Museum der Völker
Das Museum der Völker in Schwaz, Tirol, wurde 1995 als Kulturverein Haus der Völker von Gert Chesi gegründet und zählt zu den europäischen Museen mit ethnographischen Sammlungen, den früher so genannten Völkerkundemuseen. Nach einem Neu- und Umbau wurde das Museum mit einer Ausstellungsfläche von ca. 1000 m² unter dem Namen Museum der Völker am 12. April 2013 wieder eröffnet.[1]
Daten | |
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Ort | St. Martin 16, 6130 Schwaz, Tirol |
Art |
Ethnologisches Museum |
Geschichte
Gert Chesi, Journalist, Fotograf, Sammler, Autor und Filmemacher, hatte im Zeitraum von fünfzig Jahren eine große Sammlung von Exponaten aus Westafrika und Südostasien zusammen getragen.[2][3] Ein Teil dieser Sammlung wurde zur Basis des Museumsbetriebs.
Zwischen 1995 und 2016 waren neben einer stetig anwachsenden Schausammlung 71 Sonderausstellungen zu sehen.
2016 übergab Gert Chesi, nachdem schon 2008 ein großer Teil der Sammlung an die Hanns Schell Collection nach Graz verkauft wurde,[4] ca. 1000 Objekte der Stadt Schwaz als Schenkung[5] und zog sich aus dem Museumsbetrieb zurück. Die Stadt Schwaz verpflichtete sich im Gegenzug dazu, das Museum weiter zu betreiben, bzw. den Kulturverein[6] weiterhin zu unterstützen.
Kulturverein
Der gleichnamige Kulturverein[6] führt nicht nur den Ausstellungsbetrieb, sondern veranstaltet unter anderem Lesungen, Dokumentationen und Filmvorführungen ebenso, wie Integration und Migration unterstützende Deutschkurse oder interkulturelle Diskussionen.
2017 bestellte der Kulturverein Lisa Noggler-Gürtler[7] als Direktorin und Kuratorin für das Museum der Völker.
Das Museum im 21. Jahrhundert
Unter neuer Leitung werden seit 2017 die Aufgaben eines Museums stark wahrgenommen: digitale Sammlungsinventarisierung, Provenienzforschung, starke Ausrichtung auf Vermittlung, neue Wege in der Ausstellungsprogrammierung. Das Museum der Völker ist in den letzten Jahren in Bezug auf die Ausstellungen und die Auseinandersetzung mit den Sammlungsobjekten vielstimmiger geworden. Es sieht sich im Zuge der aktiven Provenienzforschung verpflichtet, auch die Herkunft der Sammlung zu erforschen.
Herkunftsgesellschaften werden – wenn möglich – in die Museums- und Ausstellungsarbeit mit einbezogen und die Vernetzung mit nationalen und internationalen Forschungen zu Objekten ethnografischer Herkunft intensiviert. Die Gestaltung von Ausstellungen erarbeiten häufig angehende Szenografinnen und Szenografen des Instituts für Gestaltung der Universität Innsbruck.
Sammlung
Der Kulturverein Museum der Völker beherbergt, verwaltet, bewahrt, erforscht und zeigt Alltagsgegenstände, Ritual- und Kunstobjekte vor allem aus Westafrika und aus Südostasien – die ältesten Objekte sind etwa 4.000 Jahre alt.
In der Sammlung befinden sich unter anderem Buddha-Darstellungen aus Myanmar und Thailand sowie verschiedene Skulpturen der Khmer, aus Südostasien und Indien, Figuren aus dem Hinduismus sowie verschiedene Objekte aus Indonesien (Ahnenfiguren, Architekturelemente, Marionetten).
Ein weiterer Teil der Sammlung besteht aus westafrikanischen Objekten, vor allem aus Nigeria (Objekte der Yoruba; Zwillingsfiguren; Fragmente, die der sogenannten Nok-Kultur[8][9] zugeschrieben werden, …) und Togo (z. B. Voodoo-Objekte). Auch hier sind viele historische Objekte vorhanden, doch ein großer Teil besteht aus Schnitzereien und Skulpturen zeitgenössischer westafrikanischer Künstler. Neben vielen namentlich nicht bekannten Personen sind beispielsweise Werke von Michel Komlan[10] oder Adima Kokou[11] Teil der Sammlung.
