Glaube
Glaube oder Glauben im weitesten Sinne umfasst jede Art des Fürwahrhaltens, also anzunehmen, dass etwas wahr oder wahrscheinlich ist. Der Begriff wird jedoch oft in einem engeren Sinn verwendet als ein Fürwahrhalten, das im Kontrast zu bloßer Meinung und zum Wissen zwar subjektiv, aber nicht objektiv begründet ist. Es besteht Uneinigkeit darüber, was die wesentlichen Merkmale von Glauben sind: Repräsentationalisten identifizieren Glaubenshaltungen mit propositionale Einstellungen gegenüber Repräsentationen, während Funktionalisten deren kausale Rolle als wesentlich ansehen und Interpretionalisten die Abhängigkeit zu der Interpretation durch jemand anderen in den Vordergrund stellen.
Der Begriff des Glaubens wird auf verschiedene Arten von mentalen Einstellungen angewendet, die anhand einiger grundlegender Unterscheidungen kategorisiert werden können. Okkurrente Glaubenszustände sind entweder bewusst oder auf andere Weise kausal aktiv, während dispositionelle Glaubenszustände momentan inaktiv sind. Bei vollständigen Glaubenshaltungen wird etwas uneingeschränkt für wahr gehalten, während partielle Glaubenshaltungen einen Gewissheitsgrad im Bezug auf Wahrscheinlichkeit beinhalten. In der Hauptbedeutung wird Glaube als Glaube-dass angesehen, also als eine mentale Einstellung zu einer Proposition oder einem Sachverhalt. Dem steht die Verwendung als Glaube-an gegenüber, bei der es sich oft um ein Vertrauen zu einer Person oder um eine Einstellung zur Existenz von etwas handelt. Dieser Sinn spielt eine zentrale Rolle im religiösen Glauben bezüglich des Glaubens an einen transzendenten Daseinsbereich (etwa Gott, Heiliges, Numinoses, Dao u. a.). Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie der Inhalt eines Glaubenszustands von den Inhalten anderer Glaubenszustände derselben Person abhängt. Atomisten leugnen solche Abhängigkeitsbeziehungen, Molekularisten beschränken sie auf eng verwandte Glaubenszustände, während Holisten der Meinung sind, dass sie zwischen beliebigen Glaubenszuständen bestehen können. Externalisten nehmen an, dass die Glaubensinhalte einer Person von deren Beziehung zur Umgebung abhängen, während Internalisten der Meinung sind, dass sie ausschließlich dadurch bestimmt sind, was im Kopf dieser Person vor sich geht.
Der Glaube spielt eine zentrale Rolle in der Erkenntnistheorie, in der Wissen traditionell oft als gerechtfertigter wahrer Glaube angesehen wurde. In juristischen Kontexten wird der Begriff des Guten Glaubens verwendet für Situationen, in denen jemand zwar gegen das Gesetz handelte, dies jedoch ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit tat.
Etymologie
Das Wort glauben kommt von mittelhochdeutsch gelouben, althochdeutsch gilouben ‚für lieb halten‘, ‚gutheißen‘ und geht mit den verwandten Wörtern Lob und lieb u. a. auf die indogermanische Wurzel *leubh zurück. Der gleichen etymologischen Wortfamilie gehören aus anderen Sprachen auch englisch be-lieve ‚glauben‘, lateinisch libet ‚es beliebt‘, ‚ist gefällig‘ libīdo ‚Begierde‘. Ferner gingen aus der Wurzel auch die präfigierten deutschen Wörter geloben, verloben, erlauben, Urlaub und Gelöbnis hervor.[1][2]
Konzeptionen
Es wurden verschiedene Konzeptionen der wesentlichen Merkmale von Glauben (belief) vorgeschlagen, aber es besteht kein Konsens darüber, welche die richtige ist. Der Repräsentationalismus ist die traditionell dominante Position. In seiner gebräuchlichsten Form besagt er, dass Glaubenshaltungen mentale Einstellungen gegenüber Repräsentationen sind, die normalerweise mit Propositionen identifiziert werden. Diese Einstellungen sind Teil der internen Konstitution des Geistes, der die Einstellung hat. Diese Ansicht steht im Gegensatz zum Funktionalismus, der Glauben nicht in Bezug auf die interne Konstitution des Geistes definiert, sondern in Bezug auf die Funktion oder die kausale Rolle, die Glaubenszustände spielen. Laut dem Dispositionalismus werden Glaubenshaltungen mit Dispositionen identifiziert, sich auf bestimmte Weise zu verhalten. Diese Sichtweise kann als eine Form des Funktionalismus angesehen werden, der den Glauben in Bezug auf das Verhalten definiert, das er tendenziell verursacht. Der Interpretationismus stellt eine weitere Konzeption dar, die in der zeitgenössischen Philosophie an Popularität gewonnen hat. Er besagt, dass die Glaubenszustände einer Entität in gewisser Weise von der Interpretation dieser Entität durch jemand anders abhängen oder relativ dazu sind. Der Repräsentationalismus wird tendenziell mit einem Geist-Körper-Dualismus in Verbindung gebracht. Naturalistische Überlegungen gegen diesen Dualismus sind eine der Motivationen für die Wahl einer der alternativen Konzeptionen.[3]
Repräsentationalismus
