Straßenbahnmünze
Eine Straßenbahnmünze, auch Straßenbahngeld, Straßenbahnmarke, Fahrmarke, Fahrmünze, Wertmarke, Wertmünze, Wechselmarke, Zahlmarke oder Zahlmünze genannt, ist eine spezielle Münze, die als Geldersatzmittel statt einer regulären Fahrkarte aus Papier oder Karton ausgegeben wird. Abgesehen von der namensgebenden Straßenbahn ist das Prinzip aber auch bei zahlreichen anderen öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreffen. Solche Wertmarken sind nur im Vorverkauf erhältlich und gelten meist nur für eine Einzelfahrt ohne Umstieg. Sie werden vor oder während der Fahrt vom Personal oder speziellen Automaten wieder eingesammelt und später erneut verwendet. Sie bleiben somit jederzeit im Eigentum des jeweiligen Verkehrsunternehmens, deshalb trugen die Fahrmarken in Osnabrück beispielsweise den expliziten Hinweis „Eigentum der Straßenbahn Osnabrück“ und diejenigen der Straßenbahn Schleswig die Prägung „auf Widerruf“.
In der Gegenwart ist die Methode noch bei manchen U-Bahnen, insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und in Asien, sowie bei einigen Bus-Rapid-Transit-Systemen anzutreffen. Sie verwenden meist Jetons aus Plastik, aus Gründen der Fälschungssicherheit teilweise mit integriertem Chip, die der Passagier vor Fahrtantritt an der Bahnsteigsperre respektive Vereinzelungsanlage am Zugang zur Haltestelle einwerfen muss, damit diese sich öffnet. International spricht man heute meist von Tokens, Jetons oder Fahrchips.
Geschichte
Straßenbahnmünzen waren schon zu Zeiten der Pferdebahnen und Pferdeomnibusse im ausgehenden 19. Jahrhundert gebräuchlich, spielten dann aber insbesondere als Notgeld beziehungsweise Notmünzen während der starken Inflation in der Zwischenkriegszeit eine Rolle.[1] Hierbei ersparten sich die Verkehrsunternehmen vor allem den ständigen Neudruck von Fahrkarten mit dem jeweils aktuellen Fahrpreis. In diesem Fall wurden die Straßenbahnmünzen ohne Nennwert ausgegeben, ersatzweise trugen sie Aufschriften wie „Gut für eine Fahrt“ oder „Gültig für eine Fahrt“. Klassische Straßenbahnmünzen bestanden meist aus günstigen Metallen wie Aluminium, Eisen, Messing oder Zink, diesbezügliche Ausnahmen waren das sogenannte Porzellangeld der Straßenbahn Meißen von 1921 sowie die Keramik-Fahrgeldmarken der Straßenbahn Hamburg von 1923.[2] In Halle (Saale) und Leipzig musste zeitweise sogar auf Materialien wie gepresste Pappe, Holz oder Leder zurückgegriffen werden.[3] Wieder andere Betriebe verzichteten aufgrund der Materialknappheit gleich ganz auf die Münzprägung und gaben damals alternativ Gutscheine respektive Notgeldscheine aus.
Generell vereinfachen Straßenbahnmünzen die Abfertigung an Bord des jeweiligen Verkehrsmittels, zum einen weil der Fahrgast in der Regel keinen zusätzlichen Beleg erhält und zum anderen weil kein Wechselgeld ausgegeben werden muss. So ermöglichten sie beispielsweise schon früh den Einmannbetrieb ohne Schaffner. Statt Letzterem verfügten die ersten schaffnerlosen Wagen über eine verschließbare Zahlbox im Sichtkreis des Fahrers, in welche die Fahrmarke eingeworfen werden musste.[4]
Zudem ermöglichen es Straßenbahnmünzen, Nennwerte abzubilden, die mit den regulären Umlaufmünzen nicht darstellbar sind. So ließ beispielsweise die Gemeinde Wien – städtische Straßenbahnen (WStB) in Folge der Währungsumstellung nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich beim Hauptmünzamt vier Millionen spezielle Straßenbahnmünzen im Nennwert von sieben Reichspfennig prägen. Diese Maßnahme war nötig, um den erst 1934 eingeführten Zehn-Groschen-Kleinzonentarif beibehalten zu können, bei dem die Fahrgäste die entsprechende Münze in eine spezielle Büchse beim Fahrer einwerfen mussten. Die im März 1938 ersatzweise eingeführten Straßenbahnmünzen waren in Trafiken erhältlich und wurden, nach der Erhöhung des Kleinzonentarifes auf zehn Reichspfennig, schon im Mai 1940 wieder eingezogen.[5]
Die Städtische Straßenbahn Zwickau wiederum gab früher spezielle Umsteige-Kontrollmarken aus. Diese Münzen waren nur zusammen mit einem gleichzeitig gelösten Fahrschein gültig. Mit ihnen konnte der Fahrgast nach dem Wechsel auf den zweiten Wagen seine Umsteigeberechtigung nachweisen, obwohl der eigentliche Fahrschein bereits entwertet war.
Fährunternehmen wie beispielsweise die Hafendampfschiffahrt-Actiengesellschaft (H.D.A.G.) aus Hamburg gaben für ihre Schiffe früher spezielle Fährmarken aus.
Galerie
- Zehn-Centimes-Münze der Straßenbahn Genf von 1876
- Schülermarke der Städtischen Straßenbahn Spandau, ausgegeben statt einer Monatskarte
- Historische Tokens der San Francisco Cable Cars
Einzelnachweise
- Münzkatalog-Online - Münzen aus Nürnberg-Fürther Straßenbahn. Abgerufen am 9. Dezember 2019.
- Otto Horn: Die Münzen und Medaillen aus der Staatlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen. Leipzig 1923
- Geld - Notgeld. Abgerufen am 9. Dezember 2019 (deutsch).
- Günter Fritz: Fahrmarken, Deutschsprachige Marken und Zeichen von Busunternehmen, Fahrschulen, Straßenbahngesellschaften, Skiliften, Schifffahrts- und Taxiunternehmen sowie anderen Einrichtungen zur markengesteuerten Fortbewegung, online auf wertmarkenforum.de, abgerufen am 13. Dezember 2018
- Harald Marincig: Die Wiener Linien – 140 Jahre ÖPNV in Wien. Verlag "Bahn im Film", Wien 2005, ISBN 978-3950085341