Wilhelm von Nathusius (Offizier)
Wilhelm Engelhard von Nathusius (* 24. März 1856 in Königsborn; † 10. Januar 1937 in Kassel)[1] war ein preußischer Generalmajor, der durch einen Militärprozess 1924 in Frankreich bekannt wurde.
Herkunft und Jugend
Wilhelm von Nathusius war der Sohn des gleichnamigen Wilhelm Engelhard von Nathusius (1821‒1890) und der Marie Johanne von Nathusius, geborene von Meibom (1820‒1878). Sein Großvater war der Magdeburger und Althaldenslebener Kaufmann und Unternehmer Johann Gottlob Nathusius. Die Mutter stammte ebenfalls aus Magdeburg. Geboren wurde Nathusius auf dem väterlichen Rittergut in der 15 Kilometer von Magdeburg entfernten Ortschaft Königsborn. Seinen ersten Unterricht erhielt er durch Hauslehrer; bereits als Kind sprach er fließend Englisch. Später folgte der Besuch des Gymnasiums des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg sowie des gräflichen Gymnasiums in Wernigerode.
Militärische Karriere
Nathusius begann seine militärische Karriere bei der Kavallerie; später wechselte er die Truppengattung und wurde Nachschuboffizier. Er war ein ausgezeichneter Schütze und gewann zweimal den 1. Preis beim Offiziersschießen der Armee als bester Schütze. Vom Kaiser erhielt er beim ersten Mal einen Ehrensäbel, beim zweiten Mal einen Geldpreis.[2]
Kavallerist
Mit 19 Jahren trat Nathusius 1875 als Fahnenjunker in das Magdeburgische Dragoner-Regiment Nr. 6 der Preußischen Armee ein, das zur 21. Kavallerie-Brigade der 21. Division gehörte.[2] Divisions- und Brigadekommando befanden sich in Frankfurt am Main, das Regiment Nr. 6 stand in Mainz. Im Jahr 1880 verlegte dieses Regiment nach Diedenhofen in Lothringen, das seit 1871 als Folge des Krieges von 1870/71 zum Deutschen Kaiserreich gehörte.
1883 und 1884 war er als Rittmeister Kommandeur der 1. Eskadron im 3. Badischen Dragoner-Regiment „Prinz Karl“ Nr. 22[3] in Mülhausen. Später erfolgte bei diesem Verband die Beförderung zum Major.[4]
Nachschuboffizier
1904 wurde Nathusius als Kommandeur des Train-Bataillons Nr. 16 nach Forbach versetzt. Ein solches Bataillon bestand damals aus drei Kompanien und hatte die Beförderungsmittel des jeweils übergeordneten Armeekorps zu stellen. Das Forbacher Bataillon war bei Übernahme durch Nathusius schlecht beleumundet. Der heruntergekommene Zustand der Garnison war bereits in den Romanen Grenzpanorama und Aus einer kleinen Garnison[5] beschrieben worden und hatte zu Debatten im Reichstag geführt.
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1912 erhielt er die Patentierung zum Oberst.[6] Außerdem wurde er Kommandeur des Trains des VIII., des XI. und des XVIII. Armee-Korps in Koblenz. In dieser Funktion (Train-Direktion) unterstanden ihm die Train-Bataillone in Koblenz (1. Rheinisches Train-Bataillon Nr. 8), Kassel (Kurhessisches Train-Bataillon Nr. 11) und Darmstadt (Großherzoglich Hessisches Train-Bataillon Nr. 18).
Am 6. August 1914 rückte Nathusius mit dem Koblenzer Generalkommando (VIII. Armee-Korps) in den Krieg. Er nahm mit seinem Verband am Vormarsch bis Vitry-le-François an der Marne teil. Kommandierender General des Korps war bei Kriegsbeginn noch der Generalleutnant Franz Tülff von Tschepe und Weidenbach, der aber bereits am 5. Oktober 1914 vom General der Infanterie Julius Riemann abgelöst wurde. Im November 1914 erkrankte Nathusius an Typhus. Nach mehreren Monaten Lazarettaufenthalt wurde er dem VI. Reserve-Korps in der Champagne zugeordnet. 1917 erfolgte die Versetzung nach Flandern als KOMUT (Kommandeur der Munitionskolonnen und Trains) der 3. Armee.[2] 1918 wurde Nathusius zum Generalmajor befördert und schied aus dem aktiven Dienst aus.
Militärprozess in Lille 1924
Der deutschen und auch internationalen Öffentlichkeit wurde der bereits pensionierte Nathusius durch einen Prozess vor einem Kriegsgericht in Frankreich bekannt, der einen Monat lang hohe Wellen warf. Das Verfahren fiel in die nach dem Ersten Weltkrieg nationalistisch wie revanchistisch aufgeladene Zeit. Demokratische und versöhnungswillige Kreise sowohl in Deutschland wie in Frankreich befürchteten, die Verurteilung des Generals zu einem Jahr Gefängnis könnte der nationalistischen Rechten bei der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 Auftrieb geben. Dies wurde jedoch mit der raschen Begnadigung des Generals durch den französischen Präsidenten verhindert.
