Peter Harry Carstensen
Peter Harry Carstensen (* 12. März 1947 im Elisabeth-Sophien-Koog auf Nordstrand) ist ein deutscher Politiker (CDU). Von 2005 bis 2012 war er Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein.
Ausbildung und Beruf
Nach dem Abitur 1966 am Husumer Hermann-Tast-Gymnasium absolvierte Carstensen, Sohn eines Landwirts, ein landwirtschaftliches Praktikum und anschließend von 1968 bis 1973 ein Studium der Agrarwissenschaften in Kiel, das er als Diplom-Agraringenieur beendete. Während des Studiums wurde er Mitglied der schlagenden Verbindung Landsmannschaft Troglodytia im Coburger Convent (Austritt 1998). 1976 schloss sich das Zweite Staatsexamen für das Lehramt an. Danach war er bis 1983 als Landwirtschaftslehrer an der Landwirtschaftsschule Bredstedt und als Wirtschaftsberater bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein tätig.
Carstensen war bis zu seiner Kandidatur zum Ministerpräsidenten Mitglied des Aufsichtsrates der CG Nordfleisch AG (heute Vion Food Hamburg). Seit Oktober 2012 fungiert Peter Harry Carstensen als Aufsichtsratsvorsitzender der nordic hotels AG. Die Kieler Hotelkette betreibt zurzeit 21 Hotels deutschlandweit.
Familie
Peter Harry Carstensen ist verheiratet und hat zwei Töchter von seiner 1996 verstorbenen ersten Ehefrau Maria. Im August 2004 suchte die Bild-Zeitung mit seinem Einverständnis eine neue Frau für Carstensen. Rückblickend hält er diese Aktion für einen Fehler. Am 12. März 2007 – seinem 60. Geburtstag – stellte Carstensen die 1971 geborene Juristin Sandra Thomsen der Öffentlichkeit als seine neue Lebensgefährtin vor. Zweieinhalb Jahre später, am 31. Dezember 2009, heirateten die beiden in der Friesenstube des Inselhotels Arfsten in Wrixum.[1] Am 26. Juni 2010 fand die kirchliche Trauung in der Westenseer Catharinenkirche statt.[2]
Partei
Seit 1971 ist Carstensen Mitglied der CDU. Von 1986 bis 1992 war er Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Nordfriesland. Seit Juli 2000 war er stellvertretender Vorsitzender, seit dem 2. Juni 2002 dann Landesvorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein.
Carstensen war Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl 2005. Unter seiner Führung erreichte die CDU mit 40,2 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seit dem Rücktritt von Uwe Barschel 1987, stellte erstmals seit 1983 wieder die stärkste Landtagsfraktion und konnte in einer Koalition mit der SPD wieder Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein übernehmen. Vom 1. März 2005 bis zu seiner Wahl zum Ministerpräsidenten am 27. April 2005 war er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Nach dem Bruch der Großen Koalition und der Entlassung aller SPD-Minister aus der Landesregierung führte er seine Partei in die vorgezogene Landtagswahl 2009. Nach den Querelen in der vergangenen Legislaturperiode erhielt die CDU unter Carstensen bei der Wahl das schlechteste Ergebnis (31,5 Prozent) seit 1950, konnte aber mit der FDP weiterhin die Landesregierung stellen. Am 30. August 2010 stellte das Landesverfassungsgericht jedoch die Verfassungswidrigkeit des Landeswahlgesetzes fest und ordnete eine Neuwahl des Landtages für 2012 an. Daraufhin übergab Carstensen den CDU-Landesvorsitz am 18. September 2010 an den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Christian von Boetticher. Zudem verzichtete Carstensen auf eine erneute Kandidatur für die für den 6. Mai 2012 anberaumte vorzeitige Neuwahl des Landtages. Sein Nachfolger wurde, nachdem es durch die Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2012 zu einem Regierungswechsel gekommen war, Torsten Albig.
