Johann Heinrich Tischbein der Ältere
Johann Heinrich Tischbein der Ältere (* 3. Oktober 1722 in Haina; † 22. August 1789 in Kassel; genannt der Kasseler) war ein deutscher Künstler, einer der anerkanntesten Maler und einer der größten Porträtisten des 18. Jahrhunderts.
Leben
Tischbein war das bedeutendste Mitglied der hochbegabten, über vier Generationen reichenden Malerfamilie Tischbein. Er war Mitbegründer und Lehrer für Malerei an der Kasseler Kunstakademie und entwickelt sich gemäß der aktuellen Zeitströmung zu einem Protagonisten des frühen Klassizismus in Deutschland. Er war Hofmaler in Kassel und fertigte vornehmlich Porträts, aber auch mythologische Szenen, Historiengemälde und Landschaften sowie Gemälde mit religiösen Themen. Sein Lebenswerk umfasst mehr als 300 Gemälde. Laut Meyers Großem Lexikon von 1984 gilt er als der vorzüglichste Maler von Frauenbildnissen.
Tischbein war Sohn des Bäckers Johann Heinrich Tischbein und der Susanne Margaretha Hinsing. Nach einer Malerlehre 1736 bis 1741 in Kassel beim Tapetenmaler Zimmermann und bei Johann Georg von Freese (1701–1775) stand er im Dienste kleinerer Fürstenhöfe. 1743 ging er, finanziell unterstützt von Graf Johann Philipp von Stadion, nach Paris und wurde Schüler von Carle van Loo (1705–1765). 1749 reiste er nach Venedig zu Giovanni Battista Piazzetta (1682–1754). 1750/51 war er in Rom. 1753 erfolgte die Ernennung zum Hofmaler des Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. In derselben Zeit begannen die Arbeiten am landgräflichen Sommerschloss Wilhelmsthal, hier hinterlässt Tischbein insgesamt 66 Gemälde, unter anderem die „Schönheitsgalerie“[1]. Während der französischen Besatzungszeit flüchtete er von 1756 bis 1762 mit verschiedenen Aufenthalten. 1762 wurde er Professor an der neu gegründeten Akademie Collegium Carolinum in Kassel. Zwischendurch verbrachte er einige Zeit am schwäbischen „Musenhof“ bei Graf Stadion auf Schloss Warthausen bei Biberach an der Riß.
Durch die Freundschaft mit Friedrich Gottlieb Klopstock und seinem zeitweilig in Hamburg ansässigen Bruder war er eng mit der Hansestadt verbunden. Am 31. Oktober 1756 heiratete Tischbein die Kanzleisekretärstochter Marie Sophie Robert (gest. 1759) und war in zweiter Ehe 1763 mit deren jüngster Schwester Anne Marie Pernette verheiratet. Sie verstarb im darauffolgenden Jahr 1764. Johann Heinrich Tischbein war (wie auch sein Neffe Johann Friedrich August) Mitglied der Freimaurerloge Zum gekrönten Löwen in Kassel.
Zu seinem bekanntesten Gemälde Artemisia[2] (72 × 95 cm, Öl auf Leinen) saß ihm 1775 die achtzehnjährige Gräfin Auguste Reuß zu Ebersdorf Modell; sie galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit.
Werke (Auswahl)
- Auferstehung (1763), Altargemälde der Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg), 1906 verbrannt
- Verklärung (1765), lutherische Kirche in Kassel
- Passions- und Himmelfahrtszyklus (1778) für die katholische Elisabethkirche in Kassel, Teile heute im Dommuseum Fulda, andere in der heutigen Kirche Sankt Elisabeth (Kassel)
- Kreuzabnahme und Himmelfahrt (1787), Altargemälde der St.-Jakobi-Kirche (Stralsund)
- Christus am Ölberg (1788), Kloster Haina
- Selbstbildnis mit seiner ersten Frau
- Bildnis der Schauspielerin Evérard
- Bildnis der Dichterin Philippine Engelhard geb. Gatterer[3]
- Der Landgraf Friedrich II.
