Mario Roatta
Mario Roatta (* 2. Januar 1887 in Modena; † 7. Januar 1968 in Rom)[1] war ein führender General des faschistischen Italien. Roatta war erster Oberbefehlshaber der italienischen Interventionsarmee im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1937) und während des Zweiten Weltkrieges Oberbefehlshaber der italienischen Besatzungstruppen in Slowenien und Kroatien (1942–1943). Roatta spielte eine zentrale Rolle bei den italienischen Kriegsverbrechen auf dem Balkan.
Leben
Roatta wurde 1906 Infanterieoffizier. Als Generalstabsoffizier nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Krieg war er u. a. Militärattaché in Warschau und Helsinki. Von 1934 bis 1936 leitete er den militärischen Nachrichtendienst Servizio Informazioni Militare (SIM), danach befehligte er das Corpo Truppe Volontarie im Spanischen Bürgerkrieg. Den SIM leitete währenddessen Oberst Paolo Angioi, jedoch behielt Roatta de facto die Leitung des Geheimdienstes, der auch an der Verfolgung von Gegnern des faschistischen Regimes beteiligt war.
Der Fall Rosselli
Bis heute wird vermutet, dass Roatta und Angioi für die Ermordung der Gebrüder Nello und Carlo Rosselli mitverantwortlich waren. Die Leichen der Brüder und Antifaschisten wurden am 11. Juni 1937 in der Nähe des nordfranzösischen Ortes Bagnoles-de-l’Orne (Normandie) gefunden. Ihre Ermordung soll der faschistische Geheimdienst OVRA im Auftrag des SIM durchgeführt haben. Letztlich lag die politische Verantwortung jedoch bei Mussolini und Badoglio.
Zweiter Weltkrieg
Roatta wurde 1939 für wenige Monate italienischer Militärattaché in Berlin (vgl. Luigi Efisio Marras) und danach stellvertretender Chef des Heeresgeneralstabes. In dieser Funktion schrieb er am 27. Dezember 1939 in Zusammenarbeit mit Rüstungskommissar Carlo Favagrossa einen an seinen Vorgesetzten gerichteten Bericht über den ungenügenden Ausrüstungsstand des italienischen Heeres, der auch dem Generalstabschef der Streitkräfte Pietro Badoglio und dem Diktator Benito Mussolini vorgelegt wurde. Im März 1941 folgte Roatta Marschall Rodolfo Graziani auf dem Posten des Stabschefs des Heeres (bis Januar 1942, dann Vittorio Ambrosio). Ab 1942 führte er die 2. Armee in Slowenien und Kroatien, die 1941 von Istrien aus am Überfall auf Jugoslawien teilgenommen hatte.
Am 1. März 1942 erließ er mit dem Circular C3 ein Rundschreiben zur Unterdrückung der Widerstandsbewegung an seine höheren Offiziere. Zur Repression gegen die jugoslawische Untergrundbewegung wurde von der zweiten italienischen Armee daraufhin die gleiche Strategie der verbrannten Erde, der ethnischen Säuberungen, der Masseninternierung in italienischen Konzentrationslagern, der Geiselnahme, Geiselerschießung und der italienischen Kolonisation angewendet, wie sie zuvor vom italienischen Militär in Afrika praktiziert worden war. Dabei hatte das Oberkommando der zweiten Armee auch keine Einwände gegen die Evakuierung ganzer Regionen.[2] Roatta weigerte sich dagegen, „Juden“ an die Ustascha und die deutsche Wehrmacht auszuliefern. Stattdessen ließ er sie zum Schutz internieren, wodurch tausende Juden vor der Deportation bewahrt wurden.[3][4]
1943 übernahm er den Befehl über die 6. Armee in Sizilien. In der zweiten Jahreshälfte leitete er nochmals den Heeresgeneralstab. In dieser Funktion gab er am 26. Juli 1943 einen Befehl, der fast 100 Antifaschisten das Leben kostete. Als ihm Anfang 1945 wegen der Ermordung der Gebrüder Roselli der Prozess gemacht wurde, konnte er dank der Unterstützung seines ehemaligen Mitarbeiters, des Carabinieri-Generals Taddeo Orlando und einiger anderer Komplizen des SIM erst in den Vatikan und dann nach Spanien fliehen, von wo er erst 1966 zurückkehrte.
Literatur
- Filippo Focardi: Roatta, Mario. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 87: Renzi–Robortello. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2016.
- Amedeo Osti Guerrazzi: The Italian Army in Slovenia. Strategies of antipartisan repression 1941-1943. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2013, ISBN 978-1-349-44807-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Lebensdaten nach: Klaus Schmider: Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944. Mittler Verlag, Hamburg 2002. ISBN 3-8132-0794-3, S. 605.
- Rodogno, Davide: Fascism’s European Empire: Italian Occupation During the Second World War. Cambridge. Cambridge University Press 2006, ISBN 978-0-521-84515-1, S. 333 ff.
- Marija Vulesica: Kroatien. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 9: Arbeitserziehungslager, Ghettos, Jugendschutzlager, Polizeihaftlager, Sonderlager, Zigeunerlager, Zwangsarbeiterlager. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-57238-8, S. 330.
- Daniel Carpi: The Rescue of Jews in the Italian Zone of Occupied Croatia. Yad Vashem, Shoah Resource Center