Mountainbike
Ein Mountainbike (MTB, englisch für Bergfahrrad) oder All-Terrain-Bike (ATB) für Geländefahrrad ist ein Fahrrad, das besonders auf den Einsatz abseits befestigter Straßen ausgerichtet ist. Grundsätzlich ist das Geländerad ebenso wie das Rennrad eher Sportgerät als Verkehrsmittel, weshalb es üblicherweise nicht mit den von der in Deutschland geltenden Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geforderten Komponenten (wie Beleuchtung, Klingel und Rückstrahler) ausgestattet ist.
Geschichte
Die frühen Jahre
Auch wenn es schon frühere Ansätze gegeben hat, Fahrräder robuster und geländetauglicher zu machen, wird heute allgemein das Jahr 1973 als die Geburtsstunde und der Mount Tamalpais in Marin County, Kalifornien, als der Geburtsort des Mountainbikes angesehen. Die ersten Mountainbikes waren Fahrräder des Typs „Schwinn Cruiser“, die von einer Gruppe von Radsportlern um Gary Fisher, Joe Breeze und Charles Kelly benutzt wurden, um die Schotterpisten am Mount Tamalpais hinunterzurasen. Die aus den 1930er Jahren stammenden Cruiser des Herstellers Schwinn waren – wie der Name schon vermuten lässt – alles andere als Sportfahrräder, sondern vielmehr für das gemütliche Dahinrollen („cruisen“) ausgelegt. Die Schwinn Cruiser waren stabil gebaut und hatten dicke Ballonreifen auf 26-Zoll-Felgen, womit sie für die schnellen Abfahrten über die Schotterpisten des Mount Tamalpais weit besser geeignet waren als die leichten Rennräder, die damals der einzige Typ von Fahrrädern für sportliche Zwecke waren. Die Schwinn Cruiser waren sehr schwere Fahrräder, weshalb sie von Gary Fisher, Joe Breeze und den anderen Fahrern auch tatsächlich nur für Abfahrten benutzt wurden. Die ersten Mountainbiker waren also reine „Downhiller“.[1]
Erste regelmäßige Mountainbike-Rennen gab es ab 1976 und sie wurden ebenfalls von der oben erwähnten Gruppe am Mount Tamalpais ausgerichtet. Diese Rennen gaben den Anstoß für eine ganze Reihe von technischen Modifikationen, die den Anfang der Entwicklung zur heutigen Mountainbike-Technik darstellen. Auf der Suche nach belastbareren Teilen bedienten sich die frühen Mountainbiker an Motorradteilen, etwa Lenkern und Bremsen.
Das erste Mountainbike
Das erste „echte“ Mountainbike hat Joe Breeze 1977 für Charles Kelly hergestellt. Auch wenn sich Breeze dabei hinsichtlich der Rahmengeometrie stark an den Cruisern orientierte, war es das erste Mountainbike, das nicht ein nachträglich für den Einsatz als Mountainbike umgerüsteter Cruiser war und komplett aus neuen Komponenten aufgebaut war.[2][3]
Zwei Jahre später stieß Tom Ritchey zu der Gruppe und fertigte weitere Rahmen, zunächst in Eigenregie, später für Gary Fisher. Die Rahmen unterschieden sich von den bisherigen Modellen durch eine tourentauglichere Geometrie, die sich auch für das Bergauf-Fahren eignete. Zu dieser Zeit entstand auch der Begriff „Mountainbike“: Ein Kunde in Ritcheys Verkaufsraum zeigte auf das Rad mit den dicken Reifen und meinte „Hey, das ist ein Mountainbike“. Ritchey gefiel die Bezeichnung und er entschloss sich, die von ihm gebauten Räder fortan unter dem Markennamen „Ritchey-Mountainbike“ zu vertreiben.[4] In der Folge übernahmen Gary Fisher und Charles Kelly den Aufbau der von Tom Ritchey gefertigten Rahmen zu vollständigen Mountainbikes und den Vertrieb dieser Räder. Gary Fisher war auch der erste, der eine moderne Gangschaltung an eines der alten Bikes baute. Er führte die Daumenschaltung und den Schnellspanner am Sattel ein. Das war eine große Hilfe, denn die Fahrer der ersten Stunde stellten ihren Sattel ganz nach unten, wenn sie Abfahrtsstrecken in den Pedalen stehend hinunterrasten. Zu den ersten Herstellern im noch jungen Markt gehörten – außer Ritchey und SunTour – auch Shimano (Komponenten) und Specialized (Kompletträder).
