Andreas Schmidt-Schaller
Andreas Schmidt-Schaller (* 30. Oktober 1945 in Arnstadt) ist ein deutscher Schauspieler. Er begann seine Karriere am Theater und erlangte in den 1980er Jahren Bekanntheit als unkonventioneller Ermittler in der Krimireihe Polizeiruf 110 des DDR-Fernsehens. Nach zahlreichen weiteren Fernsehrollen war er von 2001 bis 2017 als Chefermittler Hauptkommissar Hajo Trautzschke in der ZDF-Krimiserie SOKO Leipzig zu sehen.
Leben und Wirken
Ausbildung und Theaterjahre
Andreas Schmidt-Schaller wuchs in Weimar und anschließend in Gera auf, wo er 1964 sein Abitur an der Goethe-EOS machte. Über ein Schulprojekt für den FDJ-Kulturwettstreit und eine Tätigkeit als Bühnenarbeiter am Theater Gera kam er zur Schauspielerei.[1] Nach dem Schauspielstudium 1965–1969 an der Theaterhochschule Leipzig war er zunächst am Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt engagiert.
Während seiner Schauspielausbildung wurde Schmidt-Schaller 1967 vom Ministerium für Staatssicherheit angeworben, dem er als „IM Jochen“ (Registriernummer XIII 318/67) Informationen über die Leipziger Theaterhochschule und das Theater Karl-Marx-Stadt zutrug. 1971 beendete er die Zusammenarbeit, als von ihm verlangt wurde, persönliche Dinge über seine Schauspielkollegen zu berichten.[2][3]
In Karl-Marx-Stadt gehörte Peter Sodann zu seinen Regisseuren. Diesem folgte Schmidt-Schaller 1975 nach Magdeburg, wo Sodann den Posten des Schauspieldirektors an den Städtischen Bühnen erhielt. Als Sodann 1980 das Magdeburger Theater verließ, ging Schmidt-Schaller als freier Schauspieler nach Berlin.[4]
1980 bis 1983 inszenierte Schmidt-Schaller auch selbst Theaterstücke, u. a. Der Schuster und der Hahn am Theater Neustrelitz und Jutta oder Die Kinder von Damutz am Theater Gera.
Polizeiruf 110
Bereits 1973 war Schmidt-Schaller erstmals in einem für die Fernsehreihe Polizeiruf 110 produzierten Film zu sehen: In Alarm am See spielte er einen Tatverdächtigen.[5] Nach einigen weiteren Episodenrollen in den 1980er Jahren übernahm er in der bedeutendsten Krimireihe des DDR-Fernsehens mit dem 1986 gesendeten Fall Ein großes Talent die wiederkehrende Rolle des Leutnants Thomas Grawe. Als junger Mann neben den gestandenen Polizeiruf-Ermittlern Hauptmann Fuchs (Peter Borgelt) und Oberleutnant Hübner (Jürgen Frohriep) konnte sich Grawe als junger, sympathischer Leutnant profilieren und wurde schnell zum Publikumsliebling. Im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten wurde Grawe ein Privatleben zugestanden. In der Folge Der Kreuzworträtselfall (1988) wurde Grawe zum Oberleutnant befördert, nach der Wende trug er im September 1990 in Ball der einsamen Herzen den neuen Volkspolizei-Dienstgrad Oberkommissar.
Als ostdeutschem Pendant zum unkonventionellen Tatort-Kommissar Schimanski wurde Schmidt-Schaller der Beiname Schimanski des Ostens angeheftet. Im Film Unter Brüdern, der 1990 anlässlich der deutschen Wiedervereinigung produzierten gemeinsamen Folge des Polizeiruf 110 mit dem westdeutschen Tatort, ermittelten Schmidt-Schallers Grawe und Götz Georges Schimanski zusammen.
Nach dem Ende des Fernsehens der DDR und dessen Nachfolgeeinrichtung Deutscher Fernsehfunk endete 1991 vorerst auch die Reihe Polizeiruf 110. Als die ARD die Reihe fortsetzte, kehrte Schmidt-Schaller 1994 für zwei Folgen als Hauptermittler auf den Bildschirm zurück. Mit Grawes letzter Fall verließ er 1995 die Reihe und hatte später noch einige Gastauftritte. So gehörte er 2001 zu den Darstellern in der Jubiläumsfolge Kurschatten und ließ im Jahr 2004 in der Folge Ein Bild von einem Mörder die Figur Thomas Grawe als Privatdetektiv aufleben. In der Jubiläumsfolge An der Saale hellem Strande trat Schmidt-Schaller 2021 noch einmal als Thomas Grawe auf, der hier der Schwiegervater des von Peter Schneider verkörperten Hallenser Kommissars Michael Lehmann ist.
