Prämedikation
Die Prämedikation ist die Gabe von Medikamenten vor einem medizinischen Eingriff. Dies können Medikamente zur Unterdrückung der Speichelproduktion bei Eingriffen an den Atemwegen sein, oder Medikamente für den Magen-Darm-Trakt bei Eingriffen dort. Vor einer Exposition mit Allergenen können Antiallergika gegeben werden, bei einer Belastung der Schilddrüse Medikamente zur Blockierung. Ebenso wichtig ist die Gabe von Antibiotika bei Patienten mit einem Risiko für eine Endokarditis.
Eine Prämedikation kann zum Beispiel auch vor Durchführung einer Anästhesie (Narkose) erfolgen. So definierte der Londoner Anästhesist Michael D. Nosworthy (1902–1980) 1935 in seinem Buch The theory and practice of anaesthesia: 'The term 'premedication' covers the use of any drug which is prescribed beforehand to smooth the subsequent anesthesia'. Früher wurde zum Beispiel Scopolamin verabreicht um eine Hypersalivation zu vermindern, und die Ätherpneumonien zu reduzieren. Eine Prämedikation diente auch zur Verminderung des Exzitationsstadiums bei der früher üblichen Einleitung mit der Schimmelbuschmaske. Durch den Rückgang von Narkoseeinleitungen mit Äther setzt heutzutage der Anästhesist andere Ziele für eine Prämedikation. So wird er zum Beispiel bei Patienten mit Gastroösophagealem Reflux, Medikamente verordnen, oder bei kardialem Risiko einen Betablocker. Ebenso wird er zur Behandlung eines Diabetes mellitus ein Therapieschema verordnen.
Diese Prämedikation kann vom Anästhesisten bei der präoperativen Visite, die deshalb früher im Jargon auch Prämedikationsvisite genannt wurde, verordnet werden. Die damalige Gleichsetzung des Begriffs Prämedikation mit der Präanästhesievisite ist historisch-semantisch ein Kuriosum, da sich die präoperative Visite, etwa im Rahmen der Vorbereitung zur Anästhesie,[1] weder auf die Anordnung einer Prämedikation (als präoperative Medikation) beschränkt, noch aus ihr entstand.
Bei ausgewählten Patienten kann der Anästhesist unter Abwägung der Risiken auch eine präoperative Sedierung für notwendig erachten. Ziel dieser Prämedikation ist es, dass der Patient angstfrei, entspannt aber kooperativ in den Operationstrakt kommt. Deshalb kann sie bei bekannt schwierigen Kindern notwendig sein. Diese Prämedikation kann bei ängstlichen stationären Patienten bereits am Vorabend der Operation beginnen, damit der Patient in der Nacht vor der Operation gut schlafen kann. Die orale Prämedikation vor unangenehmen Prozeduren kann durch eine (schmerzhafte) intramuskuläre Injektion Prämedikation[2] oder, bei liegendem Venenkatheter, durch eine venöse ersetzt werden. Diese ist besser steuerbar, vermindert die Risiken und reduziert den logistischen und personellen Aufwand. Ein sedierend prämedizierter Patient bedarf ständiger enger Überwachung mit einem Pulsoximeter und gilt als nicht mehr einwilligungsfähig.
Das 1902 von Emil Fischer synthetisierte erste Barbiturat Veronal (Barbital) wurde als starkes Beruhigungsmittel (Sedativum) früher bei der Prämedikation angewandt.[3] Zur von den Patienten besser bewerteten oralen[4] sedierenden bzw. beruhigenden Prämedikation vor einer Anästhesie werden heute fast ausschließlich Benzodiazepine (z. B. Clorazepat, Delorazepam, Diazepam, Lorazepam, Midazolam oder Oxazepam) verwendet. Bei stationären Patienten können sie am Vorabend sowie am Morgen der Operation verabreicht werden, bei ambulanten Patienten nur am Morgen des Operationstages.
Die früher, vor allem auch bei Kindern, sehr gebräuchliche intramuskuläre Prämedikation, mit einer Medikamentenmischung wird heute kaum mehr verwendet. Eine typische Mischung zur intramuskulären Prämedikation bestand zum Beispiel aus dem Opioid Pethidin, dem niederpotenten Neuroleptikum Promethazin und dem Vagolytikum Atropin. Heutzutage bekommen Kinder bei denen zur Einleitung eine Kanüle gelegt werden muss häufig eine Mischung von Lokalanästhetika wie zum Beispiel EMLA, eine Salbe mit den Wirkstoffen Lidocain und Prilocain.
Kaum noch verwendet wird die rectale Prämedikation mit Barbituraten. Stattdessen wird bei Kindern, wenn keine orale Prämedikation möglich ist, heute eine rektale[5] oder nasale Applikation des Benzodiazepins Midazolam angewendet.
Einzelnachweise
- A. J. Stevens: Vorbereitung zur Anästhesie. Deutsche Ausgabe übersetzt und bearbeitet von H. F. Poppelbaum. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-437-10787-9.
- Vgl. etwa Lutz Grabow und andere: Gleichwertigkeit von oraler und intramuskulärer Prämedikation. In: Anästhesie Intensivtherapie Notfallmedizin. Band 21, Nr. 1, 1986, S. 13–16.
- H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 16.
- L. Grabow und andere: Gleichwertigkeit von oraler und intramuskulärer Prämedikation. 1986.
- Vgl. auch R. E. Haagensen: Rectal premedication in children. In: Anaesthesia. Band 40, 1985, S. 956 ff.