Es entstanden viele kleine Hersteller, die heute weitgehend wieder vom Markt verschwunden sind:
- Tom Ritchey mit den zweiten (nach Joe Breezes „Breezer“) speziell fürs Mountainbiken gebauten Rahmen aus Stahlrohren. Mit dem Aufkommen der Aluminium-Rahmen verringerte er mit selbstentwickelten und vom japanischen Hersteller Tange hergestellten Rohrsätzen das Gewicht seiner Stahlrahmen immer weiter.
- Charles 'Charlie' Cunningham, Mitbegründer und -eigentümer von Wilderness Trailbikes (WTB), mit einem der ersten Aluminium-MTB-Rahmen.
- Keith Bontrager mit vielen Detaillösungen und Gabelkonstruktionen.
Entwicklung zu einer globalen Industrie
In den 1980er Jahren erfuhr das Mountainbiken ein starkes Wachstum. Es fand überall auf der Welt Verbreitung und wurde auch in Europa so populär, dass die Verkaufszahlen der Mountainbikes die aller anderen Fahrradtypen überflügelten. Die Rahmen wurden weiterentwickelt, indem neben den dünnwandigen Stahlrohren alternative Materialien wie Aluminium, Titan und später auch Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff („Carbon“) verwendet wurden. Die Ausstattungskomponenten wurden ebenfalls weiterentwickelt, vor allem von den japanischen Herstellern Shimano und SunTour mit Rasterschaltung, Lenker-Schalthebeln, ovalen Biopace-Kettenblättern und Cantilever-Bremsen.
Mit zunehmender Verbreitung und Nachfrage stiegen zum einen etablierte Fahrradhersteller in die Mountainbikefertigung ein, zum anderen wuchsen einige bisherige Kleinserien-Hersteller zu Massenherstellern. Zu den Vorreitern in der Mountainbike-Massenfertigung gehörten unter anderem:
- Specialized als erster Großserienhersteller überhaupt
- Cannondale als erster Großserienhersteller von Aluminiumfahrrädern
Anfang der 1990er Jahre begannen die Hersteller ihre Fertigung nach Japan und kurze Zeit später nach Taiwan auszulagern. Mitte der 1990er hatten sich die taiwanischen Hersteller so weit etabliert, dass sie unter eigenem Namen in den Markt traten und qualitativ hochwertige Rahmen und Komponenten zu vergleichsweise niedrigen Preisen anbieten konnten.
Trotz der großen Konkurrenz aus Asien halten sich heute noch einige kleinere Betriebe im Markt, die sich meist auf Kleinserien und Maßanfertigungen spezialisiert haben und in der Regel teurer als die großen Herstellern anbieten.
Außer den Rahmenbauern gibt es – auch im deutschsprachigen Raum – Firmen, die sich auf einzelne Komponenten spezialisiert haben, mit denen sich Mountainbikes selbst aufbauen oder nachrüsten lassen oder die Verschleiß unterliegen und ersetzt werden müssen, wie bspw. die Kette oder die Kettenblätter.
Viele Bauteile moderner Fahrräder aller Typen wurden ursprünglich für den Mountainbikesport entwickelt oder dort weiterentwickelt. Zu erwähnen sind hier insbesondere V-Bremsen, Scheibenbremsen, Federgabeln, Hinterbaufederungen und Nabenschaltungen. Die aus dem Motocross bekannten Federgabeln setzten sich zuerst bei den extremen Downhillfahrern durch. Heute gehört im Downhill- und Freeridebereich auch eine Hinterbaufederung zum Standard. Auch für Cross-Country werden heute vollgefederte Räder angeboten. Im Jahr 2010 wurde von Endorfin das erste Mountainbike mit einem 18-Gang-Pinion-Getriebe auf der Fahrradmesse Eurobike vorgestellt.
