Westerborkpad

Der Westerborkpad i​st ein 342 Kilometer langer Wanderweg i​n den Niederlanden. Folgt m​an dem Pfad entlang d​er Bahnschienen, lässt s​ich der Weg nachvollziehen, a​uf dem m​ehr als 100.000 deportierte Juden während d​er deutschen Besetzung d​er Niederlande v​on 1940 b​is 1945 v​on Amsterdam a​us mit d​em Zug z​um Durchgangslager Westerbork gebracht wurden. Die große Mehrzahl dieser Menschen w​urde von Westerbork i​n Vernichtungslager deportiert u​nd ermordet.

Der Bahnhof im Lager Westerbork (1942–1944)
Das Lager (ca. 1944)

Geschichte und Beschreibung

Die Initiative z​ur Einrichtung dieses offiziellen Wanderwegs g​ing von d​em Niederländer Jan Dokter aus, d​er 1943 u​nd 1944 zwölf Familienmitglieder d​urch den Holocaust verlor. Acht v​on ihnen wurden i​n Auschwitz, v​ier in Sobibor ermordet, darunter s​eine vierjährige Cousine. Er selbst w​ar damals a​cht Jahre a​lt und w​urde nicht deportiert, w​eil er e​inen nichtjüdischen Vater hatte. Die zwölf Menschen stammten a​us der jüdischen Familie seiner Mutter namens Pakkedrager. Als s​eine Mutter n​ach dem Krieg v​om Tod i​hrer Verwandten erfuhr, w​urde sie psychisch krank.[1]

Dokter h​atte 2008 d​ie Idee z​u dem Wanderweg, nachdem e​r ihn 2005 privat a​ls 70-Jähriger i​n Gedenken a​n seine getöteten Verwandten v​ier Tage l​ang gegangen war: „Iedereen l​oopt naar Santiago, m​aar nog n​ooit was iemand o​p dit i​dee gekome.“ („Jeder läuft n​ach Santiago, a​ber auf d​iese Idee w​ar noch keiner gekommen.“) Er erstellte a​uf Anregung d​es Leiters d​er Erinnerungsstätte Westerbork e​ine Broschüre m​it der Beschreibung d​es Weges, dessen Verlauf e​r selbst ausgearbeitet hatte. Im Januar 2012 w​urde der Weg a​ls „Wander- u​nd Besinnungsroute“ offiziell eröffnet.[2] Aufgrund d​es großen Erfolges erschien 2017 d​ie dritte Ausgabe d​er Wanderbroschüre i​n Zusammenarbeit m​it der Stichting Wandelnet.[1] Offizielle Träger d​es Projekts s​ind die Gedenkstätte Kamp Westerbork u​nd der Koninklijke Wandel Bond Nederland (KWBN) i​n Zusammenarbeit m​it dem Kenniscentrum Groen e​n Handicap.

Der Weg i​st mit eigenen rot-blauen Markierungen m​it dem Symbol e​ines Stacheldrahts ausgeschildert, i​m Gegensatz z​u anderen Wanderwegen a​us Respekt v​or den Toten n​ur in e​ine Richtung.

Der Wanderweg beginnt a​n der Hollandsche Schouwburg i​n Amsterdam u​nd führt n​ach einem Rundgang d​urch die Stadt a​n oder n​ahe der Eisenbahnstrecke entlang, a​uf der d​ie Züge m​it den deportierten Menschen i​n das Lager Westerbork fuhren. Die Gesamtlänge d​es Fernwanderweges (Lange-Afstand-Wandelpad = LAW) beträgt 342 Kilometer über 56 Stationen, führt d​urch fünf Provinzen u​nd 20 Gemeinden. Er passiert Verstecke s​owie Orte, a​n denen Menschen gefangen gehalten o​der ermordet wurden, jüdische Friedhöfe, Synagogen u​nd Gedenkstätten.

