Staatspräsident (Polen)
Der Staatspräsident Polens (polnisch Prezydent Rzeczypospolitej Polskiej, deutsch „Präsident der Republik Polen“)[1] steht an der Spitze der Exekutive. Amtierender Präsident ist seit dem 6. August 2015 Andrzej Duda.
Präsident der Republik Polen | |
Gösch des Präsidenten | |
Amtierender Präsident Andrzej Duda seit 6. August 2015 | |
Amtssitz | Präsidentenpalast |
Amtszeit | 5 Jahre (Wiederwahl einfach möglich) |
Schaffung des Amtes | 11. Dezember 1922 |
Letzte Wahl | 12. Juli 2020 |
Anrede | Herr Präsident |
Stellvertreter | Sejmmarschall |
Webseite | www.prezydent.pl |
Aufgaben und Befugnisse
Die Kompetenzen des Staatspräsidenten sind in der aktuellen Verfassung von 1997 in Kapitel 5 (Artikel 126 bis 145) festgelegt.
Deklaratorisch wird der Staatspräsident in Artikel 126 zum höchsten Staatsvertreter (Staatsoberhaupt) und Garanten der Staatsmachtkontinuität erklärt. Ihm obliegt demnach die Aufsicht über die Anwendung der Verfassung, die Unabhängigkeit und Sicherheit des Staates sowie die Unantastbarkeit und Unteilbarkeit des Staatsterritoriums.
Er ernennt den Ministerpräsidenten und den Ministerrat. Er ist dazu berechtigt, den Kabinettsrat einzuberufen, d. h. eine Sitzung des Ministerrates zu leiten.
Gemäß Artikel 133 repräsentiert er das Land nach außen und ratifiziert durch seine Unterschrift Verträge mit anderen Staaten. In der Außenpolitik arbeitet er mit dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister zusammen.
Der Staatspräsident ist in Kriegszeiten Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte, ansonsten wird diese Aufgabe vom Verteidigungsminister gemäß Artikel 134 bis 136 stellvertretend wahrgenommen.
Alleine der Staatspräsident ist berechtigt, die polnische Staatsangehörigkeit zu verleihen. Gleichermaßen bedarf ein Verzicht auf diese gemäß Artikel 137 der Zustimmung des Staatspräsidenten. Des Weiteren steht ihm ein Begnadigungsrecht gemäß Artikel 139 zu.
Weitere Kompetenzen des Staatspräsidenten gehen aus dem Artikel 122 in Kapitel 4 der Verfassung hervor, der sich mit dem Unterzeichnungsprozedere der Gesetze (im formellen Sinne) befasst. Im Regelfall unterzeichnet der Staatspräsident die von der Nationalversammlung, bestehend aus Sejm und Senat, ausgefertigten Gesetze binnen 21 Kalendertagen. Gemäß Absatz 3 und 4 ist jedoch der Staatspräsident dazu ermächtigt, ihm vorgelegte Gesetze zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof weiterzuleiten und bei festgestellter Verfassungswidrigkeit die Unterschrift zu verweigern. Sollte der Staatspräsident von diesem Recht keinen Gebrauch machen, steht es ihm gemäß Absatz 5 frei, die Unterzeichnung ohne Angabe von Gründen abzulehnen und das Gesetz zwecks einer erneuten Ausfertigung dem Sejm vorzulegen (siehe Vetorecht). In diesem Fall bedarf es einer präsidialen Mehrheit von drei Fünfteln der anwesenden Abgeordneten, um das Veto zu überstimmen.
Wahl und Amtsperiode
Gemäß Artikel 127 der Verfassung wird der Staatspräsident direkt vom Volk gewählt (allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahl). Wählbar sind alle polnischen Staatsbürger, die am ersten Wahltag 35 Jahre vollendet haben und über Parlamentswahlrecht verfügen. Sie müssen ferner eine Liste mit 100.000 Unterstützungserklärungen von wahlberechtigten polnischen Staatsbürgern vorlegen. Die Wahl findet im Regelfall 75 bis 100 Tage vor Ablauf der Wahlperiode des amtierenden Staatspräsidenten statt. Sollte am ersten Wahltag kein Kandidat über die notwendige Mehrheit von über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen verfügen, wird eine Stichwahl ausgerufen, die zwei Wochen nach dem ersten Wahltag stattfindet. Zu dieser sind die beiden Kandidaten zugelassen, die am ersten Wahltag die meisten Stimmen erhalten haben. Die Gültigkeit der Wahl unterliegt gemäß Artikel 129 einer Überprüfung durch das Oberste Gericht, wobei jeder wahlberechtigte Bürger zu einer Klage gegen die Gültigkeit berechtigt ist.
Die Amtszeit des Staatspräsidenten beträgt fünf Jahre.[2] Sie beginnt mit dem Ablegen des folgenden Amtseides gegenüber der Nationalversammlung:
„Obejmując z woli Narodu urząd Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej, uroczyście przysięgam, że dochowam wierności postanowieniom Konstytucji, będę strzegł niezłomnie godności Narodu, niepodległości i bezpieczeństwa Państwa, a dobro Ojczyzny oraz pomyślność obywateli będą dla mnie zawsze najwyższym nakazem”
„Gemäß dem Willen des Volkes trete ich das Amt des Präsidenten der Republik Polen an und schwöre feierlich, dass ich den Bestimmungen der Verfassung treu bleiben, die Würde des Volkes, die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Staates unbeugsam wahren werde und dass das Wohl des Vaterlandes und das Wohlergehen der Staatsbürger mir immer die höchste Pflicht werden.“
Der Amtseid darf auf Wunsch durch eine christlich-religiöse Bekräftigung ergänzt werden:
„Tak mi dopomóż Bóg.”
