Random Walk

Ein Random Walk (deutsch zufällige (stochastische) Irrfahrt, zufällige Schrittfolge,[1] Zufallsbewegung, Zufallsweg) i​st ein mathematisches Modell für e​ine Verkettung zufälliger Bewegungen. Es handelt s​ich um e​inen stochastischen Prozess i​n diskreter Zeit m​it unabhängigen u​nd identisch verteilten Zuwächsen. Random-Walk-Modelle eignen s​ich für nichtdeterministische Zeitreihen, w​ie sie beispielsweise i​n der Finanzmathematik z​ur Modellierung v​on Aktienkursen verwendet werden (siehe Random-Walk-Theorie). Mit i​hrer Hilfe können a​uch die Wahrscheinlichkeitsverteilungen v​on Messwerten physikalischer Größen verstanden werden. Der Begriff g​eht zurück a​uf Karl Pearsons Aufsatz The Problem o​f the Random Walk a​us dem Jahr 1905.[2] Die deutsche Bezeichnung Irrfahrt w​urde von George Pólya erstmals i​m Jahr 1919 i​n der Arbeit Wahrscheinlichkeitstheoretisches über d​ie „Irrfahrt“ verwendet.[3]

Simulation eines 2D-Random-Walk mit 229 Schritten und einer zufälligen Schrittweite aus dem Intervall [−0,5;0,5] für x- und y-Richtung

Definition

Sei eine Folge von unabhängigen Zufallsvariablen mit Werten in , die alle die gleiche Verteilung besitzen. Dann heißt der durch

definierte stochastische Prozess ein Random Walk in oder ein d-dimensionaler Random Walk.[4][5] Hierbei ist deterministisch, häufig wird gewählt. Ein Random Walk ist also ein diskreter Prozess mit unabhängigen und stationären Zuwächsen.

Man k​ann Random Walks o​der Irrfahrten analog a​uch in Riemannschen Mannigfaltigkeiten definieren. Bei Irrfahrten a​uf Graphen spricht m​an von Zufallspfaden.

Weist d​er Random Walk Korrelationen auf, s​o spricht m​an von e​inem korrelierten Random Walk.

Eindimensionaler Fall

Übergangsgraph des eindimensionalen symmetrischen Random Walk
Acht Realisierungen eines einfachen eindimensionalen Random Walks mit Start in 0. Die Grafik zeigt die aktuelle Position in Abhängigkeit von der Nummer des Schrittes.

Der einfache eindimensionale Random Walk (siehe auch symmetrische einfache Irrfahrt) ist ein grundlegendes Einführungsbeispiel, das auf mehrere Dimensionen erweitert und verallgemeinert werden kann; er hat aber bereits selbst zahlreiche konkrete Anwendungen. Beim eindimensionalen Random Walk bilden die einzelnen Schritte einen Bernoulli-Prozess, das heißt, eine Folge von unabhängigen Bernoulli-Versuchen.

Eine beliebte Veranschaulichung lautet wie folgt (siehe auch Drunkard’s Walk): Ein desorientierter Fußgänger läuft in einer Gasse mit einer Wahrscheinlichkeit einen Schritt nach vorne und mit einer Wahrscheinlichkeit einen Schritt zurück. Seine zufällige Position nach Schritten wird mit bezeichnet, ohne Einschränkung sei seine Startposition . Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit , dass er sich genau im -ten Schritt an der Stelle befindet? Antwort: Der Fußgänger hat insgesamt Schritte gemacht, davon Schritte nach vorne und Schritte zurück. Seine Position nach Schritten ist also und die Wahrscheinlichkeit dafür lautet

,

denn d​ie Anzahl d​er Schritte n​ach vorne f​olgt einer Binomialverteilung.

Oft interessiert man sich speziell für den ungerichteten oder symmetrischen Random Walk mit . Dies ist auch die einzige Parameterwahl, die zu einer rekurrenten Markow-Kette führt, das heißt, dass der Läufer unendlich oft zum Ursprung zurückkehrt. Die aufsummierten Zufallsvariablen sind dann alle Rademacher-verteilt. Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zurückgelegten Strecke symmetrisch um , und auch der Erwartungswert ist . Das Vorankommen des Fußgängers kann man dann nur durch den mittleren quadratischen Abstand vom Ausgangspunkt, also durch die Varianz der Binomialverteilung beschreiben: . Das ist ein wichtiges Ergebnis, mit dem eine charakteristische Eigenschaft von Diffusionsprozessen und Brown’scher Molekularbewegung wiedergefunden wird: Das mittlere Quadrat des Abstands eines diffundierenden Teilchens von seinem Ausgangsort wächst proportional zur Zeit.

Simulation mehrerer 1D-Random-Walks

Eine erste Verallgemeinerung besteht darin, dass bei jedem Schritt eine zufällige Schrittlänge zugelassen ist. Die nebenstehende Abbildung zeigt beispielsweise fünf Simulationen für Schritte mit einer Schrittlänge, die im Intervall gleichverteilt ist. In diesem Fall beträgt die Standardabweichung für jeden Schritt . Die Standardabweichung einer derartigen Zufallsbewegung mit Schritten beträgt dann Einheiten. Sie ist als rote Linie für positive und negative Entfernungen eingezeichnet. Um diese Strecke wird sich der Fußgänger im Mittel fortbewegen. Die relative Abweichung geht gegen null, die absolute Abweichung wächst hingegen unbeschränkt.

Literatur

  • Rick Durrett: Probability: Theory and Examples. 4. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2010, ISBN 978-0-521-76539-8, Kapitel 4. Random Walks.
  • Norbert Henze: Irrfahrten und verwandte Zufälle. Springer Spektrum, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-01850-4.
  • Barry D. Hughes: Random Walks and Random Environments: Volume 1: Random Walks. Oxford University Press, USA 1995. ISBN 0-19-853788-3.
  • Frank Spitzer: Principles of Random Walk. 2. Auflage. Springer-Verlag, New York u. a. 1976, ISBN 0-387-95154-7.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Ralf Sube: Physik: N-Z, S. 1345.
  2. Karl Pearson: The Problem of the Random Walk. In: Nature. Band 72, Nr. 1865, Juli 1905, S. 294, doi:10.1038/072294b0.
  3. Georg Pólya: Wahrscheinlichkeitstheoretisches über die „Irrfahrt“. In: Mitteilungen der Physikalischen Gesellschaft Zürich. Band 19, 1919, S. 7586.
  4. Bert Fristedt, Lawrence Gray: A modern approach to probability theory. Birkhäuser, Boston/Basel/Berlin 1997, ISBN 978-0-8176-3807-8, S. 165 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-36017-6, S. 445.
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