Tourenrad
Die frühen, noch allgemein auf Robustheit konzipierten, Mountainbikes[5][6] haben sich auch als gut tauglich für Radreisen, im Gebirge wie im Flachland, erwiesen. Dies bot sich einerseits an, um schweres Gepäck zu transportieren, andererseits eigneten sich die Räder auf Grund ihrer Offroad-Tauglichkeit. Dazu wurden sie mit geänderten Schaltungen, Gepäckträgern und straßenverkehrstauglich umgerüstet. Sie knüpften damit an die Tradition der schweren aber „unkaputtbaren“ Fahrräder des frühen 20. Jahrhunderts an, wie sie im Militärfahrrad ihre Hochblüte fanden. Mit dem Populärwerden der Fern-Radtouren wie auch der Entwicklung des spezialisierten Mountainbike-Sports begann sich seit den 1980er Jahren das Tourenrad (Trekking-Rad, zu Trekking ‚Fernwandern‘) als eigenständige Bauform neben dem Mountainbike zu entwickeln. Zu seinen Eigenheiten gehört, dass auch eine stabile Damenrad-Variante entwickelt wurde. Unter Trekkingrad versteht man aber heute allgemeine hochwertigere Alltags- bis Freizeiträder mit 28″-Rädern,[6] Räder für längere Touren mit Fokus auf Belastbarkeit wie auch Fahrkomfort werden heute – seien sie umgerüstete Mountainbikes, Trekkingräder oder Spezialanfertigungen – als Reiserad bezeichnet.[6][7]
Die Trekkingräder wurden dann auch zunehmend als Gebrauchsrad im Alltag angenommen, besonders ab den 1990ern, als für junge Stadtmenschen der prinzipielle Autoverzicht zum Thema wurde. Vorteilhaft waren die Allwetterauglichkeit, was auch das Fahren in der Wintersaison erleichtert, und die Gepäcktauglichkeit, sowohl zum reinen Einkaufen wie im ebenfalls zu dieser Zeit entstehenden Radkurierdienst (der damit von der Expresszustellung, für die Rennräder gut geeignet sind, auch auf Lastentransport ausgeweitet wurde – in diese Zeit fällt auch die Verbreitung der Fahrradanhänger, für die sich umgerüstete Mountainbikes ebenfalls als Zugfahrzeug besonders eigneten). Die niedrigen Geländeübersetzungen sind auch im städtischen Stop-and-go-Verkehr hilfreich, und die Breitbereifung insbesondere in Städten mit Katzenkopfpflaster oder Straßenbahnschienen (für schmale, frühere Bereifung eine wirkliche Gefahrenquelle). Daraus entwickelte sich das Citybike, heute meist Unisex mit Wave-Rahmen.[8]
Die gemeinsame Herkunft ist daran zu sehen, dass man unter „Tourenrad“ im Deutschen heute primär das auf Komfort ausgelegte Citybike und Allzweckräder versteht, nicht die auf Einsatz für Offroad- und Ferntouren ausgelegten Trekking- und Reiseräder.[6] Alle diese Abgrenzungen wandeln sich aber mit Entwicklung neuer Technologien (wie Stoßdämpfern, Scheibenbremsen, elektrischem Antrieb) laufend. Unter den Begriff des Mountainbikes im Sinne des Sportgerätes fallen diese Gebrauchsräder heute nicht mehr. Sie übernehmen aber die Innovationen, die meist bei den Sporträdern entwickelt werden.[5]
Eine moderne Mischform aus Mountainbike und Citybike ist das Urbanbike als Freizeitsportgerät.[9] Die Spielart des Trekkingrads, die sich wieder dem Mountainbike annähert, nennt man auch Crossrad[10] (nicht zu verwechseln mit dem Renngerät des Radcross).
Besondere Ereignisse
- 1981: Der Hersteller Specialized bringt mit dem Modell Stumpjumper das erste in Großserie produzierte Mountainbike auf den Markt.[11]
- 1982: Der japanische Komponentenhersteller Shimano präsentiert unter dem Namen Deore die erste vollständige Mountainbike-Komponentenserie.
- 1988: In Crans-Montana findet die erste Mountainbike-Weltmeisterschaft statt.[12]
- 1990: Bei den Mountainbike-Weltmeisterschaften in Durango, Colorado wird der Amerikaner Ned Overend erster offizieller Titelträger.[13]
- 1990: Erste deutsche Meisterschaften in Kirchzarten im Schwarzwald.
- 1996: Bei den Olympischen Spielen in Atlanta wird Mountainbiking (Cross-Country) erstmals als olympische Disziplin ausgetragen.[14] Olympiasieger werden der Niederländer Bart Brentjens und Paola Pezzo aus Italien.[15]
- 1999: Die ersten World Games of Mountainbiking finden statt.
- 2012: Die ersten 24h-MTB-Meisterschaften werden unter der Leitung der WEMBO (World Endurance Mountain Bike Organisation)[16] in Finale Ligure ausgetragen.[17]
Technik
Typische Merkmale eines Mountainbikes sind breite, meist grobstollige Reifen. Der ursprüngliche Felgendurchmesser von 559 Millimetern (Reifendurchmesser 26") wird zunehmend durch 622 mm (Reifendurchmesser 29") sowie 584 mm (Reifendurchmesser 27,5") verdrängt. Ebenfalls typisch sind Kettenschaltungen mit meist 21 bis 30 Gängen, vereinzelt sind Nabenschaltungen mit breiterer Entfaltung anzutreffen. Gängige Übersetzungen bei Dreifach-Kettenblättern vorn sind 44/32/22 bis 46/36/26 und hinten 11 bis 32, 34 oder 36 bei 7 bis 10 Zahnkränzen, womit Mountainbikes kleiner übersetzt sind als Rennräder. Neuerdings werden Mountainbikes auch mit 1 × 11 oder 1 × 12 Schaltungen ausgestattet, was Masse und Wartungsaufwand reduziert.
