Tonium
Das Tonium ist eine Periode der Erdgeschichte, die 280 Millionen Jahre dauerte. Ihr Beginn ist geochronologisch bei 1000 Millionen Jahren BP und ihr Ende bei ungefähr 720 (bis April 2016 bei 720) Millionen Jahren BP angesetzt. Das Tonium gehört zum Proterozoikum, dem dritten (vorletzten) Äon der Erdgeschichte. Es bildet innerhalb der jüngsten Ära des Proterozoikums, des Neoproterozoikums, die erste (früheste) Periode. Das Tonium folgt auf das Stenium, der letzten Periode des Mesoproterozoikums, und wird vom Cryogenium abgelöst.
Äonothem | Ärathem | System | Alter (mya) |
---|---|---|---|
später | später | später | |
P r o t e r o z o i k u m Dauer: 1959 Ma |
Neoproterozoikum Jungproterozoikum Dauer: 459 Ma |
Ediacarium | 541 ⬍ 635 |
Cryogenium | 635 ⬍ 720 | ||
Tonium | 720 ⬍ 1000 | ||
Mesoproterozoikum Mittelproterozoikum Dauer: 600 Ma |
Stenium | 1000 ⬍ 1200 | |
Ectasium | 1200 ⬍ 1400 | ||
Calymmium | 1400 ⬍ 1600 | ||
Paläoproterozoikum Altproterozoikum Dauer: 900 Ma |
Statherium | 1600 ⬍ 1800 | |
Orosirium | 1800 ⬍ 2050 | ||
Rhyacium | 2050 ⬍ 2300 | ||
Siderium | 2300 ⬍ 2500 | ||
früher | früher | früher |
Namensgebung
Der Name Tonium ist abgeleitet vom Altgriechischen τόνος (tόnos), ausdehnen (τείνειν). Er spielt auf die weitere Ausdehnung der alten Kratone an.
Geologie
Das herausragende geologische Ereignis im Tonium war die Existenz eines einzigen Superkontinentes, Rodinia, der allerdings bereits zu Ende des Toniums wieder zu zerfallen begann. Der endgültige Zerfall kann um 725 Millionen Jahren BP situiert werden.[1] In Rodinia waren fast alle Kratone (die alten Festlandkerne der heutigen Kontinente) bereits enthalten. Gleichzeitig existierte analog ein einziger gigantischer Ozean, Mirovia genannt, der den Megakontinent Rodinia umschloss.
Im Tonium fanden Gebirgsbildungsprozesse statt, die allerdings erst zum Teil bekannt bzw. erforscht sind. Der Beginn der Periode überschneidet sich mit dem Ende der Grenville-Orogenese, einer wichtigen gebirgsbildenden Phase, die sich während der Entstehung Rodinias ereignete und während derer u. a. Gebirgszüge im heutigen Osten und Südosten Nordamerikas und auf dem heutigen indischen Subkontinent geformt wurden. Die Grenville-Orogenese war um 980 Millionen Jahren BP mit der Rigolet Orogeny zu Ende gegangen. Während des Toniums selbst fand u. a. die etwas weniger bedeutende Edmundian Orogeny (ca. 1030 bis 950 Millionen Jahre BP) statt, die Teile des heutigen Westaustraliens formte.
Das frühe und das mittlere Neoproterozoikum (Zeitraum 900 bis 700 Millionen Jahre BP) werden in Laurentia von Dehnungstektonik in Ost-West-Richtung geprägt. Dieses gegenüber dem Mesoproterozoikum völlig neue Spannungsregime (es hatte ab 950 Millionen Jahren BP eine Rotation der Zugspannung von Nordost-Südwest auf Ost-West stattgefunden) sollte ungefähr 200 Millionen Jahre Bestand haben und wird von zahlreichen, sedimentären Formationen im nördlichen Arizona und zentralen Utah dokumentiert.
