Salmiak
Salmiak ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Halogenide“ mit der chemischen Zusammensetzung NH4Cl[3] und damit chemisch gesehen Ammoniumchlorid (Ammoniumsalz der Salzsäure), das aus Ammonium und Chlorid im Verhältnis 1 : 1 besteht. Als Salmiakgeist wird dagegen Ammoniakwasser bezeichnet.
Salmiak | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
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Chemische Formel | NH4Cl[3] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Halogenide |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
3.AA.25 (8. Auflage: III/A.03) 09.01.03.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol | kubisch-hexakisoktaedrisch; 4/m 3 2/m |
Raumgruppe | Pm3m (Nr. 221) |
Gitterparameter | a = 3,87 Å[3] |
Formeleinheiten | Z = 1[3] |
Häufige Kristallflächen | {111}, {211}, {311}[1]; ebenso {112}, {113}, {011} und selten {001}[4] |
Zwillingsbildung | nach {111}[4] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 1 bis 2 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 1,532; berechnet: 1,535[4] |
Spaltbarkeit | undeutlich[1] bis unvollkommen nach {111}[4] |
Bruch; Tenazität | muschelig |
Farbe | farblos, weiß, hellgrau, hellgelb bis hellbraun |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | leicht wasserlöslich[5] |
Besondere Merkmale | stechend salziger Geschmack[5] |
Salmiak kristallisiert im kubischen Kristallsystem und entwickelt nur selten kleine, kantengerundete Kristalle in Form von Deltoidalikositetraedern sowie Zwillinge mit der Oktaederfläche (111) als Zwillingsachse. Verzerrte Kristalle erscheinen zudem tetragonal. Meist findet sich das Mineral als stalaktitische, faserige oder erdige Mineral-Aggregate sowie als krustige Überzüge. In reiner Form ist Salmiak farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine gelbliche bis bräunliche Farbe annehmen.
Etymologie und Geschichte
Die von antiken Autoren überlieferte, griechische Bezeichnung hals ammoniakos bezeichnete nicht den Salmiak, sondern beschrieb ein Steinsalz aus Ägypten (aus der Umgebung eines in einer Oase gelegenen Jupiter-Ammon-Tempels). Der Ursprung des schon im Mittelalter fälschlich als sal ammoniacum[6] wiedergegebenen Wortes für Salmiak liegt jedoch wahrscheinlich im lateinischen Ausdruck sal armoniacum (richtiger sal armeniacum) bzw. griechischen hals 'armeniakón und hatte die Bedeutung „Armenisches Salz“ und weist nicht auf Jupiter Ammon, sondern auf in Armenien als unreines, vor allem mit anderen Ammoniumsalzen und Natron vermischtes, Ammoniumchlorid natürlich vorkommenden Salmiak hin.[7][8][9]
Die Verbindung Chlorammonium wurde erstmals 1546 durch Georgius Agricola beschrieben und als Salammoniac (von lateinisch salammoniacum[10]) bezeichnet. Er bezog sich dabei allerdings auf synthetisch erzeugtes NH4Cl, das im Orient aus Tiermist hergestellt[1] bzw. aus gefaultem Urin und Kochsalz gewonnen wurde.[11] Die synthetische Herstellung von Salmiak war nachweislich mindestens seit der Zeit um 1100 bekannt.[12]
Das aus sal armoniacum (gelegentlich auch sal armoniac und armoniacum geschrieben) entstandene Wort „Salmiak“ (früher auch „Salmiac“) wurde erst um 1700 gebräuchlich. Zuvor wurden in deutschsprachigen Texten meist die Formen salmiax oder salarmiax,[13] aber auch „Salarmoniak“[10] und Armoniac[14] verwendet.
Eine erste Erwähnung von natürlich gewachsenem Salmiak findet sich in der 1758 von dem Sankt Petersburger Apotheker Johann Georg Models verfassten Abhandlung „Versuche und Gedanken über ein natürliches und gewachsenes Salmiak“.[12] Als erste Fundorte für natürlichen Salmiak gelten die Vulkane Ätna und Vesuv in Italien, wo sich das Mineral an den Austrittsstellen vulkanischer Gase niederschlägt.[1] Die natürliche Entstehung von Salmiak wurde 1809 durch Leopold von Buch bestätigt. Er beobachtete am Vesuv die Abkühlung eines Lavastroms, der sich innerhalb von wenigen Stunden mit einer dicken, weißen Kruste aus Salmiak bedeckte.[12]
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Salmiak zur Mineralklasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung der „Einfachen Halogenide“, wo er als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe III/A.03 bildete.
Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. III/A.04-010. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Einfache Halogenide“, wo Salmiak zusammen mit Lafossait eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[15]
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[16] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Salmiak in die Abteilung der „Einfachen Halogenide ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach dem Stoffmengenverhältnis von Kationen (M) und Anionen (X), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : X = 1 : 1 und 2 : 3“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Salmiakgruppe“ mit der System-Nr. 3.AA.25 und dem weiteren Mitglied Lafossait bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Salmiak in die Klasse und gleichnamige Abteilung der „Halogenide“ ein. Hier ist er ebenfalls zusammen mit Lafossait in der unbenannten Gruppe 09.01.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie und wasserhaltige Halogenide mit der Formel AX“ zu finden.
Kristallstruktur
Salmiak kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Pm3m (Raumgruppen-Nr. 221) mit dem Gitterparameter a = 3,87 Å sowie einer Formeleinheit pro Elementarzelle.[3]
Die Kristallstruktur besteht aus zwei kubisch primitiven Teilgittern. Das eine wird von den Cl−-Ionen und das andere von den (NH4)+-Gruppen gebildet. Beide Teilgitter sind so ineinander geschoben, dass jeweils ein Cl−-Ion von acht (NH4)+-Gruppen umgeben ist und umgekehrt. Der kristalline Aufbau von Salmiak entspricht damit der Caesiumchlorid-Struktur.
Unterhalb von −30 °C klappt das Kristallgitter von der hexakisoktaedrischen in die geringer symmetrische hexakistetraedrische Struktur mit der Raumgruppe P43m (Nr. 215) um.[1]
Eigenschaften
Salmiak ist leicht wasserlöslich und hat einen stechend salzigen Geschmack. Beim Erhitzen verflüchtigt sich Salmiak schnell und vollständig.[5]
Bildung und Fundorte
Salmiak bildet sich vorwiegend durch vulkanische Aktivitäten, wo er sich aus vulkanischen Gasen entweder direkt am Vulkankrater oder an Fumarolen und Solfataren abscheidet. Eine weitere Möglichkeit der Resublimation aus der Gasphase besteht in brennenden Kohleflözen und Abraumhalden. Daneben kann das Mineral auch als akzessorischer Bestandteil in Guano (Exkremente von Vögeln) entstehen. Als Begleitminerale treten unter anderem Schwefel, Realgar und Auripigment, Mascagnin (natürliches Ammoniumsulfat) und Tschermigit auf.
Als seltene Mineralbildung konnte Salmiak nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2019) knapp 110 Fundorte[17] als bekannt gelten. In Italien kennt man das Mineral noch aus anderen vulkanischen Vorkommen wie den Phlegräischen Feldern und dem Stromboli.
Bekannt für ihre außergewöhnlichen Kristallfunde sind unter anderem die brennenden Kohlehalden bei Kladno in der tschechischen Region Mittelböhmen, wo Kristalle von über einem Zentimeter gefunden wurden.[18]
In Deutschland trat Salmiak in verschiedenen Kohlebergwerken wie der Grube Anna und Zeche Alstaden in Nordrhein-Westfalen sowie bei Oelsnitz/Erzgeb. und dem Königin-Carola-Schacht nahe Freital in Sachsen bzw. brennenden Flözen und Halden wie dem Brennenden Berg bei Saarbrücken im Saarland und der Absetzerhalde vom Tagebau Lichtenberg bei Lichtenberg in Thüringen auf.
In Österreich fand man das Mineral unter anderem am Muttlkogel im Kohlebergbaurevier Zangtal sowie bei Münzenberg und im Bergbau Seegraben in der Steiermark. Des Weiteren wurde es in einem Salzbergwerk bei Hall in Tirol entdeckt.