Mountainbikes haben im Vergleich zu Holland-, Touren- oder Rennrädern relativ kleine Rahmen (Rahmenhöhe etwa 10 cm niedriger als bei einem vergleichbaren Rennrad), oft mit nach hinten abfallendem Oberrohr. Durch kürzere Rohre mit größeren Querschnitten erhöhen sich Festigkeit und Steifigkeit. Insbesondere Aluminium- und Carbonrahmen haben in der Regel große Rohrdurchmesser. Als Rahmenwerkstoff werden heute vorwiegend Aluminiumlegierungen verwendet. Vermehrt werden aus Gewichtsgründen auch Rahmen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (KFK) gefertigt. Stahl wird mittlerweile nur noch selten verwendet, noch seltener Titan. Stahlrahmen sind gegenüber Aluminium oft weniger steif, was sich jedoch weniger bemerkbar macht als bei Rennrädern, da die breiten Reifen der Mountainbikes bereits die meisten Stöße abfedern.
Hersteller von hochwertigen Mountainbikerahmen verzichten inzwischen teilweise auf Cantileversockel zur Befestigung von Cantilever-, V-Bremsen oder hydraulisch betätigten Felgenbremsen. Die meisten Mountainbikes werden mit Scheibenbremsen ausgestattet. Federgabeln gehören vielfach zur Standardausstattung. Ein vollgefedertes Mountainbike wird auch Fully (Kurzform für „Full Suspension“) genannt. Ein Mountainbike mit ungefedertem Hinterrad wird demgegenüber als Hardtail bezeichnet.
Federungssysteme
Die anfangs eingesetzten Elastomer-Federungen wurden später durch die Stahlfedern (teilweise mit Öl- oder Luftdämpfung) und schließlich durch Luftfederung verdrängt. Luftfederungen werden vorwiegend in Bereichen eingesetzt, in denen das Gewicht des Fahrrades von Bedeutung ist (zum Beispiel Cross-Country-Race, Marathon). Stahlfederungen werden bevorzugt, wenn das Material – wie beim Downhill – sehr hohen Belastungen ausgesetzt wird oder eine hohe Zuverlässigkeit erwünscht ist. Beispiele von Federungsmarken: Fox Racing Shox, Rock Shox, Marzocchi, X-Fusion, Developed Suspension (DVO), Manitou, und andere.
Vorderrad
Zur Federung des Vorderrades dient eine sogenannte Federgabel, bei denen in einem Gabelrohr meist die Federung und im anderen Gabelrohr die Dämpfung eingebaut ist. Als Dämpfungsmedium ist in den meisten Gabeln Öl zu finden. Als Feder dient meist eine Luft- oder eine Stahlfeder im anderen Gabelrohr. Gabeln mit Luftfeder haben den Vorteil, dass sie meist leichter sind und die Federhärte über ein Ventil angepasst werden kann. Die Stahlfeder hat eine linearere Kraft-Weg-Kennlinie und spricht leichter an, weil sie weniger Reibung hat – das Gabelrohr muss nicht so aufwändig abgedichtet sein. Es gibt zahlreiche Federgabelsysteme, an denen sich der Federweg manuell verstellen lässt, diese werden aber heutzutage nicht mehr weiterentwickelt oder hergestellt und sind eher selten zu sehen (U-Turn-System von RockShox, die Gabel Talas von Fox, das System ETA von Marzocchi).
Hinterbau
Das hintere Federelement wird meist als Dämpfer bezeichnet und über den Hinterbau angelenkt. Auch hier gibt es Luftdämpfer und Stahlfederdämpfer, welche sich im Gewicht und der Kennlinie unterscheiden. Für den Hinterbau existieren zahlreiche Bauformen, die sich in ihrer Kinematik, ihrem Gewicht und im Preis unterscheiden. Die bekanntesten Bauformen sind:
Eingelenker, die Kettenstrebe ist mit dem Ausfallende fest verbunden. Zwischen der Kettenstrebe und dem Rahmen gibt es ein Gelenk, um das sich die Hinterachse beim Einfedern dreht. Diese Bauformen haben teils weitere Gelenke am Federelement, die nicht mitgezählt werden, da sie nur der Abstützung seitlicher Kräfte dienen (abgestützte Eingelenker).
