Melkus RS 1000
Der Melkus RS 1000 ist ein Sportwagen auf der Basis des Wartburg 353, der unter Leitung des Dresdner Rennfahrers Heinz Melkus als zweisitziges Sportcoupé entwickelt wurde. Von 1969 bis 1979 wurden 101 Exemplare gebaut.[1] Das „RS“ im Namen steht für „Rennsportwagen“.
Melkus | |
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Melkus RS 1000 | |
RS 1000 | |
Verkaufsbezeichnung: | Melkus RS 1000 |
Produktionszeitraum: | 1969–1973 |
Klasse: | Sportwagen |
Karosserieversionen: | Coupé |
Motoren: | Ottomotor: 1,0–1,1 Liter (51–66 kW) |
Länge: | 4000 mm |
Breite: | 1700 mm |
Höhe: | 1070 mm |
Radstand: | 2450 mm |
Leergewicht: | 850 kg |
Vorgängermodell | keines |
Geschichte
Die Idee des Melkus RS 1000 geht auf den Lotus Elan zurück, den Heinz Melkus bei einer Rennveranstaltung 1963 im 22. Wiener Gemeindebezirk beobachtete. Er fasste den Entschluss, einen ähnlichen Sportwagen in der DDR zu bauen.[2] Um von der politischen Führung die Erlaubnis zum Bau eines Sportwagens zu erhalten, stellte die Kommission Automobilrennsport des Motorsportverbandes ADMV im November 1968 bei der Zentralen Sportkommission einen Antrag zum Bau eines komplett in der DDR gebauten Sportwagens „zu Ehren des 20. Jahrestages der Gründung der DDR“.[3] Dazu wurde eine Arbeitsgemeinschaft[4] aus Vertretern der ADMV, Ingenieuren der Technischen Universität Dresden, der Verkehrshochschule Dresden sowie Technikern des Automobilwerks Eisenach und Designern der Kunsthochschule Berlin-Weißensee gegründet.[1] Bis April 1969 sollten drei Prototypen gebaut werden, denen bis Oktober 1969 vier weitere Fahrzeuge folgen sollten.[3] Der erste Prototyp entstand tatsächlich 1969.[2] Insgesamt sollten 25 Serienfahrzeuge entstehen. Ein erstes Gipsmodell im Maßstab 1:5[1] entstand 1968.[3] Melkus gab später an, er habe einen Sportwagen ähnlich dem Ford GT 40 herstellen wollen, mit den Möglichkeiten, die es in der DDR gab.[5]
Zu Beginn der Produktion gab es feste Kontingente für Bauteile des Automobilwerkes Eisenach, später mussten die Einzelteile von Automobilwerkstätten zusammengekauft werden, darüber hinaus wurde beim Zusammenbau improvisiert, sodass sich die Fahrzeuge im Detail teilweise voneinander unterscheiden. Bei einigen Exemplaren sollen sogar Badewannenstöpselketten als Motorhaubenhalter eingebaut worden sein. Um in der DDR einen RS 1000 erwerben zu können, wurde ein „Nachweis einer rennsportartigen Tätigkeit“ benötigt; einen solchen Nachweis stellte der ADMV jedoch nur im Ausnahmefall aus. Auch wurden Beziehungen zum Erwerb des Wagens genutzt, sodass einige Fahrzeuge zur Oberschicht der DDR-Bevölkerung gelangten. Außer der Straßenversion entstand auch eine leistungsgesteigerte Rennversion des Fahrzeuges. Neupreis des RS 1000 waren 30.000 Mark.[3][Anm. 1]
Einige Fahrzeuge wurden auf besonderen Kundenwunsch nicht mit dem Wartburgmotor AWE 353 ausgestattet. Stattdessen wurden bei einigen Wagen Motoren des WAS-2103, Moskwitsch-412 und in einem Fall der BMW M10 in der 2-Liter-Ausführung eingebaut.[4] Schon seit Ende der 1980er-Jahre gilt der RS 1000 als Sammlerstück, außerhalb der DDR war der RS 1000 jedoch unbekannt. Nach Westdeutschland wurde vermutlich nur ein Fahrzeug exportiert. Obwohl der Wagen ein Straßenfahrzeug ist, kann er zu einem Rennwagen der Gruppe 4 nach FIA-Regelwerk umgebaut werden.[1] Am 29. September 2006 schrieb die Märkische Oderzeitung, dass Melkus 15 RS 1000 rekonstruieren werde.[6] Der Nachfolger des RS 1000, der RS 2000, wurde ab 2006 entwickelt und ab 2009 in Serie hergestellt.[3]