„So wahr mir Gott helfe.“
Unter der gegenwärtigen Verfassung wurde diese Bekräftigung von Lech Kaczyński, Bronisław Komorowski und Andrzej Duda angewandt, während Aleksander Kwaśniewski darauf verzichtete.
Eine Person kann höchstens zweimal in das Amt des Staatspräsidenten gewählt werden.[2]
Im Fall der Verhinderung (Tod, Krankheit, Amtsverzicht oder -enthebung) des Staatspräsidenten nimmt interimistisch der Sejmmarschall seine Aufgaben wahr. Innerhalb von 14 Tagen nach einer vorzeitigen Amtserledigung muss dieser einen Termin für die Neuwahl festlegen, der in einem Zeitraum von 60 Tagen nach der Wahlanordnung liegt. Sollte allerdings auch der Sejmmarschall verhindert sein, so nimmt der Senatsmarschall die Amtsgeschäfte des Staatspräsidenten wahr.
Amtssitz, Insignien und Umgangsformen
Offizielle Residenzen des Staatspräsidenten sind der Präsidentenpalast und das Schloss Belvedere in Warschau. Die traditionellen Hoheitszeichen sind der Weiße Adlerorden und das Großkreuz des Ordens Polonia Restituta sowie das Amtssiegel und die Flagge des Staatspräsidenten.
Abgeleitet von Artikel 126 der Verfassung nimmt der Staatspräsident in der Präzedenz die erste Stelle ein (vor dem Sejmmarschall, dem Senatsmarschall und dem Ministerpräsidenten). Die übliche Anrede lautet Panie Prezydencie (Herr Präsident), eine besonders feierliche Panie Prezydencie Rzeczypospolitej Polskiej (Herr Präsident der Republik Polen). Bislang haben nur Männer das Amt ausgeübt.
Amtsinhaber seit 1989
Seit 1989 gab es sechs Amtsinhaber, kommissarische Staatspräsidenten nicht mitgezählt. Nur einer der Staatspräsidenten wurde wiedergewählt, einer starb im Amt. Zwei der Amtsinhaber traten nach ihrer Wahl symbolisch aus ihrer Partei aus, blieben dieser jedoch faktisch in ihren Amtshandlungen treu.
# | Bild | Name | Amtszeit | Partei | Kommentar |
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1. | Wojciech Jaruzelski (1923–2014) |
1989–1990 | PZPR ab August 1989 parteilos[3] |
Der ehemalige General Wojciech Jaruzelski, der während der Krise in Polen 1981 zum Vorsitzenden der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei ernannt worden war und ab 1985 das Amt des Staatsratsvorsitzenden der Volksrepublik Polen innehatte, wurde bei der Präsidentschaftswahl in Polen 1989 im Zuge der Runder-Tisch-Gespräche per Gremienwahl gewählt, seine Amtszeit jedoch in Folge des Systemwechsels auf ein Jahr verkürzt. | |
2. | Lech Wałęsa (* 1943) |
1990–1995 | AW „Solidarność“ | Der Elektriker Lech Wałęsa und ehemalige Vorsitzende der freien Gewerkschaft Solidarność war Mitorganisator des Systemwechsels in Polen 1989, von einem realsozialistischen zu einem demokratisch-marktwirtschaftlichen Staat. 1990 war er erster frei gewählter Staatspräsident Polens, wurde 1995 jedoch nicht wiedergewählt. | |
3. | Aleksander Kwaśniewski (* 1954) |
1995–2005 | SLD | Aleksander Kwaśniewski, der sich nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium einer Karriere in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei zugewandt hatte, war während des Realsozialismus Jugendminister unter Premier Zbigniew Messner. Während der Wende in Polen hatte er auf Regierungsseite an den Runder-Tisch-Gesprächen teilgenommen, nach 1989 jedoch den Wandel von einem Regimefunktionär zu einem Demokraten vollzogen. 2000 gelang ihm die Wiederwahl. | |
4. | Lech Kaczyński (1949–2010) |
2005–2010 | PiS ab Juni 2006 formell parteilos |
Der Jurist Lech Kaczyński war nach dem Systemwechsel 1989 Senator, Justizminister unter Premier Jerzy Buzek, Stadtpräsident Warschaus sowie erster Vorsitzender der von ihm 2001 mitgegründeten Partei Recht und Gerechtigkeit. Er starb im Amt beim Flugzeugabsturz von Smolensk. | |
5. | Bronisław Komorowski (* 1952) |
2010–2015 | PO | Der gelernte Historiker Bronisław Komorowski, in seiner Jugend während der Studentenproteste gegen die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei aktiv, war vor seiner Amtszeit als Staatspräsident bereits Verteidigungsminister unter Premier Jerzy Buzek sowie Sejmmarschall. 2015 gelang ihm nicht die Wiederwahl. | |
6. | Andrzej Duda (* 1972) |
2015–amtierend | PiS ab Mai 2015 formell parteilos |
Der Jurist Andrzej Duda war vor seiner Amtszeit als Staatspräsident einfacher Abgeordneter des Sejm und 2014 bis 2015 Mitglied des Europäischen Parlaments, nachdem er zuvor beratend für Lech Kaczyński und dessen Bruder Jarosław gearbeitet hatte. 2020 gelang ihm die Wiederwahl. |
Siehe auch
Weblinks
- Offizielle Internetpräsenz des polnischen Staatspräsidenten (polnisch, englisch)
==
- Słownik procedur parlamentarnych, Kancelaria Sejmu, ISBN 83-909381-0-3, S. 389
- Artikel 127 Absatz 2
- Parteilos in Folge der Selbstauflösung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei im Zuge des Systemwechsels.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Staatsratsvorsitzender der Volksrepublik Polen | Präsidentenzyklus (Polen) seit 1989 | — |