Starovice
Starovice (deutsch Groß Steurowitz) ist eine Gemeinde in Tschechien. Sie liegt drei Kilometer nordwestlich von Hustopeče und gehört zum Okres Břeclav (Bezirk Lundenburg) in der Region Südmähren. Der Ort ist als ein Linsen-Längsangerdorf angelegt.
Starovice | |||||
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Basisdaten | |||||
Staat: | Tschechien | ||||
Region: | Jihomoravský kraj | ||||
Bezirk: | Břeclav | ||||
Fläche: | 819[1] ha | ||||
Geographische Lage: | 48° 57′ N, 16° 42′ O | ||||
Höhe: | 198 m n.m. | ||||
Einwohner: | 928 (1. Jan. 2021)[2] | ||||
Postleitzahl: | 693 01 | ||||
Kfz-Kennzeichen: | B | ||||
Verkehr | |||||
Straße: | Hustopeče – Uherčice | ||||
Struktur | |||||
Status: | Gemeinde | ||||
Ortsteile: | 1 | ||||
Verwaltung | |||||
Bürgermeister: | Antonín Kadlec (Stand: 2018) | ||||
Adresse: | Starovice 180 693 01 Hustopeče u Brna | ||||
Gemeindenummer: | 584894 | ||||
Website: | www.starovice.cz |
Geographie
Die Nachbarorte sind im Süden Hustopeče (Auspitz), im Norden Velké Němčice und im Westen Uherčice.
Geschichte
Die Ui-Mundart (bairisch-österreichisch) mit speziellen Bairischen Kennwörtern weist auf eine Besiedlung durch bayrische deutsche Stämme hin, wie sie vor allem im 12./13. Jahrhundert erfolgte.[3] Groß-Steurowitz wurde erstmals 1321 urkundlich erwähnt. Die Namensform wechselt von „Styrowicz“ (1323) und „Gros Starwicz“ (1570) zu „Gros Steirwiz“ und ab 1673 zu „Groß Steyrowitz“ beziehungsweise „Groß-Steurowitz“.[4]
Um 1570 war die Ortschaft mit Erdwällen und Palisaden befestigt. Kaiser Rudolf II. verpfändete Groß-Steurowitz an Carl von Liechtenstein. In der Zeit der Reformation wird ein Teil der Bewohner lutherisch. 1605 wird die Ortschaft von den Heiducken des Siebenbürgers Stephan Bocskai verwüstet. Nach einem Rechtsstreit, der im Jahre 1617 beigelegt wird, überlässt Fürst Carl von Liechtenstein den Ort dem Kloster Saar. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Ortschaft im Jahre 1643 von schwedischen Truppen geplündert. Im Jahr 1663 überfallen die Türken die Ortschaft, töten 34 und verschleppen 100 Menschen. Groß-Steurowitz wurde auch von Seuchen nicht verschont, so wütete die Pest 1645 und 1679 im Ort.
Der Ort führte seit dem Jahre 1621 Matriken. Onlinesuche über das Landesarchiv Brünn.[5] Grundbücher werden seit 1594 geführt.
1865 wird bei einem Großbrand das Rathaus zerstört. Im Deutsch-Österreichischen Krieg, 1866, schleppen preußische Soldaten die Cholera nach Groß-Steurowitz ein. Diese forderte von 100 Bewohnern des Ortes das Leben. Eine Freiwillige Feuerwehr wird im Jahre 1880 gegründet. Der größte Teil der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft, wobei der seit Jahrhunderten gepflegte Weinbau einen besonderen Stellenwert einnahm. Ungefähr 1/3 aller Anbauflächen (Schwemmland und Lößboden) waren für den Weinanbau genutzt worden. Durch die Reblausplage, um 1864, wurden große Teile der Weinkulturen zerstört und die Verluste konnten erst um 1900 ausgeglichen werden.[6] Weiters brachte die Jagd im Gemeindegebiet in guten Jahren bis zu 2.000 Hasen, 200 Fasane und 1.000 Rebhühner. Ebenso gab es neben dem üblichen Kleingewerbe noch eine Ziegelei im Groß Steurowitz.