- Allegorie zur Gründung der Kasseler Akademie
- Hercules and Omphale
- Maifest bei Gut Freienhagen
- Familie Timmermann, Leinwand, 91,5 × 118 cm (Bildmaß), Signatur: bez. Mitte r.: J H Tischbein Pinx 1758, (online, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel)
Ausstellungen
- 1989/1990 Kassel: Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1772–1789)
- 2005/2006 Kassel: 3 x Tischbein
Literatur
nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet
- Joseph Friedrich Engelschall: Johann Heinrich Tischbein, ehemaliger Fürstlich Hessischer Rath und Hofmaler, als Mensch und Künstler dargestellt. Raspesche Buch- und Kunsthandlung, Nürnberg 1797 (Digitalisat).
- Anna-Charlotte Flohr: Johann Heinrich Tischbein d.Ä. (1722–1789) als Porträtmaler. Mit einem kritischen Werkverzeichnis. Tuduv-Verlagsgesellschaft, München 1997.
- Louis Katzenstein: Tischbein, Johann Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 362–371.
- Karin Schrader: Tischbein Johann Heinrich der Ältere. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-5, S. 300–302 (Digitalisat).
- Petra Tiegel-Hertfelder: „Historie war sein Fach“. Mythologie und Geschichte im Werk Johann Heinrich Tischbeins d. Ä. (1722–1789) (= Manuskripte für Kunstwissenschaft in der Wernerschen Verlagsgesellschaft 49). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1996, ISBN 978-3-88462-948-2
- Hans Vollmer: Tischbein, Johann Heinrich d. Ält. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 33: Theodotos–Urlaub. E. A. Seemann, Leipzig 1939, S. 210–212.
Weblinks
- Literatur von und über Johann Heinrich Tischbein der Ältere im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Johann Heinrich Tischbein der Ältere bei Zeno.org
- Werke Johann Heinrich Tischbeins in der Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel
- Tischbein, Johann Heinrich der Ältere. Hessische Biografie. (Stand: 23. Juli 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Fabian Fröhlich: Wo Ungestört Der Lenz Regiert, Schloss Wilhelmsthal bei Calden. Hrsg. Museumslandschaft Hessen Kassel und Michael Eissenhauer. Monografische Reihe, Band 21. Kassel 2007, ISBN 978-3-422-02144-0.
- Dieses Gemälde zeigt die überlieferte, uns heute makaber erscheinende Szene, als Artemisia II., Schwester und Witwe des Königs Mausolos II. (377 – 353 v. Chr.) von Karien, diesen bei seinem Tod nicht in sein von ihm errichtetes Grabmal (Mausoleum von Halikarnassos) bestatten ließ, sondern einäschern und seine Asche aus übergroßer Liebe, aber auch zur Verdoppelung beider Gottesherkunft, in einen Pokal mit Wein streute und diesen vermischt mit eigenen Tränen in tiefer Trauer austrank. – Die Könige von Karien leiteten sich, ähnlich wie die ägyptischen Pharaonen, in göttlicher Abstammung von Sonnengöttern her. Dem zufolge war auch Geschwisterehe möglich.
- Das Porträt der Philippine Engelhard, geb.Gatterer, wird in einem Brief der Caroline Michaelis vom 8. September 1780 kommentiert: ...Tischbein hat sie gemahlt als Muse in einem himmelblauen Gewand, auf die Leyer gestützt und einen Kranz von Lorbeern und Rosen im Haar... Sie ist nicht wenger als schön, das Portrait soll ähnlich sein und doch hübsch...(in: Caroline. Briefe aus der Frühromantik, Band 1, 1913, Reprint 1970, Nr. 18). Philippine Gatterer bedankte sich mit einem Gedicht bei Johann Heinrich Tischbein: "An den Herrn Rath Tischbein in Cassel. Als ihr Bildniß in Göttingen ankam. Den 5. August 1780."(in: Philippine Engelhard. Ausgewählte Gedichte, Nr. 43, Würzburg 2008)