Viergelenker, zwischen der Kettenstrebe und dem Ausfallende befindet sich ein weiteres Gelenk, das als Horst-Link bezeichnet wird. Durch das zusätzliche Gelenk sollen sich die Einflüsse von Antrieb und Bremse auf die Bewegung des Hinterbaus verringern. Gleichzeitig soll das Hinterrad eine harmonischere Einfederbewegung beschreiben. Als Nachteile bei diesem System gelten der größere Verschleiß bei den Lagern, ein höherer Preis sowie das höhere Gewicht.
VPP-Hinterbau (Virtual Pivot Point), dieses System hat zwei Lager zwischen der Kettenstrebe und dem Rahmen, dadurch entsteht ein virtueller, wandernder Drehpunkt, um den sich das Hinterrad beim Einfedern dreht.[18]
Die Federung des Hinterbaus bringt außer dem Komfortgewinn auch zahlreiche Probleme. Durch die Trennung des Hinterbaus vom Rahmen verliert das gesamte Fahrrad grundsätzlich an Steifigkeit. Dazu kommt, dass vollgefederte Rahmen im Vergleich zu ungefederten schwerer sind und einen höheren Wartungsaufwand benötigen. Zudem hat die Bewegung des Hinterbaus beim Ein- und Ausfedern Einflüsse auf den Antrieb, unter anderem den sogenannten „Pedalrückschlag“, der entstehen kann, wenn ein Zug auf die Antriebskette und somit auf die Kurbeln durch das Aus- und Einfedern des Hinterbaus wirkt. Die Hersteller von Federungselementen und Rahmen versuchen diesen Problemen durch eine Reihe von konstruktiven Maßnahmen zu begegnen.
Typen
Trotz einiger Gemeinsamkeiten unterscheiden sich Mountainbikes erheblich voneinander, wobei sich, abhängig vom Verwendungszweck, einige Grundtypen aufführen lassen:
All Mountain (AM)
Ein All Mountain ist ein oft vollgefedertes (Full Suspension) Mountainbike, welches sehr viele Einsatzmöglichkeiten bietet. Diese erstrecken sich von einfachen Touren im Flachland bis hin zur Alpenüberquerung. Im Gegensatz zum Cross-Country-Mountainbike steht das Gewicht weniger im Fokus. Wichtig sind Zuverlässigkeit, Komfort und mehr Federwegreserven beim Fahrwerk. Die Sitzposition ist sportlich – weniger gestreckt als beim Cross-Country-Mountainbike, aber noch nicht so aufrecht wie beim Enduro.
Wesentlich für ein All Mountain ist die Variabilität des Fahrwerks. Die Federwege liegen im Bereich von 120 bis 160 mm. Bei vielen Modellen lässt sich der Federweg der Gabel reduzieren oder ganz blockieren, um besser bergauf fahren zu können. Einige Modelle bieten sogar eine Federwegsverstellung für die Hinterbaufederung an.
Die Reifen sind oft etwas breiter und stärker profiliert als beim Cross-Country-Mountainbike, da sie im Laufe einer Tour unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden müssen und die Versorgung mit Ersatzreifen während einer langen Tour im Gegensatz zu einem kurzen Wettkampf zum Problem werden kann.
Die Gewichte beginnen bei etwa 10 kg für rennorientierte (Marathon-)Modelle und enden bei etwa 14 kg für besonders robuste Ausführungen.
Seit 2015 stellen auch einige Hersteller voll gefederte All Mountains mit elektrischem Antrieb her. Diese besitzen oft einen Dropperpost (eine Teleskopsattelstütze, sowie eine Bedieneinheit am Lenker, mit der man die Sattelhöhe ohne abzusteigen regulieren kann) um die Körperhaltung von Enduro- oder CC-Fahrweisen während des Fahrens verändern zu können. Diese Räder haben oft ein Gewicht von ca. 21 kg. Durch das hohe Gewicht und die Unterstützung des Motors ändert sich die Fahrtechnik sehr stark gegenüber allen anderen Kategorien. Bei einem Anfahren eines Hindernisses wird z. B. das „falsche Pedal“ nach vorne stehend zum Vorbau ausgerichtet, dieses Antreten betätigt dann den Motor und lässt sich mit dem nachkommenden „richtigen Pedal“ sensibler kontrollieren.
Cross-Country (XC/CC)
Das Cross-Country-Mountainbike ist für den (Renn-)Einsatz auf unbefestigten Wegen und Straßen ausgelegt, weniger für den Einsatz in schwerem Gelände. Es ist überwiegend ein Hardtail, aber auch Fullys werden mittlerweile für den Cross-Country-Einsatz konzipiert (Race-Fullys). Viele Fahrer setzen in diesem Bereich aus Gewichts-, Kosten-, Steifigkeits- und Haltbarkeitsgründen immer noch auf Hardtails. Die Federgabel hat einen relativ geringen Federweg von 80 bis 120 mm.