31 speziell gekennzeichnete Etappen s​ind barrierefrei angelegt. Im Rahmen d​es Luisterpads s​ind 60 Zeitzeugen-Berichte p​er App m​it dem Smartphone unterwegs w​ie auch online z​u hören.[3]

Etappen

Nr.StartortZielortkmStationen (Auswahl)Bilder
1Hauptbahnhof AmsterdamHollandsche Schouwburg6,7Hollandsche Schouwburg (Sammelplatz für die Amsterdamer Juden vor der Deportation), Anne-Frank-Haus,
De Dokwerker, Joods Historisch Museum, ehemalige Jodenbuurt u. w., darunter das Haus Paardekraalstraat 1, in dem Maurits Pakkedrager wohnte, der in Sobibor vergaste Großvater von Jan Dokter.
2Hollandsche SchouwburgBahnhof Amsterdam Muiderpoort3,7Das bronzene Monument vor het kunstenaarsverzet wurde 1973 zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer Gerrit van der Veen errichtet. Bildhauer war Carel Kneulman.
3Bahnhof Amsterdam MuiderpoortBahnhof Diemen4,6Während der deutschen Besatzung wurden rund 11.000 jüdische Menschen von Muiderpoort aus in das Lager Westerbork deportiert.
4Bahnhof DiemenDiemerbos3,0Nederlands-Israëlitische Begraafplaats in Diemen: Der Friedhof wurde 1913–1914 von der Gemeinde Amsterdam in Auftrag gegeben. Auf dem Friedhof befindet sich ein Urnenfeld mit der Asche von jüdischen Menschen, die während des Krieges im Lager Westerbork ums Leben kamen und deren Leichname dort gegen jüdische Sitte verbrannt wurden. In den Jahren 1956–1957 wurden rund 28.000 Gräber einschließlich des umgebenden Bodens (als Eigentum der Toten betrachtet) vom Zeeburger Friedhof (Gemeinde Amsterdam) nach Diemen überführt.
5DiemerbosBahnhof Weesp5,5Das Naherholungsgebiet Diemerbos wurde in den 1990er Jahren angelegt, zuvor befanden sich hier landwirtschaftliche Flächen.
6Bahnhof WeespMuiden5,5Die Weesper Synagoge in der Nieuwstraat existiert seit 1840. Während der deutschen Besatzung wurden alle Weesper Juden deportiert, und die Synagoge wurde geplündert. Nachdem das Gebäude anschließend für andere Zwecke genutzt worden war, wurde es 1997 restauriert und dient seitdem wieder als Synagoge. An der Außenmauer ist eine Gedenktafel zur Erinnerung an die ermordeten Juden von Weesp angebracht.[4]
7MuidenJüdischer Friedhof Muiderberg5,1Auf dem Jüdischen Friedhof Muiderberg liegen rund 45.000 aschkenasische Juden, vor allem aus Amsterdam, beerdigt. Er ist der älteste und gleichzeitig größte jüdische Begräbnisplatz der Niederlande. Während der deutschen Besatzung waren Bestattungen in Muiderberg verboten. Viele Gräber sind heutzutage nicht mehr gepflegt, da die Familienangehörigen im Holocaust ermordet wurden.
8Jüdischer Friedhof MuiderbergPumpwerk „De Machine“4,2Das Pumpwerk De Machine wurde 1883 gebaut, um das Naardermeer leer zu pumpen, was nicht gelang. Heute ist es ein Wohnhaus.[5]
9Pumpwerk „De Machine“Bahnhof Naarden-Bussum4,7Denkmal zur Erinnerung an fünf niederländische Männer, die am 4. Februar 1945 von den deutschen Besatzern erschossen wurden.
10Bahnhof Naarden-BussumBussumerheide5,6Der jüdische Friedhof ist Teil des alten Friedhofs von Bussum. Hier wurden vor allem Juden aus Naarden und Bussum bestattet. Es gibt rund 200 Grabsteine, ungewöhnlich sind mehrere Grabdenkmäler aus Holz. An einer Backsteinmauer sind Erinnerungstafeln für ermordete Juden angebracht.
11BussumerheideBahnhof Hilversum5,4Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wurden auf der Bussumerheide fünf niederländische Widerständler von den Deutschen hingerichtet. An sie erinnert das Gedenkkruis voor verzetsmensen
