Erasmus-Programm
Das Erasmus-Programm ist ein Förderprogramm der Europäischen Union. Sein Name erinnert an Erasmus von Rotterdam, einen europäisch gebildeten Humanisten der Renaissance. Es wurde zum weltweit größten Förderprogramm von Auslandsaufenthalten an Universitäten, über Europa hinaus erweitert seit dem Jahr 2003 durch das Zusatzprogramm Erasmus Mundus, und finanzierte bis dahin in seinen ersten rund 15 Jahren etwa 1 Million Stipendien.[1] Das Programm feierte 2017 sein 30-jähriges Bestehen, innerhalb dessen insgesamt rund 4,4 Mio. Studierende unterstützt wurden, davon rund 650.000 aus Deutschland.[2] Für andere Zielgruppen folgte beispielsweise Erasmus für Jungunternehmer. Seit dem Jahr 2014 ist Erasmus mit anderen Programmen zu Erasmus+ verschmolzen.[3]
Geschichte und Aufbau
Der Name des Programms entstand als Akronym von EuRopean Community Action Scheme for the Mobility of University Students.[4] Gegründet wurde es aufgrund der Initiative der italienischen Erziehungswissenschaftlerin Sofia Corradi durch den Beschluss 87/327/EWG des Rats der Europäischen Union am 15. Juni 1987.
An dem Programm nehmen alle 27 Mitgliedsstaaten der EU sowie fünf weitere europäische Länder (Norwegen, Island, Liechtenstein, Schweiz, Türkei) teil, wobei die Schweiz 2014/15 wegen der Nichtunterzeichnung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit dem EU-Neumitglied Kroatien in Folge der angenommenen Masseneinwanderungsinitiative vom Mitgliedsland auf den Status eines Partnerlandes zurückgestuft wurde.[5][6] Überarbeitet wurde das Programm durch die Beschlüsse 89/663/EWG und 819/95/EG.
Es ist Teil des EU-Programms für Lebenslanges Lernen (Laufzeit 2007–2013, davor von 1994 bis 2006 als Sokrates-Programm bezeichnet), das neben Hochschulbildung auch Schul-, Berufs- und Erwachsenenbildung fördert. Im Studienjahr 2008/2009 nahmen europaweit 198.523 Studenten an dem Programm teil.[7] Im Studienjahr 2009/2010 wurden bereits 213.000 Studierende gefördert, 7,4 % mehr als im Vorjahr.[8]
Zentrale Bestandteile sind die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland anhand des European Credit Transfer Systems (ECTS) und die finanzielle Unterstützung von Austauschstudenten. Es können Studienaufenthalte, Auslandspraktika im Rahmen des Studiums, Lehraufenthalte sowie Fortbildung von allgemeinem Hochschulpersonal gefördert werden. Das Erasmus-Programm steht allen Studenten offen, die an einer teilnehmenden Hochschule regulär studieren. Entsprechendes gilt für das Lehr- und Verwaltungspersonal. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsendende und die aufnehmende Hochschule ein entsprechendes bilaterales Abkommen haben. Auch benötigen alle Hochschulen, die im Rahmen des Erasmus-Programms aktiv werden wollen, eine Erasmus University Charter (Erasmus-Hochschulcharta).
Im Unterprogramm Erasmus Mundus wird u. a. die Entwicklung gemeinsamer Master- und Doktoratsprogramme durch mehrere Hochschulen gefördert.[9]
Seit 2014 werden die Programme für lebenslanges Lernen unter dem Oberbegriff Erasmus+ (auch: Erasmus Plus) gebündelt. Hierzu gehören auch Programme der schulischen und beruflichen Bildung sowie Jugend in Aktion.[10]
Das Vereinigte Königreich, das zum Jahreswechsel 2020/21 den Brexit vollzog, verließ (nach 33 Jahren) auch das Erasmus-Programm. Ein Hauptgrund waren für Premierminister Johnson die Kosten. Durch das Programm kamen doppelt so viel EU-Bürger nach Großbritannien, wie britische Studenten ins Ausland gingen. Für britische Universitäten sei das Programm wenig vorteilhaft gewesen, da ein Studienplatz mehr koste, als finanziell vom Programm abgedeckt worden sei. Die britische Regierung kündigte an, ein Ersatzprogramm zu erstellen, mit dem britische Studenten weiterhin an europäischen Universitäten studieren können.[11][12]
Finanzierung
Das Gesamtbudget des Programms beträgt jährlich etwa 450 Millionen Euro aus dem Haushalt der EU, der wiederum durch die Beiträge der Mitgliedsländer finanziert wird. Die Programmmittel werden anteilig nach den jeweiligen nationalen Studentenzahlen über die Nationalen Agenturen den teilnehmenden Hochschulen auf deren Anträge zur Verfügung gestellt. Für Deutschland ist der DAAD, für Österreich die Österreichische Austauschdienst-Gesellschaft (OeAD-GmbH) und für die Schweiz die CH-Stiftung in Solothurn zuständig. Hochschulen und nationale Agenturen haben bei der Ausgestaltung der Finanzierung der Austausche und Maßnahmen einen geringen Gestaltungsspielraum. Für Deutschland betrug der normale Mobilitätszuschuss zuletzt etwa 200 Euro pro Person und Monat. Studenten mit besonderem Bedarf (etwa Behinderte) können dabei erheblich mehr bewilligt bekommen. Dieser Betrag hängt jedoch ab von der Anzahl der Erasmusstudenten in jedem Jahr. Die Hochschulen informieren auf Ihren Webseiten über die voraussichtliche Höhe und die Modalitäten (Raten) der Auszahlung.
