Massaker in der Wenzelnbergschlucht
Beim Massaker in der Wenzelnbergschlucht wurden am 13. April 1945 auf Langenfelder Stadtgebiet (Kreis Mettmann, Nordrhein-Westfalen) in einer Schlucht des Wenzelnbergs im Zuge von Kriegsendphasenverbrechen 71 Insassen aus dem Zuchthaus Lüttringhausen von Gestapo-Leuten hingerichtet. Die Leichen wurden nach dem Krieg unter Aufsicht amerikanischer Besatzungssoldaten von lokal bekannten Nationalsozialisten exhumiert und später vor dem Rathaus in Solingen-Ohligs bestattet. Im Jahre 1965 wurden die Opfer an das Mahnmal Wenzelnberg umgebettet, wo jährlich eine Gedenkveranstaltung stattfindet.[1]
Chronologie
Am 13. April 1945 starben in einer Schlucht des Wenzelnbergs 68 namentlich bekannte sowie drei unbekannte Männer, die von den Nationalsozialisten ohne Prozess dort hingerichtet wurden. Zur Chronik des Verbrechens die Angaben der Tafel am Mahnmal Wenzelnberg:
- 24. Januar 1945
- Das Reichssicherheitshauptamt richtete in einem Telegramm an die Leiter der Staatspolizei in Düsseldorf, Münster, Dortmund und Köln die Aufforderung, „ausländische Arbeiter und ehemalige deutsche Kommunisten“, die sich veranlasst sehen könnten, sich umstürzlerisch zu betätigen, „sofort zu vernichten“.
- 7. April 1945
- Generalfeldmarschall Walter Model, der oberste Befehlshaber der Heeresgruppe B erließ den Tagesbefehl, Zuchtgefangene, die innerhalb vom Feind eingeschlossener Gefängnisse einsitzen, der Sicherheitspolizei zur sicherheitspolizeilichen Überprüfung zu übergeben. Gleiches gelte für in den Strafanstalten einsitzende Untersuchungshäftlinge, wenn sie wegen politischer Vergehen oder Verbrechen in Haft oder wenn Zuchthaus- oder Todesstrafe zu erwarten seien. Weitere Regelungen sei höheren SS- und Polizeiführern übertragen. (Müller ergänzt, dass sich Models Hauptquartier abwechselnd in Solingen-Aufderhöhe, Schloss Hackhausen und in Wiescheid, Oststraße 1 im Haus Furtmann befunden habe.[2])
- 8.–9. April 1945
- Der „Höhere SS- und Polizeiführer West“, der SS-Obergruppenführer Karl Gutenberger in Essen erteilte daraufhin dem Kommandeur der Sicherheitspolizei Henschke den entsprechenden Tagesbefehl, der ihn an den Leiter der Gestapo-Außenstelle in Wuppertal, Hufenstuhl weitergab.
- 10. April 1945
- Nach telefonischer Voranmeldung erschienen Kriminalassistent Dahlmann mit drei weiteren Gestapo-Beamten bei Regierungsrat Dr. Engelhardt, Leiter des Zuchthauses Remscheid-Lüttringhausen. Dahlmann verlangte, die sicherheitspolizeiliche Überprüfung der einsitzenden Gefangenen vornehmen zu dürfen. Dem Leiter der Anstalt Dr. Engelhardt gelang es, die ursprünglich geforderten 600 Gefangenen auf 90 zu reduzieren. Des Weiteren gelang ihm die Ausklammerung ausländischer Gefangener.
- Zur gleichen Zeit wies Hufenstuhl die Beamten Burmann und Vogel an, eine Grube durch ausländische Zwangsarbeiter ausheben zu lassen. Nachdem man zunächst einen Ort in der Ohligser Heide hierfür vorgesehen hatte, der dann aber nicht sicher genug erschien, entschied man sich für die Schlucht am Wenzelnberg. Den Arbeitern teilte man mit, die Grube, deren Maße genau bestimmt war, werde als Panzergraben benötigt.