12Bahnhof HilversumLoosdrecht6,1An der Oude Torenlaan befindet sich ein Denkmal mit einem Stein aus Mauthausen. Dieser Stein wurde von dem Widerstandskämpfer Bill Minco aus dem dortigen Steinbruch, in dem er arbeiten musste, mitgenommen. Am 5. Mai 1970 wurde der Stein an einer Mauer des Friedhofs Gedenkt te Sterven angebracht.[6]
13LoosdrechtBahnhof Hilversum Sportpark7,6Das Kriegsdenkmal in Nieuw-Loosdrecht erinnert an zehn Männer aus Loosdrecht, die 50 Meter von der Gedenkstätte entfernt am 20. März 1945 von den deutschen Besatzern erschossen wurden, als Vergeltungsmaßnahme für die Erschießung eines deutschen Soldaten.
14Bahnhof Hilversum -SportparkHooge Vuursche3,4Landschaftsgebiet Hooge Vuursche[7]
15Hooge VuurscheBahnhof Baarn4,6Landgut Hooge Vuursche
16Bahnhof BaarnSoest5,1Verzetsmonument Soest von Bildhauer Albert Dresmé, errichtet 1954. In einem Interview sagte der Künstler 1966, dass seine eigenen Erlebnisse in Amsterdam – so die Deportation der Juden und der Hungerwinter 1944/45 – ihn bei der Gestaltung inspiriert hätten. Nach der Enthüllung des Denkmals wurde Kritik laut, weil darauf ein Clown zu sehen ist, der Joseph Goebbels symbolisieren soll.[8]
17SoestBahnhof Amersfoort Centraal5,9Der Jüdische Friedhof am Soesterweg in Amersfoort besteht seit 1873 und beherbergt rund 3800 Gräber. Seit 1955 gibt es eine Erinnerungstafel an 55 unbekannte Opfer aus dem Lager Amersfoort. Die Toten lagen zuerst in einem Massengrab auf der Leusderheide. Mutmaßlich befinden sich darunter die sterblichen Überreste des Amsterdamer Kommunalpolitikers Monne de Miranda.
18Bahnhof Amersfoort CentraalSowjetischer Ehrenfriedhof5,3Im Durchgangslager Amersfoort wurden zwischen 1941 und 1945 rund 32.000 Menschen festgehalten, darunter auch „Geiseln“ und „Schutzhäftlinge“. Jüdische Gefangene wurden weiter in das KZ Mauthausen oder andere KZs transportiert. Im Lager wurden auch Menschen hingerichtet.
19Sowjetischer EhrenfriedhofBahnhof Amersfoort Schothorst7,6Auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof in Leusden liegen 865 sowjetische Soldaten begraben. Darunter befinden sich 101 Kriegsgefangene, mehrheitlich usbekischer Herkunft, von denen 26 in wenigen Monaten im Kamp Amersfoort zu Tode gequält wurden; die überlebenden Männer wurden am 9. April 1942 hingerichtet. Das war die größte Massenexekution in den Niederlanden während der deutschen Besatzung. Weitere sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wurden nach dem Krieg auf diesen Friedhof umgebettet, um eine zentrale Erinnerungsstätte für alle sowjetischen Opfer zu schaffen.[9]
20Bahnhof Amersfoort SchothorstBahnhof Amersfoort Vathorst3,1
21Bahnhof Amersfoort VathorstBahnhof Nijkerk6,8In der Spoorstraat 20 in Nijkerk wohnte die Familie de Liver, die Eltern Samuël und Petronella mit ihren Töchtern Sophia, Margaretha und Josephina. Sophia und Margaretha arbeiteten in der psychiatrischen Klinik Het Apeldoornsche Bosch in Apeldoorn. In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1941 räumte die SS die Klinik unter der Führung von Hauptsturmbannführer Ferdinand aus der Fünten. 1200 Insassen und 50 Mitarbeiter, darunter Sophia und Margaretha de Liver, wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Die Eltern wurden am 25. Mai 1943 von Westerbork nach Sobibor gebracht und dort getötet. Josephina de Liver kam ins Kamp Vught, wo sie zum sogenannten Philips-Kommando eingeteilt wurde. Diese Gruppe wurde auch nach ihrer Deportation von der Firma Philips weitgehend beschützt, weshalb Josephina de Liver als einziges Mitglied ihrer Familie den Holocaust überlebte. Dem Bürgermeister von Nijkerk, Zwaantinus Bruins Slot, gelang es, in seiner Gemeinde so viele jüdische Menschen verstecken zu lassen, dass sich – nachdem Nijkerk als „judenfrei“ galt – dort mehr Juden aufhielten als die heimische jüdische Gemeinde zählte.