Im europäischen Raum (Schottland und Baltica) war es im Verlauf der Grenville-Orogenese zwischen 1100 und 1000 Millionen Jahren BP zur Andockung Amazonias von Süden gekommen. Die relative weiche Kollision ohne bedeutende Krustenverdickung betraf neben den Svekonorwegiden das Midland Valley Schottlands und das Grundgebirge des nordwestlichen Irlands. Zwischen 930 und 870 Millionen Jahren BP löste sich Baltica von Laurentia und Amazonia entlang einen Riftgrabens. Das sich öffnende Rift war von einer längeren Periode mit erhöhtem Magmatismus, Granitintrusionen und Metamorphose begleitet (beispielsweise im südlichen Norwegen um 915 Millionen Jahren BP von posttektonischen Graniten und in Schottland von 870 Millionen Jahre alten Mafiten und Granitgneisen der West Highlands, die der Glenfinnan Group und der Loch Eil Group angehören).
Die Svekonorwegiden waren ab 1100 Millionen Jahren BP in ihre Hauptverformungsphase getreten (D6) mit granulitfazieller Metamorphose und zwei Generationen von Granitintrusionen. Das Spätstadium (D7) begann ab 1025 Millionen Jahren BP und zog sich bis etwa 950 Millionen Jahren BP hin. Nachdem um 1025 Millionen Jahren BP Dolerit-Lagergänge eingedrungen waren, kam es zu Nord-Süd-orientierter Faltung und dem Aufdringen mittelkörniger, spät-svekonorwegischer Granite. Danach entstanden konjugierte Scherzonen und der Faltungsstil drehte auf Ost-West-Richtung. In der ab 945 Millionen Jahren BP einsetzenden posttektonischen Phase wurde das Orogen herausgehoben und von spröder Verwerfungstektonik erfasst. Die posttektonische Phase wird von zwei Granit-Intrusionsphasen begleitet mit mittelkörnigen Graniten um 945 Millionen Jahren BP und posttektonischen Graniten um 915 Millionen Jahren BP. Um 800 Millionen Jahre BP eingedrungene, Ostnordost-Westsüdwest-streichende Metagabbro-Gänge markieren das definitive Ende des herausgehobenen Orogens, das schließlich um 725 Millionen Jahren BP zu einer vorkambrischen Einebnungsfläche reduziert wurde.[2]
Biologische Entwicklung
Ab 850 bis 800 Millionen Jahre BP war die Erde nach einer fast 1000 Millionen Jahre dauernden Ruhepause während des (bislang inoffiziellen) Rodiniums in einen zweiten Zyklus großer Umweltinstabilität eingetreten. Zu Anfang dieses Intervalls hatten die Stromatolithen eine enorme Ausbreitung und Diversifizierung erfahren, erlebten aber gegen 800 Millionen Jahren BP einen drastischen Artenrückgang.[3]
Stratigraphie
Bedeutende Sedimentbecken und geologische Formationen
- Vindhya-Supergruppe im Norden Indiens – 1800/1700 bis 600 Millionen Jahre BP
- Chhattisgarh Supergroup in Indien – 1500 bis zirka 900 Millionen Jahre BP
- Supergruppe 1 des Taoudenni-Beckens (Westafrika-Kraton) – 998 bis 695 Millionen Jahre BP
- Char-Gruppe in Mauretanien – ab 998 Millionen Jahre BP
- Atar-Gruppe in Mauretanien – 890 bis 775 Millionen Jahre BP
- Atur Group des Rguibat-Schildes in Mauretanien – 890 bis 775 Millionen Jahre BP
- Espinhaço Supergroup des São-Francisco-Kratons in Brasilien – 1800 bis 900 Millionen Jahre BP[4]
- Upper Espinhaço Sequence (Absinkbecken) – 1190 bis 900 Millionen Jahre BP
- Andrelândia-Becken des Süd-Brasília-Gürtels – 1061 bis zirka 930 Millionen Jahre BP
- Pahrump Group im Death Valley – 1200 bis zirka 550 Millionen Jahre BP
- Beck Springs Dolomite – um 890 bis 760 Millionen Jahre BP
- Grand Canyon Supergroup in Arizona – 1250 bis 700/650 Millionen Jahre BP
- Nankoweap-Formation – 940 bis 910 Millionen Jahre BP
- Chuar Group – 900 bis 700 Millionen Jahre BP