Die Sammlung wächst nach wie vor – insbesondere durch private Schenkungen von Objekten aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die im Zuge von Reisen in den Familienbesitz gelangten. So erweiterte sich die Sammlung des Museum der Völker auf eine weitere Region: Mittel- und Ostafrika, speziell v. a. auf Alltagsobjekte, Kunstwerke und religiöse Gegenstände aus Äthiopien.
Die permanente Ausstellung im Asien-Saal Zwischen Himmel und Erde thematisiert Buddhismus und Hinduismus ausgehend von der im Westen stark zugenommenen Faszination fernöstlicher Philosophien, Rituale, Meditationspraxen.
Die beiden anderen Stockwerke werden halbjährlich mit Sonderausstellungen bespielt.
Im Jahr 2020 wurde das 25-jährige Bestehen des Hauses und das Wirken des Sammlers, Fotografen, Filmemachers und Autors Gert Chesi im Rahmen der Sonderausstellung 25 Jahre Museum der Völker gewürdigt: „Vom Sammeln zum Vermitteln, vom Staunen zum Erkennen, vom Anderen zum Eigenen“ thematisiert die Geschichte des Hauses von der Gründung eines Ausstellungsraumes für ursprünglich private Sammlungen und Ausstellungen hin zu einem Museum, das sich Fragen des 21. Jahrhunderts – wie Rassismus, Dekolonialisierung, Folgen der Klimaerwärmung und der Provenienz von Artefakten – widmet.
Ausstellungen (Auswahl)
- 2010: Schätze aus dem Depot[12]
- 2010: Textile Kunst aus Afrika[13]
- 2010: Das Erbe Chinas
- 2011: Feuer und Erz – Schmiede und Gießer in Afrika[14]
- 2011: Afrikas Moderne im Spiegel der Generationen[15]
- 2011: Wohnen mit den Ahnen[16]
- 2011: Jubiläumsausstellung 15 Jahre Haus der Völker[17]
- 2012: Magische Stoffe – gewobene Träume – Kunstvolle Textilien aus Indonesien[18]
- 2013: Sangomas – Traditionelle Heiler Südafrikas, Fotografien von Peter Frank[19]
- 2013: Geistermasken aus Thailand[20]
- 2013: Afrika heute!
- 2014: Faces of Africa – Fotografien von Mario Marino[21]
- 2014: Söhne und Töchter des Windes – Die letzten Nomaden Afrikas, Fotografien von Mario Gerth[22]
- 2014: Kunst und Magie in Silber und Seide – Schmuck und Textilien chinesischer Bergvölker[23]
- 2014: Dogon, Kunst und Mythos in Zusammenarbeit mit Jan Baptist Bedaux[24]
- 2015: Tanzende Schatten – Marionetten, Puppen und Masken aus Asien[25]
- 2015: Burma – Meisterwerke des Buddhismus[26]
- 2015: Susanne Wenger – Ein Leben mit den Göttern[27]
- 2015: Zauber der Weltkulturen – 20 Jahre Museum der Völker[28]
- 2015: Das Gedächtnis der Steine – Seltene Steinreliefs und Figuren aus Asien[29]
- 2016: Das Böse – Exponate aus Schwarzmagischen Kreisen[30]
- 2016: Indien im Bild – Fotografien von Gert Chesi[31]
- 2016: Yoruba – Meisterwerke einer Afrikanischen Hochkultur[32]
- 2016: Gladys – Der Maler und seine Geister – Zeitgenössische Malerei aus Benin[33]
- 2016: Das geheime Kamerun – Fotografien von Henning Christoph[34]
- 2016: Afrika im Gewand – Bunte Textilvielfalt eines Kontinents[35]
- 2016/2017: Indonesien – Kunst und Kult vom Inselreich
- 2016/2017: Bali – Insel der Götter
- 9. Sep. 2017 – 11. März 2018: Leon Pollux "Menschen"
- 17. März 2018: Unvergessen machen
- 5. Mai 2018 – 18. Nov. 2018: Maasai – Baumeisterinnen aus Ololosokwan
- 22. Juni 2018 – 18. Nov. 2018: Schulprojekt und Ausstellung "Mein, dein, unser Raum"
- 2018 Sonderausstellung "Ungeheuer Wild"
- 2019 Dauerausstellung "Zwischen Himmel und Erde"
- 2019 Sonderausstellung "Richtig guter Stoff"
- 2020 Sonderausstellung "Erinnerungen an Äthiopien" im 1. OG
- 2020 Jubiläumsausstellung im 2. OG
- seit Juni 2021 Weltbilder erzählen, im 1. OG, voraussichtlich bis März 2022
- 2021 Sagenhaft - Bathic by Rosemarie Sternagl[36]
Dokumentarfilme
Die von Gert Chesi gedrehten Dokumentarfilme sind heute eine wesentliche Quelle für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung in Bezug auf die Haltung Gert Chesis zu Herkunftsgesellschaften, Interpretation und Objektauswahl.