22Bahnhof NijkerkHoek Tintelersteeg/Hogesteeg6,3Schon vor 1650 siedelten sich erste jüdische Familien in Nijkerk an. Im 19. Jahrhundert machte sich die Stadt einen Namen als Zentrum für Tora-Studien, nach der Jahrhundertwende wurde die Gemeinde allerdings immer kleiner. 1940/41 wurde die Synagoge von den Deutschen geschlossen. 48 Juden aus Nijkerk wurden ermordet, 13 überlebten das Kriegsende. 1962 wurde die Gemeinde aufgegeben. Im Museum Nijkerk und mit einer Gedenktafel wird an die Juden von Nijkerk erinnert.
23Hoek Tintelersteeg/HogesteegBahnhof Putten8,9Im Oktober 1944 wurden 660 Männer aus Putten als Vergeltungsmaßnahme für die Beschießung eines Wagens mit vier deutschen Offizieren (einer kam dabei ums Leben) von der deutschen Wehrmacht in verschiedene Konzentrationslager, die meisten nach Neuengamme deportiert, wo 540 Männer umkamen. Frauen, Kinder und Menschen mussten das Dorf verlassen, das dann zum Teil von der Wehrmacht zerstört wurde. An dieses Kriegsverbrechen erinnert das Vrouwtje van Putten, das 1949 von Königin Juliana in einem Erinnerungspark enthüllt wurde.[10][11]
24Bahnhof PuttenÜbergang Volenbekerweg4,4Ab 1942 wurde das Kasteel de Vanenburg als Gefangenenlager für jüdische Zwangsarbeiter genutzt. Die Männer durften weder Besuch noch Pakete erhalten. Es liegen nur wenige Informationen über dieses Lager vor, einzige Quelle sind Postkarten des Gefangenen David Brandon. Er wurde später deportiert und kehrte nicht zurück.
25Übergang VolenbekerwegBahnhof Ermelo3,3
26Bahnhof ErmeloBahnhof Harderwijk7,3Die Familie Hillebrandt aus Ermelo bot ab 1942 den jüdischen Kindern Eva und Bram Been aus Leeuwarden Platz zum Untertauchen. Sie wurden aus Platzgründen von ihren Eltern getrennt versteckt, auch damit sich die Kinder frei bewegen konnten. 1944 wurden die beiden verraten und trotz Versuchen der Familie Hillebrandt, den Kindern das zu Leben zu retten, nach Auschwitz deportiert. Ihre Eltern, die in Leeuwarden untergetaucht waren, überlebten den Krieg.[12]
27Bahnhof HarderwijkFußgängerbrücke A287,2Zu Beginn der deutschen Besatzung lebten in Harderwijk 39 jüdische Menschen. Zwei Familien mit 18 Mitgliedern gelang es unterzutauchen und den Krieg zu überleben. 21 jüdische Einwohner von Harderwijk wurden deportiert und ermordet. Ihre Namen sind auf einer Gedenktafel an der Synagoge zu lesen.[13]
28Fußgängerbrücke A28Weg über A285,2Flugsandgebiet Hulshorsterzand
29Weg über A28Bahnhof Nunspeet6,3Wald bei Nunspeet
AbstecherVierhoutenVerscholen Dorp6,1
8,6
1943 und 1944 befand sich in den Wäldern um Vierhouten ein „verstecktes Dorf“ (Pas-Op-Kamp genannt nach dem nahegelegen Bauernhof Pas Op) aus neun unterirdischen Hütten, erbaut von Corry (Tante Cor) und Dionnysiu Bakker (Opa Bakker) mit der Unterstützung des Widerstandskämpfers Edouard von Baumhauer (De Boem). Dort wurden Juden, alliierte Piloten, Polizisten, die nicht für die Deutschen arbeiten wollten, und andere verfolgte Menschen (insgesamt 80 bis 100) versteckt, darunter auch ein desertierter deutscher Soldat. Die Bewohner wurden von den Bakkers mit Lebensmitteln versorgt. Im Oktober 1944 wurde das Dorf durch Zufall von jagenden deutschen Soldaten entdeckt. Etliche Bewohner konnten entkommen, acht von ihnen wurden an Ort und Stelle erschossen. Opa Bakker wurde Anfang 1945 gemeinsam mit 45 anderen Männern im Rahmen einer Vergeltungsmaßnahme hingerichtet. Seit 2013 kann man drei Hütten als Nachbauten besichtigen.[14][15]

