Wer die Nachtigall stört (Film)
Wer die Nachtigall stört (Originaltitel To Kill a Mockingbird) ist eine Literaturverfilmung unter Regie von Robert Mulligan aus dem Jahr 1962, basierend auf dem gleichnamigen Roman der Amerikanerin Harper Lee. Ebenso wie seine literarische Vorlage wurde der Film ein großer Erfolg bei Kritikern und Publikum. Wer die Nachtigall stört gewann drei Oscars, darunter für Gregory Peck als Bester Hauptdarsteller, und wurde vom American Film Institute im Jahre 2007 auf Platz 25 der besten amerikanischen Filme aller Zeiten gelistet.
Film | |
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Titel | Wer die Nachtigall stört |
Originaltitel | To Kill a Mockingbird |
Produktionsland | USA |
Originalsprache | Englisch |
Erscheinungsjahr | 1962 |
Länge | 129 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 12 |
Stab | |
Regie | Robert Mulligan |
Drehbuch | Horton Foote |
Produktion | Alan J. Pakula für Universal Studios |
Musik | Elmer Bernstein |
Kamera | Russell Harlan |
Schnitt | Aaron Stell |
Besetzung | |
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→ Synchronisation |
Handlung
Das aufgeweckte Mädchen Jean Louise, genannt Scout, wächst mit seinem älteren Bruder Jem in Maycomb, einer kleinen Stadt im Alabama der 1930er Jahre, auf. Scout erzählt die Geschichte, die in einem Sommer begann und im darauf folgenden Sommer endete.
Es ist die Zeit der Depression, aber trotz der wirtschaftlichen Not im heißen Sommer des amerikanischen Südens wachsen die Kinder vergnügt und behütet auf. Die Welt der beiden Geschwister wird von ihrem alleinerziehenden Vater, dem Abgeordneten und Anwalt Atticus Finch, zusammengehalten. Atticus ist für die Kinder Freund, Vertrauter, Lehrer und Autorität. Bereichert wird die Gedankenwelt von Scout, Jem und dem befreundeten Nachbarjungen Dill durch den mysteriösen Nachbarn Arthur „Boo“ Radley, der nie das väterliche Haus verlässt und den die Kinder daher noch nie zu Gesicht bekommen haben. Das regt die Phantasie der Kinder an. Als Mutprobe gilt es, an sein Haus anzuklopfen. Doch immer wieder finden sie kleine Geschenke in einem hohlen Baumstamm nahe Boos Haus.
In diese Kindheitsidylle dringt langsam die intolerante Welt des Rassismus ein. Atticus Finch, aufrecht und vorurteilslos, wird vom Richter zum Pflichtverteidiger des schwarzen Farmarbeiters Tom Robinson berufen, der beschuldigt wird, die weiße Mayella Ewell, Tochter des bitterarmen Landarbeiters Bob Ewell, vergewaltigt zu haben. Bereits vor Prozessbeginn belästigt und bedroht Bob Ewell Atticus Finch und beschimpft ihn als „Niggerfreund“. Die Mehrheit der Weißen nimmt Tom nur als Teil der abgelehnten schwarzen Minderheit wahr. Atticus wird von vielen seiner Mitbürger aufgrund seiner Einstellung, dass ein Schwarzer die gleichen Rechte wie ein Weißer besitze, angefeindet. Diese Ablehnung bekommen auch seine Kinder zu spüren. Atticus beschwört seine Kinder, sich nicht provozieren zu lassen. In diesem Umfeld von Vorurteilen und Intoleranz versucht Atticus, seinen Kindern auf dem Weg ins Erwachsenwerden beizustehen. In der Nacht vor dem Prozess postiert sich Atticus vor dem Gefängnis, um einen Lynchmob davon abzuhalten, Robinson zu ermorden. Die Kinder sind ihrem Vater nachgegangen. Als Scout einen der Männer, den sie kennt, anspricht, kehren die Männer schließlich um.
Während des Prozesses sitzen Schwarze und Weiße getrennt im Zuschauerraum. Atticus kann die Unhaltbarkeit der Vorwürfe relativ leicht nachweisen. Die Verletzungen Mayellas können ihr unmöglich von Tom beigebracht worden sein, da dieser nur seine rechte Hand gebrauchen kann. Tom sagt aus, dass Mayella versucht habe, ihn zu verführen. Als der Vater wütend hinzukam, sei er so schnell wie möglich verschwunden. Dennoch beugt sich die Jury, die nur aus weißen Männern besteht, dem ungeschriebenen Gesetz, dass der Aussage eines Schwarzen gegenüber der eines Weißen nicht zu glauben sei, und spricht den Angeklagten schuldig. Atticus will in die nächste Instanz gehen. Robinson wird kurz darauf bei einem Fluchtversuch erschossen.