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Friedensvertrag von Saint Germain[7] 1919 wurde der Ort, der im Jahre 1910 zu 99 % von Deutschsüdmährern bewohnt war, Bestandteil der neuen Tschechoslowakischen Republik. Durch die Neubesetzung von Beamtenposten und Siedler kam es in der Zwischenkriegszeit zu einem vermehrten Zuzug von Personen tschechischer Nationalität.[8] Im Jahre 1926 erhält der Ort ein Wasserleitungssystem und zwei Jahre darauf wird Groß Steurowitz elektrifiziert. Nach dem Münchner Abkommen, 1938, kam der Ort an das Deutsche Reich und wurde ein Teil des Reichsgaus Niederdonau.
Im Zweiten Weltkrieg hatte der Ort 69 Opfer zu beklagen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (8. Mai 1945) wurden die im Münchener Abkommen (1939) an Deutschland übertragenen Territorien, also auch der Ort Groß-Steurowitz, im Rückgriff auf den Vertrag von Saint-Germain (1919) wieder der Tschechoslowakei zugeordnet. Vor den „wilden“ Vertreibungen 1945 flohen viele Deutsche über die Grenze nach Österreich. Beim Versuch einer Nachkriegsordnung nahmen die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges am 2. August 1945 im Potsdamer Protokoll, Artikel XIII,[9][10] trotz Intervention der Westmächte, zu den wilden und kollektiv verlaufenden Vertreibungen der deutschen Bevölkerung konkret nicht Stellung. Explizit forderten sie jedoch einen geordneten und humanen Transfer der deutschen Bevölkerungsteile, die in der Tschechoslowakei zurückgeblieben sind. Zwischen dem 20. Mai und dem 22. Juli 1946 wurden 221 deutsche Bewohner des Ortes „offiziell“ deportiert.[11][12] Nach dem Bericht von Francis E. Walter an das US-Repräsentantenhaus erfolgten diese Transporte zu keiner Zeit ordnungsgemäß und human.[12][13] Die Volkszählung 1950 ermittelte noch 64 deutschstämmige Personen. Der Ort wurde neu aufgesiedelt.[14] Bei den Nachkriegsexzessen kamen 9 Zivilpersonen zu Tode. Das Beneš-Dekret 115/1946 schützte vor einer juristischen Aufarbeitung der Geschehen. Alles private und öffentliche Vermögen der deutschen Ortsbewohner wurde durch das Beneš-Dekret 108 konfisziert und die katholische Kirche in der kommunistischen Ära enteignet. Eine Wiedergutmachung ist seitens der Tschechischen Republik nicht erfolgt.
Trotz des in der Potsdamer Erklärung bestimmten Überführungszieles Deutschland konnten viele der in Österreich befindlichen Steurowitzer in Wien, Niederösterreich und Wels verbleiben.[15]
Wappen und Siegel
Das Siegel aus dem Jahr 1646 zeigt ein Kartuschen-Schild. Auf dem Schild sind ein Rebmesser und ein kunstvoll gestalteter bewurzelter Weinstock mit zwei Trauben abgebildet.[4]
Einwohnerentwicklung
Volkszählung | Einwohner gesamt | Volkszugehörigkeit der Einwohner | ||||
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Jahr | Deutsche | Tschechen | Andere | |||
1793 | 850 | 0 | 0 | 0 | ||
1836 | 1.080 | 0 | 0 | 0 | ||
1869 | 1.139 | 0 | 0 | 0 | ||
1880 | 1.194 | 1.167 | 33 | 0 | ||
1890 | 1.260 | 1.255 | 5 | 0 | ||
1900 | 1.235 | 1.185 | 50 | 0 | ||
1910 | 1.180 | 1.164 | 13 | 3 | ||
1921 | 1.109 | 1.064 | 24 | 21 | ||
1930 | 1.102 | 1.077 | 23 | 2 | ||
1939 | 1.066 | – | – | – | ||
Quelle: 1793, 1836, 1850 aus: Frodl, Blaschka: Südmähren von A–Z. 2006 | ||||||
Sonstige: Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960, sv.9. 1984 |
Sehenswürdigkeiten
- Pfarrkirche des hl. Georg (Neubau 1885) davor St. Nikolaus (1392), Westturm erbaut 1791
- Kirche des hl. Antonius (1724), wurde unter Josef II. abgetragen, um eine Kapelle zu erbauen.
