Schulgeschichte (Deutschland)
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte des Schulunterrichts im heutigen Deutschland.
Geschichte
Klosterschulen im Mittelalter
Seit der Spätantike etablierte sich in der Auseinandersetzung mit der heidnischen Überlieferung die römisch-katholische Kirche als Bildungsträger. Sie konservierte das Wissen aus der Antike z. B. in den Klosterbibliotheken und verbreitete dieses über Europa bis nach Irland. Von dort kamen im 7. und 8. Jahrhundert iroschottische Missionare und gründeten im heutigen deutschsprachigen Raum erste Klöster im Bodenseeraum und Bayern, die auch einen Schulunterricht einrichteten. Berühmte Klosterschulen waren in St. Gallen, auf der Reichenau und in Fulda zu finden. Mit der Unterwerfung der damaligen Sachsen unter Karl dem Großen wurde auch der norddeutsche Raum missioniert.
Die Klosterschulen differenzierten sich mit der Zeit in innere und äußere Schulen. Während die innere Schule junge Mönche und Nonnen ausbildete, unterrichtete die äußere Schule Laienkinder, zunächst viele junge Adelige. Der Unterricht wurde in lateinischer Sprache gehalten, um die Bibel und die Messtexte lesen zu können. Außerdem lag der Fokus des höheren Unterrichts auf den aus der Antike stammenden Septem artes liberales, den sieben freien Künsten: Das sogenannte Trivium, also die sprachlich-logischen Fächer, umfasste Grammatik, Rhetorik und Dialektik, das Quadrivium, die mathematischen Fächer, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Karl der Große gründete im Zuge der Karolingischen Renaissance an den königlichen Sitzen eine Hofakademie sowie viele Dom- und Stiftschulen.[1][2]
Stadt- und Winkelschulen
Ab dem 13. Jahrhundert etablierten sich in den wachsenden Städten neben der Klosterschule auch mehr Domschulen und städtische Schulen für die eher praktischen Zwecke der Bürger. Die lehrenden Personen waren nicht länger nur Mönche und Nonnen, sondern auch weltliche Lehrer. Auch die Unterrichtssprache wandelte sich teilweise vom Lateinischen zum Deutschen. Die Unterrichtsmethode blieb weiterhin hart. Wenig angesehen waren zwar die sogenannten Winkelschulen, private Einrichtungen, in denen sich oft nur gering gebildete Lehrer und Kleriker mit Erlaubnis des Stadtmagistrats als Lehrer betätigten.[3] Doch hier entstanden die Regeln für den einfachen Unterricht im Rechnen wie bei Adam Ries, die auch Mädchen erlernten. Auf die neu gebildeten Universitäten (zuerst Heidelberg 1368) bereiteten weiterhin höhere Schulen der Kirche und Städte vor. Für die Führungspositionen im Staat oder die ärztliche Tätigkeit wurde ein Studium immer wichtiger.
Schule im Zeitalter von Reformation und Aufklärung
Mit der Reformation erweiterte sich der Wille, dass möglichst viele die Bibel lesen können sollten. Daher wurden viele protestantische Schulen und Gelehrtenschulen mit den "heiligen Sprachen" eingerichtet. Der neue Praeceptor Germaniae wurde Luthers Freund Philipp Melanchthon. Dieser verband den Humanismus mit dem protestantischen Glauben. Auf katholischer Seite übernahmen dies die Jesuitenschulen, die ab 1550 über ganz Europa gegründet wurden.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelte sich ein dem Humanismus konträres Bildungsideal, der Realismus, den die Aufklärung vielfach unterstützte, der aber zunächst wenig gegen das vorherrschende religiöse Denken ausrichtete. Im deutschen Raum wurden Realia wie Geschichte oder Naturwissenschaften in den Bildungsplan teilweise aufgenommen. Die einfachen Schulen (Religion, Rechnen, Lesen) wurden allmählich vermehrt, erste Gedanken für eine allgemeine Schulpflicht wurden z.B. in Preußen laut, aber kaum durchgesetzt. Aus dieser Zeit stammt auch der Satz des Johann Comenius „omnes omnia omnino“ (alle alles gründlich lehren). Er plädierte für ein vierstufiges Schulsystem und die Große Unterrichtslehre (Didactica magna), die allen Kindern Zugang zur Bildung ermöglichen sollte.[4][5]
Deutsche Schulen im 19. Jahrhundert
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann sich das dreigliedrige Schulsystem zu etablieren. Ein Haupttrend bis heute die Bildungsexpansion auf allen Ebenen, der Analphabetismus verschwand langsam. Erziehung und Pädagogik gingen unter dem Eindruck von Pestalozzi und Rousseau auf das Kind zu, um es kindgemäß auf das kommende Leben vorzubereiten. In Preußen setzten sich Reformer wie Wilhelm von Humboldt für eine Bildungsreform ein, ohne überall erfolgreich zu sein. Für die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium wurde eine obligatorische Abiturprüfung für die Gymnasien verordnet, in denen noch die alten Sprachen völlig dominierten. Als weniger fordernde Alternative wurden immer mehr Real- oder Mittelschulen gegründet, die auf ein bürgerliches Leben in Wirtschaft, Gewerbe und Verwaltung vorbereiten sollten. Auch entstanden erste reine Mädchenschulen. Die früher privat bzw. von der Kirche geführten Volksschulen wurden zusehends vom Staat betrieben, die Schulpflicht immer mehr durchgesetzt; so waren im Jahr 1816 45 % der Schulpflichtigen an Schulen angemeldet, 1846 schon 60 %.[6][7] Im Kaiserreich wurde langsam die Vorherrschaft der alten Sprachen im Hochschulzugang infrage gestellt, Realgymnasien kamen auf und wurden im Jahr 1900 für den Hochschulzugang weitgehend gleichberechtigt.