V-Bremsen werden heute kaum noch verbaut, Stand der Technik sind Scheibenbremsen. Bei Cross-Country-Mountainbikes wird ein geringes Gewicht (unter 10 kg) angestrebt. Ein typisches Cross-Country-Mountainbike im Breitensport wiegt unter 13 kg, je nach Aufwand sind für ambitionierte Sportler Gewichte unter 8 kg[19] erzielbar.
Nachdem es schon in den 1980ern Überlegungen über die Laufradgröße bei Mountainbikes gab, entwickeln die etablierten Hersteller seit ca. Anfang der 2000er Jahre zunehmend so genannte 29er (Twentyniner), die statt mit 26″-Laufrädern (ISO 559 mm) mit ISO 622 mm (im dt. Sprachraum bei Renn- und Tourenrädern auch als 28″-Laufrad bezeichnet) ausgestattet sind.[20] Die 29er-Mountainbikes sind also eine Art Hybrid zwischen klassischen 26″-Mountainbikes und Cyclocrossrädern, da sie deren Laufradgröße nutzen, aber die mountainbike-typische, agilere Geometrie behalten. Diese auf eine höhere Renngeschwindigkeit ausgelegten Mountainbikes sind oft Hardtails, aber auch vollgefederte Varianten sind verfügbar. Die Vorteile der 29er-Mountainbikes liegen etwa in teilweise niedrigerem Rollwiderstand und leichterer Möglichkeit, Hindernisse zu überwinden.[21] Nachteile sind ein höheres Gewicht und damit die Trägheit der Laufräder, sowie reduzierte Wendigkeit und eine höhere Sitzposition (vor allem relevant für Personen <175 cm).
Downhill (DH)
Downhill-Mountainbikes sind hauptsächlich für Downhill-Rennen (schnellstmögliche Abfahrten auf schwierigstem Gelände) konzipiert. Da Downhill-Mountainbikes nur bergab bewegt werden und der Aufstieg sehr selten aus eigener Kraft bewältigt wird, gilt bei diesen Rädern eine Masse bis 18 kg als akzeptabel. Die hohe Masse ist der stabilen Bauart geschuldet, die wegen der bei den Abfahrten auftretenden, hohen Belastungen erforderlich ist. Mittlerweile ist es jedoch ohne Stabilitätseinbußen möglich, ein Downhill-Bike mit einer Masse von 16 kg aufzubauen. Dies kommt dem Handling und den Beschleunigungsmöglichkeiten sehr entgegen. Die Rahmen sind vollgefedert und haben Federwege von 180 bis 215 mm, einen möglichst tiefen Schwerpunkt und eine laufruhige Geometrie. Die Federgabel ist fast immer als Doppelbrückengabel ausgeführt, um die nötige Torsionssteifigkeit zu erreichen. Die Bremse eines Downhill-Mountainbikes ist als Scheibenbremse mit hydraulischer Betätigung ausgeführt, wegen der höheren Belastung allerdings größer dimensioniert als bei anderen Mountainbike-Klassen. Die Systeme sind mit 4-Kolben-Sätteln und Bremsscheibendurchmessern um 200 mm ausgerüstet. Die Reifen sind mit einer doppelten Karkasse versehen (dickwandiger), um Durchschlägen im rauen Gelände und daraus resultierenden Reifenpannen vorzubeugen. Sie haben üblicherweise eine Breite zwischen 58,5 und 68,4 mm (2,3–2,7 Zoll). Seit 2017 werden auch bei Downhill-Mountainbikes 29" Laufräder im Rennbetrieb verwendet, im Breitensport sind jedoch 27,5" Laufräder weiter verbreitet. Die Fahrer tragen einen Integralhelm (welcher häufig von einem Nackenschutz ergänzt wird), Knieschoner und häufig Protektorjacken. Besonders im Spitzensport wird zugunsten eines niedrigen Luftwiderstandes und verbesserter Beweglichkeit allerdings auf ein Übermaß an Protektoren verzichtet.