30Bahnhof NunspeetKlaterweg5,3
31KlaterwegBahnhof’t Harde6,3
AbstecherElburg’t Harde5,2
5,9
6,6
Im Kasteel Zwaluwenburg waren die beiden jüdischen Jungen Nico (1932) und Loukie (1936) versteckt, es hieß, sie seien aus Rotterdam evakuiert. 1942 wurde das Schloss von der niederländischen Marechaussee durchsucht, und die beiden Kinder kamen ins Gefängnis in Zwolle. Kurz danach wurden sie freigelassen und dann erneut gefangen genommen. Sie kamen in das Kinderhaus gegenüber der Hollandsche Schouwburg, von wo aus sie von Widerstandsgruppen in eine Pflegefamilie in Sicherheit gebracht wurden. Unter verschiedenen Untertauchadressen überlebten sie den Krieg, ihre Eltern kamen um.

32Bahnhof ’t HardeUmgebung Vierschotenweg5,4
33Umgebung VierschotenwegBahnhof Wezep7,4
34Bahnhof WezepHattem, Wachtelenberg4,7
35Hattem, WachtelenbergHattem, Zentrum3,8Auf dem Jüdischen Friedhof von Hattem befindet sich das Grab der Eheleute van Gelder-Bakker aus Zwolle. Während der Besatzungszeit lebten sie versteckt in einer Hütte auf dem Landgut Molecaten, in der Nähe lebten zwei weitere untergetauchte Familien. Sie wurden von der Landelijke Organisatie voor Hulp aan Onderduikers (LO) mit Lebensmitteln versorgt. Die Eheleute waren für ihr riskantes Verhalten bekannt und hielten sich nicht an die vereinbarten Regeln; so ließen sie ihre Kinder trotz Mahnungen nach draußen gehen. Während einer Panzerübung der Wehrmacht wurde die vorübergehend verlassene Hütte der Familie van Gelder entdeckt, der Bürgermeister von Hattem konnte aber weitere Untersuchungen durch die Deutschen verhindern. Nach diesem Vorfall durften die Eltern in die Hütte zurückkehren, die Kinder wurden hingegen woanders untergebracht. Die Eltern bestanden darauf, dass ihre Kinder zu ihnen zurückgebracht würden, und es kam zu Auseinandersetzungen. Die Widerstandskämpfer befürchteten, dass das Verhalten der Eheleute eine Gefahr für alle darstelle. Am 22. April 1944 wurden sie auf gemeinsamen Beschluss von Mitgliedern der Widerstandsgruppe hingerichtet und im Wald vergraben. Nach dem Krieg wurden sie auf den Jüdischen Friedhof Hattem umgebettet. Ihre Kinder ließen ihnen einen Grabstein aufstellen; die Namen der Eheleute befinden sich auch auf der Gedenktafel an der ehemaligen Synagoge von Hattem.[16]