Abgeordneter
Ab 1983 war Carstensen Mitglied des Deutschen Bundestages. In der 13. und 14. Wahlperiode (1994 bis 2002) war er hier Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bzw. nach der Umbenennung des Ministeriums 2001 Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Diesem Ausschuss gehörte er auch in der 15. Wahlperiode (2002 bis 2005) als ordentliches Mitglied an. Seit Oktober 2002 war er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Peter Harry Carstensen zog 1998 über die Landesliste Schleswig-Holstein und sonst stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Nordfriesland – Dithmarschen-Nord in den Bundestag ein. Am 20. April 2005 legte Carstensen im Zuge seiner bevorstehenden Wahl zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein sein Bundestagsmandat nieder. Für ihn rückte Carl-Eduard von Bismarck nach.
Von 2005 bis 2012 war er Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein.
Öffentliche Ämter
Bei der Wahl des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein in der konstituierenden Sitzung des Landtages am 17. März 2005 erreichten weder Carstensen noch die Amtsinhaberin Heide Simonis in vier Wahlgängen die erforderliche Mehrheit; die Wahl einer durch den SSW tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung von Heide Simonis mit einer Stimme Mehrheit wäre eigentlich rechnerisch sicher gewesen. Anschließend wurden jedoch zwischen SPD und CDU erfolgreich Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition geführt. Am 27. April 2005 wurde Peter Harry Carstensen schließlich im fünften Wahlgang mit einer Mehrheit von 54 Stimmen (von 59 Stimmen der Großen Koalition) zum neuen Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt.
Vom 1. November 2005 bis 31. Oktober 2006 war Carstensen turnusgemäß Präsident des Bundesrates.
Im Laufe der Legislaturperiode stand die von Carstensen angeführte Koalition mehrmals kurz vor dem Scheitern. Im Herbst 2007 konnte ein Bruch nur durch den Rücktritt des SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner vom Amt des schleswig-holsteinischen Innenministers vermieden werden.[3]
Mitte Juli 2009 beschloss die CDU-Landtagsfraktion auf Vorschlag Carstensens, die Koalition mit der SPD zu beenden und Neuwahlen am 27. September parallel zur Bundestagswahl herbeizuführen. Der Ministerpräsident führte als Grund das verlorengegangene Vertrauen in den Koalitionspartner an. Da die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zur Auflösung des Landtags am Widerstand der SPD scheiterte, stellte Carstensen die Vertrauensfrage, über die am 23. Juli abgestimmt wurde. Die SPD-Fraktion lehnte die Neuwahl-Pläne zwar nicht grundsätzlich ab, hielt aber den Rücktritt Carstensens für den besseren Weg zu diesem Ziel.[4] Die Vertrauensfrage wurde mit 37 der 69 Stimmen der Abgeordneten erwartungsgemäß negativ beantwortet. Die Neuwahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag fanden parallel zur Bundestagswahl am 27. September 2009 statt.[5]
In Konsequenz der gescheiterten Selbstauflösung des Landtages entließ Carstensen am 20. Juli 2009 mit Ablauf des 21. Juli 2009 alle SPD-Minister aus ihren Ämtern in der Landesregierung. Die Leitung der betroffenen Ministerien wurde unter den verbliebenen Kabinettsmitgliedern aufgeteilt, Carstensen selbst übernahm dabei als Nachfolger von Uwe Döring die Zuständigkeit für das Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa.[6]
Nach den Neuwahlen bildete Carstensen eine Koalition mit der FDP. Obwohl die Oppositionsparteien zusammengenommen bei der Wahl mehr Stimmen als die neue Regierung erhalten hatten, wurde dies aufgrund einer rechtlich umstrittenen Verteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten möglich; eine alternative Verteilung hätte CDU und FDP in der Minderheit gesehen. Am 27. Oktober 2009 wurde Carstensen mit 50 von 95 Stimmen als Ministerpräsident wiedergewählt und erhielt damit am Ende eine Stimme mehr, als die neuen Regierungsparteien auf sich vereinen konnten.[7] Später hatte seine Koalition nur eine Mehrheit von einer Stimme.[8] Die Sitzverteilung des Landtags war nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 30. August 2010 nicht rechtmäßig, so dass Neuwahlen bis spätestens zum 30. September 2012 durchgeführt werden mussten. Die Neuwahlen fanden am 6. Mai 2012 statt. Es war bereits das zweite Mal, dass eine Regierung unter Ministerpräsident Carstensen vorzeitig endete.[9]
Carstensen kündigte nach diesem Urteil an, den CDU-Landesvorsitz zum 18. September 2010 abzugeben, und schlug den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Kieler Landtag, Christian von Boetticher als seinen Nachfolger vor. Weiterhin werde er nicht als Spitzenkandidat in die vorgezogene Wahl ziehen.
