St. Michael (Berlin-Wannsee)
Die römisch-katholische Kirche St. Michael ist der früheste Kirchenbau Groß-Berlins im Architekturstil des Expressionismus. Der von Wilhelm Fahlbusch entworfene Bau steht in der Königstraße 43 im Berliner Ortsteil Wannsee des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Die am 12. Juni 1927 eingeweihte Kirche steht unter Denkmalschutz.
Geschichte
Bereits 1844 hatte König Friedrich Wilhelm IV. die Genehmigung zum Bau einer katholischen Kirche gegeben. Aber erst 1905 wurde eine Notkirche in Nowawes, einem Ortsteil von Babelsberg, errichtet. Der dortige Pfarrer von St. Antonius hielt seit 1915 auch in Wannsee Gottesdienste ab, und zwar in der Aula einer Schule. Seit der Eröffnung des Bahnhofs Wannsee der Wannseebahn im Jahr 1874 war die Zahl der Einwohner stark angewachsen. Für die Wannseer Katholiken wurde 1927 eine Kirche gebaut, nachdem wohlhabende Katholiken das Grundstück zur Verfügung gestellt und bedeutende Summen für den Bau gespendet hatten. Einer von ihnen veranlasste, dass die Kirche mit ihren drei Spitzen, die ursprünglich Dreifaltigkeitskirche heißen sollte, nach Michael, dem Schutzpatron der Deutschen, benannt wurde.
Die Michaelskirche wurde bis 1938 von St. Antonius aus betreut, dann erhielt sie ihren eigenen Seelsorger. St. Michael wurde am 1. November 1942 zur selbstständigen Kuratie der Mutterpfarrei St. Antonius in Babelsberg erhoben und 1949 zur selbstständigen Pfarrei. Zum 28. Februar 2004 erfolgte die Fusion mit der Nachbargemeinde Zu den Heiligen Zwölf Aposteln in Nikolassee.
Seit 2014 betreut Herr Pfarrer Carl-Heinz Mertz von der Pfarrgemeinde Herz-Jesu in Berlin-Zehlendorf als Pfarradministrator die Gemeinde St. Michael in Wannsee.
Baubeschreibung
Obwohl der Expressionismus die neuzeitliche Gestaltung im katholischen Kirchenbau prägte, blieben viele Kirchen historistisch-mittelalterlichen Konzeptionen verhaftet. So wurde St. Michael in der zeitgenössischen Presse zwar als moderner Bau gepriesen, doch stand bei ihr die Reminiszenz an baugeschichtliche Traditionen der Provinz Brandenburg im Vordergrund, was bunt gemischte Beispiele dokumentieren. Die Maße des Daches, die Schmalheit der Fenster und der hohe Querriegel des Turmes passen in die alte Zeit, das Innere des Baus entspricht aber dem Stil der neuen Zeit.
Außenanlage
Die Saalkirche ist auch im Äußeren ein modernes Bauwerk. Keine Anbauten ragen über den längsrechteckigen Grundriss hinaus. Nur an der Rückseite an die flach schließende Wand des Chores befindet sich ein niedriger und schmaler Anbau für die Sakristei. Der mit braunroten Ziegeln verblendete Mauerwerksbau ist nach Süden ausgerichtet, um ihn neben dem Rathaus städtebaulich zur Geltung zu bringen. Der gesamte Bau steht auf einem sichtbar gelassenen Betonsockel. Dem Kirchenschiff ist im Norden ein querrechteckiger Turm in der Art eines Westbaus vorgelagert, dessen Baukörper nur im Glockengeschoss oberhalb eines Gesimses leicht zurückspringt.
Die Fassade ist fensterlos und hat ein breites spitzbogiges Portal. Die Seitenwände des Kirchenschiffs, das ein Satteldach trägt, haben vier gleich hohe Achsen mit zweibahnigen, hochrechteckigen Fenstern, die mit Ziegeln kreuzförmig geteilt sind. Die Wand der fünften Achse ist über die Dachtraufe hochgezogen und enthält ein bedeutend höheres Chorfenster.