Auszeichnungen
- 1999 Tiroler Museumspreis.[37]
- 1999 Österreichischer Museumspreis Anerkennungspreis[38]
- 2014 Österreichisches Museumsgütesiegel durch ICOM Österreich[39] auf der Basis der „Code of Ethics – Kodex der Berufsethik des Museumswesens“
Literatur
- Gert Chesis Publikationen werden dem Museumsbesucher in einer „offenen“ Bibliothek ebenso zugänglich gemacht, wie in Summe ca. 1200 Bücher, Bildbände, Ausstellungskataloge und Fachzeitschriften zu Themen wie Kunst, Kultur, Religionen und Ethnologie aus allen Erdgegenden. Vor Ort bietet sich dem interessierten Besucher im integrierten Museumscafè die Gelegenheit zum Schmökern.
- Das Magazin A4 erschien zwischen 2005 und 2013 als erstes deutschsprachiges Magazin, das sich mit außereuropäischer Kunst und Kultur befasste. Der Titel des Magazins, A4, bezieht sich auf die vier Kontinente Australien, Asien, Afrika und Amerika. Herausgeber waren im Rahmen des Verlags Haus der Völker Gert Chesi und Gerhard Merzeder. Der Verlag Haus der Völker ist seit Ende 2016 nicht mehr dem Museum der Völker zugehörig.
Weblinks
Einzelnachweise
- Neues „Museum der Völker“ eröffnet. 12. April 2013, abgerufen am 12. November 2020.
- Darnhofer Deborah: Trotz 40 Jahren Erfahrung noch immer ein Lernender. 26. Mai 2012, abgerufen am 12. November 2020.
- 15 04 2013 um 16:53 von Edith Schlocker: Mitten in Tirol: Asien und Afrika. 15. April 2013, abgerufen am 12. November 2020.
- Ein großzügiges Geschenk mit vielen Verpflichtungen, auf tt.com, abgerufen am 15. Dezember 2020
- Schwaz erhält Afrika-Sammlung. 12. Dezember 2016, abgerufen am 12. November 2020.
- Museum der Völker Kulturverein aus Schwaz. Abgerufen am 12. November 2020.
- Tirol: Antrittsbesuch von Lisa Noggler-Gürtler im Landhaus | Regionews.at. Abgerufen am 8. November 2020.
- Frankfurter Rundschau 23. August 2008
- ORF 12. April 2013
- Laudongasse 40: Neue Kunst aus Afrika. Abgerufen am 14. Dezember 2020.
- Kokou, Adima. Abgerufen am 14. Dezember 2020.
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Tirol Infos, abgerufen 19. August 2014
- Tiroler Tageszeitung 24. Januar 2012
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Kultur Tirol, abgerufen 19. August 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Tiroler Bezirksblätter Schwaz März 2014
- Tiroler Tageszeitung 4. August 2014
- Tiroler Tageszeitung 26. Mai 2014
- Tiroler Tageszeitung 21. Oktober 2014
- Bezirksblätter 7. Februar 2015
- Tiroler Tageszeitung 20. April 2015
- Tiroler Tageszeitung 17. Juni 2015
- Bezirksblätter 13. August 2015
- Bezirksblätter 7. November 2015
- Tiroler Tageszeitung 18. Januar 2016
- Bezirksblätter 9. März 2016
- Museum der Völker 7. Mai 2016
- Bezirksblätter 26. Juni 2016
- Bezirksblätter 3. September 2016
- Bezirksblätter 16. September 2016
- Sternagl Rosemarie – Tiroler Künstlerschaft. In: www.kuenstlerschaft.at. Abgerufen am 16. Januar 2022.
- Liste Museumsauszeichnungen Tirol Stand 2014 (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive)
- Anerkennungspreis Österreich 1999 (Memento vom 21. Oktober 2014 im Internet Archive)
- Österreichisches Museumsgütesiegel 2014