Aufgrund seines engagierten Einsatzes für Tom Robinson hat sich Atticus Finch den Hass des im Prozess bloßgestellten Bob Ewell zugezogen. Nachdem der friedliebende Atticus sich von dem hasserfüllten Mann nicht provozieren lässt, versucht dieser, sich schließlich an den Kindern zu rächen. Er lauert ihnen eines Abends im Dunkeln auf, wird aber im Gerangel von einem Unbekannten erstochen, der den Kindern zu Hilfe geeilt ist. Es stellt sich heraus, dass der menschenscheue Boo Radley der Retter ist. Um ihn nicht der kollektiven Neugier der Kleinstadt auszusetzen, beschließen Atticus und der Sheriff, dass der Tod Ewells als Sturz des Täters ins eigene Messer dargestellt werden soll.
Scout kommentiert dieses Verschweigen mit der Bemerkung, dass Boo genau wie eine Nachtigall nicht gestört werden darf. Dieser späte Bezug auf den Filmtitel stammt vom Verbot Atticus’ an seine Kinder, die Nachtigall (im Original allerdings ein „Mockingbird“, eine Spottdrossel) zu jagen, weil sie nur schön singt und keinen Schaden anrichtet.
Hintergrund
Der Film entstand 1962, zwei Jahre nach Erscheinen des gleichnamigen Romans von Harper Lee. Obwohl der Roman ein Bestseller war und unter anderem den Pulitzer-Preis erhielt, waren die meisten Produzenten nicht an einer Verfilmung interessiert, da die Geschichte eines verwitweten Anwalts und seiner beiden Kinder wenig Action beinhalte, keine Liebesbeziehung und auch keine große Schurkenrolle. Letztlich erhielt der junge Produzent Alan J. Pakula den Zuschlag für den Film, der schnell Gregory Peck für die Hauptrolle in dem Film gewinnen konnte.[1] Peck war für seine liberalen Ansichten in Hollywood bekannt und spielte vielmehr sich selbst und seine eigenen Überzeugungen. Das neunminütige Plädoyer schaffte Gregory Peck in nur einem Take.
Der Schwarzweißfilm folgt dem Roman auch in der Hinsicht, dass er die Ereignisse ganz aus Sicht der Kinder darstellt. Für die Kinderrollen von Jem und Scout wurden mit Mary Badham und Phillip Alford zwei bis dahin schauspielerisch unerfahrene Kinder ausgewählt. Phillip Alford besuchte sogar nur das Filmcasting, nachdem seine Mutter ihm versprach, ihn dafür einen halben Tag von der Schule zu befreien. Sowohl Badham als auch Alford stammten aus Birmingham im Handlungsort Alabama. Dagegen stammte John Megna, der Darsteller von Dill (dessen Charakter auf Lees Jugendfreund Truman Capote basiert), aus New York und hatte bereits am Broadway erste Erfahrungen gesammelt. Regisseur Robert Mulligan versuchte so wenige Takes wie möglich mit den Kindern zu drehen, weil ihr Schauspiel in den ersten Versuchen meist natürlicher wirkte. Doch das klappte nicht immer, so vermasselte Mary Badham viele Einsätze, sodass Co-Star Alford z. B. in der Frühstückstisch-Szene dasselbe Essen über ein Dutzend Mal verspeisen musste und am Ende stark übersättigt war. Alford berichtete später, dass sein Hass gegen Badham einmal so stark war, dass er sie – als sie in einer Szene im Reifen rollte – gegen einen Ausrüstunglastwagen des Filmteams rollen wollte.[1]
Robert Duvall gab in der Rolle des Boo ein kurzes, aber eindrucksvolles Filmdebüt. Der spätere Oscarpreisträger blieb für seine Rolle sechs Wochen außerhalb der Sonne und ließ sein Haar weiß färben. Ebenfalls machten ihr Filmdebüt William Windom als Ankläger Mr. Gilmer und Alice Ghostley als Tante Stephanie. Mary Badham und Gregory Peck blieben eng verbunden und nannten sich bis zu Pecks Tod im Jahre 2003 stets „Scout“ und „Atticus“.[2] Auch andere Crewmitglieder blieben befreundet, so hielt etwa Tom-Robinson-Darsteller Brock Peters im Jahre 2003 die Grabrede für Peck.