Enduro
Enduro-Mountainbikes sind zumeist vollgefedert. Sie verfügen im Vergleich zum Cross-Country- und zum Touren-Mountainbike über einen größeren Federweg – von 150 bis 180 mm –, ein einstellbares Fahrwerk sowie breitere und stärker profilierte Reifen und eine andere Rahmengeometrie. Der Lenker ist oft gekröpft und die Sitzposition dadurch aufrechter. Das Gewicht liegt etwa zwischen 12 und 16 Kilogramm. Der Unterschied zu einem Freeride-Bike besteht darin, dass Enduros, ähnlich wie All-Mountain-Bikes, noch wesentlich tourentauglicher sind als die eher rein auf Abfahrt ausgelegten Freerider. Je nach Einsatzbereich bilden die Enduros die „Grauzone“ zwischen All-Mountain und Freeride, mal mit Kettenführung und nur einem Kettenblatt 1×11 / 1×12, mal als 2×10-Ausführung o.a. Große Federwege bieten Reserven im Downhill oder bei Drops und Sprüngen, mit abgesenkter Federgabel (welche heutzutage eher selten verbaut ist) fährt sich das Enduro wesentlich angenehmer bergauf. Außerdem haben moderne Enduros fast immer eine versenkbare Sattelstütze, um beim Bergauffahren eine bessere Sitzposition und bei der Abfahrt mehr Beinfreiheit zu erreichen. Diese sogenannte Vario-Sattelstütze hat bei Enduros je nach Rahmengröße meist 125 bis 210 mm Hub.
Four Cross (4X), Biker Cross
4X-Bikes ähneln den Dirtbikes, sie haben meistens einen Starrrahmen (Hardtail) oder in seltenen Fällen, abhängig von der Strecke, auch Fullyrahmen mit wenig Federweg (max. 140 mm), jedoch sind die speziellen Rahmen etwas länger, um bei hohen Geschwindigkeiten laufruhig zu bleiben. Die Strecke ist meistens abschüssig und mit verschiedenen Sprüngen, Bodenwellen und Anliegern versehen. Bei einem Rennen starten immer vier Fahrer gleichzeitig aus einem Startgatter analog zum Skicross. Die meisten Rennen werden im K.-o.-System ausgetragen.
Freeride (FR)
Freeride-Mountainbikes sind wie die Downhill-Mountainbikes für den Einsatz in schwerem, abschüssigen Gelände konzipiert, vollgefedert, verfügen über lange Federwege von 165 bis 180 mm und wiegen etwa soviel wie Downhill-Mountainbikes, daher nennt man sie auch Dh/Fr-Bikes. Im Gegensatz zum Downhill-Mountainbike sind nicht alle Freeride-Mountainbikes ausschließlich auf Abfahrten ausgelegt. Die Art von Freeride-Mountainbikes, die auch bergauf zu fahren sind, nennt man dann Touren-Freerider oder Superenduro-Mountainbikes. Beim Freeride-Mountainbiken springt man zum Teil mehr als 10 Meter hohe und mehr als 20 Meter weite Sprünge. Demgemäß sind Freeride-Mountainbikes robust und verwenden auch Bauteile von Downhill-Mountainbikes. Freeride-Mountainbikes haben ein verspielteres Handling als Downhill-Mountainbikes und eignen sich daher nur bedingt für Downhill-Rennen.
Trial
Trials sind Geschicklichkeitsprüfungen in schwerem Gelände oder auf künstlich angelegten Hindernisstrecken, die grundsätzlich mit Hardtails gefahren werden. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Trial-Mountainbikes gehören die sehr geringe Rahmenhöhe, die fehlende oder nur angedeutete Sitzgelegenheit, welche mehr Bewegungsfreiheit zulässt, eine Starrgabel und wenige Gänge, da nur kleine Übersetzungen benötigt werden.
Dirt Jump (DJ)
Als Dirtbikes bezeichnet man stabile Mountainbikes mit kleinen, wendigen Rahmen. Da die Federgabel primär nur zum Abdämpfen der Landung benötigt wird, werden Federgabeln mit einem Federweg von 65 bis 110 mm verwendet. Auch Starrgabeln werden beim Dirt Jump weiterhin genutzt. Die Laufradgröße ist nicht auf 26 Zoll beschränkt, auch 24″-Laufräder sind vereinzelt anzutreffen. Fast immer wird auf eine Gangschaltung verzichtet. Das Gewicht eines Dirtbikes wird meist gering gehalten, um weniger Kraft für Sprünge aufbringen zu müssen. Zudem begünstigt das geringe Gewicht Rotationen des Fahrers oder des Bikes. Eingesetzt werden Dirt Bikes überwiegend zum Springen über sogenannte Kicker oder Dirt Jumps. Diese werden komplett aus Erde oder Lehm gebaut.