36Hattem, ZentrumBahnhof Zwolle7,9Am 2. und 3. Oktober 1942 wurden die jüdischen Arbeitslager in den Niederlanden geräumt. Die Familien der Zwangsarbeiter aus Zwolle wurden aufgefordert, sich im Gymnasium Celeanum zu melden, wegen angeblicher „Familienzusammenführung“. Am 3. Oktober wurden die Familien vom Gymnasium aus zum Bahnhof nach Zwolle gebracht und von dort nach Westerbork. Die Mehrzahl der Menschen wurde in Auschwitz ermordet.
37Bahnhof ZwolleSparrenlaan/Campherbeeklaan4,7Seit dem 14. Jahrhundert lebten Juden in Zwolle, ab 1899 verfügten sie über eine eigene Synagoge. 1940 lebten rund 800 jüdische Menschen in der Stadt, von denen 140 die Kriegszeit in Verstecken überlebten, vier von ihnen kehrten aus Lagern zurück. Eine Untertauchadresse war die von Atie und Nico Noordhof in der P.C. Hooftstraat 18, wo im Keller und auf dem Speicher eines Reihenhauses insgesamt 14 Menschen untergebracht waren. Am 14. April 1945 wurde Zwolle befreit, und die untergetauchten Menschen konnten ihr Versteck verlassen. „Das war der glücklichste Moment in unserem Leben“, so Nico Noordhof. 1999 wurden die Noordhofs posthum als Gerechte unter den Völkern geehrt.[17]
38Sparrenlaan/CampherbeeklaanGrensweg5,5Am 3. September 1944 ging der letzte Transport von Westerbork nach Auschwitz. Sonja Wagenaar-van Dam gehörte zu einer Gruppe von acht jungen Leuten, die es schafften, mit Hilfe einer aus dem Lager geschmuggelten Säge die hölzerne Wand des Waggons aufzuschneiden. Es gelang ihnen, aus dem Waggon zu springen und zu entkommen.[18]
39GrenswegLichtmis5,0
40LichtmisOsterparallelweg/Dekkerweg5,0Der neunjährige Ed van Thijn und seine Mutter konnten durch eine List des Vaters Anfang 1943 aus dem Lager Westerbork freikommen. In den folgenden Jahren versteckte sich van Thijn an 18 verschiedenen Orten. Er wurde schließlich verraten und Anfang 1945 nach Westerbork zurückgebracht. Wegen des Generalstreiks von 1944 gab es keinen Zugverkehr mehr, so dass er nicht deportiert wurde. Bei Kriegsende war der inzwischen Elfjährige noch in Westerbork. Er wurde zum Wärter der Kollaborateure ernannt, die nun im Lager inhaftiert waren. Seine Großeltern wurden ermordet, seine Eltern überlebten den Holocaust. Später wurde van Thijn Oberbürgermeister von Amsterdam sowie niederländischer Innenminister.[19]
41Osterparallelweg/DekkerwegStaṕhorst, Bergerslag6,1Ab dem 10. Juli 1942 waren im Arbeitslager Het Wiede Gat 96 jüdische Zwangsarbeiter untergebracht, die im umliegenden Heidegebiet Arbeiten zur Anlage eines Waldes verrichten mussten. Am 2. Oktober 1942 wurde das Lager, wie andere auch, geräumt und die Arbeiter nach Westerbork gebracht; ihre Familie kamen im Rahmen einer angeblichen „Familienzusammenführung“ ebenfalls nach Westerbork (s. Etappe 36); von dort wurden die meisten von ihnen nach Auschwitz deportiert.
42Staṕhorst, BergerslagBahnhof Meppel6,51948 wurde auf dem Markt von Staphorst das Kriegsdenkmal eingeweiht. Unter den Namen auf dem Denkmal befinden sich auch die von Emmanuel Roos und seinem Neffen Salomon van der Sluis. 1942 mussten sich die beiden Männer zur Zwangsarbeit melden. Salomon kam in das Arbeitslager Linde bei Zuidwolde und sein Onkel Emmanuel ins Lager Conrad bei Staphorst. Beide kehrten nicht zurück.
43Bahnhof MeppelOosterbroekenweg4,1Eduard van de Rhoer kam 1942 in das Durchgangslager Westerbork und wurde mit Hilfe des nicht-jüdischen Kochs Dirk Massier aus Meppel für die Küche eingeteilt. Durch die Arbeit war er vorläufig von der Deportation freigestellt und konnte, als einige Monate später auch seine Eltern und sein Bruder ins Lager kamen, diesen einen gewissen Schutz bieten. Am 4. Mai 1943 wurden seine Eltern dennoch deportiert. Eine Woche später konnte Eduard seinem Bruder Jacques zur Flucht verhelfen, um anschließend selbst zu flüchten. Die beiden Brüder trafen sich bei einer Untertauchadresse wieder. Sie überlebten das Kriegsende. Die Namen ihrer Eltern befinden sich auf dem Jüdischen Monument in Meppel.
44OosterbroekenwegNoorderkanalweg/Broekhuizen3,2