In der Sendefassung der 1974 nicht fertiggestellten, 2009 ohne Tonspur aufgefundenen und 2011 ausgestrahlten Polizeiruf-Folge Im Alter von … sprach Schmidt-Schaller für den inzwischen verstorbenen Jürgen Frohriep die Rolle des Oberleutnants Hübner.[6]
Nachwendezeit
Schmidt-Schaller wirkte vor und nach der Wende bei zahlreichen weiteren Fernsehproduktionen mit. Noch für den Deutschen Fernsehfunk spielte er 1990 die Hauptrolle des Flussmeisters Hans Lutki in der siebenteiligen Familienserie Spreewaldfamilie. In der ARD-Serie Oppen und Ehrlich[7] verkörperte er 1992 in 16 Folgen den Industriellen Ottwin Ehrlich, der mit seinem Adoptivbruder, dem Bürgermeister Hinrich Oppen (Uwe Friedrichsen), im Dauerstreit lag. Neben der Fernseharbeit war Schmidt-Schaller auch weiterhin für das Theater tätig. Von 1993 bis 1995 leitete er das Kleine Theater in Gera, ein Puppentheater.
In der 1997 gesendeten dreizehnteiligen MDR-Serie Leinen los für MS Königstein spielte Schmidt-Schaller den Sohn eines von Dietmar Schönherr dargestellten Elbschiffers in der Sächsischen Schweiz. Der ZDF-Spielfilm Ein Mann stürzt ab zeigte ihn 1998 an der Seite von Katrin Sass in der Hauptrolle eines angesehenen Schiffbaumeisters, der durch Arbeitslosigkeit in die Abwärtsspirale gerät. In der RTL-Actionserie Der Clown, zu der 2005 auch ein Kinofilm erschien, trat er von 1998 bis 2001 als BKA-Beamter Führmann auf.
Ab 2001 war Schmidt-Schaller wieder regelmäßig als Ermittler fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen im Einsatz: Als Kriminalhauptkommissar Hajo Trautzschke, Chef der SOKO Leipzig, spielte er bis 2017 eine der Hauptrollen in der gleichnamigen ZDF-Reihe. Seitdem hatte er weiterhin Gastauftritte in der Serie. Insgesamt war er bisher in über 330 Folgen zu sehen.
Privates
Schmidt-Schaller war zweimal mit der Schauspielerin Christine Krüger verheiratet, mit der er gemeinsam studierte, am Theater arbeitete und zwei Kinder hat. Mit 22 Jahren wurde Schmidt-Schaller erstmals Vater: 1967 kam Sohn Thomas Schmidt-Schaller zur Welt.[8] Seine Tochter Petra Schmidt-Schaller (* 1980) ist ebenfalls Schauspielerin. Mit ihr trat er gemeinsam im Kinofilm Balkan Traffic – Übermorgen Nirgendwo und in den SOKO-Leipzig-Folgen Tödliche Falle (2003)[9] und Bernie (2008) auf – beide Folgen sendete das ZDF jeweils am Tag nach seinem Geburtstag. Im Jahr 1982 folgte die Geburt des zweiten Sohns, des Schauspielers Tom Radisch[10][11], dessen Mutter Tänzerin ist.[12] Aus der Beziehung zur Regisseurin Swentja Krumscheidt stammt sein jüngster Sohn Matti Schmidt-Schaller (* 1996),[13][14] der ebenfalls als Schauspieler tätig ist.
In dem 2006 in Buchform erschienenen Interview Über Gott und die Welt – Andreas Schmidt-Schaller im Gespräch mit Horst Wörner erzählt er erstmals aus seinem beruflichen und privaten Leben, insbesondere auch über seine Erfahrungen zu Zeiten der DDR. Zu seiner Tätigkeit als IM der Stasi in den 1960er-Jahren bekannte er sich im Februar 2013, als er von der Presse mit Aktenfunden in der Jahn-Behörde konfrontiert wurde.[3][15] Die Redaktion der Serie SOKO Leipzig verarbeitete dies und schrieb 2015 ab der Folge Erlösung dem von Schmidt-Schaller gespielten Kriminalhauptkommissar Trautzschke eine Geschichte um eine Stasi-Vergangenheit des Ermittlers. Die Kollegen im Team hatten plötzlich damit umzugehen, dass ihr Leiter ein IM war.[16] 2015 erschien Schmidt-Schallers Autobiographie Klare Ansage. Bekundungen und Bekenntnisse.
Schmidt-Schaller ist Mitglied der Deutschen Filmakademie[17] sowie im Bundesverband Schauspiel (BFFS)[18] und engagiert sich als ehrenamtlicher Botschafter der Stiftung Kinderhospiz Mitteldeutschland Nordhausen in Tambach-Dietharz.
Schmidt-Schaller lebt in Berlin-Pankow und Koserow.
Filmografie (Auswahl)
Folgen der Reihe Polizeiruf 110
- 1973: Alarm am See
- 1983: Eine nette Person
- 1984: Draußen am See
- 1984: Freunde
- 1985: Verlockung
1986–1995 als Thomas Grawe im Ermittlerteam:
- 1986: Ein großes Talent
- 1986: Parkplatz der Liebe
- 1986: Gier
- 1986: Kein Tag ist wie der andere
- 1986: Das habe ich nicht gewollt
- 1987: Unheil aus der Flasche
- 1987: Explosion
- 1987: Der Tote zahlt
- 1987: Zwei Schwestern
- 1987: Die letzte Kundin
- 1987: Abschiedslied für Linda
- 1988: Ihr faßt mich nie!
- 1988: Der Mann im Baum
- 1988: Still wie die Nacht
- 1988: Der Kreuzworträtselfall
- 1989: Mitternachtsfall
- 1989: Variante Tramper
- 1989: Der Fund
- 1989: Gestohlenes Glück
- 1989: Unsichtbare Fährten
- 1989: Trio zu viert
- 1989: Katharina
- 1990: Der Tod des Pelikan
- 1990: Zahltag
- 1990: Tödliche Träume
- 1990: Falscher Jasmin
- 1990: Ball der einsamen Herzen
- 1990: Unter Brüdern (auch Tatort)
- 1991: Mit dem Anruf kommt der Tod
- 1991: Thanners neuer Job
- 1994: Arme Schweine
- 1995: Grawes letzter Fall
Spätere Gastauftritte:
- 2001: Kurschatten
- 2002: Memory
- 2004: Ein Bild von einem Mörder
- 2011: Im Alter von … (Stimme von Oberleutnant Hübner)
- 2021: An der Saale hellem Strande
Weitere Fernseharbeiten
- 1969/1977: Die seltsame Reise des Alois Fingerlein (Theateraufzeichnung)
- 1972: Täter unbekannt – Schnelle Hirsche
- 1982–1987: Der Staatsanwalt hat das Wort (mehrere Folgen)
- 1983: Der Fall Marion Neuhaus
- 1983: Martin Luther
- 1986: Offiziere
- 1988: Präriejäger in Mexiko
- 1989: Endlich allein
- 1990: Flugstaffel Meinecke
- 1990–1991: Spreewaldfamilie
- 1992: Oppen und Ehrlich
- 1992: Dornberger
- 1994: Adelheid und ihre Mörder – Kleine Fische
- 1997: Leinen los für MS Königstein
- 1997: Tatort – Eiskalt
- 1997: Alarm für Cobra 11 – Generalprobe
- 1998: Nicht von schlechten Eltern, 3. Staffel
- 1998: Ein Mann stürzt ab
- 1999: Der letzte Zeuge – Unter die Haut
- 1998–2001: Der Clown
- 2000: Deutschlandspiel
- 2000: Verbotenes Verlangen – Ich liebe meinen Schüler
- 2001: Die Affäre Semmeling
- 2001: Ein starkes Team – Lug und Trug
- Seit 2001: SOKO Leipzig
- 2003: Tatort – Atlantis
- 2006: Alarm für Cobra 11 – Der letzte Coup
- 2007: Ein starkes Team – Blutige Ernte
- 2009: Küstenwache – Verhängnis
- 2010: Ihr Auftrag, Pater Castell – Das Geheimnis der letzten Tage
- 2012: Der letzte Bulle – Die, die vergeben können
- 2015: Kommissar Marthaler – Ein allzu schönes Mädchen (TV-Reihe)
- 2017: Katie Fforde – Meine verrückte Familie
- 2018: In aller Freundschaft – Verpasste Gelegenheiten
- seit 2019: Erzgebirgskrimi (Fernsehreihe)
- 2019: Der Tote im Stollen
- 2020: Tödlicher Akkord
- 2021: Der Tote im Burggraben
- 2021: Der letzte Bissen
- 2022: Verhängnisvolle Recherche
- 2019: Bettys Diagnose – Verlust
Kino
- 1986: Der Junge mit dem großen schwarzen Hund
- 2000: Vergiss Amerika
- 2002: Mathilda
- 2005: Der Clown – Payday
- 2007: Sieben Tage Sonntag
- 2007: Balkan Traffic – Übermorgen Nirgendwo