- Kapelle des Johann von Nepomuk
- Kapelle der St. Anna
- Kapelle des Markus
- Mariensäule (1747)[16]
- Schule (1801)
Persönlichkeiten
- Johann Dolanski (1889–1966), Bauingenieur, Techniker und Autor
- Hermann Kletzander (* 1928), Träger des Josef-Freising-Preises
Literatur und Quellen
- Georg Dehio, Karl Ginhart: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in der Ostmark. 1941, Groß-Steurowitz S. 235.
- Johann Zabel: Kirchlicher Handweiser für Südmähren, 1941, Generalvikariat Nikolsburg, Groß-Steurowitz S. 16
- Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren., Verlag: C. Maurer, Geislingen/Steige 1990, Groß Steurowitz S. 11, ISBN 3-927498-13-0
- Leopold Kleindienst: Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens. Beiträge zur Volkskunde Südmährens. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 1989, ISBN 3-927498-09-2.
- Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden., Josef Knee, Wien 1992, Groß Steurowitz S. 77f, ISBN 3-927498-19-X
- Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 215 (Groß Steurowitz).
- Walfried Blaschka, Gerald Frodl: Der Kreis Nikolsburg von A bis Z, Groß Steurowitz s.89f, Südmährischen Landschaftsrat, Geislingen/Steige 2006
- Gustav Gregor: Geschichte von Groß-Steurowitz. 1971
- Sophie Wagner: Die Gemeinde Groß-Steurowitz in Südmähren. 1991
- Wenzel Max: Thayaland, Volkslieder und Tänze aus Südmähren, 1984, Geislingen/Steige
- Hermann Kletzander: Die Groß-Steurowitzer Mundart. 2001
- Hermann Kletzander: Die Groß-Steurowitzer Musikkapelle 2001
- Hermann Kletzander: Gross-Steurowitz und die Steurowitzer 2002
Weblinks
Einzelnachweise
- http://www.uir.cz/obec/584894/Starovice
- Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2021 (PDF; 349 kB)
- Leopold Kleindienst: Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens, 1989, S. 9
- Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden, 1992, Groß Steurowitz Seite 77
- Acta Publica Registrierungspflichtige Online-Recherche in den historischen Matriken des Mährischen Landesarchivs Brünn (cz,dt). Abgerufen am 23. März 2011.
- Hans Zuckriegl: Ich träum' von einem Weinstock, Kapitel 7, S. 262
- Felix Ermacora: Der unbewältigte Friede: St. Germain und die Folgen, 1919–1989, Amalthea Verlag, Wien, München 1989, ISBN 3-85002-279-X
- Johann Wolfgang Brügel: Tschechen und Deutsche 1918 – 1938, München 1967
- Charles L. Mee: Die Potsdamer Konferenz 1945. Die Teilung der Beute. Wilhelm Heyne Verlag, München 1979. ISBN 3-453-48060-0.
- Milan Churaň: Potsdam und die Tschechoslowakei. 2007, ISBN 978-3-9810491-7-6.
- Archiv Mikulov: Odsun Nĕmců - transport odeslaný dne 20. kvĕtna, 1946
- Ludislava Šuláková, übersetzt von Wilhelm Jun: Die Problematik des Abschubs der Deutschen in den Akten des Städtischen Volksausschusses (MNV) und des Bezirks-Volksausschusses (ONV) Nikolsburg: Südmährisches Jahrbuch 2001 S. 45f, ISSN 0562-5262
- Walter, Francis E. (1950): Expellees and Refugees of German ethnic Origin. Report of a Special Subcommittee of the Committee on the Judiciary, House of Representatives, HR 2nd Session, Report No. 1841, Washington, March 24, 1950.
- Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 215 (Groß Steurowitz).
- Brunnhilde Scheuringer: 30 Jahre danach. Die Eingliederung der volksdeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen in Österreich, Verlag: Braumüller, 1983, ISBN 3-7003-0507-9
- Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren, 1990, s.11