Lateinschule Alfeld
Die Lateinschule ist ein historisches Fachwerkhaus in Alfeld, Niedersachsen. Mit seinem reichen Bild- und Architekturschmuck ist es ein herausragendes Beispiel der Weserrenaissance. Das Haus wurde 1610 erbaut und mehrfach restauriert. Heute befindet sich in ihm das Alfelder Stadtmuseum.
Geschichte
Die Alfelder Lateinschule reicht als Institution bis ins Mittelalter zurück und dokumentiert die frühe Mittelpunktsbedeutung der Archidiakonatskirche St. Nicolai. Als das alte Schulgebäude um 1600 baufällig geworden war, rief Superintendent Bartholomäus Sengebär eine Sammlung von Geld- und Sachspenden für einen Neubau aus.[1] Bereits nach zehn Jahren war das repräsentative Gebäude fertiggestellt. Inschrift und Bildprogramm dürften vom Superintendenten maßgeblich mitbestimmt worden sein. Als Lateinschule diente die Lehranstalt vor allem der Ausbildung künftiger Geistlicher, Rechtsgelehrter und Ärzte. Im 19. Jahrhundert beherbergte es ein Lehrerseminar. Seit 1928 ist es Museum.[2]
Architektur
Das zweigeschossige Gebäude mit Satteldach steht auf einem Sandsteinunterbau. Das Gefach ist aus roten Ziegeln und unverputzt. Das Obergeschoss kragt leicht vor. Die Fenster sind paarweise angeordnet. Die Fachwerkbohlen verlaufen ausschließlich senkrecht und waagerecht. Sämtliche Holzflächen und -streben sind mit Schrift- und Bildschnitzerei verziert und farbig gefasst. Als Baumeister und Bildschnitzer wird Andreas Steiger aus Hildesheim genannt.[2]
Bildprogramm
Der Architekturschmuck entfaltet das Weltbild und den Bildungskanon der Erbauungszeit. In querrechteckigen Reliefbildern sind über 100 allegorische, mythische und historische Figuren dargestellt, die alle Dimensionen des Humanen repräsentieren sollen: Sinne und Künste, Moral und Tugenden, Wissenschaften und Glaube.
Das Bildprogramm umfasst neben Engeln und Karyatiden:
Westseite[3] | Ostseite[4] | Südseite[5] | Nordseite[6] |
---|---|---|---|
Ovid | Adam und Eva | Johannes | Josua |
Salomo | Seth | Matthäus | Ehud |
Tibull | Henoch | Markus | Schamgar |
David | Jakobs Traum | Lukas | Gideon |
Marcellinus | Jakobs Traum[7] | Christus | Jefta |
Judith | Noah | Johannes der Täufer | Samson |
Euterpe | Eleasar | Timotheus | Eli |
Polyhymnia | Pinhas | Petrus | Micha[8] |
Urania | Abjatar | Stephanus | Levi |
Clio | Abraham | Paulus | Urija |
Calliope | Isaak | Aaron | Martin Luther |
Erato | Sem | Mose | Philipp Melanchthon |
Thalia | Josef | Zacharias | Galen |
Melpomene | Moses Rettung | Apollos | Hippokrates |
Terpsichore | Mose mit den Gebotstafeln | Simeon | Tribonianus |
Geometrie | Aaron | Tertullus[9] | Bartolus |
Astronomie | Jesaja | Saul | Gesichtssinn |
Grammatik | Jeremia | David | Vernunft |
Rhetorik | Ezechiel | Salomo | Geschmackssinn |
Arithmetik | Daniel | Josafat | Geruchssinn |
Musik | Micha | Hiskija | Tastsinn |
Dialektik | Nahum | Joschija | Gehör |
Mäßigung | Hosea | ||
Klugheit | Joel | ||
Gerechtigkeit | Amos | ||
Tapferkeit | Obadja | ||
Geduld | Jona | ||
Glaube | Sacharja | ||
Hoffnung | Habakuk | ||
Liebe | Zefanja | ||
Haggai | |||
Maleachi |
Inschrift
Die vier Seiten des Gebäudes umläuft auf mittlerer Wandhöhe eine lateinische Inschrift. Der Text verwendet das Bild der Himmelsleiter und spielt zugleich mit der Klangverwandtschaft von schola („Schule“, sprich skola) und scala („Leiter, Treppe“). Beginnend auf der Portalseite lautet die Inschrift:
Text[10] | Übersetzung |
GEN 28 CAP | Genesis Kapitel 28[11] |
VIDIT ISAACIDES PORRECTAM AD SIDERA SCALAM, | Der Isaakssohn sah eine Leiter, aufgerichtet bis zu den Gestirnen, |
PERQUE HANC ANGELICOS IRE REDIRE CHOROS. | und auf ihr Engelchöre hin- und wiedergehen. |
ECCE TYPUM! | Siehe, ein Vorbild! |
QUID ENIM SCHOLA? | Denn was ist die Schule? |
QUID NISI MYSTICA SCALA, | Was sonst als eine mystische Leiter, |
CUIUS APEX SALVA ET RELIGIO ET REGIO EST? | deren Spitze eine gesunde Religion sowie ein gesundes Land ist? |
ORDO MAGISTRORUM HIC DESCENDIT, CAPTUI ADAPTANS DOGMATA, | Der Lehrerstand steigt hier herab, die Lehren dem Fassungsvermögen anpassend, |
UT ASCENDAT CARA IUVENTA GRADUS. | damit brave Jugend die Stufen emporsteige. |
CUR, AIS? | Warum, meinst du? |
EUSEBIA[12] UT VIGEAT, | Dass Gottesfurcht blühe |
THEMIS UTQUE TRIUMPHET, | und dass Gerechtigkeit triumphiere, |
SCEPTRA FORIS TENEAT PAX, HYGIEIA DOMI. | dass Friede draußen und Gesundheit daheim die Zepter behalten. |
HINC SUADENTE MINISTERIO PLAUDENTE SENATU | Daher wurde auf Rat des Ministeriums und mit Beifall des Senats |
URBIS SUMPTIBUS HAEC CONDITA SCALA FUIT. | aus den Einnahmen der Stadt diese Leiter gegründet. |
SUMME DEUS, DILECTE PARENS, | Höchster Gott, geliebter Vater, |
FAC DIVITES FRUCTU SCALAM, URBEM, | mach reich an Frucht die Leiter und die Stadt, |
ET POPULUM HUNC SOSPITET ALMA SALUS 1610 | und es bewahre dieses Volk ein gütiges Heil. 1610 |
Weblinks
- Detaillierte Bilddokumentation (Raymond Faure)
- Informationen zum Gebäude und zum Museum (alt-alfeld.de)
- Deutung des Bildprogramms (Martin Teske; PDF; 15 kB)
Einzelnachweise
- Teske (PDF; 15 kB)
- alt-alfeld.de; dort auch ein Überblick über die Restaurierungen
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- zwei Darstellungen
- Ri 17
- Apg 24,1
- Emendiert: Einige Buchstaben sind mehrdeutig
- Gen 28,10-12
- Konjektur aus EUSERIE (?)