Saalburger Marmor
Saalburger Marmor ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe thüringisch-vogtländischer Naturwerksteine. Im petrographischen Sinne sind die meisten von ihnen keine Marmore, sondern devonische Kalksteine aus der Gegend in und um die Gemeinde Saalburg-Ebersdorf sowie dem Landkreis Greiz in Thüringen. Bekannt sind einzelne Gesteinsvorkommen seit 1743, die technisierte Gewinnung und Verarbeitung von Natursteinen in der Region Saalburg begann im Jahre 1886. Diese Gesteine gibt es in unterschiedlichen Farbtönen. Verwendet wurden diese Naturwerksteinsorten in zahlreichen Bauwerken auf der ganzen Welt.
Geschichte
Saalburger Marmorwerke
Im Jahre 1740 wird „Marmor“ im Gebiet um Saalburg durch Johann Gottfried Büchner (1695–1749) erstmals erwähnt, indem er Vorkommen polierfähiger Kalksteine in den Regionen um Schleiz und Burgk vermerkt. Schriftlich festgehalten und damit der bisher älteste Anwendungsnachweis sind Arbeiten des Bildhauers Johann Gottlieb Herget, der für Schloss Burgk 7 Tischplatten aus „hiesigem Marmor“ anfertigte.[1]
Im Jahre 1886 pachtete der Bauunternehmer Magnus Rödel mit dem Baumeister Christian Heidecke den Schieferbruch Franzenberg bei Grumbach. Heidecke wurde auf den Kalksteinbruch an der sogenannten Schafbrücke unterhalb der Bärenmühle bei Wurzbach aufmerksam und pachtete diesen am 1. Januar 1887. Beide kauften 1888 die sogenannte Herrenmühle und bauten diese zu den Saalburger Marmorwerken aus. Es wurden Gattersägen, Steinschleifmaschinen und Steinsägen gekauft und 1890 wurde die Maschinenhalle fertiggestellt. In diesen Werkstätten entstanden beispielsweise die einen Meter dicken Säulen des Berliner Doms. 1889 hatte das Werk 70 Arbeiter und ein Jahr später 80.
Im Jahre 1909 zählte das Marmorwerk mit 100 Mitarbeitern als zweitgrößtes Unternehmen auf diesem Sektor in Deutschland. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs wuchs deren Zahl sogar auf 140 an.[2]
Vor dem Ersten Weltkrieg erhielten die Saalburger den Auftrag für Säulen für den Kaiserpalast in Peking. Die Steinladung nach Peking ging nach dem Kriegsbeginn auf dem Seeweg verloren und zehn hohe Säulen blieben in den Werkstätten liegen. Nach dem Krieg führten die Baumeister Heidecke und der Ministerialrat Johannes Grube und der Bremer Fritz Kaye die Firma weiter, ab 1925 Heidecke alleine. Im Frühjahr 1931 führte Heidecke mit Josef Hauser die Saalburger Marmorwerke gemeinsam. Die Stadt Saalburg erhielt einen Eisenbahnanschluss und das Werk siedelte nach Saalburg um, da das Unternehmen von der Stadt einen kostenlosen Bauplatz mit Bahnanschluss zur Verfügung gestellt bekam.
Josef Hauser übernahm nach dem Tod durch Ertrinken von Georg Heidecke im Jahre 1932 in der Bleilochtalsperre die Anteile der Heideck'schen Erben und führte den Betrieb alleine weiter. Diese schicksalhafte Wendung hatte für das Saalburger Marmorwerk große Bedeutung, denn Hauser war ein überzeugter Nationalsozialist und suchte die Nähe führender Nazis wie Adolf Hitler und Fritz Sauckel. Hauser gründete in seinem Betrieb eine sogenannte Werkschar, die sich in Uniform anlässlich der 50-Jahr-Feier in der Festschrift unter einer Standarte mit Hakenkreuz präsentierte. Das damalige Personal wurde durch ihn zur Gefolgschaft bzw. zu Gefolgschaftsmitgliedern und der Parteigenosse Hauser zum Betriebsführer.[3] Die Belegschaft bestand 1937 aus 155 Mitarbeitern.[2]
Neue Reichskanzlei
Besonders bekannt waren die Einbauten von Saalburger Marmor im Speisesaal und in den weiteren Anbauten der Neuen Reichskanzlei in Berlin:
- „Der Führer selbst hatte für diese 12 wuchtigen Säulen von über sechs Meter Höhe, 16 Wandlisenen und 4 Ecklisenen, die für den Speisesaal der Reichskanzlei bestimmt waren, im Deutschen Museum in München Buntrosa-ruhig ausgewählt. Die Arbeiten begannen im Gottschall-Bruch. […] Die Arbeiten wurden zur gesetzten Frist abgeliefert und fanden die Anerkennung des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler. Josef Hauser stand vor dem Führer im Speisesaal und durfte diese Anerkennung entgegennehmen.“[4]