- Big-Cottonwood-Formation im Norden Utahs – 920 bis 860 Millionen Jahre BP
- Uinta Mountain Group in Nordutah – 900 bis 820 Millionen Jahre BP
- Shaler Supergroup im Nordwesten Kanadas – 1077 bis 723 Millionen Jahre BP
- Bylot Supergroup auf Baffin Island in Kanada – 1267 bis 723 Millionen Jahre BP
- Torridonian Supergroup in Schottland – um 1200 bis 950 Millionen Jahre BP
- Torridon Group – 1000 bis 950 Millionen Jahre BP
- Moine Supergroup in Schottland – um 1000 bis 873 Millionen Jahre BP
- Loch Eil Group – 910 bis 873 Millionen Jahre BP
- Glenfinnan Group – 910 bis 873 Millionen Jahre BP
- Morar Group -980 bis 950 Millionen Jahre BP
- Yell Sound Division auf Shetland – 1030 bis 970 Millionen Jahre BP
- Krummedahl Succession im Osten Grönlands – 1030 bis 960 Millionen Jahre BP
- Krossfjorden Group auf Spitzbergen (Westterran) – 1030 bis 980 Millionen Jahre BP
- Brennevinsfjorden Group auf Spitzbergen (Ostterran) – 1030 bis 980 Millionen Jahre BP
- Svaerholt Succession im Norden Norwegens – 1030 bis 990 Millionen Jahre BP
Geodynamik
Orogenesen
- Zyklus der Grenville-Orogenese Laurentias:
- Rigolet Orogeny – 1010 bis 980 Millionen Jahre BP
- Sveconorwegian Orogeny in Skandinavien (Hauptphase) – 1100 bis 950 Millionen Jahre BP
- Renlandian Orogeny des Valhalla-Orogens (Schottland, Shetland, Spitzbergen, Nordnorwegen) – 980 bis 910 Millionen Jahre BP
- Edmundian Orogeny in Australien – 1030 bis 950 Millionen Jahre BP
Magmatismus
- Glenfinnan Group in den West Highlands von Schottland mit tholeiitischen Amphiboliten (Metabasalte) – 870 Millionen Jahre BP
- Loch Eil Group in Schottland mit tholeiitischen Amphiboliten – 870 Millionen Jahre BP
- Mittelkörnige, spät-svekonorwegische Granite – 1000 bis 990 Millionen Jahre BP und 945 Millionen Jahre BP
- Treungen-Granit in Norwegen – 1000 Millionen Jahre BP
- Posttektonische Granite der Svekonorwegiden – 915 ± 35 Millionen Jahre BP
Literatur
- James G. Ogg: Status on Divisions of the International Geologic Time Scale. Archiviert vom Original am 29. September 2007. In: Lethaia. 37, 2004, S. 183–199. doi:10.1080/00241160410006492.
- Kenneth A. Plumb: New Precambrian time scale. In: Episodes, 14(2), Beijing 1991, S. 134–140, ISSN 0705-3797.
Einzelnachweise
- Torsvik, T. H. u. a.: Continental breakup and collision in the Neoproterozoic and Paleozoic: A tale of Baltica and Laurentia. In: Earth-Science Reviews. Band 40, 1996, S. 229–258.
- Starmer, I. C.: The Sveconorwegian Orogeny in southern Norway, relative to deep crustal structures and events in the North Atlantic Proterozoic Supercontinent. In: Norsk Geologisk Tidsskrift. Band 73, 1993, S. 109–132.
- Grotzinger, J. P. und Knoll, A. H.: Stromatolites in Precambrian carbonates: evolutionary milestones or environmental dipsticks? In: Annual Reviews of Earth and Planetary Sciences. Band 27, 1999, S. 313–358.
- Guadagnin, F. u. a.: Age constraints on crystal-tuff from the Espinhaço Supergroup – Insight into the Paleoproterozoic to Mesoproterozoic basin cycles of the Congo-São Francisco Craton. In: Gondwana Research. Band 27, 2015, S. 363–376.
- Starmer, I. C.: The Proterozoic evolution of the Bamble Sector shear belt, southern Norway: correlations across southern Scandinavia and the Grenvillian controversy. In: Precambrian Research. Band 49, 1991, S. 107–139.
- Pedersen, S.: Rb-Sr age determinations on Late Proterozoic granitoids from the Evje area, South Norway. In: Bulletin of the Geological Society of Denmark. Band 29, 1981, S. 129–143.