Seenotrettungsstation Norddeich
Die Seenotrettungsstation Norddeich ist ein Stützpunkt der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) an der Nordsee in Niedersachsen. Bei einem Seenotfall besetzen die freiwilligen Seenotretter aus Norddeich und Umgebung kurzfristig das Seenotrettungsboot (SRB) Otto Diersch[1], das am Südende des Westhafens bereit liegt. Im Regelfall erfolgt die Alarmierung durch die Zentrale der DGzRS in Bremen, wo die Seenotleitung Bremen (MRCC Bremen) ständig alle Alarmierungswege für die Seenotrettung überwacht.
Seenotrettungsstation Norddeich | |
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Land | Deutschland |
Stationsgebäude | Johann-Janssen-Padd 26506 Norddeich (NI) |
Stationsgründung | 1. 1886 2. 1990 |
Träger | Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger |
Seenotretter | 15 Freiwillige |
Vormann | Marcus Baar |
nächste SK-Station | Norderney DGzRS |
Rettungseinheit | |
Schiffstyp | Seenotrettungsboot |
Bootsname | SRB 78 OTTO DIERSCH |
Bootsklasse | 10,1-Meter-Klasse |
Rufzeichen | DGKX |
Besatzung | 3 Personen |
Liegeplatz | Westhafen, Nähe Station |
Koordinaten | 53.622° N / 7.156° E |
auf Station | seit 25. Juli 2020 |
vorige Station | Neubau |
Stand @ 2020 |
Einsatzgebiet
Das Revier der Seenotretter ist das Wattenmeer zwischen dem ostfriesischen Festland und den vorgelagerten Inseln Juist und Norderney. Das stark von den Gezeiten geprägte Gebiet ist von Fahrrinnen durchzogen und fällt teilweise trocken. Der Schiffsverkehr besteht hauptsächlich aus den regelmäßig verkehrenden Inselfähren und zahlreichen Fischkuttern. Im Sommerhalbjahr werden Einsätze für private Segel- und Motorboote oder Surfer notwendig. Auch leichtfertige Wattwanderer müssen hin und wieder bei aufkommender Flut aus Notlagen im Watt gerettet werden.
Das 1998 erbaute Stationsgebäude liegt am äußersten hinteren Ende im Westhafen rund 500 Meter hinter dem Kopf des langen Fähranlegers mit dem Bahnhof Norddeich Mole. In unmittelbarer Nähe liegt davor das Boot an einem Ponton zum Einsatz bereit.
Geschichte
Die Chronik der DGzRS[2] von 1867 listet für Norddeich ein 23-Fuß Francis-Boot. Das rund 7 Meter lange eiserne Rettungsboot musste von sechs Rettern zum Einsatzort gerudert werden und lag in dem alten Schuppen in der Nähe des Fährhafens. 1888 lag darin das Ruderrettungsboot Norden mit 7,5 Meter Länge. 25 Jahre später wird von einem Boot mit Namen Norddeich berichtet.
Mit Verbreitung der Motorrettungsboote konnte die Dichte der Rettungsstationen an der Ostfriesischen Küste verringert werden. Zwei Motorrettungsboote konnten wegen der hohen Geschwindigkeit und dem großen Aktionsradius fünf Segel- oder Ruderrettungsboote ersetzen.[3] Als Folge wurde die Station Norddeich 1930 aufgelöst und die Seenotrettung erfolgte von den vorgelagerten Inseln aus.
Ab 1990 war die DGzRS wieder in Norddeich präsent mit dem sieben Meter langen Seenotrettungsboot KRST 21 Norddeich. Das Boot war eins aus einer Serie von 12 Booten der 7-Meter-Klasse, die Ende der 1960er Jahre entwickelt worden waren, um die neu konzipierten Seenotkreuzer in Flachwassergebieten und im Küstennahbereich zu ergänzen. Die Norddeich war ursprünglich als Umma 1971 gebaut worden und lag vorher schon auf anderen Stationen der DGzRS, bevor sie in Norddeich umbenannt wurde. Die Boote dieser ersten Generation von SRB hatten nur einen kleinen Dieselmotor von 54 PS, der gerade für 10 Knoten Fahrt reichte. Die Norddeich blieb bis 1993 auf der Station und wurde danach der Reserveflotte Überstellt. Später kam sie nochmal als Möwenort (IV) auf der Seenotrettungsstation Freest und der Seenotrettungsstation Breege in Fahrt.