Im Herbst 2011 übernahm Carstensen den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz. Bei der Landtagswahl vom 6. Mai 2012 erhielt die CDU zwar knapp die meisten Wählerstimmen und exakt gleich viele Mandate wie die SPD. Gleichwohl wählte der Landtag mit Abgeordnetenstimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, SSW und mindestens zwei Abgeordneten aus den Reihen der Opposition (CDU, FDP, PIRATEN) am 12. Juni 2012 Torsten Albig zum Ministerpräsidenten als Nachfolger Carstensens.
Carstensen wurde auf Vorschlag der CDU Mitglied der 16. Bundesversammlung zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2017. Aus persönlichen Gründen verzichtete er jedoch auf eine Teilnahme an der Wahl.[10]
Am 25. Februar 2020 wurde Carstensen von der Bildungsministerin Karin Prien im jüdischen Museum in Rendsburg als Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus vorgestellt.[11]
Gesellschaftliches Engagement
Carstensen ist Schirmherr der schleswig-holsteinischen Initiative Schüler Helfen Leben, der Landesgartenschauen in Schleswig 2008 und Norderstedt 2011 sowie des Familien-Weihnachtsmarktes Santa's Hof 2013, der zugunsten bedürftiger Kinder in Schleswig-Holstein stattfindet. Carstensen ist Sprecher der „Volksinitiative Gottesbezug“.[12][13] Von 2014 bis Juli 2019 war Carstensen Vorsitzender im Kuratorium der Gregor Mendel Stiftung,[14] die den Blick für die gesellschaftliche Bedeutung der Pflanzenforschung und Pflanzenzüchtung schärfen möchte.
Erkenntnisse aus den Paradise Papers
2017 wurde im Rahmen der Paradise Papers bekannt, dass Peter Harry Carstensen 2013 im Firmengeflecht des mit ihm eng befreundeten schwedischen Unternehmers Frederik Paulsen einen vergüteten Direktorenposten erhielt. Dabei handelte es sich um einer von drei Direktoren der Briefkastenfirma Peloponnesus B.V. mit Sitz in den Niederlanden. Carstensen erklärte hierzu schriftlich, er sei hier als nicht-exekutiver Direktor für das Museum Kunst der Westküste tätig. Carstensen zeigte diesen Wechsel in die Wirtschaft nicht wie vorgesehen der Regierung in Schleswig-Holstein an.[15][16][17][18]
Positionierung zum Glücksspiel
Während Carstensens Amtszeit als Ministerpräsident beteiligte sich Schleswig-Holstein als einziges Bundesland nicht am Glücksspielstaatsvertrag,[19] sondern führte stattdessen ein eigenes Gesetz ein.[20] Damit wurde eine landeseigene, legale Möglichkeit des Betriebs von Online-Casinos gegeben.[21]
Später unterstützte Carstensen den Finanzdienstleister Wirecard bei dessen Forderungen, illegale Glücksspielanbieter und deren Zahlungsdienstleister weniger streng zu verfolgen. Der ehemalige Ministerpräsident wurde Wirecard dabei von Beratern der Münchner Anwaltskanzlei Hambach & Hambach empfohlen.[22]
Sonstiges
Am 23. November 2007 war Carstensen in einer Gastrolle in der Fernsehserie Der Landarzt zu sehen.[23]
Ehrungen
- 1996 wurde Carstensen das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
- 2006 wurde er vom Deutschen Brauer-Bund zum Botschafter des Bieres ernannt.
- 2008 erhielt er das Komturkreuz mit dem Stern des Verdienstordens der Republik Ungarn.
