Ulrike Draesner
Ulrike Draesner (* 20. Januar 1962 in München) ist eine deutsche Schriftstellerin.
Leben und Schaffen
Ulrike Draesner wuchs als Tochter eines Architekten in München auf. Nach dem Abitur studierte sie mit einem Stipendium der Stiftung Maximilianeum Rechtswissenschaften, Anglistik, Germanistik und Philosophie an den Universitäten in München, Salamanca und Oxford. Von 1989 bis 1993 war sie wissenschaftliche Assistentin am Münchner Institut für Deutsche Philologie. 1992 promovierte sie über ein mediävistisches Thema. 1993 gab sie ihre wissenschaftliche Laufbahn zugunsten der schriftstellerischen Arbeit auf. Ulrike Draesner ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung[1] und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Seit 2018 ist sie Professorin für Deutsche Literatur und Erasmus-Koordinatorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. In der Zeitschrift Volltext hat Ulrike Draesner sich in ihren verschiedenen Rollen als Schriftstellerin und Professorin für literarisches Schreiben selbst interviewt. Sie reflektiert darin das Spannungsverhältnis zwischen diesen Rollen und gibt Auskunft über ihr Verständnis von der Lehrbarkeit des literarischen Schreibens.[2] Sie lebt in Berlin und Leipzig.
Ulrike Draesner verfasst in erster Linie Lyrik und Prosa und arbeitet häufig zusammen mit bildenden Künstlern und Schriftstellerkollegen an sog. „intermedialen“ Projekten. Dabei treten Draesners Texte mit Kunstformen wie Bildhauerei, Aktionskunst und Musik in ein Spannungsverhältnis.
Draesner nimmt den Standpunkt ein, dass sich die Intelligenz eines Romans in seiner Form zeigt.[3] In ihren Frankfurter Poetikvorlesungen im Wintersemester 2016/17 fragt sie danach, „was wir durch Literatur erfahren oder wissen können“.[4] 2019 war Draesner mit ihrem Gedicht Doggerland Preisträgerin des erstmals verliehenen Gertrud-Kolmar-Preises; 2020 erhielt sie den von der VGH-Stiftung ausgelobten und mit 15.000 Euro dotierten Preis der LiteraTour Nord. Mit dieser Entscheidung würdigten Jury und Stifterin Ulrike Draesner sowohl für ihr bisheriges Werk als auch für ihren zuletzt erschienenen Roman Kanalschwimmer.[5] Ebenfalls 2020 erhielt sie für ihren Roman Schwitters den Bayerischen Buchpreis.[6]
2021 erhält Draesner den mit 50.000 Euro dotierten Großen Preis des Deutschen Literaturfonds: „Ulrike Draesner konfrontiert uns mit Unvereinbarem und Schmerz. Sie experimentiert mit literarischen Formen und fordert die Sprache heraus, ohne ihr Publikum dabei aus den Augen zu verlieren. Ihre Lust am Erzählen und an der Wirkungskraft des Wortes ist in jedem Band zu spüren – gleich ob Prosa, Lyrik oder Essay – und sie ist so ansteckend, dass ihr die Jury den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds 2021 zuspricht.“[7]. Der Preis wurde am 11. Oktober 2011 im Literaturhaus Leipzig verliehen.
Von Draesner stammen auch einige Übersetzungen aus dem Englischen, darunter zwei Bände der 2020 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten amerikanischen Lyrikerin Louise Glück.
Werke (Auswahl)
Einzeltitel
- Wege durch erzählte Welten. Intertextuelle Verweise als Mittel der Bedeutungskonstitution in Wolframs Parzival. (= Mikrokosmos. Band 36). Lang, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-631-45525-9. (Dissertation Universität München 1992, über: Wolfram von Eschenbach, Parzival).
- Gedächtnisschleifen. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-11948-6; überarbeitete Fassung: Luchterhand, München 2008, ISBN 978-3-630-62132-6.
- Anis-o-trop. Gedichte. Rospo, Hamburg 1997.
- Lichtpause. Roman. Volk und Welt, Berlin 1998.
- Reisen unter den Augenlidern. Erzählungen. Ritter, Klagenfurt 1999.
- für die nacht geheuerte zellen. Gedichte. Luchterhand, München 2001.
- Mitgift. Roman. Luchterhand, München 2002.
- Hot Dogs. Erzählungen. Luchterhand, München 2004.
- kugelblitz. Gedichte. Luchterhand, München 2005.
- Spiele. Roman. Luchterhand, München 2005.
- Schöne Frauen lesen. Über Ingeborg Bachmann, Annette von Droste-Hülshoff, Friederike Mayröcker, Virginia Woolf u.v.a. Luchterhand, München 2007, ISBN 978-3-630-62121-0.
- berührte orte. Gedichte. Luchterhand, München 2008, ISBN 978-3-630-87268-1.