Die Außenaufnahmen des Films wurden in einem in Hollywood nachgebauten Straßenstück gedreht; die Kulisse konnte dabei zeitgenössische Häuser aus der Gegend nutzen, die zum Abbruch bestimmt waren und umgesetzt wurden. Die Stadt „Maycomb“ in Alabama ist fiktiv. Die 6.500 Einwohner zählende Kreisstadt Monroeville ist die Geburtsstadt von Harper Lee und beherbergt ein altes Gerichtsgebäude, in dem Harper Lee als Kind ihren Vater als Anwalt beobachtete. Es diente als genaues Vorbild für die Kulisse des Films.[3] Heute ist das „Old Courthouse“ in Monroeville ein Museum und dient auch als Theater, in dem regelmäßig „To Kill A Mockingbird“ aufgeführt wird. Der erste Akt spielt im Freien, der zweite Akt im Gerichtssaal.
Frustrierend waren die Dreharbeiten für Ruth White, die die Rolle der rassistischen und unfreundlichen Nachbarin Mrs. Dubose übernahm. Im fertigen Film ist sie in einer Szene, auf der Veranda sitzend, im Gespräch mit Atticus und seinen Kindern zu sehen. Ursprünglich war ihre Rolle allerdings – wie auch im Buch – deutlich größer. Die Szenen, in welcher Jem im Auftrag seines Vaters der sterbenden Mrs. Dubose Geschichten vorliest, umfassten rund zehn Minuten. White musste für die Verkörperung der Greisin jeden Tag vier Stunden in der Maske verbringen. Obwohl Regisseur Mulligan und Produzent Pakula die Szenen als gelungen empfanden und sie von Whites Schauspiel beeindruckt waren, entschieden sie sich mit großem Bedauern dafür, diese komplett aus dem Film zu nehmen – die Nebenhandlung von Mrs. Dubose verlangsamte und zerstörte die Kontinuität des gesamten Filmes, der ganz auf die Prozessszenen zugeschnitten war. Die geschnittenen Szenen wurden anschließend offenbar zerstört.[4]
Das Drehbuch stammt von Horton Foote und erhielt durch Harper Lee großes Lob: „Ich glaube, dass es eine der besten Übersetzungen eines Buches in einen Film aller Zeiten ist.“[5] Die Autorin war insbesondere durch Pecks Darstellung des Anwalts bewegt, welcher lose auf ihrem eigenen Vater Amasa Coleman Lee basiert. Amasa Lee war im April 1962 im Alter von 82 Jahren gestorben, kurz nach einem Treffen mit Gregory Peck. Der Schauspieler erhielt von Harper Lee als Zeichen ihrer Anerkennung die goldene Armbanduhr ihres Vaters. Peck soll diesen Film als das liebste Werk seiner Karriere bezeichnet haben.[1]
Synchronisation
Die deutsche Synchronfassung entstand 1962 bei der Berliner Synchron GmbH unter Leitung von Hans F. Wilhelm.
