Barbital
Barbital oder Diäthylbarbitursäure ist ein lang wirksamer Abkömmling der Barbitursäure, der früher als Schlafmittel genutzt wurde. Weil es bei unsachgemäßer Dosierung – da es die meisten Stoffwechselprozesse hemmt – leicht zum Tode führt und zudem Missbrauchsgefahr besteht, ist es in diesem Anwendungsgebiet nicht mehr gebräuchlich.
Strukturformel | |||||||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||||||
Freiname | Barbital | ||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C8H12N2O3 | ||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||||||||||||
ATC-Code |
N05CA04 | ||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | |||||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||||
Molare Masse | 184,19 g·mol−1 | ||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||||||
Schmelzpunkt |
189–191 °C[1] | ||||||||||||||||||
pKS-Wert |
8,14 (15 °C)[2] | ||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | |||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Geschichte
Barbital wurde erstmals 1882 von Max Conrad und Max Guthzeit ohne nähere Identifizierung hergestellt.[3] Zwanzig Jahre später, 1902, wurde es erstmals von Emil Fischer und dessen Neffen Alfred Dilthey[4] synthetisiert sowie von Josef von Mering als Schlafmittel charakterisiert.[5] Unter dem Markennamen Veronal wurde Barbital in Tablettenform 1903 von Merck als erstes Barbiturat auf den Markt gebracht. Als Narkosemittel hatte es wegen seiner in höheren Dosierungen toxischen Nebenwirkung nicht durchgesetzt, wurde jedoch als starkes Beruhigungsmittel (Sedativum) im Rahmen der Prämedikation vor Narkosen eingesetzt.[6] In Kombination mit Amidopyrin wurde es viele Jahre als Veramon, beworben u. a. auch als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden, vom Unternehmen Schering–Kahlbaum AG vertrieben. Barbitalhaltige Fertigarzneimittel sind heute weltweit nicht mehr im Handel.
Herstellung
Barbital ist präparativ aus Diethylmalonsäurediethylester und Harnstoff zugänglich. Die Reaktion findet bei 100 °C unter dem Einfluss von Natriumethanolat statt, es fällt dabei das Dinatriumsalz der 5,5-Diethyl-barbitursäure aus. Bei gleicher Ausbeute kann Barbital auch direkt aus dem Disäurechlorid der Diethylmalonsäure und Harnstoff hergestellt werden.[7][8] Bereits 1904 verwendete Fischer die Bezeichnung „Veronal“ für die alkalifreie Substanz.
Verwendung in der Chemie
Das Diethylbarbitursäure-Mononatriumsalz wird als Pufferlösung in der Elektrophorese verwendet (Veronal-Acetat-Puffer), meist als ca. 0,02 bis 0,05 molare Lösung. Da die Beschaffung durch das Betäubungsmittelgesetz aber stark beschränkt wird, kommt es nur noch selten zum Einsatz.
Barbital in Literatur, Film und Musik
Barbital war bekannt als zum Suizid genutztes Präparat und wird unter dem früher gängigen Markennamen Veronal[9] bis in die 1960er-Jahre häufig in der Literatur als Mittel zum Suizid zitiert, so beispielsweise in Arthur Schnitzlers Fräulein Else oder Vicki Baums Menschen im Hotel.
In Agatha Christies 1926 erschienenem Kriminalroman Alibi (The Murder of Roger Ackroyd) finden sowohl die wohlhabende Witwe Mrs. Ferrars als auch später ihr Erpresser Dr. Sheppard den Tod durch Veronal, jeweils in suizidaler Absicht.
Im Kinofilm Die Sünderin (1951) leistet die Hauptdarstellerin ihrem Freund mit Veronal aktive Sterbehilfe und begeht danach auf dieselbe Art Suizid. In dem Film Einmal wirklich leben (1952) antwortet eine Krankenschwester auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie Krebs hätte: „Es gibt in diesem Hause genug Veronal, Herr Doktor.“ Fast schon als Running gag sind die wiederholten Selbstmordversuche einer im Hintergrund bleibenden, Monti genannten Figur in Dany, bitte schreiben Sie (1956) zu bezeichnen: Da der Mode-Designer und Frauenheld Hannes Pratt (Rudolf Prack) sie dauernd versetzt, vergiftet sie sich immer wieder; die Dosis sei dabei immer „geschickt bemessen“. In Fahrstuhl zum Schafott (1958) begehen Veronique und Louis einen Selbstmordversuch mit Veronal.
Auf dem Album Zum Glück in die Zukunft des Rappers Marteria ist ein Lied dem Schlafmittel Veronal gewidmet. Das Medikament taucht ebenfalls in dem Song Lasky Jedne Plarovlasky (Album Original Gasman Band, 1989) der Münchner Band F. S. K. auf.
In der zwölften Folge (Atomgespenster) der Hörspielserie Larry Brent soll der Titelheld mit Veronal getötet werden, was durch eine Blutwäsche verhindert wird. In Truman Capotes Novelle Frühstück bei Tiffany wird Veronal mehrmals von der Literaturfigur Holly Golightly genannt.
Im Roman Stalingrad des Autors Theodor Plievier begeht Oberst Enders Suizid mit Veronal, um der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entgehen.
Im Film Mord im Orient Express wird Edward Ratchett (gespielt von Johnny Depp) mit Barbital betäubt und anschließend ermordet.
Literatur
- Veronal. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 27: Tonalite – Vesuvius. London 1911, S. 1037 (englisch, Volltext [Wikisource]).
- B. Molle, D. H. Kleist: Veronal. In: Archiv der Pharmazie. Band 242, 1904, S. 401–406; doi:10.1002/ardp.19042420602 – Löslichkeiten und Metabolismus
Einzelnachweise
- Datenblatt 5,5-Diethylbarbitursäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 2. Dezember 2016 (PDF).
- Eintrag zu Barbital in der DrugBank der University of Alberta, abgerufen am 5. Dezember 2016.
- M. Conrad, M. Guthzeit: Über Barbitursäurederivate. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 15, 1882, S. 2844–2850.
- Alfred Dilthey (* 22. August 1877 in Rheydt, † 22. Juli 1915 in Polen/Rußland) – genealogy.net – Emil Fischer: Aus meinem Leben. S. 197 ff.; Textarchiv – Internet Archive
- E. Fischer, J. von Mering: Über eine neue Klasse von Schlafmitteln. In: Therapie der Gegenwart. Band 44, 1903, S. 97–101.
- H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 16.
- E. Fischer, A. Dilthey: Ueber C-Dialkylbarbitursäuren und über die Ureïde der Dialkylessigsäuren. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie, 335, 1904, S. 334–368. doi:10.1002/jlac.19043350303
- A. W. Frahm, H. H. J. Hager, F. v. Bruchhausen, M. Albinus, H. Hager: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis: Folgeband 4: Stoffe A-K. Birkhäuser, 1999, ISBN 978-3-540-52688-9, S. 373.
- Vgl. etwa Hans Killian: Hinter uns steht nur der Herrgott. Sub umbra dei. Ein Chirurg erinnert sich. Kindler, München 1957; hier: Lizenzausgabe als Herder-Taschenbuch (= Herderbücherei. Band 279). Herder, Freiburg/Basel/Wien 1975, ISBN 3-451-01779-2, S. 29.