Technische Beschreibung
Der RS 1000 ist ein auf einem modifizierten Rohrrahmen des Wartburg 353 aufgebauter Mittelmotorsportwagen mit Kunststoffkarosserie und Flügeltüren. Für den Bau wurden auch Fahrwerk, Motor, Windschutzscheibe und Räder aus der Serienfertigung des Wartburg 353 übernommen,[1] die Türscharniere stammen vom Škoda 1000 MB.[3] Die Vorderräder sind an doppelten Dreiecksquerlenkern aufgehängt, hinten ist eine Schräglenkerachse eingebaut. An beiden Achsen gibt es Schraubenfedern und Teleskopstoßdämpfer, an der Hinterachse ist zusätzlich ein Stabilisator eingebaut. Auf die Räder sind Reifen der Dimension 6,5–13 in aufgezogen. Das Bremssystem ist ein Zweikreisbremssystem mit Trommelbremsen rundum; später wurden an der Vorderachse auf Wunsch Scheibenbremsen des Polski Fiat 125p eingebaut.[1] Der Motor ist ein flüssigkeitsgekühlter Zweitaktottomotor mit drei Zylindern in Reihe und 992 cm3 Hubraum, dessen Leistung durch ein geändertes Ansaug- und Auspuffsystem sowie geänderte Vergasereinstellung[1] von 37 kW (50 PS) auf 51 kW (70 PS) bei 4750 min−1 erhöht wurde. Das Gemisch wird von drei Motorrad-Schiebervergasern gebildet.[7][1] Ab 1972 wurde die Zylinderbohrung um 4,5 mm vergrößert, wodurch der Hubraum auf 1119 cm3 anstieg; die Leistung blieb unverändert[1], aber das maximale Drehmoment erhöhte sich dadurch von 118 auf 128 N·m. Für den Renneinsatz wurde der Motor mit einer anderen Abgasanlage und anderen Vergasern versehen, was die Leistung auf ca. 66 bis 74 kW (90 bis 100 PS) erhöhte.[4] Vom Motor wird das Drehmoment über ein synchronisiertes Fünfganggetriebe auf die Hinterachse übertragen; das Getriebe wurde aus zwei Wartburggetrieben zusammengebaut.[3]
Die strömungsgünstige Karosserie lieferte Robur aus Zittau zu,[7][3] Während der Entwicklung wurden mit der Karosserie im Windkanal der TU Dresden Umströmungsversuche vorgenommen. Das Karosserieheck hinter der Fahrgastzelle kann hochgeklappt werden, sodass der Motor zugänglich wird.[1] In die Türschweller sind zwei Kraftstofftanks mit insgesamt etwa 60 l Volumen eingebaut.[8] Vorderteil und Heck der Karosserie sind aus glasfaserverstärktem Polyester, Türen und Dach wurden aus Leichtmetall hergestellt;[1] Das Fahrzeug wiegt 850 kg in der Straßenversion, 200 kg dürfen zugeladen werden. Der Melkus RS 1000 hat einen kleinen Kofferraum (Volumen 48 dm3[1]). Der Motor ist sehr laut[3] und die Geräuschdämmung unzureichend. Das Reserverad ist über dem Motor verstaut.[1]
Unter der vorderen Klappe im Wagenbug sind ein Wabenflachkühler, Heizung und Gebläse, Fahrzeugbatterie und Elektrik und ein kleiner Stauraum untergebracht. Die Ausstattung des Innenraums beschränkt sich auf Schalensitze, ein Holzlenkrad, Rundinstrumente und einen kurzen Schaltknüppel.[4]
Technische Daten
RS 1000 Straßenversion | RS 1000 Rennversion | |
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Motor | Dreizylinder-Zweitakt-Ottomotor, Type AWE 353, längs vor der Hinterachse eingebaut | |
Gemischbildung | 3 × Schiebervergaser mit Zentralschwimmer BVF 28 N1/3[7][4] | Rennvergaser BVF M6/36 oder Jikow 36[4] |
Bohrung × Hub | bis 1971: 73,5 mm × 78 mm[7] ab 1972: 78 mm × 78 mm[1] | 78 mm × 78 mm[4] |
Hubraum | bis 1971: 992 cm3 ab 1972: 1119 cm3[1] | 1119 cm3[4][Anm. 2] |
Verdichtungsverhältnis | 8,3 : 1[4] | 9,5 : 1[4] |