- 12. April 1945
- Mit zwei geschlossenen Lastkraftwagen erschien ein starkes Polizeiaufgebot gegen 16 Uhr auf dem Gelände der Haftanstalt. Zur Überraschung der Gestapo stellte sich heraus, dass nur 55 der ursprünglich 90 vorgesehenen Häftlinge zum Abtransport bereitstanden. Dr. Engelhardt konnte noch 35 Häftlinge in Arbeitskommandos unterbringen und sie damit vor dem Zugriff der Gestapo bewahren. Dahlmann erklärt sich daraufhin bereit, nur sechs weitere Häftlinge zu übernehmen, die ihm am nächsten Morgen auf das Polizeipräsidium in Wuppertal überstellt werden sollen. Allerdings gelang noch einem Gefangenen die Flucht, sodass lediglich fünf weitere Häftlinge dem Transport zugewiesen werden konnten.
- 13. April 1945
- In der Frühe wurden die Gefangenen zum Wenzelberg gekarrt. 11 weitere Häftlinge wurden noch aus anderen Haftanstalten den Gefangenen aus Lüttringhausen zugestellt, wobei dies je vier Gefangene aus Wuppertal-Bendahl und Ronsdorf sowie drei Männer unbekannten Namens und unbekannter Herkunft gewesen seien. (Nach Müller waren es vier Untersuchungsgefangene aus Wuppertal-Bendahl und sieben in Ronsdorf einsitzende Zwangsarbeiter[2]). Nach offiziellen Angaben wurden die Männer dort paarweise an den Daumen zusammengebunden und durch Genickschuss getötet. (Ortsansässige sprechen im Übrigen auch von nicht erschossenen Männern, die gefesselt in die Grube fielen und lebendig begraben wurden.)
- 14.–17. April 1945
- Am 14. April besetzten Antifaschisten das Rathaus in Solingen-Wald. Nach dem Einzug der 94. US-Infanterie-Division, die damals in Langenfeld stationiert war,[2] wurden die Antifaschisten mit Polizeiaufgaben betraut. Am 17. April meldete ein Mann, der für die Absperrmaßnahmen an der Mordstelle eingesetzt war, den Massenmord dem amerikanischen Kampfkommandanten. Anschließend wurde an der angegebenen Stelle das noch frische Massengrab entdeckt.
- 27. April 1945
- Mitglieder der Solinger Antifa-Gruppe begannen gemeinsam mit einem amerikanischen Sergeanten die Aufklärung der Tat. Gleichzeitig begann die Exhumierung der Toten.
- 30. April 1945
- 40 namentlich bekannte NSDAP-Mitglieder hatten nunmehr die 71 Leichen auszugraben.
- 1. Mai 1945
- Beisetzung der Opfer vor dem Rathaus in Solingen-Ohligs. Nach Aufforderung zur Teilnahme an der Trauerfeier nahmen 3000 Menschen teil.
- 19. Januar 1955
- Erneute Exhumierung der Toten.
- 23. Januar 1965
- In 12 Särgen wurden die 71 Getöteten am Wenzelnberg im Rahmen einer Gedenkfeier erneut beigesetzt. Seitdem ist der Ort der Tat auch gleichzeitig Gedenkstätte.
Mahnmal Wenzelnberg
Am Mahnmal Wenzelnberg finden seit 1965 alljährlich Gedenkfeiern statt, die abwechselnd von den Städten Langenfeld, Leichlingen Leverkusen, Remscheid, Solingen und Wuppertal ausgerichtet werden. Ebenfalls daran teil nimmt der Deutsche Gewerkschaftsbund.
- Mahnmal Wenzelnberg
- Die Inschrift des Mahnmals
Weblinks
Einzelnachweise
- Gedenkveranstaltung in der Wenzelnbergschlucht auf aars.blogsport.de
- Rolf Müller, „Stadtgeschichte Langenfeld Rheinland“, Verlag Stadtarchiv Langenfeld 1992