St. Maria auf dem Sande
Die Kirche St. Maria auf dem Sande (polnisch Kościół Najświętszej Marii Panny na Piasku), auch Sandkirche genannt, befindet sich auf einer kleinen Oderinsel in Breslau direkt nördlich der Altstadt mit der Adresse An der Sandkirche. Das Gotteshaus gehört zu den ältesten gotischen Kirchengebäuden Polens.
Geschichte
Romanische Basilika
Die Familie des Statthalters Peter Włast ermöglichte Ende des 12. Jahrhunderts den Bau einer romanischen Basilika auf der Insel. Die Własts waren wohlhabend und bemüht, das Christentum in Schlesien zu verbreiten. Sie stifteten der Stadt Breslau mehrere bedeutende Bauwerke, darunter das an die Sandkirche angrenzende Augustinerkloster, das heute Teile der Universitätsbibliothek Breslau beherbergt.
Den Namen der Gottesmutter Maria erhielt die Sandkirche zu Ehren der Frau des Statthalters, Maria Włast. Über einem Durchgang an der südlichen Wand im Inneren der Kirche zeigt ein noch erhaltenes Tympanon (Giebelrelief) aus der alten Kirche neben der Madonna mit dem Kind Maria Włast als Stifterin, die der Mutter Gottes ein Modell der Kirche reicht; auf der anderen Seite ihren Sohn Swentoslaus. Das im Bogen darüber angebrachte Distichon lautet: „HAS MATRI VENIAE TIBI DO MARIA MARIAE HAS OFFERT AEDES SWENTOSLAVS MEA PROLES“ (dt. Diese Kirche übergebe ich, Maria [Włast], Dir, Gnadenmutter Maria, und mein Sohn Swentoslaus bringt sie Dir [ebenfalls] dar.).[1]
Gotische Hallenkirche
In der Frühphase der böhmischen Periode, gegen Anfang des 14. Jahrhunderts, wurde der alte romanische Bau abgerissen und an seiner Stelle von 1334 bis 1430 durch den Baumeister Peschel eine größere gotische Hallenkirche aus Backstein erbaut, die die Grundlage zum heutigen Bauwerk bildet. Ursprünglich sollte die Kirche zwei Türme erhalten, der Nordturm wurde jedoch nie vollendet. Im Gegensatz zu dem düsteren Äußeren der Kirche wirkt der große Innenraum lichtdurchflutet. Er besteht aus drei je 78 Meter langen Schiffen, die mit eigenen Chören (ohne Ambulatorium) mit 5/8-Grundriss abschließen. Auf zehn hohen, schlanken Säulen ruhen in 24 Meter Höhe das sechsjochige Sterngewölbe des Hauptschiffs und die typischen Springgewölbe der Seitenschiffe. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden mehrere Anbauten angefügt, darunter die Kreuzkapelle Antonio Coldins von 1666, die als ältester Barockbau Breslaus gilt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Sandkirche 1632 von den Schweden geplündert. Hundert Jahre später zerstörte ein Blitz das Dach des Südturmes, wenige Tage nachdem die neue 4 740 Kilogramm schwere Glocke im Turm befestigt worden war. 1757, Während des Siebenjährigen Krieges nutzten die Preußen die Sandkirche als Munitionsmagazin.
Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg, 1944, erklärte Hitler die Stadt Breslau zur Festung. Während der anschließenden sowjetischen Belagerung der inzwischen weitgehend evakuierten Stadt dienten die Sandkirche und das Klostergebäude den Deutschen als Hauptquartier. Als Festungskommandant Breslaus steuerte General Hermann von Niehoff, Kommandant der 371. Infanterie-Division, von hier die Defensive gegen die anrückende Rote Armee. Während der Schlacht um Breslau wurden die meisten historischen Bauwerke zerstört, auch die Sandkirche brannte aus. Neben den Gewölben und dem Dach wurde die komplette barocke Ausstattung zerstört, unter anderem Gemälde des schlesischen Barockmalers Michael Willmann, die von Ignatz Mentzel auf der Westempore errichtete Barockorgel und eine Kanzel von Franz Joseph Mangoldt.
Wiederaufbau
Im Jahr 1946 begann der Wiederaufbau, der sich an den alten gotischen Plänen orientierte und auch die Deckengewölbe in ihrer alten Form rekonstruierte. Die Siegesmadonna aus dem 16. Jahrhundert als Geschenk der Stadt Mariampol aus der Ukraine war der erste Teil der neuen Einrichtung. Die heutige Kirchenausstattung stammt aus zerstörten schlesischen Kirchen und dem Erzdiözesanmuseum. Nur das Tympanon der Stifterin und das gotische Taufbecken sind Überbleibsel aus der frühen Zeit der Sandkirche. Die Warschauer Künstlerin Teresa Reklawska fertigte 1968 farbige, moderne Glasfenster, die Szenen aus dem Neuen Testament darstellen. In der Kapelle der Blinden und Tauben ist während des ganzen Jahres ein übergroßes Krippenspiel aus unterschiedlichsten Blechfiguren aufgebaut, das mithilfe von mehr als 80 Motoren zum Leben erweckt werden kann. Der Pfarrer der Sandkirche, Kazimierz Blaszyck, arbeitet seit über 20 Jahren mit blinden und tauben Kindern zusammen an ihr.
Persönlichkeiten
- 1821: Kuratus Neugebauer, verließ in diesem Jahr das Pfarramt der Sandkirche[2]
- 1825: Pfarrer Haase[3]
- 1836: J. Demler[4]
- 1851–1854: Johannes Schneider, Kaplan an der Sandkirche (seit 1969 ruhen hier seine sterblichen Überreste)
- Walter Laßmann, Pfarrer an der St. Josefskirche und 1945–1947 kommissarischer Pfarrer der Sandkirche[5]
Weblinks
Einzelnachweise
- Lateinischer Text: siehe Fotografie des Tympanons in diesem Wikipediaeintrag.
- Amtsblatt der Regierung in Breslau 1821 auf www.google.de. abgerufen am 2. Oktober 2018.
- Friedrich Nösselt: Breslau und dessen Umgebungen: Beschreibung alles Wissenswürdigsten für Einheimische und Fremde auf www.books.google.de, Korn-Verlag, 1825; abgerufen am 2. Oktober 2018.
- Allgemeine Zeitung München siehe unter Literarische Ahnezigen. Abgerufen am 2. Oktober 2018.
- Walter Laßmann: Meine Erlebnisse in der Festung Breslau, auf www.neisseverlag.de; ISBN 978-3-86276-044-2: abgerufen am 2. Oktober 2018.