- 2010: Nach den Jahren (Kurzfilm)
Hörbücher
- Frank Fröhlich (Herausgeber und Gitarre): Das alte Weimar: Ein literarisch-musikalischer Streifzug durch Weimar von Goethe bis Herder. Andreas Schmidt-Schaller und Petra Schmidt-Schaller (Sprecher), Fröhlich Verlag / Goldmund Hörbücher, Dresden 2007. ISBN 3939669105
- Die drei ??? – Folge 150 A Geisterbucht als Mr. Sapchevsky. Europa, 2011.[19]
- Fünf Freunde – Folge 94 und die Sturmflut als Constable Brix. Europa, 2011.[20]
Literatur
- Andreas Schmidt-Schaller: Klare Ansage. Bekundungen und Bekenntnisse, Verlag Neues Leben, Berlin 2015, ISBN 978-3-355-01836-4
- Horst Wörner, Andreas Schmidt-Schaller: Über Gott und die Welt, Gerhard-Hess-Verlag, Bad Schussenried 2006, ISBN 3-87336-338-0
Weblinks
- Andreas Schmidt-Schaller in der Internet Movie Database (englisch)
- Andreas Schmidt-Schaller bei filmportal.de
- Andreas Schmidt-Schaller bei castupload.com
Einzelnachweise
- Wörner, Schmidt-Schaller: Über Gott und die Welt, Seite 31
- Stasi-Vorwürfe gegen Schmidt-Schaller: ZDF hält an "Soko Leipzig"-Star fest. Spiegel Online vom 19. Februar 2013
- Fernsehermittler Andreas Schmidt-Schaller holt nach fast 50 Jahren seine Stasi-Vergangenheit ein. Märkische Allgemeine vom 20. Februar 2013
- Wörner, Schmidt-Schaller: Über Gott und die Welt, Seite 63
- Alarm am See wurde laut polizeiruf110-lexikon.de (Memento vom 11. Oktober 2007 im Internet Archive) zwar zunächst als Polizeiruf 110 produziert, zu Zeiten der DDR jedoch nur außerhalb dieser Reihe ausgestrahlt.
- Die verbotene Folge, sueddeutsche.de vom 22. Juni 2011
- Oppen und Ehrlich auf fernsehlexikon.de, abgerufen am 2. März 2022
- Vgl. dazu Horst Wörner, Andreas Schmidt-Schaller: Über Gott und die Welt, Gerhard-Hess-Verlag, Bad Schussenried 2006, ISBN 3-87336-338-0, S. 90–91
- Welt.de: Schmidt-Schaller als Doppelpack im Krimi "Soko Leipzig" (Memento vom 1. Dezember 2016 im Internet Archive), Die Welt vom 31. Oktober 2003
- Bild Leipzig vom 23. September 2013: „Auch Andreas Schmidt-Schaller […] ließ sich die Eröffnung des Oktoberfestes nicht entgehen – er kippte zusammen mit seinem Sohn Tom Radisch (31) ein paar Maßkrüge Bier“
- Tom Radisch am Residenztheater München, abgerufen am 24. März 2014
- Tom Radisch: „Ich kann in Ruhe mein Süppchen kochen“, SUPERillu vom 11. April 2019, abgerufen am 8. Januar 2022
- Andreas Schmidt-Schaller im Porträt. (Memento vom 25. Februar 2016 im Internet Archive) (PDF; 85 kB, auf die-agenten.de; Quellenangabe dort: MDR Fernsehen am 21. März 2011)
- Matti Schmidt-Schaller (Memento vom 20. Februar 2016 im Internet Archive) bei Agentur Kokon, abgerufen am 25. Februar 2016
- Stasi-Beichte in BILD. Bild.de vom 18. Februar 2013
- Der Tagesspiegel: Besondere „Soko-Leipzig“-Folge – „Spielst du jetzt Stasi oder was?“, tagesspiegel.de vom 19. November 2015, abgerufen am 9. Dezember 2015
- Andreas Schmidt-Schaller. In: deutsche-filmakademie.de. Deutsche Filmakademie, abgerufen am 13. März 2019.
- BFFS-Mitgliederliste, Bundesverband Schauspiel, bffs.de abgerufen am 9. Dezember 2015
- Die drei Fragezeichen: Statements prominenter Mitwirkender (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) , abgerufen am 15. November 2012
- Fünf Freunde (94) „… und die Sturmflut“, abgerufen am 10. November 2013