- 2013 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen.[24]
- 2013 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel verliehen.[25]
- 2015 wurde er mit der Professor-Niklas-Medaille in Gold ausgezeichnet
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Peter Harry Carstensen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website von Peter Harry Carstensen
- Biographie beim Deutschen Bundestag
- Peter Harry Carstensen im Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein
Einzelnachweise
- ala/ddp/dpa: Peter Harry Carstensen: Heirat in der Friesenstube. In: Focus Online. 31. Dezember 2009, abgerufen am 5. Januar 2017.
- http://www.ln-online.de/regional/2807947 (Link nicht abrufbar)
- FAZ.NET mit dpa: Einig im Zwist. In: FAZ.net. 15. Juli 2009, abgerufen am 5. Januar 2017.
- netzeitung.de: SPD-Vorschlag zu Neuwahlen abgelehnt: Carstensen nennt Rücktrittsforderung «absurd» (Memento vom 19. Juli 2009 im Internet Archive), 17. Juli 2009.
- kg: Schleswig-Holstein: Kieler Landtag entzieht Carstensen das Vertrauen. In: zeit.de. 23. Juli 2009, abgerufen am 5. Januar 2017.
- Ministerpräsident Peter Harry Carstensen entlässt sozialdemokratische Ministerinnen und Minister (Memento vom 19. Juni 2012 im Internet Archive), Pressemitteilung vom 20. Juli 2009.
- n-tv:50 Stimmen für Carstensen
- FAZ.NET mit ddp: Carstensen: Das schweißt zusammen. In: FAZ.net. 22. Januar 2010, abgerufen am 5. Januar 2017.
- Überhangmandate: Verfassungsgericht verordnet Schleswig-Holstein Neuwahl. In: Spiegel Online. 30. August 2010, abgerufen am 5. Januar 2017.
- kev/dpa: Dackel krank – Carstensen kommt nicht zur Bundespräsidentenwahl. In: Spiegel Online. 10. Februar 2017, abgerufen am 12. Februar 2017.
- Landesregierung Schleswig-Holstein: Kultusministerin Karin Prien stellt Peter Harry Carstensen als Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus vor. Prien: „Juden und jüdisches Leben gehören zu Schleswig-Holstein wie Wellen, Wind und Deich“. 25. Februar 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
- „Jeder braucht einen ethischen Kompass“. In: shz.de. 22. Mai 2015, abgerufen am 5. Januar 2017.
- GOTTESBEZUG FÜR TOLERANZ UND VIELFALT. In: kreuz-und-quer.de. 9. Oktober 2015, abgerufen am 5. Januar 2017.
- Leitidee | Gregor Mendel Stiftung. Abgerufen am 28. Juli 2021.
- Wolfgang Schmidt: Carstensens Paradies. In: Welt Online. 11. November 2017, abgerufen am 24. Januar 2021.
- SHZ: Carstensens Paradies. In: SHZ.de. 8. November 2017, abgerufen am 24. Januar 2021.
- sueddeutsche.de 8. November 2017: Hegen und Pflegen. Der CDU-Politiker Peter Harry Carstensen und der Pharma-Unternehmer Frederik Paulsen sind eng miteinander verbandelt. Möglicherweise zu eng.
- Wolfram Hammer und Curd Tönnemann: „Paradise Papers“: Carstensen im Fokus. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland. 9. November 2017, abgerufen am 24. Januar 2021.
- Schleswig-Holstein gegen Glücksspielstaatsvertrag. Auf abendblatt.de vom 6. April 2011, abgerufen am 22. Juni 2021.
- Drucksache 17/1785, Schleswig-Holsteinischer Landtag (PDF; 256 kB), abgerufen am 22. Juni 2021.
- Bernhard Krebs: Ein Mausklick zum Ruin. In junge Welt vom 18. Juni 2021, S. 3 (online auf jungewelt.de, abgerufen am 21. Juni 2021)
- Nord-Politiker lobbyierten für Wirecard. Auf ndr.de vom 28. Januar 2021, abgerufen am 22. Juni 2021.
- IMDb: Der Landarzt – Der Traumprinz
- bundespraesident.de: Verdienstorden für Peter Harry Carstensen abgerufen am 17. März 2013.
- uni-kiel.de: Ehemaliger Ministerpräsident Carstensen erhält Ehrendoktorwürde, abgerufen am 29. November 2013.