Schule in Weimarer Republik und Nationalsozialismus
Durch das Reichsgrundschulgesetz von 1920 wurde die Grundschule vereinheitlicht, sodass die privaten, kostenpflichtigen Vorschulen wegfielen. Konflikte in der regierenden Weimarer Koalition verhinderten eine weitergehende Schulreform auf Reichsebene, die in die Bildungshoheit der Länder eingegriffen hätte. Dies verhinderte eine Neuregelung der Lehrerbildung für die Volksschulen. Neben dem staatlichen Schulsystem bot die Reformpädagogik alternative Schulformen an, blieb aber ein Randphänomen.
In der Zeit des Nationalsozialismus änderte das Reichserziehungsministerium das Schulsystem[8] in eine reichseinheitliche Struktur, etwa eine Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre; auch der Inhalt[9] wandelte sich unter ideologischer Einflussnahme des Staates.[10] Die Erziehung im Nationalsozialismus förderte Rassismus und Antisemitismus im Unterricht, Juden wurde der Schulbesuch und die Lehre Schritt für Schritt verboten.[11][12]
Schule in der DDR
Anders als in der BRD wurde das Schulwesen in der DDR ab 1949 streng zentralisiert und dem Ministerium für Volksbildung unterstellt. Die Inhalte folgten marxistisch-leninistischen Vorgaben, Andersdenkende wurden verfolgt. Mit dem sogenannten Einheitsschulgesetz wurde die achtjährige Einheitsschule eingeführt. An sie schloss sich die vierjährige Oberschule für das Abitur an bzw. die zweijährige Mittelschule. 1959 erließ die DDR das Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens. Pflicht waren nun die zehn Klassen der Polytechnischen Oberschule. Danach schloss sich die Erweiterte Oberschule (EOS) an, die zwei Jahren zum Abitur führte; bis 1981 begann der Unterricht an der EOS bereits nach der 8. Klasse. Weiterhin gab es die dreijährige Berufsausbildung mit Abitur. Ein weiterer Unterschied zum westlichen Schulsystem: Ende der 1970er Jahre führte die Regierung in den Klassen 9 und 10 den Wehrunterricht ein. Auch Polytechnischer Unterricht war eine Besonderheit, Religionsunterricht gab es nicht, statt Englisch- wurde allen Russischunterricht erteilt.
Nach dem Mauerfall wurde das mehrgliedrige Schulsystem der BRD übernommen,[13][14] das Abitur nach zwölf Jahren jedoch teilweise beibehalten.
Schule in der Bundesrepublik
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges blieb das in den Schulabschlüssen bis heute bestehende dreigliedrige Schulsystem bestehen (Grundschule (ab 1964 statt Volksschule), Hauptschule, Realschule, Gymnasium). Die Bildungshoheit erhielten wieder die Länder, konfessionelle Schulen bestanden fort. Anders als in der DDR waren kirchliche und Privatschulen zugelassen. Allerdings wurde 1948 die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) gegründet, die bei überregionalen Themen für das nötige Maß an Gemeinsamkeiten sorgt, beispielsweise bei der Vergleichbarkeit von Zeugnissen.[15][16] Eine Vereinheitlichung schuf 1964 das Hamburger Abkommen. Weitere Abkommen über die Gymnasiale Oberstufe und die Gesamtschule folgten. Insgesamt verschwand die Schulform der Hauptschule allmählich (außer in Bayern). Die Inklusion von Förderschülern wurde eine neue Herausforderung.
Siehe auch
Literatur
- Franz-Michael Konrad: Geschichte der Schule. Von der Antike bis zur Gegenwart, Beck Wissen, München 2012, ISBN 9783406554926
Einzelnachweise
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Klosterschule - Mittelalter Lexikon. Abgerufen am 19. Dezember 2018.
- Stadtschule - Mittelalter Lexikon. Abgerufen am 19. Dezember 2018.
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Louisa Reichstetter: Pädagogik: Vom Befehl zum Vorbild. In: Die Zeit. 2. März 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Eva-Maria Hetterich: Schule früher. Abgerufen am 5. September 2017.
- Reinhard Diethmar (Hrsg.): Schule und Unterricht im Dritten Reich. Neuwied 1985.
- Kurt-Ingo Flessau: Schule und Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismius. München 1977.
- Renate Fricke-Finkelnburg (Hrsg.): Nationalsozialismus und Schule. Amtliche Erlasse und Richtlinien 1933–1945. Opladen 1989.
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Schule und Bildung | Alltag | NS-Zeit | Zeitklicks. Abgerufen am 5. September 2017 (englisch).
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- In der Schule | Kindheit in der DDR | Alltag | DDR | Zeitklicks. Abgerufen am 5. September 2017 (englisch).
- Gregor Delvaux de Fenffe/Martina Frietsch: Lernen: Schulgeschichte. 14. Juli 2017 (planet-wissen.de [abgerufen am 5. September 2017]).
- Schule früher-heute. Abgerufen am 5. September 2017.