Geläut
In Höhe der Glockenstube befinden sich je drei kreuzförmige Durchbrüche an den Querseiten und je eine an den Schmalseiten des Querbaus, die mit dem Gesims verkröpft sind. Die Schmalseiten des Turmes sind durch gering vorstehende Ziegelstreifen gebändert, die ein kurzes Stück um die Ecke an die Fassade gezogen sind. Aus dem flachen Walmdach des Turms wachsen drei Spitzhelme, die genau über den kreuzförmigen Durchbrüchen sitzen, ohne architektonische Überleitung hervor. Die auf jeder Seite eingewinkelten Spitzhelme bilden ein Faltdach. Im Turm hängen drei Gussstahlglocken, die 1927 von Schilling & Lattermann gegossen wurden.
Schlagton | Gewicht (kg) | Durchmesser (cm) | Höhe (cm) | Inschrift |
---|---|---|---|---|
d' | 2200 | 180 | 152 | HEILIGER ERZENGEL MICHAEL, VERTEIDIGE UNS IM KAMPF. |
f' | 1300 | 148 | 123 | ST. MARIA, MUTTER GOTTES UND MAGD, ALL UNSERE NOT SEI DIR GEKLAGT. |
g' | 900 | 132 | 110 | WENN ICH DIE SPRACHE DER ENGEL UND MENSCHEN REDETE, HÄTTE ABER DIE LIEBE NICHT, SO WÄRE ICH EIN TÖNENDES ERZ ODER EINE KLINGENDE SCHELLE. |
Innenraum
Der Innenraum wird durch vier in weitem Abstand angeordnete, in den Raum ragende Stützen aus Stahlbeton in fünf Joche unterteilt. Sie haben an der Außenkante die Form des Giebeldreiecks über der Traufhöhe und tragen das Dach, während sie nach innen zur Firstpfette spitzbogig zusammenlaufen. Die Traufbalken und der Firstbalken unter der Dachschalung springen nach innen vor. Das letzte Joch des Langhauses, der nicht eingezogene Altarraum, wächst nach oben aus der Schräge des Daches hinaus. Dadurch entsteht der Eindruck eines Querschiffes, das aber seitlich nicht über das Langhaus hinausragt. Die Wände über einem Ziegelsockel sind verputzt.
Ausstattung
Die Kreuzwegstationen, das Holzportal und das Relief St. Michael im Kampf mit dem Drachen stammen von Otto Hitzberger, der Schmerzensmann von Carl Blümel.
Bei der Umgestaltung des Altarraums 1972 wurden die etwas üppig geratenen Seitenaltäre entfernt und der bisherige Hochaltar vorgezogen. Auf der Empore über der Vorhalle wurde erst 1990 eine aus Heidelberg übernommene Orgel der Firma Walcker aufgestellt.
In den Jahren 2001/2002 wurde der Innenraum in Hinblick auf das 75-jährige Jubiläum renoviert. Die Innenwände wurden in den ursprünglichen Farben gestrichen und die Rundbögen vergoldet.
Teppiche
Die Teppiche von Heinrich Schelhasse wurden in der Teppichfabrik Hozak in Nowawes, heute Potsdam-Babelsberg, gewoben. Sie sind auf das dunkle Rot der Klinkerziegel am Fußboden sowie auf die Stufen des Altarraumes abgestimmt und runden das Bild des Kirchenraumes farblich ab. In der Kirche sind die Originalteppiche vorhanden.
Weißer Travertin als neue Sachlichkeit
Der Taufstein ist ein Travertinkubus mit einem Deckel aus Edelstahl. Er steht seit 1927 an der rechten Rückwand der Kirche. Er ist beschriftet mit den Worten aus dem Markusevangelium, Kapitel 16, Vers 15: „Gehet hin und taufet alle Völker im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Literatur
- Michaela Schmitz: Kirchenführer der katholischen Kirche St. Michael in Berlin-Wannsee Berlin 2015.
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.
- Christine Goetz und Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Kirchen Berlin Potsdam. Berlin 2003.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
- Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Berlin 1987.
- Gerhard Streicher und Erika Drave: Berlin – Stadt und Kirche. Berlin 1980.
Weblinks
- Kirche St. Michael auf der Website der Gemeinde Zu den Hl. Zwölf Aposteln in Berlin-Zehlendorf
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen