Torsten Albig
Torsten Albig (* 25. Mai 1963 in Bremen) ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von 2009 bis 2012 Oberbürgermeister der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel und vom 12. Juni 2012 bis zum 28. Juni 2017 Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Nach der verlorenen Landtagswahl 2017 zog er sich aus der Politik zurück.
Ausbildung
Torsten Albig wuchs in Heiligenhafen (Kreis Ostholstein) und Bielefeld auf.[1] 1982 legte er sein Abitur am Ceciliengymnasium Bielefeld ab. Anschließend begann er, Geschichte und Sozialwissenschaften auf Lehramt an der Universität Bielefeld zu studieren, wechselte jedoch 1984 zu den Rechtswissenschaften. Sein Schwerpunkt lag dabei im Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Arbeitsrecht. Das Assessorexamen legte er 1991 am Oberlandesgericht Düsseldorf ab.
Berufliche Karriere
1992 trat Albig in den höheren Dienst der Steuerverwaltung des Landes Schleswig-Holstein ein. Von 1993 bis 1994 war er stellvertretender Leiter der Landesfinanzschule Schleswig-Holstein in Malente. 1994 wurde er Referent für Finanzen und Steuern in der Vertretung des Landes Schleswig-Holstein beim Bund in Bonn. Von 1996 bis 1998 wurde er für eine Tätigkeit beim SPD-Planungsstab beurlaubt, war dort persönlicher Referent beim damaligen SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine. Von 1998 bis 2001 wirkte er im Leitungsstab des Berliner Bundesministeriums der Finanzen mit und wurde 1998 zugleich Sprecher des BMF und Leiter des Referates Presse und Öffentlichkeitsarbeit. 2001 schied er aus dem Beamtenverhältnis aus und wurde Konzernpressesprecher und Leiter der Presseabteilung der Dresdner Bank AG in Frankfurt am Main.
2002 wurde er Stadtrat für Bürgerangelegenheiten, Ordnung, Personal und Inneres der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, 2003 Stadtkämmerer und 2005 außerdem verantwortlicher Dezernent für die Aufgabenbereiche Abfallwirtschaft und Kultur. Im selben Jahr erfolgte die zusätzliche Übernahme der Funktion des Werkleiters des Abfallwirtschaftsbetriebes Kiel (ABKI). 2004 wurde Albig das Schleswig-Holsteinische Feuerwehrehrenkreuz in Bronze verliehen.
Vom 1. Februar 2006 bis Ende Mai 2009 war Albig Sprecher des SPD-Bundesfinanzministers Peer Steinbrück und Leiter in der Kommunikation des BMF, wurde 2007 zum Ministerialdirigenten und Leiter der Unterabteilung Kommunikation ernannt und übernahm 2008 zusätzlich die Leitung der Abteilung Justitiariat und Service im BMF. Mit dem Sieg bei der Oberbürgermeisterwahl im Frühjahr 2009 in Kiel schied Albig aus dem BMF aus. Von Juni 2009 – Juli 2017 war er als Oberbürgermeister und Ministerpräsident in Kiel tätig.
Nach seinem Ausscheiden aus der Politik 2017 suchte er eine Anstellung in der Wirtschaft[2] und fand diese von Januar 2018 bis Herbst 2021 als Leiter der Unternehmensrepräsentanz der Deutschen Post DHL AG in Brüssel. Seit Oktober 2021 ist Albig Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Postdienstleister e.V. mit Sitz in Bonn und Berlin und darüber hinaus Inhaber seiner Beratungsagentur TAdvisory in Kiel.[3]
Seit 2017 ist Albig stellvertretender Vorsitzender der Jerusalem Foundation Germany.[4]
Im Juni 2019 wurde er in das Kuratorium der Quadriga Hochschule Berlin berufen.[5]
Privatleben
Torsten Albig hat zwei Kinder. Er lebte bis Anfang 2016 mit seiner Familie im Kieler Stadtteil Suchsdorf.[6] Nach der Trennung von seiner Ehefrau zog er mit der Kieler Unternehmerin Bärbel Boy zusammen. Im Oktober 2018 haben beide geheiratet und leben nach fast vier Jahren in Brüssel seit Ende 2021 mit ihren Kindern wieder in Kiel.[7]
Politik
Anfänge
Albig ist seit 1982 Mitglied der SPD. Von 1984 bis 1991 war er Vorsitzender eines Ortsvereins in Bielefeld, von 1992 bis 1994 stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins Lütjenburg im Kreis Plön. 1994 wurde er als Direktkandidat in die Stadtverordnetenversammlung Lütjenburgs gewählt, es folgte die Ernennung zum Stadtrat als Mitglied des Magistrats und Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion.
Im September 2008 wurde Torsten Albig als Kandidat der SPD für die Oberbürgermeister-Direktwahl der Stadt Kiel am 15. März 2009 aufgestellt und in den Kommunalwahlen am 15. März 2009 mit 52,1 Prozent der abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang gegen die Amtsinhaberin Angelika Volquartz (CDU) zum neuen Oberbürgermeister von Kiel gewählt. Er wurde am 11. Juni 2009 vereidigt und trat das Amt am 17. Juni 2009 an.[8]
Als Oberbürgermeister war er gleichzeitig Verwaltungsratsvorsitzender der Förde Sparkasse.[9]
Am 8. Februar 2010 veröffentlichte Albig zusammen mit dem damaligen Kieler SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels, dem Kieler SPD-Landtagsabgeordneten Rolf Fischer und der SPD-Ratsfrau Gesa Langfeldt ein Papier mit dem Namen „Stadt statt Staat“.[10] Darin fordern die Unterzeichner eine Ausrichtung der Finanzpolitik an den Bedürfnissen der Kommunen. In der Medienöffentlichkeit[11][12][13][14][15][16][17][18] vertrat vor allem Torsten Albig diese Forderungen.
Anfang September 2010 erklärte Torsten Albig seine Bereitschaft für die Spitzenkandidatur der SPD zu den Neuwahlen des Landtages in Schleswig-Holstein. In einer Mitgliederbefragung setzte sich Albig mit 57,22 % der Stimmen unter anderem gegen den Landes- und Fraktionsvorsitzenden der SPD Schleswig-Holstein Ralf Stegner durch, der 32,15 % der abgegebenen Stimmen erhielt.[19]
Landtagswahl 2012
Auf dem Landesparteitag der schleswig-holsteinischen SPD in Lübeck am 3. Februar 2012 wurde Albig mit 96,7 %[20] zum Spitzenkandidaten gewählt. Er erhielt 188 von 194 möglichen Stimmen.
Albig, der in keinem Wahlkreis als Bewerber antrat, zog über Listenplatz 1 der SPD-Landesliste in den Schleswig-Holsteinischen Landtag ein. Das Amt als Oberbürgermeister der Stadt Kiel legte er nieder;[21] Nachfolgerin im Amt wurde bei der Folgewahl Susanne Gaschke.
Unter Albigs Spitzenkandidatur legte die SPD im Land um fünf Prozentpunkte zu, lag mit 30,4 Prozent der Stimmen aber knapp hinter der CDU, die auf 30,8 Prozent kam. Da die FDP von 14,9 auf 8,2 Prozent abfiel, verfehlte die schwarz-gelbe Koalition ihre bisherige Mehrheit. Aufgrund des Einzugs der Piratenpartei (8,2 Prozent) reichte es auch nicht für eine rot-grüne Mehrheit. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der SSW kamen jedoch rechnerisch auf eine Mehrheit von 35 der 69 Stimmen und bildeten in der Folge eine Koalition. Nach Abschluss der Koalitionsgespräche wählte der Landtag Albig am 12. Juni 2012 zum Ministerpräsidenten. Albig erhielt dabei mit 37 Stimmen auch mindestens zwei Stimmen der Opposition.
Zeit als Ministerpräsident
Im April 2014 äußerte Albig, der sich zuvor gegen eine Pkw-Maut ausgesprochen hatte, die selbst in der eigenen Fraktion auf deutlichen Widerspruch stoßende Ansicht, von allen Autofahrern solle eine Sonderabgabe von etwa 100 Euro für den Erhalt und die Wartung von Straßen und Brücken gefordert werden.[22]
Im Juli 2015 bezweifelte Albig im Sommerinterview des NDR, dass für mögliche SPD-Kandidaten im nächsten Wahlkampf „die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist“. Mit Bezug auf Angela Merkel führte er weiter aus: „Ich glaube, sie macht das ganz ausgezeichnet – sie ist eine gute Kanzlerin.“[23]
Landtagswahl 2017
Für die Landtagswahl 2017 bewarb sich der Ministerpräsident um die SPD-Kandidatur im Wahlkreis Kiel-Nord als Nachfolger von Rolf Fischer. In der Nominierungskonferenz am 2. Juli 2016 setzte er sich mit 100 zu 60 Stimmen (62,5 %) gegen die Mitbewerberin Gesine Stück durch. Im Vorfeld der Nominierung löste seine Ablehnung gemeinsamer Vorstellungsrunden in den Ortsvereinen Unmut aus.[24]
Auf dem SPD-Landesparteitag am 26. November 2016 wurde Albig von den rund 200 Delegierten per Akklamation erneut zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2017 nominiert.[25]
Bei dieser gelang es ihm zwar, mit 37,9 % der Stimmen das Direktmandat im Landtagswahlkreis Kiel-Nord zu erringen; gleichzeitig verschlechterte sich landesweit das Zweitstimmenergebnis der SPD verglichen mit der Wahl 2012 um 3,2 Prozentpunkte auf 27,2 %.[26] Seine Partei hatte damit faktisch keine Möglichkeit mehr, an der Regierung beteiligt zu sein. Der Stimmenrückgang wurde zu großen Teilen Albig persönlich angelastet. Im Wahlkampf hatte er der Zeitschrift BUNTE ein Interview gegeben, aus dessen Kontext ihm mit großem Medienecho ein altertümliches Frauenbild zum Vorwurf gemacht wurde.[27] Einen Rücktritt lehnte er zunächst ab,[28] gab dann am 16. Mai 2017 bekannt, sein Landtagsmandat nicht anzutreten und sich aus der Politik zurückzuziehen.[29] Als sein Nachfolger im Landtagsmandat wurde über die Landesliste der SPD-Kandidat Tobias von Pein festgestellt. Albigs letztes Interview erschien am 15. Dezember 2017 in der Flensborg Avis.