45Noorderkanalweg/BroekhuizenKoekange5,0
46KoekangeEchten5,9
47EchtenHoogeveen, Nieuwe Brug3,5Im August 1942 nahm Cornelis Flokstra drei untergetauchte Menschen in seinem Haus auf. Nach einer Razzia am 2. Oktober 1942 wurden nochmals sechs Menschen in den kleinen 20 Quadratmeter kleinen Raum, versteckt unter Heu, aufgenommen. Im März kam es zu einer fünfstündigen Hausdurchsuchung durch 17 Angehörige der Ordnungspolizei, die aber nicht fündig wurden. Kurze Zeit darauf nahm Flokstra weitere vier verfolgte Menschen auf. Alle überlebten die Kriegszeit. 1967 wurde die Eheleute als Gerechte unter den Völkern geehrt. Nahe dem Bauernhof der Familie erinnert ein Gedenkstein an sie.
48Hoogeveen, Nieuwe BrugBahnhof Hoogeveen5,6Am 2. Oktober 1942 fand in Hoogeveen eine große Razzia statt, bei der 165 jüdische Menschen aufgegriffen und in ein Café am Marktplatz gebracht wurden. Von dort wurden sie in das Lager nach Westerbork deportiert.
49Bahnhof HoogeveenSecteweg5,0Im Sommer 1943 richteten die deutschen Besatzer im Sparbankbosch fünf Männer aus Hoogeveen hin als Vergeltungsmaßnahme für die Tötung von drei Mitgliedern des NSB, die als kriminell galten. Drei der im Sparbankbosch Hingerichteten zählten zum Widerstand, zwei waren Juden. Zur Erinnerung an diese Männer wurde 2003 ein Monument, bestehend aus fünf großen Metallfiguren, im dortigen Wald enthüllt. Kreuze und Davidsterne an den Figuren symbolisieren die tödlichen Einschüsse. Der zugehörige Text lautet: „Ook vandaag, terwijl u hier staat, en dit leest, wordt elders iemand verkracht, gemarteld vermoord, omdat hij zich verzet, omdat ze vrouw is, of vanwege de kleur van huid of hart.“ („Auch heute, während Sie hier stehen und das lesen, wird irgendwo anders jemand vergewaltigt, gefoltert, ermordet, weil er Widerstand leistet, eine Frau ist oder wegen der Farbe seiner Haut oder seines Herzens.“)
50SectewegKreembong, Tiendeveen6,0
51Kreembong, TiendeveenDe Blinkerd6,3Zu Beginn des Jahres 1942 wurde eine größere Gruppe von jüdischen Männern aus Amsterdam in das Arbeitslager Kreembong verlegt. Die Lage war zunächst erträglich, da es ausreichend Lebensmittel gab. Das änderte sich im Juli 1942, als weitere Männer aus anderen Lagern hinzukamen, da sich die Versorgung verschlechterte und die Männer von den Razzien in Amsterdam erfuhren. Wahrscheinlich wurde das Lager kurz darauf aufgelöst, und die Insassen wurden höchstwahrscheinlich deportiert. Am 23. April 2009 wurde im Beisein von zwei früheren Lagerinsassen ein Gedenkstein enthüllt.
52De BlinkerdWijster4,1Aussichtsturm De Blinkerd
53WijsterBeilen6,3
54BeilenOranjekanal5,4Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts lebten Juden in Beilen, 1885 wurde die Synagoge einweiht. 1941 zählte die jüdische Gemeinde von Beilen 64 Personen, von denen nur eine den Holocaust überlebte, trotz vielfacher Versuche des damaligen Bürgermeisters, sie vor der Deportation zu retten.
55OranjekanalHooghalen4,9Der Oranjekanal wurde für die Versorgung des Lagers Westerbork per Schiff mit Lebensmitteln und Baumaterial genutzt. Verschifft wurden auch die Wracks von abgeschossenen Flugzeugen der Alliierten, die in Westerbork zur Wiederverwertung von den Häftlingen auseinander gebaut wurden.
56HooghalenDurchgangslager Westerbork5,3Im Sommer 1942 wurde die Eisenbahnstrecke bis nach Westerbork gebaut, sie bildete einen Abzweig der Strecke von Beilen nach Assen. Der erste Transport direkt von hier in Richtung Auschwitz ging im November 1942, bis zu diesem Zeitpunkt mussten die Gefangenen zu Fuß nach Hooghalen gehen. Bis September 1944 wurden von hier aus mehr als 100.000 jüdische Menschen in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Am 12. April 1945 wurde das Lager, in dem sich noch rund 900 Menschen befanden, von kanadischen Soldaten befreit. 1983 wurde in der Nähe des ehemaligen Lagers ein Erinnerungszentrum eröffnet. Auf dem ehemaligen Appellplatz befinden sich De 102.000 stenen (Die 102.000 Steine), jeder einzelne von ihnen symbolisiert einen ermordeten Menschen.