- Vorliebe. Roman. Luchterhand, München 2010, ISBN 978-3-630-87294-0.
- Richtig liegen. Geschichten in Paaren. Erzählungen. Luchterhand, München 2011, ISBN 978-3-630-87324-4.
- Heimliche Helden. Über das Nibelungenlied, Heinrich von Kleist, Jean-Henri Fabre, Thomas Mann, James Joyce, Karl Valentin, Gottfried Benn, Tania Blixen, Hans Joachim Schädlich, Gerd-Peter Eigner, Gerhard Falkner. Essays. Luchterhand, München 2013, ISBN 978-3-630-87373-2.[8]
- Sieben Sprünge vom Rand der Welt. Roman. Luchterhand, München 2014, ISBN 978-3-630-87372-5.[9]
- Mein Hiddensee. mare, Hamburg 2015, ISBN 978-3-86648-213-5.
- Die fünfte Dimension. Münchner Reden zur Poesie. Herausgegeben von Holger Pils und Frieder von Ammon. Lyrik Kabinett, München 2015, ISBN 978-3-938776-38-4.
- Nibelungen. Heimsuchung. mit den Illustrationen von Carl Otto Czeschka. Reclam, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-15-011005-8.
- Happy Aging. Ulrike Draesner erzählt ihre Wechseljahre. 2 CDs, Suppose Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86385-011-1.[10]
- Eine Frau wird älter. Ein Aufbruch. Penguin Verlag, München 2018, ISBN 978-3-328-60002-2.
- Grammatik der Gespenster. Frankfurter Poetikvorlesungen. Reclam-Verlag, Ditzingen 2018, ISBN 978-3150111505.
- Kanalschwimmer. Roman. mareverlag, Hamburg 2019, ISBN 978-3-86648-288-3.
- Schwitters. Roman. Penguin, München 2020, ISBN 978-3-328-60126-5.
- Doggerland. Langgedicht. Penguin, München 2021, ISBN 978-3-328-60166-1.[11][12]
Herausgaben
- Verführung. Novellen von Goethe bis Musil. Goldmann, München 1994, ISBN 3-442-07645-5.
Literarische Übersetzungen
- Louise Glück: Wilde Iris. München 2008.
- Louise Glück: Averno. München 2007.
- Charles Simmons: Belles Lettres. Mit Klaus Modick. München 2003.
- William Shakespeare: Twin spin. Göttingen 2000.
- Gertrude Stein: The first reader. Klagenfurt 2001.
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1994 Literaturstipendium der Stadt München
- 1995 Förderpreis zum Leonce-und-Lena-Preis
- 1997 Foglio-Preis für Junge Literatur
- 1997 Bayerischer Staatsförderpreis für Literatur
- 2001 Stipendium Künstlerhaus Edenkoben
- 2001 Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg
- 2002 Preis der Literaturhäuser
- 2005 Longlist beim Deutschen Buchpreis mit Spiele[13]
- 2006 Droste-Preis der Stadt Meersburg
- 2006 Poetik-Professur an der Universität Bamberg[14]
- 2010 Solothurner Literaturpreis
- 2012 Grenzgänger-Recherchestipendium der Robert Bosch Stiftung für Sieben Sprünge vom Rand der Welt[15]
- 2013 Roswitha-Preis
- 2014 Joachim-Ringelnatz-Preis
- 2014 Longlist Deutscher Buchpreis mit Sieben Sprünge vom Rand der Welt[16]
- 2015 Usedomer Literaturpreis für Sieben Sprünge vom Rand der Welt
- 2016 Lyrikpreis Orphil für Subsong
- 2016 Nicolas-Born-Preis
- 2016/2017 Frankfurter Poetik-Dozentur
- 2017 Stadtschreiberin Helsinki, Finnland
- 2019 Gertrud-Kolmar-Preis[17]
- 2020 Preis der LiteraTour Nord[18]
- 2020 Deutscher Preis für Nature Writing, gemeinsam mit Esther Kinsky[19]
- 2020 Ida-Dehmel-Literaturpreis
- 2020 Bayerischer Buchpreis – Belletristik für Schwitters
- 2021 Großer Preis des Deutschen Literaturfonds
Literatur
- Michael König: Poetik des Terrors. Politisch motivierte Gewalt in der deutschen Gegenwartsliteratur. de Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-8394-2987-7. (Dissertation Universität Münster (Westfalen) 2014, darin auch Interview mit Ulrike Draesner: »Ich wollte den Terrorismus niemals verstehen.« Ulrike Draesner über ihren Roman »Spiele« (2005), der die Ereignisse des Attentats während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München in den Mittelpunkt stellt, S. 389–395).
- Ulrike Draesner. herausgegeben von Susanna Brogi, Anna Ertel und Evi Zemanek. In: Text + Kritik. Heft 201, Januar 2014, ISBN 978-3-86916-341-3.
