBN 3-406-52607-1
Baden-Württemberg
- Karlheinz Schlotterbeck, Gerd Hager, Manfred Busch, Bernd Gammerl: Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO), 8. Auflage. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2020, ISBN 978-3-415-06400-3.
Bayern
- Hans Koch, Paul Molodovsky, Gabriele Famers: Bayerische Bauordnung. Kommentar mit einer Sammlung baurechtlicher Vorschriften. Loseblattsammlung. Rehm Verlag, ISBN 978-3-8073-0152-5.
- Alfons Simon, Jürgen Busse: BayBO. Kommentar. Loseblattkommentar. Verlag C. H. Beck, ISBN 978-3-406-44019-9.
- Stefan Wolf: BayBO. Kurzkommentar. 4. Auflage. 2010, ISBN 978-3-556-02069-2.
Hessen
- Hornmann, Gerhard: Hessische Bauordnung (HBO) Kommentar 3. Auflage. 2019, C.H.BECK. ISBN 978-3-406-71837-3
Nordrhein-Westfalen
- Horst Gädtke, Knut Czepuck, Markus Johlen, Andreas Plietz, Gerhard Wenzel u. a.: BauO NRW. Kommentar. 13. Auflage. Werner Verlag, 2019.
Rheinland-Pfalz
- Curt M. Jeromin: LBauO Rh-Pf. Kommentar. 2. Auflage. Werner-Verlag, 2008, ISBN 978-3-8041-2152-2.
Thüringen
- Hansjochen Dürr, Manfred Aschke: Baurecht Thüringen. 2. Auflage. Verlag Nomos, 2005, ISBN 3-8329-0921-4.
- Henning Jäde, Franz Dirnberger, Thomas Michel u. a.: Bauordnungsrecht Thüringen. Kommentar. Loseblattsammlung. Verlag Jehle Rehm, München, ISBN 978-3-8073-0975-0.
Weblinks
- Musterbauordnung auf bauministerkonferenz.de
- bauordnungen.de (alle deutschen, österreichischen und Schweizer Bauordnungen)
Einzelnachweise
- Bernd Herzog-Schlagk: Bauordnungen (BauO). Hrsg. von FUSS e. V. Berlin 2015.
- Z. B. Landesbauordnung für Baden-Württemberg, zuletzt bearbeitet März 2015, § 35, Absatz 1.
- Z. B. Brandenburgische Bauordnung, zuletzt bearbeitet November 2010, § 45, Absatz 1.
- Z. B. Bauordnung für Berlin, zuletzt bearbeitet Juli 2011, § 50.
- Z. B. Brandenburgische Bauordnung, zuletzt bearbeitet November 2010, § 41, Absatz 5.
- Cornelius Steckner: Baurecht und Bauordnung. Architektur, Staatsmedizin und Umwelt bei Vitruv, in: Heiner Knell, Burkhardt Wesenberg (Hrsg.), Vitruv – Kolloquium 1982, Technische Hochschule Darmstadt 1984, S. 259–277.
- Hoppe/Grotefels: Öffentliches Baurecht, 1995, Seite 784/785
- Was ist die Musterbauordnung? (Memento vom 11. August 2017 im Internet Archive) Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt)
- FAQ zum deutschen Regelungssystem für Bauprodukte und Bauarten - 1. Welche Rechtsgrundlagen gelten? Deutsches Institut für Bautechnik, abgerufen am 15. Juni 2020.
- Bauministerkonferenz: Mustervorschriften und Mustererlasse