Armenische Amerikaner
Armenische Amerikaner (armenisch Ամերիկահայեր – ausgesprochen Amerikahayer auf Ostarmenisch, und Amerigahayer auf Westarmenisch) sind US-Amerikaner armenischer Herkunft. Sie stammen größtenteils aus den Gebieten der heutigen Türkei und bilden die zweitgrößte Gemeinde der armenischen Diaspora nach den Armeniern in Russland. Viele sind Überlebende des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich.[1]
Einwanderung und Anzahl
Die erste größere Welle der armenischen Einwanderung in die Vereinigten Staaten fand im späten 19. Jahrhundert sowie im frühen 20. Jahrhundert statt, als Armenier aus dem Osmanischen Reich vor den Hamidianischen Massakern (1894–1896) und dem Massaker von Adana 1909 flüchteten. Durch die Deportationen während des weitaus blutigeren Völkermords an den Armeniern (1915–1923) kam eine größere Welle an überlebenden Flüchtlingen, Deportierten und Vertriebenen an. Seit den 1950er Jahren wanderten Armenier aus nahöstlichen Nationen wie der Türkei, dem Iran und dem Libanon ein – als Ergebnis der Instabilität in diesen Ländern. Seit den späten 1980er Jahren sind auch Einwanderer aus Sowjet-Armenien anzufinden. Und seit der Unabhängigkeit der Republik Armenien von der Sowjetunion 1991 und dem folgenden Krieg mit dem benachbarten Aserbaidschan um Bergkarabach flohen zusätzliche armenische Staatsbürger in die Vereinigten Staaten.
Die American Community Survey von 2011 schätzte ein, dass 483.366 (0,15 %) US-Amerikaner gänzlich oder teilweise armenischer Abstammung sind.[2] Verschiedene Organisationen und Medien kritisieren diese Zahl als unterschätzt, und schlagen stattdessen eine Zahl von 800.000 bis 1.500.000 (0,5 %) Armenischen Amerikanern vor. Die höchste Konzentration von US-Amerikanern armenischer Herkunft befindet sich in dem Gebiet des Großraums Los Angeles, wo sich gemäß der US-Volkszählung 2000 166.498 Personen selbst als Armenier identifizierten, wodurch sie über 40 Prozent der 385.488 Personen armenischer Herkunft in den Vereinigten Staaten umfassten.[3] Glendale, ein Vorort von Los Angeles gilt gemeinhin als Zentrum des armenisch-amerikanischen Lebens.
Religion
Die Mehrheit der Armenier sind Anhänger der Armenisch-Apostolischen Kirche, die älteste Staatskirche der Welt, wobei die armenischen Amerikaner keine Ausnahme sind: Mit 80 Prozent sind auch die meisten Armenischen Amerikaner Anhänger der armenisch-apostolischen Kirche, die größte orientalisch-orthodoxen Kirche in den Vereinigten Staaten.[4] Sie besitzt über 90 Kirchengebäude im gesamten Land.[5] 10 Prozent sind Protestanten (vor allem armenisch-evangelisch) und 3 Prozent sind Anhänger der armenisch-katholischen Kirche.[6]
Sprache und Assimilation
Die armenisch-amerikanische Gemeinde zählt zu den politisch einflussreichsten Gemeinschaften der armenischen Diaspora.[7] Organisationen wie das Armenian National Committee of America (ANCA) und die Armenian Assembly of America kämpfen um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern durch die Regierung der Vereinigten Staaten und unterstützen engere Beziehungen zwischen den USA und Armenien. Die Armenische Allgemeine Wohltätigkeitsunion (AGBU) ist bekannt für ihre finanzielle Unterstützung und Förderung von armenischen Kultur- und Sprachschulen in den USA.