Literatur

  • Wandelnet (Hrsg.): Westerborkpad. Wandelen in het Spoor van de Jodenvervolging. Amersfoort 2017, ISBN 978-94-92641-00-7. – Die weiterführenden Texte in der Tabelle beruhen auf den Angaben in diesem Buch, es sei denn, andere Belege sind angegeben.
  • Westerborkpad. In: wandel.nl. 19. März 2017, abgerufen am 22. Januar 2018 (niederländisch).
  • Westerborkpad. In: kampwesterbork.nl. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  • Markering route. In: kampwesterbork.nl. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  • Achtergrond. In: kampwesterbork.nl. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).

Einzelnachweise

  1. Westerborkpad laat ons de oorlog nooit vergeten. nieuws.nl, 10. September 2017, abgerufen am 21. April 2018.
  2. Wandelen over het Westerborkpad. In: drentheindeoorlog.nl. Abgerufen am 22. April 2018.
  3. Westerbork Luisterpad. In: westerborkluisterpad.nl. 13. Mai 2010, abgerufen am 21. April 2018 (englisch).
  4. Geschiedenis –. In: synagogeweesp.nl. Abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  5. De Machine. In: tgooi.info. Abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  6. Mauthausen-steen. In: regionalebronnenbank.nl. Abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  7. Hooge Vuursche – IVN. In: ivn.nl. Abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  8. Monument Soest. In: Comité 4 en 5 mei. Abgerufen am 24. April 2018.
  9. Het Ereveld – Stichting Russisch Ereveld. In: russisch-ereveld.nl. 18. November 1948, abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  10. 2 oktober 1944 – De mannen van Putten worden weggevoerd. In: vandaagindegeschiedenis.nl. 2. Oktober 2017, abgerufen am 20. April 2018 (niederländisch).
  11. Madelon de Keizer: Razzia in Putten. Verbrechen der Wehrmacht in einem niederländischen Dorf. Dittrich, Köln 2001, ISBN 3-920862-35-X.
  12. Peter Yska: Gevonden brieven onthullen Joods drama in 1944 in Ermelo. (PDF) Abgerufen am 21. April 2018. (PDF-Datei)
  13. Joodse gemeenschap. In: Mijn Gelderland. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  14. Verscholendorp > Het onderduikerskamp > Het verhaal van het Verscholen Dorp. In: verscholendorp.eu. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  15. Verscholen Dorp in Vierhouten. In: TracesOfWar.nl. Abgerufen am 22. April 2018 (niederländisch).
  16. Gezin Abraham van Gelder. In: joodsmonument.nl. 22. April 1944, abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  17. Hilke Vos: Op dit Zwolse adres zaten tijdens de Tweede Wereldoorlog 14 (!) onderduikers. In: indebuurt.nl. 10. Oktober 2017, abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  18. Zaagje redde gevangene kamp Westerbork. In: nos.nl. 12. April 2015, abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
  19. Ed van Thijn. In: Bevrijdingsportretten. Abgerufen am 21. April 2018 (niederländisch).
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