Fatbikes
Die in den 2010er Jahren in Europa eingeführten Fatbikes ähneln Mountainbikes und sind für Untergründe wie Sand und Schnee ausgelegt.[22] Sie haben extra breite Reifen von 10,2 bis 12,2 cm (4,0 bis 4,8 Zoll) Breite, die Durchmesser von ca. 76 cm (30 Zoll) erreichen. Dadurch sind auch überbreite Felgen (65 bis 100 mm) mit einem Durchmesser von 26″ notwendig. Aufgrund der besonders großen Laufräder werden beim Rahmen oft 29″-ähnliche Geometrien und geänderte Gabeln, Kurbeln und Naben eingesetzt.[23]
Literatur
- Florian Haymann, Ulrich Stanciu: Alles übers Mountainbike. 2. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2007, ISBN 978-3-7688-1652-6
- Thomas Rögner: Der ultimative Bike-Workshop. 13. Auflage. Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2011, ISBN 978-3-7688-1639-7.
- Guy Andrews: Mountainbike. Wartung und Reparatur. 1. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2010, ISBN 978-3-7688-5295-1
- Florian Haymann: Freeride. Moves, Bikes und Parks. 2. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2011, ISBN 978-3-7688-3159-8
- Karen Eller, Christoph Listmann: Mountainbiken für Frauen. 1. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2010, ISBN 978-3-7688-3161-1
- Rob van der Plas: Mountainbike Wartung – Pflege und Instandhaltung. Übertragen und bearbeitet von Udo Stünkel, 6. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-7688-5338-5
Weblinks
- UCI-Reglement Mountainbike (PDF, englisch)
- BDR-Wettkampfbestimmungen Mountainbike (PDF)
Einzelnachweise
- Detaillierte Beschreibung der Historie
- Artikel über Joe Breeze. In Bike Magazin, 30. Dezember 2008. Abgerufen am 4. März 2013
- Frédéric Savre, Jean Saint-Martin, Thierry Terret: From Marin County's Seventies Clunker to the Durango World Championship 1990: A History of Mountain Biking in the USA. In: The International Journal of the History of Sport. Band 27, Nr. 11, August 2010, ISSN 0952-3367, S. 1942–1967, doi:10.1080/09523367.2010.491624.
- Herkunft des Begriffs „Mountainbike“ in: Lesewitz, H. (2017), „Wenn ich etwas will, mache ich es“ – Interview mit Tom Ritchey. In: bike (Zeitschrift), 02/2017, S. 93.
- Vergl. Ulf Hoffmann: Das Fahrradbuch: Kauf, Technik, Wartung, Reparaturen, E-Bikes und Pedelecs. Verlag Stiftung Warentest, 2013, Kapitel Welche Fahrradtypen gibt es? Das Mountainbike, S. 16 ff (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hoffmann: Das Fahrradbuch 2013, Das Trekkingrad, S. 10 ff und Das Reiserad, S. 19 ff (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Vergl. Holger Dambeck: Das perfekte Rad für die Reise. In: Spiegel online, 16. Mai 2013.
- Hoffmann: Das Fahrradbuch 2013, Das Citybike, S. 13 ff (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hoffmann: Das Fahrradbuch 2013, Das Urbanbike, S. 18 f (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Hoffmann: Das Fahrradbuch 2013, Das Crossrad, S. 13 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Andrea Bandelli: Zeitleiste des Fahrradfahrens. In: Cycling, 1999. Auf Exploratorium.edu, abgerufen am 31. Januar 2021.
- Championnat du Monde de VTT (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). In My Switzerland. Abgerufen am 4. März 2013
- Radsport: Historie und Regeln. In ARD, 31. Januar 2012. Abgerufen am 4. März 2013
- Mountainbiking: Vom Funsport zur olympischen Disziplin. Archiviert vom Original am 8. August 2011; abgerufen am 4. März 2013.
- Datenbank, Olympic.org, abgerufen am 4. März 2013
- About Wembo | World Endurance Mountain Bike Organisation. Abgerufen am 19. Februar 2020.
- Previous Results | World Endurance Mountain Bike Organisation. Abgerufen am 19. Februar 2020.
- The Virtual Pivot Point. In Kenneth M. Sasaki: A Bicycle Rear Suspension Analysis Method, 2001. Abgerufen am 4. März 2013
- Artikel über Carbon-Hardtails. In: Mountainbike Magazin, Ausgabe Dezember 2009
- Tire Sizing Systems, Sheldon Brown, abgerufen am 4. März 2013
- Artikel über 26- und 29-Zoll Mountainbikes. In Bergzeit. Abgerufen am 4. März 2013
- Zeitschrift Bike: Kaufberatung: Fatbikes, vom 28. August 2016, abgerufen am 14. Februar 2018
- Das Fatbike im SPORTaktiv-Technikcheck. In: SPORTaktiv.com. Abgerufen am 23. März 2016.