Familie
Am 14. Juli 1892 heiratete Nathusius in der Johanniskirche in Halle die Engländerin Mary Augusta Braendlin (* 21. November 1869 in Birmingham; † 9. Juli 1954 in Kassel). Deren Vater war Franz August Braendlin, der ursprünglich aus der Markgrafschaft Ansbach stammte, als junger Mann nach England ausgewandert war, dort „naturalisiert“ wurde und eine Fabrik für militärische Handfeuerwaffen in Birmingham begründet hatte. Nathusius’ Schwiegermutter war die bereits früh verstorbene Mary Jane Lawton. Das Ehepaar hatte zwei Töchter. Die ältere Tochter starb mit vier Jahren, 1900 wurde Doris May von Nathusius geboren, die später Borwin Haevernick heiraten sollte, den Sohn des Generalleutnants Oskar Haevernick.
Nathusius hatte zwei Brüder und drei Schwestern. Elsbeth von Nathusius war Schriftstellerin. Eine andere Schwester war Susanne von Nathusius, eine Porträtmalerin in Halle.
Wilhelm von Nathusius starb 1937 mit 81 Jahren an einer Lungenentzündung. Er und seine Frau wurden in Menz bei Königsborn beerdigt. Heute befinden sich ihre Grabsteine auf dem Nathusius'schen Familienfriedhof in Althaldensleben.
Literatur
- Herrmann A. L. Degener (Hrsg.): Wer ist's? Zeitgenossenlexikon enthaltend Biographien nebst Bibliographien. Angaben über Herkunft, Familie, Lebenslauf, Werke, Lieblingsbeschäftigungen, Parteiangehörigkeit, Mitgliedschaft bei Gesellschaften, Adresse. Andere Mitteilungen von allgemeinem Interesse. 4. Ausgabe, Degener, Leipzig 1909
- Nachruf auf Wilhelm von Nathusius. In: Kasseler Post. Nr. 11 vom 12. Januar 1937, Jahrgang 55.
- Jochen von Nathusius, Christine Keßler: Johann Gottlob Nathusius (1760–1835) und seine Nachkommen bis zur sechsten Generation sowie sein Neffe Moritz Nathusius (1815-1886) und seine Nachkommen bis zur fünften Generation. Hrsg.: Verband der Familien von Nathusius und Nathusius e.V. (Kassel): Hannover (Druck), Meschede und Mülheim an der Ruhr 2010 (S. 276–277), aktualisierte Neuauflage von: Lilly von Nathusius, Johann Gottlob Nathusius und seine Nachkommen sowie sein Neffe Moritz Nathusius mit seinen Nachkommen (Familien-Chronik), Detmold 1964
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- gem. Nathusius (1840, 1861), IV. Linie (Königsborn), Wilhelm Engelhard v. Nathusius. In: Genealogisches Handbuch des Adels. Band 57 der Gesamtreihe, Adelige Häuser B, Band XI, C. A. Starke Verlag, Limburg a. d. Lahn, 1974, S. 318.
- Jochen von Nathusius, Christine Keßler: Johann Gottlob Nathusius (1760–1835) und seine Nachkommen. siehe LitVerz, S. 276–277.
- Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, Vereinigung Deutscher Werksarchivare (Hrsg.): Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. F. Steiner Verlag, 1971, S. 289.
- Guido von Frobel (Hrsg.): Militär-Wochenblatt. Band 81 Teil 2. E.S. Mittler & Sohn, Berlin 1896, S. 2815 (google.de [abgerufen am 6. März 2019]).
- Fritz Oswald Bilse, Sohn eines Schulmanns, lebte in Kirn (damals Rheinprovinz) und Eisenach, trat 1896 in den Heeresdienst und wurde 1900 zum Train-Bataillon Nr. 16 nach Forbach in Lothringen versetzt. Schlagartig bekannt wurde er, als er (in späteren Auflagen unter dem Pseudonym „Fritz von der Kyrburg“, nach dem Wahrzeichen seiner Heimatstadt) den Roman Aus einer kleinen Garnison. Ein militärisches Zeitbild (1903) veröffentlichte. Das Buch, in dem Leutnant Bilse die Sitten und Gebräuche der Garnison und des preußischen Militärs aufs Korn nimmt, wurde zu einem Skandalerfolg und erreichte rasch mehrere Auflagen. Bilses Kritik war allerdings so scharf und Ort und Figuren so wenig verschlüsselt, dass mehrere der sich in ihrer Ehre verletzt fühlende Offiziere einen Prozess gegen ihn vor dem Militärgericht anstrengten, der vom 9. bis zum 13. November 1903 in Metz stattfand. Bilse wurde der Verleumdung für schuldig befunden, unehrenhaft aus der Armee entlassen und zu sechs Monaten Haft verurteilt. Der Roman wurde (vorübergehend) verboten.
- Patent zum 1. Oktober 1912, ausgezeichnet: Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preussen …, Kopie liegt vor in: Archiv der Familien Nathusius und von Nathusius, Position VI. Königsborn, b, lfd. Nr. 2, Althaldensleben.
- Gemälde von Susanne von Nathusius.