Richard Weiskirchner
Richard Weiskirchner (* 24. März 1861 in Wien-Margareten[1]; † 30. April 1926 in Schloss Schönbrunn in Wien[2]) war ein österreichischer Jurist und christlichsozialer Politiker.
Leben
Steile Beamtenkarriere
Weiskirchner war Sohn eines Oberlehrers und einer Hausbesitzerin, besuchte ein Gymnasium im 6. Bezirk und studierte an der Universität Wien Jus (Dr. jur.). Er war Mitglied der Katholischen Österreichischen Studenten-Verbindung Austria Wien, damals im CV, heute im ÖCV.
Er trat 1883, unmittelbar nach dem Studium, als Konzeptsbeamter in den juristischen Dienst der Stadt Wien. 1901 wurde er unter dem Christlichsozialen Karl Lueger Magistratsvizedirektor und stieg 1903, nach wie vor unter Lueger, zum Magistratsdirektor, dem nur dem Bürgermeister verantwortlichen Spitzenbeamten, auf. 1910 ließ er sich als Beamter pensionieren.
Politiker in Mehrfachfunktion
Von 1897 bis 1911 war Richard Weiskirchner Reichsratsabgeordneter (IX., X. und XI. Legislaturperiode), 1907–1909 Präsident des Abgeordnetenhauses. 1898–1915 war er außerdem Mitglied des Niederösterreichischen Landtags. 1909–1911 war er k. k. Handelsminister im Kabinett von Richard von Bienerth-Schmerling. 1910 wurde er nach seiner Pensionierung in den Gemeinderat gewählt (Kurienwahlrecht).
Hatte er nach Luegers Tod 1910 auf Grund seiner drei bestehenden politischen Funktionen das Bürgermeisteramt noch abgelehnt, so nahm er im Dezember 1912 die Wahl durch den Gemeinderat an.
Bürgermeister von Wien
Von Jänner 1913 bis Mai 1919 war Weiskirchner Bürgermeister von Wien. In den eineinhalb Friedensjahren vor Beginn des Ersten Weltkriegs setzte er die von Lueger mit viel Dynamik betriebene Stadtentwicklung fort. In den vier Jahren im Krieg hatte er vor allem die bald entstandenen Mangelerscheinungen zu bekämpfen, um die Versorgung der Stadt zu sichern. 1917 / 1918 war Weiskirchner, von Kaiser Karl I. berufen, Mitglied des Herrenhauses des Reichsrats (siehe Liste).
Im Dezember 1918, einen Monat nach dem Ende Österreich-Ungarns, wählte ihn der provisorische Gemeinderat nochmals zum Bürgermeister. Nach der Gemeinderatswahl 1919, der ersten, bei der alle Wienerinnen und Wiener gleiches Stimmrecht hatten und bei der die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit erreichten, übergab er im Mai 1919 das Amt an Jakob Reumann, den ersten Bürgermeister des „Roten Wien“.
Parlamentarier der Republik
Vom 4. März 1919 bis zum 1. Oktober 1920 war er für die Christlichsozialen Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung von Deutschösterreich bzw. Österreich, dann vom 10. November 1920 bis 1923 Präsident des Nationalrates (I. Gesetzgebungsperiode).
Sein ehrenhalber gewidmetes Grab befindet sich in Wien auf dem Hietzinger Friedhof (Gruppe 5, Nummer 286).
Ehrung
Im Jahr 1932 wurde in Wien Innere Stadt (1. Bezirk) die Weiskirchnerstraße nach ihm benannt.
Werke
- Oesterreichische Städteordnungen. Die Gemeindeordnungen und Gemeindewahlordnungen der mit eigenen Statuten versehenen Städte der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder mit den Nachtragsgesetzen Zsgst. von Carl Brockhausen und Richard Weiskirchner. Wien 1895
- Das Cartellwesen vom Standpunkte der christlichen Wirthschaftsauffassung. Wien 1896
- Die Armenpflege einer Großstadt. Wien 1896
- Städtische Wohnungspolitik. Warnsdorf 1917
Literatur
- Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Jugend u. Volk, Wien u. a. 1974. ISBN 3-8113-6078-7.
- Karl Harrer: Dr. Richard Weiskirchner. Dissertation, Wien 1950.
- Christian Mertens: Richard Weiskirchner (1861–1926). Der unbekannte Wiener Bürgermeister. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 2006, ISBN 3-486-58055-8 (Österreich-Archiv = Schriften des Instituts für Österreichkunde).
- Ch. Mertens: Richard Weiskirchner. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 16, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2019–, S. 81 f. (Direktlinks auf S. 81, S. 82).
- Richard Weiskirchner. In: Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates 1861–1918, Jahrgang 0012, XII. Session, S. 306. (online bei ANNO).
- Richard Weiskirchner. In: Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates 1861–1918, Jahrgang 0013, XIII. Session, S. 203. (online bei ANNO).
- Richard Weiskirchner. In: Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates 1861–1918, Jahrgang 0014, XIV. Session, S. 216. (online bei ANNO).
- Richard Weiskirchner. In: Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates 1861–1918, Jahrgang 0015, XV. Session, S. 356. (online bei ANNO).
- Richard Weiskirchner. In: Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates 1861–1918, Jahrgang 0016, XVI. Session, S. 487. (online bei ANNO).
- Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des Reichsrates (17.,18.,19.,20.Session) auf ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte Online (Ausschussmitgliedschaften, Reden, Anträge etc.)
Weblinks
- Richard Weiskirchner auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Biographische Daten von Richard Weiskirchner im Biographischen Handbuch des NÖ Landtages 1861–1921
- Eintrag zu Richard Weiskirchner im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Literatur von und über Richard Weiskirchner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiographie von Richard Weiskirchner
Einzelnachweise
- Matricula Online – Wien – St. Josef zu Margareten, Taufbuch 1861, Seite 57, Eintrag Nr. 289, 4. Zeile
- Matricula Online – Wien – Maria Hietzing, Sterbebuch 1921–1934, Seite 53, Eintrag Nr. 17, 5. Zeile