Für die Nachfolge stand die weiterentwickelte 2. Generation von Seenotrettungsbooten bereit, die bei der Fassmer-Werft in Berne gebaut wurden. Das SRB 36 Cassen Knigge wurde am 15. Juni 1993 in Norddeich getauft und erreichte mit seinem 220 PS-Motor maximal 18 Knoten Geschwindigkeit. Durch ein umlaufendes Fendersystem sind die Boote in der Lage auch bei schwierigen Bedingungen bei anderen Schiffen längsseits zu gehen.
2017 erfolgte die Ablösung der Cassen Knigge, die anschließend außer Dienst gestellt und der Seenotrettungsgesellschaft ADES in Uruguay überlassen wurde. Dafür verlegte die DGzRS die Wilma Sikorski von der Seenotrettungsstation Wangerooge nach Norddeich. Das Boot war das erste SRB der 3. Generation mit 9,41 Meter Länge, das 1999 auf der Schweers-Werft gebaut worden war. Mit dem 320 PS-Motor konnte das SRB ebenfalls 18 Knoten erreichen. Seit Juli 2020 gehört die Wilma Sikorski zur Reserveflotte der DGzRS.
Aktuelle Rettungseinheit
Am Anleger im Westhafen von Norddeich liegt seit 25. Juli 2020 das SRB 78[4], das auf der Tamsen-Werft in Rostock gebaut wurde. Die OTTO DIERSCH ist das modifizierte und verlängerte Modell der gleichen Klasse wie die WILMA SIKORSKI. Wie schon das Vorgängermodell besteht das 10,1 Meter lange Boot aus seewasserbeständigem Aluminium, das im bewährten Netzspantensystem aufgebaut ist und ein vollständig geschlossenes Steuerhaus besitzt, das die Besatzung und die eingebaute Technik besser schützt. Der nochmals stärkere Schiffsdieselmotor mit 380 PS kann starke Schleppkräfte erzeugen, um auch größere Schiffe zu schleppen. Durch den geringen Tiefgang von 0,96 Meter sind die Boote ideal geeignet für die Flachwassereinsätze im Wattenmeer. Wie alle SRB sind sie für den Kenterfall als Selbstaufrichter konstruiert, so dass Rettungseinsätze bei jedem Wetter und unter allen Seegangsbedingungen möglich sind[5].
Neben den Rettungseinsätzen kann man die Seenotretter auf Kontrollfahrten beobachten. Diese dienen der Übung sowie der Auffrischung und Festigung der Revierkenntnisse der freiwilligen Helfer, damit sie die schwierigen 'Ecken' und Gefahrenstellen in ihrem Revier kennen und im Seenotfall auch bei widrigen Seegangs- und Wetterbedingungen sicher navigieren können. Für die Freiwilligen der Station hat die DGzRS 1998 hinter dem Bootsanleger einen neuen Rettungsschuppen errichtet.
Zusammenarbeit
Bei größeren Rettungsaktionen oder Hilfseinsätzen erfolgt die Zusammenarbeit mit den Booten der Nachbarstationen:
- Kreuzer der Seenotrettungsstation Norderney
- Boot der Seenotrettungsstation Juist
- Boot der Seenotrettungsstation Baltrum
Museum
An der Tunnelstraße hinter dem mehrfach erhöhten Deich steht der denkmalgeschützte Rettungsschuppen von 1886. Er beherbergt heute eine kleine Ausstellung historischer Rettungsgeräte sowie Modelle von Rettungseinheiten. Zur Besichtigung öffnen ehrenamtliche Mitarbeiter der DGzRS regelmäßig die Türen des Gebäudes und zeigen Filme über die Arbeit der Seenotretter[6].
Siehe auch
Weblinks
- Teams & Stationen: Norddeich, DGzRS – Die Seenotretter
Einzelnachweise
- Neues Seenotrettungsboot der DGzRS-Station Norddeich auf seenotretter.de, abgerufen am 12. Oktober 2020
- Wilhelm Esmann: Die Rettungsboote der DGzRS von 1865–2004. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 2004, ISBN 3-89757-233-8, S. 106.
- Seemotive Seenotrettung auf seemotive.de, abgerufen am 20. August 2020
- Ersteinlaufen von SRB 78 im Norddeicher Hafen auf feuerwehr-norden.de, abgerufen am 15. September 2020
- 9,5-/10,1-Meter-Seenotrettungsboot. (PDF) In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 15. September 2020.
- Station Norddeich der DGzRS. In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 15. Juni 2020.