Sonstiges
Die Teilnehmer der ERASMUS-Programme gehen laut einer europaweiten Umfrage etwa doppelt so häufig Lebensbeziehungen mit ausländischen Partnern ein (27 %) wie Studenten ohne Auslandsaufenthalte (13 %).[13] Die Arbeitslosenquote bei Erasmus-Studenten ist fünf Jahre nach dem Abschluss um 23 Prozent niedriger.
Die beliebtesten Zielländer für deutsche Studierende waren 2012 bis 2014 Spanien, Frankreich, Schweden, die Türkei und das Vereinigte Königreich.[14]
Siehe auch
- Europäischer Hochschulraum
- Erasmus Student Network – ehrenamtlicher Verein zur Betreuung von Studenten im Erasmus-Programm
Literatur
- Walter Demmelhuber: European Educational Policy related to Academic Mobility. Mensch & Buch Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-89820-493-4 (Dissertation Universität Osnabrück 2003, 239 Seiten mit graphischen Darstellungen, 21 cm).
- Benjamin Feyen, Ewa Krzaklewska (Hrsg.): The ERASMUS Phenomenon – Symbol of a New European Generation? (= Education beyond borders, Band 1), Lang, Bern u. a. 2013, ISBN 978-3-631-62719-8 (Info auf der Website des Verlags).
Weblinks
Einzelnachweise
- Mary M. Kritz: Globalisation and Internationalisation of Tertiary Education (PDF; 526 kB) Vereinte Nationen. S. 8–9. 21. August 2006. Abgerufen am 28. September 2014.
- Agnes Schulze-von Laszewski: 30 Jahre Erasmus Fact Sheet (PDF; 974 kB) DAAD. Abgerufen am 28. März 2019.
- Programm für Lebenslanges Lernen: Europäisches Bildungsprogramm für Jedermann. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Archiviert vom Original am 4. November 2014. Abgerufen am 28. September 2014.
- DAAD: Die Entstehunggeschichte von ERASMUS. Deutscher Akademischer Austauschdienst, 2017 (daad.de [abgerufen am 3. August 2018]).
- EU: Schweiz nächstes Jahr bei Erasmus nicht dabei, Tages-Anzeiger, abgerufen am 27. Februar 2014
- In der Schweiz gibt es das Swiss-European Mobility Programme, siehe zum Beispiel Swiss-European Mobility Programme (formerly Erasmus). In: ethz.ch. Abgerufen am 21. Dezember 2020 (englisch).
- „Erasmus: Statistics“ (Memento vom 11. Dezember 2008 im Internet Archive), Erasmus-Statistiken der Europäischen Kommission, abgerufen am 11. Mai 2011 (englisch).
- [https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:Defekte_Weblinks&dwl=http://presseportal.eu-kommission.de/index.php?id=62&tx_ttnews%5Btt_news%5D=906&tx_ttnews%5BbackPid%5D=60&cHash=e7429893798e47032ca6d6981775664b Seite nicht mehr abrufbar], Suche in Webarchiven: [http://timetravel.mementoweb.org/list/2010/http://presseportal.eu-kommission.de/index.php?id=62&tx_ttnews%5Btt_news%5D=906&tx_ttnews%5BbackPid%5D=60&cHash=e7429893798e47032ca6d6981775664b Ansturm auf Erasmus], Europa vor Ort, 6. Juni 2011
- Erasmus Mundus Programme (Memento vom 24. Januar 2013 im Internet Archive), Website der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur. Zugriff 9. Dezember 2012
- 30 Years of Erasmus: We Are One, unique-online, 6. Juli 2017
- Großbritannien verlässt Erasmus-Programm. In: Der Spiegel. 25. Dezember 2020, abgerufen am 8. Januar 2021.
- Imke Köhler: Briten ohne Erasmus: Keine Gelder für Studierende aus der EU. In: tagesschau.de. 1. Januar 2021, abgerufen am 8. Januar 2021.
- Internationale Beziehungen von Austauschstudenten, welt.de, Pressebericht vom 22. September 2014
- Austausch von Studierenden und Hochschulmitarbeitern, daad.de