Die armenische Sprache (vor allem der westarmenische Dialekt, aber auch Ostarmenisch) wird auch in den Vereinigten Staaten gesprochen, vor allem in Kalifornien, wo sich besonders viele armenische Einwanderer angesiedelt und alteingesessene armenische Gemeinschaften herausgebildet haben. Fast alle beherrschen aber auch Amerikanisches Englisch perfekt. Im Jahre 2000 gaben von den 385.488 ethnischen Armeniern bei der Volkszählung allerdings nur noch 202.708 (52,6 %) von ihnen Armenisch als daheim gesprochene Sprache an.[8]
In der gesamten Diaspora hindurch haben die Armenier einen Weg der schnellen Akkulturation und langsamen Assimilation entwickelt. Armenier passten sich oft schnell an ihre Gesellschaft an, erlernten die dortige Sprache, besuchten die Schule und übernahmen das politische und Wirtschaftsleben. Währenddessen sind sie auch gleichzeitig resistent gegen die Assimilation an sich, indem sie ihre eigenen Schulen, Kirche, Vereinigungen, Sprache, und Netzwerke der endogamen Heirat und Freundschaft beibehalten. Die Soziologin Anny Bakalian beobachtet, dass sich über Generationen hinweg die US-Armenier von einem zentralen Selbstbild „Armenier sein“ hin zu einem oberflächlichen „sich als Armenier wahrnehmen“ bewegen. Dabei drücken sie nostalgischen Stolz auf ihre Herkunft aus, während sie sich gleichzeitig wie vollwertige Amerikaner verhalten.
Heute wird die US-armenische Gemeinde durch ein Netzwerk von armenischen Gruppen zusammengehalten, darunter in etwa 170 Kirchenkongregationen, 33 Tagesschulen, 20 nationale Zeitungen, 36 Radio- oder Fernsehprogrammen, 58 studentischen Lehrprogrammen und 26 Berufsvereinigungen. Die Anthropologin Margaret Mead schätzt, dass über die Jahrhunderte Diaspora-Armenier (wie auch Juden) eine eng verbundene Familienstruktur entwickelt haben, welche als Bollwerk gegen die Assimilation und das Aussterben der armenischen Kultur wirken soll.[9][10]
Bekannte armenische Amerikaner
- Rouben Mamoulian
- Arshile Gorky
- William Saroyan
- Ross Bagdasarian
- Paul Robert Ignatius
- Jack Kevorkian
- George Deukmejian
- Alex Manoogian
- Cher (geboren als Cherilyn Sarkisian)
- Monte Melkonian
- James Philipp Bagian
- Vartan Gregorian
- Andre Agassi
- Raffi Hovannisian
- Serj Tankian
- Kim Kashkashian
- Kim Kardashian
- Robert Kardashian
Quellen
- Rouben Paul Adalian: Historical dictionary of Armenia. 2. Auflage. Scarecrow Press, Lanham MD 2010, ISBN 978-0-8108-7450-3.
- Arra S. Avakian: The Armenians in America. Lerner Publications Co., Minneapolis 1977, ISBN 0-8225-0228-3.
- Hovhannes Ayvazyan: Հայ Սփյուռք հանրագիտարան – Hay spʻyuṛkʻ: hanragitaran. Band 1. Hayk. Hanragitaran Hrat, Erevan 2003, ISBN 5-89700-020-4, S. 38 (armenisch).
- Anny Bakalian: Armenian Americans: From Being to Feeling Armenian. Transaction Publishers, New Brunswick, New Jersey 1993, ISBN 1-56000-025-2.
- M. Vartan Malcom: The Armenians in America. Pilgrim Press, Boston 1919, ISBN 1-112-12699-6.
- Georges Sabagh, Mehdi Bozorgmehr, Claudia Der-Martirosian: Subethnicity: Armenians in Los Angeles. Institute for Social Science Research, University of California Los Angeles, 1990.
- Artineh Samkian: Constructing Identities, Perceiving Lives: Armenian High School Students’ Perceptions of Identity and Education. ProQuest, 2007, ISBN 978-0-549-48257-4.