Weblinks
- Abgeordnetenseite auf der Homepage des Landtages von Schleswig-Holstein für die 18. Wahlperiode
- Website von Torsten Albig
- Im Porträt: Torsten Albig. Eigener Kopf. In: FAZ. 17. März 2009.
- AFP, dpa: Ein nüchterner Realpolitiker als neuer SPD-Spitzenkandidat. In: Zeit online. 27. Februar 2011.
Einzelnachweise
- Frank Pergande: Wenn der Himmel runterfällt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Mai 2017, abgerufen am 25. August 2021.
- in einem Interview mit dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND), verbreitet z. B. über https://www.shz.de/17810406 und Wolfram Hammer: Albig auf Jobsuche: Ex-MP bietet sich der Wirtschaft an. In: Lübecker Nachrichten. 12. Dezember 2017, S. 1.
- Lübecker Nachrichten vom 6. Dezember 2017 (Memento vom 6. Dezember 2017 im Internet Archive)
- Howe, Albig und Amberg neu im Kuratorium der Quadriga Hochschule
- Turbulente Tage für Torsten Albig
- Torsten Albig hat sich von seiner Frau getrennt. In: shz.de, abgerufen am 14. Januar 2016
- OB-Wahl: Torsten Albig erobert das Kieler Rathaus. In: Kieler Nachrichten vom 16. März 2009.
- Der Vorstand Förde Sparkasse. foerde-sparkasse.de, abgerufen am 23. Juli 2015.
- Stadt statt Staat (PDF; 33 kB).
- DER SPIEGEL 11/2010: „Herr der Schlaglöcher“
- SWR2 Forum Verschuldete Kommunen „Defektes System, fehlender Realitätssinn“ – 20. Mai 2010
- Süddeutsche Zeitung, 10. Mai 2010 „Defektes System, fehlender Realitätssinn“
- Deutschlandradio Kultur, 21. April 2010 Albig: Steuerpläne sind „Absurdistan“
- Wirtschaftswoche, 11. Mai 2010 Das Für und Wider der Steuerreform
- Hamburger Abendblatt, 15. Dezember 2009 Kieler Bürgermeister kritisiert Ansehen der Städte
- DIE WELT, 15. Februar 2010 „Wir sind die Mitte unseres Landes“
- Merkels schöne Steuer-Bescherung – bezahlt wird nach dem Fest? Anne Will, 13. Dezember 2009. Archiviert vom Original am 18. März 2010; abgerufen am 26. Mai 2013.
- Albig ersetzt Stegner, Artikel auf sueddeutsche.de, abgerufen am 28. Februar 2010
- Torsten Albig mit rund 97 % zum Spitzenkandidaten der SPD gewählt. Archiviert vom Original am 9. Februar 2012; abgerufen am 4. Februar 2012.
- Martina Drexler: Letzter Tag im Traumjob. In: Kieler Nachrichten. 29. Mai 2012, archiviert vom Original am 16. Januar 2016; abgerufen am 16. Januar 2016.
- zeit.de: „SPD-Fraktion kritisiert Albigs Vorschlag einer Sonderabgabe“, abgerufen am 21. April 2014
- zeit.de: „SPD-Ministerpräsident stellt eigenen Kanzlerkandidaten infrage“, abgerufen am 23. Juli 2015
- Kieler Nachrichten, 29. April 2016
- Hamburger Abendblatt: „SPD nominiert Ministerpräsident Albig zum Spitzenkandidaten“, abgerufen am 29. November 2016
- Landeswahlleiter des Landes Schleswig-Holstein: Vorläufige Wahlergebnisse der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2017. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, 8. Mai 2017, abgerufen am 9. Mai 2017.
- Torsten Albig: Das verhängnisvolle Bunte-Interview - manager magazin. In: manager magazin. (manager-magazin.de [abgerufen am 9. Mai 2017]).
- Nach Wahlniederlage – Torsten Albig denkt nicht an Rücktritt. In: kn-online.de. Abgerufen am 9. Mai 2017.
- Torsten Albig zieht sich aus der Politik zurück. Welt Online, 16. Mai 2017.