Seenotrettungsstation Juist
Die Seenotrettungsstation Juist ist ein Stützpunkt der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) auf der Nordseeinsel Juist. Die freiwilligen Seenotretter der Insel besetzen bei einem Seenotfall kurzfristig das Seenotrettungsboot (abgekürzt SRB) Hans Dittmer, das im Hafen an der Südseite der Insel an einem Anlieger bereit liegt. Im Regelfall erfolgt die Alarmierung durch die Zentrale der DGzRS in Bremen, wo die Seenotleitung Bremen (MRCC Bremen) ständig alle Alarmierungswege für die Seenotrettung überwacht.
Seenotrettungsstation Juist | |
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Land | Deutschland |
Stationsgebäude | Am Hafen 1 26571 Juist |
Stationsgründung | 1861 / 1985 |
Träger | Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger |
Seenotretter | 10 Freiwillige |
Vormann | Hauke Janssen-Visser |
nächste SK-Station | Norderney DGzRS |
Rettungseinheit | |
Schiffstyp | Seenotrettungsboot |
Schiffsname | SRB 66 HANS DITTMER |
Schiffsklasse | 10,1-Meter-Klasse |
Besatzung | 3 Personen |
Rufzeichen | DK7002 |
Liegeplatz | Nordkaje vor Stationsgebäude |
auf Station seit | 25. März 2017 |
vorige Station | Neubau |
Stand @ 2020 |
Das Revier der Seenotretter ist das Wattenmeer zwischen der Insel und dem ostfriesischen Festland. In den stark tideabhängigen Fahrrinnen in Richtung Norderney, Norddeich und Borkum können die Inselfähren, Ausflugsschiffe und Fischkutter leicht festkommen. Im Sommer werden auch Einsätze für private Segel- und Motorboote notwendig. Auch leichtfertige Wattwanderer müssen immer wieder mal aus Notlagen im Watt gerettet werden.
Geschichte
Eine der ältesten Stationen des organisierten Seenotrettungswesens in Deutschland wurde 1861 auf Juist vom Emder Verein zur Rettung Schiffbrüchiger an den ostfriesischen Küsten eingerichtet. Für die beiden Stationen Ostland und Westland hatte der Verein eiserne Francis-Rettungsboote beschafft. Die Stationen wurden 1868 durch die DGzRS übernommen, die für die Station im Ostland einen modernen Raketenapparat beschaffte. Im Laufe der Jahre wurden die Ruderrettungsboote auf beiden Stationen regelmäßig durch neue ersetzt. Die Chronik[1] berichtet dazu Namen wie Magdeburg, Leer, Frankfurt am Main und Walpoden aus Mainz. Wie damals üblich lagerten die bis zu 8,5 Meter langen Boote auf Transportwagen und mussten darauf liegend zum Einsatz ins Wasser verfahren werden.[2]
Erst im Jahr 1940 kam erstmals ein Motorrettungsboot (MRB) zur Insel. Das zehn Meter lange Stahlboot war 1936 auf der Schiffswerft August Pahl in Hamburg-Finkenwerder als KRD 429 Horumersiel gebaut und am gleichnamigen Ort stationiert worden. 1937 wurde sie zu Ehren des dortigen Vormanns durch die DGzRS in Heinrich Tiarks (I) umbenannt. Nach Übernahme der Station durch den Seenotdienstes der deutschen Luftwaffe (SDL) wurde das Boot nach Juist verlegt und 1942 zum Schwarzen Meer gebracht. Als Ersatz kam KRD 414 August Nebelthau (II) zur Station. Das rund 12 Meter lange MRB mit einem 60 PS Motor war 1926 als Hamburg (I) auf der Lindenauwerft in Memel (heute Klaipėda/Litauen) gebaut worden. Nach verschiedenen Stationen an der Nordsee war ihre letzte Stationierung auf Langeoog und erhielt auf Juist den neuen Namen. Mit Kriegsende ging das Boot außer Dienst und wurde später verschrottet.[3]
Ende 1944 stationierte die DGzRS das Motorrettungsboot KRD 418 August Nebelthau (III) zusammen mit dem KRD 402 Heinrich Tiarks (II) auf Juist. Letztere war ein 10-Meter-Altbau aus dem Jahr 1907 mit Namen Carl Laeisz (I), der nachträglich motorisiert worden war. Nach Aufenthalten auf diversen Stationen an der Nordsee wurde sie während der Aufgaben für die SDL umbenannt und mit Kriegsende außer Dienst gestellt. Die August Nebelthau war 1930 auf der Lürssen-Werft in Bremen-Vegesack als 2-Schrauben-MRB Bremen (II) vom Stapel gelaufen und zunächst der Seenotrettungsstation Norderney zugeteilt. Nachdem der SDL das Boot requiriert und nach Frankreich verlegt hatte kam es 1944 aus diesem Einsatz zurück zur Seenotrettungsstation Borkum. Dort wurde sie zur August Nebelthau umgetauft und nach wenigen Monaten nach Juist verlegt. Nach dem Krieg erfolgte die Umstationierung nach Burgstaaken auf Fehmarn, wo sie noch 10 Jahre Dienst tat.