- Ulrike Vedder: Ulrike Draesner: Mitgift. In: Literatur und Wissen. Ein interdisziplinäres Handbuch. herausgegeben von Roland Borgards, Harald Neumeyer, Nicolas Pethes und Yvonne Wübben. Metzler, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-476-02371-1, S. 415–420.
- Anna Alissa Ertel: Körper, Gehirne, Gene. Lyrik und Naturwissenschaft bei Ulrike Draesner und Durs Grünbein (= linguae & litterae. Band 3). de Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-022910-3. (Dissertation Universität Freiburg im Breisgau 2008).
- Stephanie Catani, Friedhelm Marx (Hrsg.): Familien – Geschlechter – Macht – Beziehungen im Werk Ulrike Draesners (= Poiesis. Band 2). Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0342-3.
- Cornelia Saxe: „Schöne Frauen lesen und schreiben – Die Ulrike-Draesner-Homestory“. In: Dünn ist die Decke der Zivilisation – Begegnungen zwischen Schriftstellerinnen. Maike Stein (Hrsg.). Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-89741-244-6, S. 21–32.
- Roman Luckscheiter: Heimatlos. Ulrike Draesner unterscheidet zwischen Mensch und Biene. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 132, 11. Juni 2007, S. 36. (Rezension von: Ulrike Draesner: Zauber im Zoo. Vier Reden von Herkunft und Literatur (= Göttinger Sudelblätter). Wallstein, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0129-0).
Weblinks
- Literatur von und über Ulrike Draesner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Ulrike Draesner in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Ulrike Draesner Homepage
- Ulrike Draesner bei der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste
- Ulrike Draesner beim Bachmannpreis
- Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (Memento vom 11. Oktober 2013 im Internet Archive) (Ulrich Goerdten)
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Ulrike Draesner bei perlentaucher.de
- Kurzbiographie und Angaben zum Werk von Ulrike Draesner bei Literaturport
- Kunst als Wissenschaft: Ulrike Draesner
- Ulrike Draesner im Literaturportal Bayern (Projekt der Bayerischen Staatsbibliothek)
- Interview zu "Sieben Sprünge vom Rand der Welt" / Video / 7 min / LeseZeichen vom 30. April 2014 / Bayerisches Fernsehen
- "Ein Schatzstück aus dem Schatz der Nibelungen", Gespräch Ulrike Draesner mit Jan Drees
Einzelnachweise
- Neue Akademiker, sueddeutsche.de, abgerufen am 28. August 2021.
- „Als ob“. In: Volltext. Abgerufen am 27. August 2020.
- SOMMERSCHREIBKURS Architektur des Romans (Memento vom 25. Juni 2015 im Internet Archive), draesner.de
- Goethe-Universität Frankfurt am Main, Aktuelles, 6. Januar 2017, Interview mit Ulrike Draesner, UniReport 6/16, 15. Dezember 2016
- LiteratourNord. 18. Februar 2020, abgerufen am 26. Februar 2020.
- Der Bayerische Buchpreis ist vergeben! Abgerufen am 19. November 2020.
- Großer Preis des Deutschen Literaturfonds: Ulrike Draesner erhält den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds 2021. In: deutscher-literaturfonds.de. Abgerufen am 4. September 2021.
- Rezension: Eberhard Geisler: Exakt getaktet. Ulrike Draesners gesammelte Essays über Literatur. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Juli 2013, S. 14.
- Nicht einmal auf Affenempathie ist Verlass. In: FAZ. 8. Juli 2014, S. 10.
- Rezension Perlentaucher.de, 12. Dezember 2016.
- Doggerland. In: draesner.de. 4. Oktober 2021, abgerufen am 11. Oktober 2021.
- Ulrike Draesners "Doggerland". In: Österreich 1. 11. Oktober 2021, abgerufen am 11. Oktober 2021.
- Longlist Deutscher Buchpreis 2005. In: deutscher-buchpreis.de. Abgerufen am 23. Juli 2016.
- Poetikprofessur an der Universität Bamberg
- Informationen zu Autorin, Werk und Recherche. Robert Bosch Stiftung, abgerufen am 23. Juli 2016.
- Longlist Deutscher Buchpreis 2014. In: deutscher-buchpreis.de. Abgerufen am 23. Juli 2016.
- buchmarkt.de vom 27. September 2019: Ulrike Draesner erhält den Gertrud Kolmar Preis 2019, abgerufen am 27. September 2019.
- buchmarkt.de vom 18. Februar 2020: Ulrike Draesner erhält den Preis der LiteraTour Nord 2020, abgerufen am 18. Februar 2020.
- Deutscher Preis für Nature Writing, Börsenblatt vom 17. August 2020, abgerufen 17. August 2020