Literatur
- Richard LaPiere: Armenian settlement in Fresno County. Stanford University, 1930, OCLC 20332780.
- Sarkis Atamian: The Armenian community. The historical development of a social and ideological conflict. Philosophical Library, New York 1955, OCLC 55158094.
- Paul Kernaklian: The Armenian-American Personality Structure and Its Relationship to Various States of Ethnicity. Syracuse University, 1967, OCLC 5419847.
- Gary A. Kulhanjian: The historical and sociological aspects of Armenian immigration to the United States 1890–1930. R and E Research Associates, San Francisco 1975, ISBN 0-88247-309-3.
- Robert Mirak: Armenian Immigrants: Alive and Well in the New World. Armenian Bicentennial Committee of Massachusetts, Boston 1976, OCLC 733944190.
- Robert Paul Jordan, Harry Naltchayan. The Proud Armenians. (PDF; 4,4 MB) In: National Geographic 153, Nr. 6, Juni 1978, S. 846–873.
- Matthew A. Jendian: Becoming American, Remaining Ethnic: The Case of Armenian-Americans in Central California. LFB Scholarly Pub., New York 2008, ISBN 978-1-59332-261-8.
- Vladimir Wertsman: The Armenians in America, 1618–1976. A chronology & fact book. Oceana Publications, Dobbs Ferry, N.Y. 1978, ISBN 0-379-00529-8.
- Ingrid Poschmann O’Grady: Ararat, Etchmiadzin, and Haig (nation, church and kin): a study of the symbol system of American Armenians. The Catholic University of America, 1979, OCLC 23314470.
- Robert Mirak: Torn between two lands. Armenians in America, 1890 to World War I. Harvard University by Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1983, ISBN 0-674-89540-1.
- Armenians in America. Celebrating the first century. Armenian Assembly of America, Boston, MA. 1987, ISBN 0-925428-02-7.
- Jenny Phillips: Symbol, myth, and rhetoric. The politics of culture in an Armenian American population. AMS Press, New York 1989, ISBN 0-404-19433-8.
- David Waldstreicher: The Armenian Americans. Chelsea House Publications, New York 1989, ISBN 0-87754-862-5.
Einzelnachweise
- WikiLeaks: U.S. Ambassadors ‘Decipher’ Armenian American Diaspora, Botschaft der Vereinigten Staaten, Jerewan. 1. Juni 2004. Abgerufen am 31. Januar 2013. „Of the estimated 8-10 million people living outside the Republic of Armenia who consider themselves “Armenians,” the GOAM and major Armenian cultural and advocacy organizations estimate that 1.5-2 million live in the United States. This number ranks second after the estimated 2 to 2.5 million Armenians that live most of the year in Russia or other CIS Countries.“
- Total ancestry categories tallied for people with one or more ancestry categories reported 2011 American Community Survey 1-Year Estimates. United States Census Bureau; archive.org.
- United States 2000 census: Ancestry
- Gary Laderman: Religion and American cultures. An encyclopedia of traditions, diversity, and popular expressions. ABC-CLIO, Santa Barbara CA 2003, ISBN 1-57607-854-X, S. 302.
- Hovhannes Ayvazyan: Հայ Սփյուռք հանրագիտարան – Hay spʻyuṛkʻ: hanragitaran. Band 1. Hayk. Hanragitaran Hrat, Erevan 2003, ISBN 5-89700-020-4, S. 38 (armenisch).
- Peter R. Eisenstadt, Laura-Eve Moss: The encyclopedia of New York State. 1. Auflage. Syracuse University Press, Syracuse NY 2005, ISBN 0-8156-0808-X, S. 118.
- Huberta Von Voss: Portraits of hope: Armenians in the contemporary world. Berghahn Books, New York 2007, ISBN 978-1-84545-257-5, S. 11.
- United States 2000 census: Language Spoken at Home
- Culture and Commitment. Columbia University Press, New York 1978.
- Armenian Americans – History, The armenian republic, Immigration to america. everyculture.com.