Der bisher einzige bekannte Fundort in der Schweiz ist das Salzbergwerk Bex im Kanton Waadt.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Belgien, Chile, China, Frankreich, Island, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Norwegen, Peru, Polen, Portugal, Russland, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, Venezuela, im Vereinigten Königreich (UK) und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[19]
Verwendung
Bekannt ist Salmiak unter anderem durch seine Verwendung in Salmiak-Lakritz bzw. Salmiakpastillen. Daneben dient das Mineral oder besser sein synthetisches Pendant auch zur Herstellung von Kältemischungen sowie in der Färberei und Gerberei (siehe auch Verwendung von Ammoniumchlorid).
Siehe auch
Literatur
- Johann Georg Models: Versuche und Gedanken über ein natürliches oder gewachsenes Salmiak, nebst Erörterung einiger vom Hrn. Baron gemachten Einwürfe über das persische Salz. Joh. Friedrich Gleditschens Handlung, Leipzig 1758 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Julius Ruska: Sal ammoniacus, nusâdir und Salmiak. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften: philologisch-historische Klasse. Band 14, Nr. 5, 1923, S. 3–23.
- Georgius Agricola: De Re Metallica. Dover Publications, New York 1950, S. 560, Sal-ammoniac (englisch, rruff.info [PDF; 216 kB; abgerufen am 20. Dezember 2019] Latein: De Re Metallica. 1556. Übersetzt von Herbert Clark, Lou Henry Hoover).
- B. K. Vainshtein: Refinement of the structure of the group NH4 in the structure of ammonium chloride. In: Trudy Instituta Kristallografii Akademiya Nauk SSSR. Band 12, 1956, S. 18–24 (englisch).
- Helga Dittberner: Zur Geschichte des Salmiaks in der islamischen und vorislamischen Chemie. In: Rete. Band 1, 1972, S. 347–362.
Weblinks
- Salmiak. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 26. Oktober 2020.
- Salammoniac. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- David Barthelmy: Salammoniac Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- Salammoniac search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF), abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Salammoniac. In: rruff.geo.arizona.edu. Abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
Einzelnachweise
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. De Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 318–319.
- Malcolm Back, William D. Birch, Michel Blondieau und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2019. (PDF 1720 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2019, abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 150 (englisch).
- Sal ammoniac. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 20. Dezember 2019]).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 487 (Erstausgabe: 1891).
- Otto Zekert, Österreichischer Apothekerverein, Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 154 (Latein, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Sal ammoniucum: Unreines ägyptisches Natronsalz, Salmiak).
- Emil Ploß: Die Entstehung der Wortform „Salmiak“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Band 195, Nr. 4, 1959, S. 321–324.
- Dieter Lehmann: Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Teil I: Text und Glossar (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Nr. 34). Horst Wellm, Pattensen/Han. 1985, ISBN 3-921456-63-0, S. 245.
- Gundolf Keil: Die „Cirurgia“ Peters von Ulm. Untersuchungen zu einem Denkmal altdeutscher Fachprosa mit kritischer Ausgabe des Textes (= Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Band 2). Stadtarchiv, Ulm 1961, S. 454 (zugleich Philosophische Dissertation Heidelberg 1960).
- Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S. 40 und 106 (Erstausgabe: 1529, Neudruck mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein).
- Wolfgang Schneider: Untersuchungen über den Arzneischatz der Vergangenheit, 3. Mitteilung: Die wichtigsten pharmazeutisch-chemischen Produkte der alchemistischen und vorchemiatrischen Zeit. In: Arzneimittel-Forschung. Band 10, 1960, S. 509–513, hier: S. 510 f..
- Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 306–307.
- Franz Maria Feldhaus: Die Technik der Vorzeit, der geschichtlichen Zeit und der Naturvölker. 2. Auflage. Moos, München 1965, S. 894.
- Wouter S. und Sophie J. van den Berg (Hrsg.): Eene Middelnederlandsche vertaling van het Antidotarium Nicolaï (Ms. 15624–15641, Kon. Bibl. te Brussel) met den latijnschen tekst der eerste gedrukte uitgave van het Antidotarium Nicolaï. N. V. Boekhandel en Drukkerij E. J. Brill, Leiden 1917, S. 202 (niederländisch).
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF 1816 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- Localities for Salammoniac. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 72.
- Fundortliste für Salmiak (Salammoniac) beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 20. Dezember 2019.