Der Verbleib der Säulen und der massiven Einbauten der Neuen Reichskanzlei blieb nach dem Krieg ungeklärt. Nach 1945 wurde in der DDR weiterhin für repräsentative Bauten Saalburger Marmor verbaut, weil seine dekorativen Sorten seit Jahrzehnten umfängliche Verwendung in der Architektur gefunden hatten. Es entstanden trotzdem zahlreiche Gerüchte über die Wiederverwendung des Materials aus der Neuen Reichskanzlei. Diese Vermutungen betreffen das Foyer der Humboldt-Universität, den U-Bahnhof Mohrenstraße und die sowjetischen Ehrenmale (Treptower Park, Tiergarten und Schönholzer Heide) in Berlin. Nach einer genauen petrographischen Untersuchung der dort verarbeiteten Steinmaterialien haben diese Gerüchte keine reale Grundlage.[5]
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Firma als VEB Saalburger Marmorwerke weiter betrieben. Nach der Wende gründete sich im November 1991 die Saalburger Marmorwerke GmbH als Verarbeiter von Naturstein und die TNW Natursteinwerke GmbH und Co. KG als Rohstofflieferant. Durch die Hartsteinwerke Burgk GmbH & Co. OHG wird bei Tegau Kalkstein abgebaut.
Ausgewählte genutzte Gesteinsvorkommen
Den Kalkstein gab es mit mehreren Handelsnamen und aus unterschiedlichen Steinbrüchen des Thüringer Schiefergebirges und angrenzenden Teilen des Thüringischen Vogtlands:
- bei Tegau im Gottschall-Steinbruch (ab 1897) und im Vogelsberg-Steinbruch (ab 1907): Saalburg Altrot (Farbe tiefdunkelrot). Saalburg Buntrosa-ruhig (Gottschall-Steinbruch) und Saalburg Buntrosa lebhaft, ferner Saalburg Edelgrau-Forelle
- im Steinbruch Kapfenberg bei Pahren: Kapfenberg (dunkel- bis schwarzgrau), Anfang des 20. Jahrhunderts auch unter dem Handelsnamen Colombriso bekannt.
- im Steinbruch bei Tanna: Saalburg Königsrot (Farbe dunkelrot bis violettrot mit weißen oder rötlich gefärbten Calcitadern.)
- im Steinbruch bei Rothenacker: Saalburg Violett, lebhaft strukturiert
- im Steinbruch des Pößnigsbachtales (heute in der Bleilochtalsperre): Saalburg Meergrün und Saalburg Schwarz
Heute findet lediglich in einzelnen Steinbrüchen Materialabbau statt.
Bauwerke und Werksteinarbeiten
- Säulen für den Kaiserpalast in Peking
- Säulen und zahlreiche weitere Interieurteile für den Berliner Dom (1894–1905; Rest. innen 1983–1999)[6]
- Sarkophag für die Herzogin von Mecklenburg
- Regierungsgebäude von Havanna
- Kriegerdenkmal in Surrey (England) für gefallene Amerikaner
- Kassensaal im Reichsbankneubau in Dresden
- Innenräume von den Gebäuden (Ladengeschäfte, Treppenhäuser) der Nachkriegs-Altmarktbebauung und angrenzender Straßenzüge in Dresden[7]
- Dresdner Zwinger, Fußböden (teilweise durch neuzeitliche Sanierungen entfernt)
- Festsaal der ehemaligen Militärakademie in Dresden
- Massivsäulen im Kirchenschiff der Lukaskirche von Dresden
- TU Chemnitz (Foyer im Anbau aus den 1960er Jahren an der Straße der Nationen) in Chemnitz
- Palast-Lichtspiele in Zwickau
- Fußboden und Treppen im Verwaltungsgebäude der NSDAP in München
- Fußboden und Treppen im Führerbau in München
- Fußboden und Treppen im Haus der Deutschen Kunst in München
- Mosaikboden in der Schwimmhalle auf dem Reichssportfeld in Berlin
- Mosaikboden und Fußboden für die Schwimmhalle der Leibstandarte Hitlers
- Massiver Handlauf im Gebäude der Städtischen Feuersozietät Berlin
- Werksteinarbeiten für das Rathaus Magdeburg
- Werksteinarbeiten für das Hotel Elephant, Weimar
- Werksteinarbeiten für den Speisesaal und Anbau der Neuen Reichskanzlei in der Voßstraße in Berlin
- Fußbodenornamentik im Foyer der Staatsoper Unter den Linden (1950–1955)[8]
- Intarsienfußboden des Apollosaals in der Staatsoper Unter den Linden (1950–1955)[9]
- Fußboden im Foyer der Staatsbibliothek zu Berlin (Haus Unter den Linden) (nach 1945)[10]
- Altar der Kirche St. Alban (Effelder), "Eichsfelder Dom"
Siehe auch
- Marxgrüner Marmor, geologisch verwandtes und als Werkstein genutztes Kalksteinvorkommen, etwa 20 Kilometer vom thüringischen Abbaugebiet entfernt
Literatur
- 50 Jahre Arbeit, Saalburger Marmorwerke, 1888 – 1938. Am Tag des 50jährigen Bestehens, Kupp, Reichenstein & Helmrich, Schleiz o. J. (1938).
