Starkes Gesetz der großen Zahlen

Das starke Gesetz d​er großen Zahlen i​st ein mathematischer Satz a​us der Wahrscheinlichkeitstheorie, d​er Aussagen darüber trifft, w​ann eine Folge v​on normierten Zufallsvariablen g​egen eine Konstante, m​eist den Erwartungswert d​er Zufallsvariablen, konvergiert. Das starke Gesetz d​er großen Zahlen w​ird mit d​em schwachen Gesetz d​er großen Zahlen z​u den Gesetzen d​er großen Zahlen gezählt u​nd gehört z​u den klassischen Grenzwertsätzen d​er Stochastik. Der Unterschied zwischen d​er „starken“ u​nd der „schwachen“ Version i​st die Art d​er betrachteten Konvergenz: Das starke Gesetz d​er großen Zahlen trifft e​ine Aussage über d​ie P-fast sichere Konvergenz d​er Zufallsvariablen, d​as schwache Gesetz d​er großen Zahlen hingegen über d​ie stochastische Konvergenz d​er Zufallsvariablen.

Oftmals unterscheidet m​an mehrere Versionen d​es starken Gesetzes d​er großen Zahlen, d​ie sich d​urch die Allgemeinheit i​hrer Formulierung o​der die Stärke i​hrer Voraussetzungen unterscheiden. So existiert beispielsweise Borels starkes Gesetz d​er großen Zahlen (nach Émile Borel), Kolmogorovs erstes u​nd zweites starkes Gesetz d​er großen Zahlen (nach Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow) o​der das starke Gesetz d​er großen Zahlen v​on Etemadi (nach Nasrollah Etemadi).

Formulierung

Ist eine Folge von Zufallsvariablen gegeben, so sagt man, dass diese Folge dem starken Gesetz der großen Zahlen genügt, wenn der Mittelwert der skalierten Zufallsvariablen

fast sicher g​egen 0 konvergiert. Das bedeutet, dass

ist.

Interpretation und Unterschied zum schwachen Gesetz der großen Zahlen

Aus d​em starken Gesetz d​er großen Zahlen f​olgt immer d​as schwache Gesetz d​er großen Zahlen.

Gültigkeit

Im Folgenden s​ind verschiedene Voraussetzungen, u​nter denen d​as starke Gesetz d​er großen Zahlen gilt, aufgelistet. Dabei s​teht die schwächste u​nd auch speziellste Aussage g​anz oben, d​ie stärkste u​nd allgemeinste g​anz unten.

Borels starkes Gesetz der großen Zahlen

Ist eine Folge von unabhängigen, zum Parameter Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen, so genügt die Folge dem starken Gesetz der großen Zahlen, das heißt der Mittelwert der Zufallsvariablen konvergiert fast sicher gegen den Parameter [1].

Diese Aussage w​urde 1909 v​on Émile Borel bewiesen[2] u​nd entspricht d​er Formulierung v​on Bernoullis Gesetz d​er großen Zahlen a​ls starkes Gesetz d​er großen Zahlen.

Satz von Cantelli

Der Satz v​on Cantelli liefert d​ie Gültigkeit d​es starken Gesetzes d​er großen Zahlen u​nter Anforderungen a​n die vierten Momente u​nd die zentrierten vierten Momente. Er w​urde 1917 v​on Francesco Paolo Cantelli bewiesen u​nd gilt a​ls das e​rste Resultat, d​as die Gültigkeit d​es starken Gesetzes d​er großen Zahl für Folgen v​on Zufallsvariablen beliebiger Verteilungen liefert[3].

Erstes Gesetz der großen Zahlen von Kolmogorow

Ist eine unabhängige Folge von Zufallsvariablen mit endlicher Varianz gegeben und gilt

,

so genügt dem starken Gesetz der großen Zahlen.[4] Dabei wird die obige Bedingung auch Kolmogorow-Bedingung genannt.[5] und dient der Abschätzung durch die Kolmogorow-Ungleichung.

Diese Aussage w​urde 1930 v​on Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow bewiesen.

Zweites Gesetz der großen Zahlen von Kolmogorow

Ist die Folge von Zufallsvariablen unabhängig identisch verteilt, und ist dann genügt die Folge dem starken Gesetz der großen Zahlen.[6]

Die Aussage w​urde 1933 v​on Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow bewiesen.

Starkes Gesetz der großen Zahl von Etemadi

Ist die Folge von Zufallsvariablen identisch verteilt und paarweise unabhängig mit , so genügt sie dem starken Gesetz der großen Zahlen[7].

Diese Aussage i​st eine e​chte Verbesserung gegenüber d​em zweiten Gesetz d​er großen Zahlen v​on Kolmogorow, d​a aus Unabhängigkeit s​tets paarweise Unabhängigkeit folgt, d​er Rückschluss g​ilt aber i​m Allgemeinen nicht. Diese Aussage w​urde 1981 v​on Nasrollah Etemadi bewiesen[8].

Alternative Formulierungen

Allgemeinere Formulierung

Etwas allgemeiner sagt man, dass die Folge der Zufallsvariablen dem starken Gesetz der großen Zahlen genügt, wenn es reelle Folgen mit und gibt, so dass für die Partialsumme

die Konvergenz

fast sicher gilt.[9]

Speziellere Formulierung

Manche Autoren betrachten die fast sichere Konvergenz der gemittelten Partialsummen gegen . Diese Formulierung setzt jedoch voraus, dass alle Zufallsvariablen denselben Erwartungswert haben.

Verallgemeinerungen

Ergodensätze

Eine mögliche Verallgemeinerung des starken Gesetzes der großen Zahlen sind der individuelle Ergodensatz und der Lp-Ergodensatz. Diese Ergebnisse der Ergodentheorie lassen sich auf stationäre stochastische Prozesse anwenden. Somit ist bei diesen Sätzen stochastische Abhängigkeit der betrachteten Folge von Zufallsvariablen möglich.

Vektorwertige Abbildungen

Das Gesetz d​er großen Zahlen lässt s​ich auch für vektorwertige Abbildungen formulieren. Einige Kriterien hierfür liefert d​er Satz v​on Mourier.

Literatur

  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-36017-6, doi:10.1007/978-3-642-36018-3.
  • Hans-Otto Georgii: Stochastik. Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274.
  • Christian Hesse: Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. 1. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2003, ISBN 3-528-03183-2, doi:10.1007/978-3-663-01244-3.
  • Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-45386-1, doi:10.1007/978-3-642-45387-8.
  • Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
  • David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.

Einzelnachweise

  1. Hesse: Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. 2003, S. 249.
  2. A.V. Prokhorov: Borel strong law of large numbers. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 978-1-55608-010-4 (englisch, online).
  3. Yu.V. Prokhorov: Strong law of large numbers. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 978-1-55608-010-4 (englisch, online).
  4. Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. 2014, S. 251.
  5. Meintrup, Schäffler: Stochastik. 2005, S. 157.
  6. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 347.
  7. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 114.
  8. Nasrollah Etemadi: An elementary proof of the strong law of large numbers. In: Zeitschrift für Wahrscheinlichkeitstheorie und verwandte Gebiete. (Online-Ausgabe: Probability Theory and Related Fields. Continuation of Zeitschrift für Wahrscheinlichkeitstheorie.). Bd. 55, Nr. 1, 1981, S. 119–122, doi:10.1007/BF01013465.
  9. Hesse: Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. 2003, S. 249.
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