Nennleistung | bis 1971: 70 PS (51,5 kW) bei 4750 min−1 ab 1972: 70 PS (51,5 kW) bei 4500 min−1[7] | 90 PS (66 kW) bei 6000 min−1[10][1][Anm. 3] |
Maximales Drehmoment | bis 1971: 12 kp·m (117,7 N·m) bei 3500 min−1 ab 1972: 13 kp·m (127,5 N·m) bei 3500 min−1[1] | 13 kp·m (127,5 N·m) bei 3500 min−1[4] |
Kraftstoff | Normalbenzinölgemisch im Verhältnis 1 : 33[1] | ? |
Kühlung | Flüssigkeitskühlung | |
Getriebe | Fünfganggetriebe | |
Leermasse | 850 kg (Tuček) bzw. 690 kg (Kittler) | 680–780 kg[Anm. 4][3] |
Max. zulässige Gesamtmasse | 1050 kg | ? |
Achslastverteilung vorn/hinten | 45 : 55[4] | |
Maße L × B × H | 4000 mm × 1700 mm × 1070 mm[1] | |
Radstand | 2450 mm | |
Spurweite vorn/hinten | 1340 mm/1380 mm | |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h (Tuček), 158 km/h (Kittler)[1] | rund 200 km/h (Behling),[3] mindestens 170 km/h (Kittler)[1] |
Beschleunigung 0–100 km/h | 13,4 s[1] | ? |
Kraftstoffverbrauch | 10–12 l/100 km | ? |
Luftwiderstandsbeiwert | 0,29[7][Anm. 5] | |
Bremsen | Trommelbremsen rundum, auf Wunsch Scheibenbremsen vorn[7] |
Weblinks
- Melkus RS 1000. In: melkus-sportwagen.de
- Heiko Haupt: Melkus RS 1000 – Sozialistischer Flachmann. In: Spiegel Online, 3. Dezember 2003
- Eckart Lohse: Die Wiedergeburt des Zonen-Ferraris. In: FAZ.net, 19. Januar 2009
Einzelnachweise
- Eberhard Kittler: Sächsische Flunder – Rennsportwagen aus Dresden: Melkus RS 1000, Oldtimer Markt, Mainz, 11/1989
- Martina Wichor: Sport-Geschichte : Zitate - Fotos - Anekdoten, epubli GmbH, Berlin, 2015. ISBN 978-3-7375-2990-7. S. 197
- Klaus Behling: Geheimnisse eines versunkenen Landes: Kurzweilige Anekdoten aus dem DDR-Zettelkasten, Bild und Heimat, 2015, ISBN 978-3-86789-594-1. Was war ein »RS 1000«?
- Werner Oswald: Kraftfahrzeuge der DDR, 2. Auflage Motorbuchverlag, Stuttgart, 2000, ISBN 3-613-01913-2. S. 103–105
- Wolfgang Melenk, Mike Jordan: Rennsportlegende Heinz Melkus. Lebenswerk und Sportkarriere des Dresdner Automobilkonstrukteurs und Autorennfahrers. Delius Klasing, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-7688-5792-5, S. 67.
- Video und Onlineartikel zum Melkus (Memento vom 8. August 2007 im Internet Archive), Märkische Oderzeitung, 23. März 2007.
- Eberhard Kittler: Typenkompass DDR - Personenwagen 1945–1990, Motorbuch-Verlag, Stuttgart, 2000. ISBN 978-3-613-02049-8, S. 227
- Die technischen Daten (Signale 45-66). In: rheinlaenderwartburgfreunde.de. Abgerufen am 17. Januar 2018.
- Jan Tuček: Auta východního bloku. Grada Publishing a.s., 2009. ISBN 978-80-247-2585-7. S. 274
- Jan Tuček: Auta východního bloku. Grada Publishing a.s., 2009. ISBN 978-80-247-2585-7. S. 120
Anmerkungen
- Kittler gibt den Preis mit 28.600 Mark an.
- Bei Werner Oswald, überarbeitet von Kittler, ist auch ein Hubraum von 1250 cm3 für Rennversionen des Motors angegeben, was sich aber aus der angegebenen Bohrung von 78 mm und 78 mm Hub nicht ergibt.
- Bei Werner Oswald, überarbeitet von Kittler, ist die Leistung angegeben mit 90–100 PS (66 kW) bei 5250/min
- Klaus Behling gibt an, dass die Angaben zur Masse der Rennversion des Fahrzeuges je nach Quelle zwischen 680 und 780 kg schwanken.
- Eberhard Kittler gibt in Oldtimer Markt 11/1989 einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,30 an, in Typenkompass DDR – Personenwagen 1945–1990 jedoch 0,29; in „Kraftfahrzeuge der DDR“ schreibt Kittler „Dank diverser Windkanaluntersuchungen der 1 : 5 Modelle erreichte der RS einen cw-Wert von 0,29“