Weblinks
- Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: "Saalburger Marmor". Das Sammlungsobjekt des Monats. auf www.bgr.bund.de, Vorstellung dieser Werksteingruppe
- Elisabeth Kühnast, Sandra Reichmann, Jasmin Eismann, Robin Griesbach: 110 Jahre Marmorbruch Tanna. auf www.stadt-tanna.de, Seminararbeit über den Tannaer Marmorbruch
Einzelnachweise
- Gerhard Weise: Naturwerksteine des Saale-Orla-Kreises (Teil 2). In: Beiträge zur Geologie von Thüringen, Neue Folge, Heft 21, S. 147–196, hier S. 165.
- Otmar Hartenstein: Arbeitsplätze für die Region. Zur Geschichte des Marmorwerkes Saalburg. In: Gudrun Braune (Hrsg.): Vom Leben im Oberland. Alltag in der Region Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale. Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung, Erfurt 2013, S. 84–97
- Saalburger Marmorwerke, S. 4, siehe Lit.
- Saalburger Marmorwerke, S. 22, siehe Lit.
- Hans-Ernst Mittig: 'Marmor der Reichskanzlei. In: Dieter Bingen, Hans-Martin Hinz (Hrsg.): Die Schleifung, Zerstörung und Wiederaufbau historischer Bauten in Deutschland und Polen. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05096-9, online auf www.zeitgeschichte-online.de
- Johannes H. Schroeder, Gerda Schirrmeister, Angela Ehling: Berliner Dom – Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin. In: Johannes H. Schroeder (Hrsg.): Naturwerksteine in Architektur und Baugeschichte von Berlin: gesteinskundliche Stadtbummel zwischen Alexanderplatz und Großem Stern (= Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg. Nr. 6). 2., erw. und verb. Auflage. Selbstverlag Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg, Berlin 2006, ISBN 3-928651-12-9, S. 99–115.
- Ferdinand Heinz, Heiner Siedel & Jan-Michael Lange: Dresden (Sachsen). In: Steine in deutschen Städten, 18 Entdeckungsrouten in Architektur und Stadtgeschichte. hrsg. v. J. H. Schroeder, Selbstverlag Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg e. V., Berlin 2009, ISSN 0941-2980, S. 45–46.
- Johannes H. Schroeder, Otmar Hartenstein: Staatsoper Unter den Linden. In: Johannes H. Schroeder (Hrsg.): Naturwerksteine in Architektur und Baugeschichte von Berlin: gesteinskundliche Stadtbummel zwischen Alexanderplatz und Großem Stern (= Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg. Nr. 6). 2., erw. und verb. Auflage. Selbstverlag Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg, Berlin 2006, ISBN 3-928651-12-9, S. 152.
- Johannes H. Schroeder, Otmar Hartenstein: Der Intarsien-Boden im Apollosaal. In: Johannes H. Schroeder (Hrsg.): Naturwerksteine in Architektur und Baugeschichte von Berlin: gesteinskundliche Stadtbummel zwischen Alexanderplatz und Großem Stern (= Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg. Nr. 6). 2., erw. und verb. Auflage. Selbstverlag Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg, Berlin 2006, ISBN 3-928651-12-9, S. 167–169.
- Angela Ehling: Staatsbibliothek. In: Johannes H. Schroeder (Hrsg.): Naturwerksteine in Architektur und Baugeschichte von Berlin: gesteinskundliche Stadtbummel zwischen Alexanderplatz und Großem Stern (= Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg. Nr. 6). 2., erw. und verb. Auflage. Selbstverlag Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg, Berlin 2006, ISBN 3-928651-12-9, S. 182–186.