Noch unter der SDL wurde ein weiteres 15 Meter langes Großmotorrettungsboot auf der Insel stationiert, das wieder den Namen August Tiarks (III) erhielt. Es war 1944 als KRD 445 auf der Pahlwerft in Hamburg gebaut worden und besaß als Besonderheit vor dem offenen Steuerstand im Heck schon ein geschlossenes Deckshaus. Mit ihrem 150 PS-Motor konnte das Boot eine Geschwindigkeit von 10 Knoten erreichen. Nach Kriegsende und Rückkehr zur DGzRS wurde sie auf den Namen Juist umgetauft. 1952 wechselte sie nach Friedrichskoog und erhielt im Tausch von dort das 12,5 Meter lange MRB Hans Hartmann. Ursprünglich hatte das 1944 gebaute Küstenrettungsboot KRD 446 den Namen Adalbert Korff (III) und lag in verschiedenen Stationen der Nord- und Ostsee.[3]
Im Jahr 1957, als der erste in Serie gebaute Seenotrettungskreuzer Theodor Heuss auf Borkum zum Einsatz kam, wurde die Rettungsstation auf Juist aufgelöst. Die Hans Hartmann ging außer Dienst und wurde später verkauft.[2]
Fast 30 Jahre später richtete die DGzRS 1985 die Station erneut ein und stationierte das Seenotrettungsboot Ilka. Es war ein 7-Meter-Boot der ersten Generation von SRB, die Ende der 1960er Jahre entwickelt worden waren, um die 'neuen' Seenotkreuzer in Flachwassergebieten und im Küstennahbereich zu ergänzen. Die Entwicklung war notwendig geworden wegen der Zunahme des Freizeitsports auf dem Wasser und der damit einhergehenden Unglücksfälle. Ihr kleiner Motor mit 54 PS reichte gerade für die gleiche Geschwindigkeit (10 Knoten) wie die der alten Küstenrettungsboote. Nach acht Jahren verlegte das Boot als Mövenort (III) nach Freest in Mecklenburg-Vorpommern. Als Nachfolger wurde ein neues SRB der zweiten Generation in Dienst gestellt, das mit seinem 220 PS-Motor bis zu 18 Knoten Fahrt machen konnte. Das Boot war auf der Fassmer-Werft in Berne als SRB 38 gebaut und auf den Namen Juist getauft worden. Das Boot liegt heute als Walter Merz auf der Station in Schleswig am Ostsee-Fjord Schlei.
Die derzeit aktuelle Bauform der DGzRS mit geschlossenem Steuerstand kam ab 2006 mit der 9,5 Meter langen Wolterra zum Einsatz. Das Boot der dritten SRB-Generation wurde als SRB 57 auf der Lürssen-Werft gebaut und hatte seit 2002 auf der Station in Kühlungsborn Dienst getan. 2017 verlegte die Gesellschaft das Boot zum kleinen Ostseehafen von Lippe/Weißenhaus an die Hohwachter Bucht.[2]
Aktuelles Boot der Station
Als Ersatz für die Woltera stationierte die DGzRS ein weiterentwickeltes Boot der 10,1-Meter-Klasse von der Fassmer-Werft. Durch die 60 Zentimeter größere Länge besitzt das SRB 66 Hans Dittmer mehr Platz in der Plicht zum Lagern von Verletzten und für das Abbergen von Personen per Hubschrauber. Eine Bergungspforte in Wasserspiegelhöhe erleichtert die Aufnahme von im Wasser treibenden Menschen. Zur Versorgung von Verunglückten ist eine umfangreiche medizinische Notfallausrüstung an Bord, die auch einen Defibrillator und ein Beatmungsgerät enthält. Das geschlossene Steuerhaus bietet genügend Platz zur Unterbringung von Geretteten unter Deck sowie dem Schutz der Besatzung und der eingebauten Technik vor Wind und Wellen.
Wie alle Boote der DGzRS sind auch die kleineren Seenotrettungsboote als Selbstaufrichter konstruiert und vollständig aus seewasserbeständigem Aluminium im bewährten Netzspantensystem aufgebaut. Dadurch können Rettungseinsätze bei jedem Wetter und unter allen Seegangsbedingungen ausgeführt werden. Durch den geringen Tiefgang von 0,96 Meter sind die Boote ideal geeignet für die Flachwassereinsätze im Wattenmeer. Der starke Motor mit 279 kW (380 PS) Leistung in Verbindung mit dem Schleppsystem von 1,5 Tonnen Nenntragfähigkeit befähigt sie auch zum Ab- bzw. Freischleppen von größeren Schiffen. Als maximale Geschwindigkeit erreicht die Hans Dittmer 18 Knoten.[4]
Das Boot ist nach einem Spender benannt, aus dessen Nachlass die DGzRS den Bau finanzieren konnte. Für die zehn freiwilligen Helfer der Insel hat die DGzRS 2002 im Hafen direkt am Anleger ein neues Stationsgebäude mit Namen Otto-Mann-Haus errichtet. Daneben sind noch zwei ehemalige Stationsgebäude der Seenotretter auf Juist erhalten. Der alte Rettungsschuppen der Weststation in den Haakdünen ist heute nicht mehr zugänglich und im Ostdorf wurde der alte Schuppen zu einem Wohnhaus umgebaut.
Bei größeren Rettungsaktionen erfolgt die Zusammenarbeit mit den Booten der Nachbarstationen:
- Kreuzer der Seenotrettungsstation Norderney
- Boot der Seenotrettungsstation Norddeich
- Kreuzer der Seenotrettungsstation Borkum
Siehe auch
Weblinks
- Teams & Stationen: Juist, DGzRS – Die Seenotretter
Einzelnachweise
- Wilhelm Esmann: Die Rettungsboote der DGzRS von 1865–2004. Verlag H. M. Hauschild, Bremen 2004, ISBN 3-89757-233-8.
- Station Juist der DGzRS. In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 8. August 2020.
- Deutsche Luftwaffenfahrzeuge des 2. Weltkrieges. In: historisches-marinearchiv.de. Historisches Marinearchiv, abgerufen am 8. August 2020.
- 9,5-/10,1-Meter-Seenotrettungsboot. (PDF) In: seenotretter.de. Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, abgerufen am 8. August 2020.