Rolle | Schauspieler | Synchronsprecher |
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Atticus Finch | Gregory Peck | Martin Hirthe |
Jean Louise „Scout“ Finch | Mary Badham | Marion Martienzen |
Erzählerin – Erwachsene Scout | Kim Stanley (nur Stimme) | Tilly Lauenstein |
Jem Finch | Phillip Alford | Rolf Hinze |
Dill Harris | John Megna | Hans-Georg Panczak |
Sheriff Heck Tate | Frank Overton | Horst Niendorf |
Tom Robinson | Brock Peters | Alexander Welbat |
Calpurnia | Estelle Evans | Christel Merian |
Richter Taylor | Paul Fix | Herbert Grünbaum |
Mayella Violet Ewell | Collin Wilcox | Anita Kupsch |
Robert E. Lee „Bob“ Ewell | James Anderson | Gerd Martienzen |
Tante Stephanie Crawford | Alice Ghostley | Elfe Schneider |
Mr. Gilmer, Staatsanwalt | William Windom | Heinz Welzel |
Reverend Sykes | Bill Walker | Gerd Duwner |
Walter Cunningham | Crahan Denton | Rolf Bogus |
Kritiken
- Lexikon des Internationalen Films: Eine menschlich bewegende, gelungene Literaturverfilmung mit hoher ethischer Haltung, die überzeugend gegen Rassismus und für Toleranz eintritt.[6]
- Filmstarts.de: Eine zentrale Aussage des Films charakterisiert die Geschichte vielleicht am besten. Als Scout sich mit einem Jungen geprügelt hat und nicht mehr in die Schule gehen will, weil die Lehrerin mit ihr geschimpft hat, sagt Finch zu seiner Tochter:
„Ich werde dir jetzt einen schönen Trick sagen. Damit kommst du mit allen möglichen Leuten viel besser aus. Du verstehst einen Menschen erst richtig, wenn du die Dinge oder was es gerade ist, auch mal von seinem Standpunkt aus betrachtest, wenn du mal in seine Haut kriechst und darin herum spazierst.“
Diese Aussage und die Tatsache, dass der Film in einer Zeit gedreht wurde, in der die Diskriminierung der afroamerikanischen Einwohner der Staaten ganz andere Ausmaße hatte als heute, machen „To Kill a Mockingbird“ zu einem mutigen Zeugnis der amerikanischen Filmgeschichte, dessen Aussagen allerdings über die konkrete Geschichte hinaus auch heute noch Gültigkeit besitzen.[7] - Prisma Online: Gregory Peck brilliert als aufrichtiger Bürger, der, vom Sinn für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung getrieben, den Rassismus schließlich am eigenen Leibe zu spüren bekommt. Peck bekam für seine großartige Leistung zu Recht einen Oscar.[8]
Auszeichnungen
Der Film wurde für acht Oscars nominiert und erhielt drei Auszeichnungen:
- Gregory Peck für seine Hauptrolle als Atticus Finch;
- Horton Foote für das Drehbuch;
- Alexander Golitzen, Henry Bumstead und Oliver Emert für die Ausstattung.
Nominiert waren ferner
- Mary Badham für die beste Nebenrolle als Scout Finch;
- Elmer Bernstein für die Musik;
- Russell Harlan für die Kamera;
- Robert Mulligan für seine Regie;
- Alan J. Pakula als Produzent für den besten Film.
Im Jahr 1995 wurde Wer die Nachtigall stört in das National Film Registry der USA aufgenommen.
In den Top-Listen des American Film Institute ist dieser Film viermal vertreten:
- Die 100 besten amerikanischen Filme aller Zeiten: Platz 34 (Platzierung von 1998), Platz 25 (Platzierung von 2007)
- Amerikas beste Filmmusik: Platz 17
- Amerikas am meisten beeindruckende Filme: Platz 2
- Die größten Helden des amerikanischen Films: Platz 1 für Atticus Finch
Im August 2008 erschien eine Liste im US-amerikanischen American Bar Association Journal über die besten Justizfilme aller Zeiten. Wer die Nachtigall stört wurde auf Platz eins gewählt.[9]
Literatur
- Harper Lee: Wer die Nachtigall stört … Roman. (OT: To Kill a Mockingbird). Deutsch von Claire Malignon. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2006, ISBN 3-499-24182-X
Weblinks
- Wer die Nachtigall stört in der Internet Movie Database (englisch)
- Wer die Nachtigall stört in der Online-Filmdatenbank
Einzelnachweise
- Wer die Nachtigall stört – Trivia in der Internet Movie Database
- Mary Badham: 'I always called him Atticus and he still called me Scout right up to the end'. Abgerufen am 28. Dezember 2021.
- Fearful Symmetry, Dokumentation von 1998
- Tom Santopietro: Why To Kill a Mockingbird Matters: What Harper Lee's Book and the Iconic American Film Mean to Us Today. St. Martin's Press, 2018, ISBN 978-1-250-16376-9 (google.de [abgerufen am 30. September 2018]).
- Ginia Bellafante: Harper Lee, Gregarious for a Day. In: The New York Times. 30. Januar 2006, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 28. Dezember 2021]).
- Wer die Nachtigall stört. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 22. Oktober 2016.
- Filmstarts: Die Filmstarts-Kritik zu Wer die Nachtigall stört. Abgerufen am 28. Dezember 2021.
- Wer die Nachtigall stört. In: prisma. Abgerufen am 17. Juli 2021.
- The 25 Greatest Legal Movies - Magazine. In: ABA Journal. 1. August 2008, abgerufen am 22. August 2011.