Der Repräsentationalismus charakterisiert den Glauben in Bezug auf mentale Repräsentationen. Repräsentationen werden üblicherweise als Objekte mit semantischen Eigenschaften definiert, wie z. B. einen Inhalt zu haben, auf etwas zu verweisen, wahr oder falsch zu sein usw.[3][4] Glaubenshaltungen bilden eine besondere Klasse von mentalen Repräsentationen, da sie im Gegensatz zu Wahrnehmungen oder episodischen Erinnerungen keine sinnlichen Qualitäten beinhalten, um etwas zu repräsentieren.[5] Aus diesem Grund scheint es naheliegend, Glaubenshaltungen als Einstellungen zu Propositionen auszulegen, die ebenfalls nicht-sinnliche Repräsentationen darstellen, d. h. als propositionale Einstellungen. Als mentale Einstellungen sind Glaubenshaltungen sowohl durch ihren Inhalt als auch durch ihren Modus gekennzeichnet.[5] Der Inhalt einer Einstellung ist das, worauf sich diese Einstellung richtet: ihr Objekt. Propositionale Einstellungen sind auf Propositionen gerichtet.[6][7][4] Glaube wird normalerweise von anderen propositionalen Einstellungen, wie Begierde, durch den Modus oder die Art und Weise, wie er auf Propositionen gerichtet sind, unterschieden. Der Modus des Glaubens hat eine „Geist-zu-Welt“-Passensrichtung (mind-to-world direction of fit): der Glaube versucht, die Welt so darzustellen, wie sie ist, er beabsichtigt nicht, sie zu verändern, im Gegensatz zur Begierde.[3][5] Wenn Rahul zum Beispiel glaubt, dass es heute sonnig sein wird, dann hat er eine mentale Einstellung gegenüber der Proposition „Heute wird es sonnig sein“, die besagt, dass diese Proposition wahr ist. Dies unterscheidet sich von Sofias Begierde, dass es heute sonnig sein wird, trotz der Tatsache, dass sowohl Rahul als auch Sofia eine Einstellung zu derselben Proposition haben. Die „Geist-zu-Welt“-Passensrichtung des Glaubens wird manchmal dadurch ausgedrückt, dass der Glaube auf Wahrheit abzielt.[8] Dieses Ziel spiegelt sich auch in der Tendenz wider, den eigenen Glauben zu revidieren, wenn neue Beweise dafür vorliegen, dass ein alter Glaube falsch ist.[3] Wenn Rahul also die schlechte Wettervorhersage hört, wird er wahrscheinlich seine mentale Einstellung ändern, Sofia jedoch nicht.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zu konzipieren, wie mentale Repräsentationen im Geist realisiert werden. Eine Form ist die Hypothese der Sprache des Geistes (language of thought hypothesis), die behauptet, dass mentale Repräsentationen eine sprachähnliche Struktur haben, die manchmal als Mentalesisch bezeichnet wird.[9][10] Genau wie bei der regulären Sprache handelt es sich dabei um einfache Elemente, die auf verschiedene Weise nach syntaktischen Regeln zu komplexeren Elementen kombiniert werden, die dann als Bedeutungsträger fungieren.[3][10] Bei dieser Konzeption würde das Halten eines Glaubens bedeuten, dass sich ein solches komplexes Element im eigenen Geist befindet. Verschiedene Glaubenshaltungen sind insofern voneinander getrennt, als sie unterschiedlichen im Geist gespeicherten Elementen entsprechen. Eine holistischere Alternative zur Hypothese der Sprache des Geistes ist die Kartenkonzeption, die die Analogie zu Landkarten verwendet, um die Natur des Glaubens zu verdeutlichen.[3][10] Nach dieser Auffassung sollte das Glaubenssystem eines Geistes nicht als eine Menge vieler einzelner Sätze begriffen werden, sondern als eine Karte, die die in diesen Sätzen enthaltenen Informationen kodiert.[3][10] Zum Beispiel kann die Tatsache, dass Brüssel auf halbem Weg zwischen Paris und Amsterdam liegt, sowohl sprachlich als Satz ausgedrückt werden als auch in einer Karte durch ihre internen geometrischen Beziehungen.
Funktionalismus
Der Funktionalismus steht im Gegensatz zum Repräsentationalismus, da er den Glauben nicht in Bezug auf die innere Konstitution des Geistes definiert, sondern in Bezug auf die Funktion oder die kausale Rolle, die er spielt.[11][12] Diese Ansicht wird oft mit der Vorstellung verbunden, dass ein und derselbe Glaube auf verschiedene Weise verwirklicht werden kann und dass es keine Rolle spielt, wie er verwirklicht wird, solange er die für ihn charakteristische kausale Rolle spielt.[3][13] Analog dazu ist eine Festplatte funktionalistisch definiert: Sie erfüllt die Funktion des Speicherns und Abrufens digitaler Daten. Diese Funktion kann auf vielfältige Weise realisiert werden: Die Festplatte kann aus Kunststoff oder Stahl bestehen und ein Magnetband oder einen Laser verwenden.[3] Funktionalisten gehen davon aus, dass etwas Ähnliches auch für den Glauben (oder mentale Zustände im Allgemeinen) gilt.[11][12] Zu den für Glaubenszustände relevanten Rollen gehört ihre Beziehung zu Wahrnehmungen und Handlungen: Wahrnehmungen verursachen normalerweise Glaubenszustände und Glaubenszustände verursachen Handlungen.[3] Wenn man beispielsweise sieht, dass die Ampel auf Rot umgeschaltet hat, ist dies meist mit dem Glauben verbunden, dass sie rot ist, was wiederum den Fahrer dazu veranlasst, das Auto zum Stillstand zu bringen. Funktionalisten verwenden solche Eigenschaften, um den Glauben zu definieren: Was auch immer durch Wahrnehmungen in einer bestimmten Weise verursacht wird und zudem Verhalten auf eine bestimmte Weise verursacht, wird als Glaube bezeichnet. Dies gilt nicht nur für Menschen, sondern kann auch Tiere, hypothetische Außerirdische oder sogar Computer umfassen.[3][11] Aus dieser Perspektive würde es Sinn machen, den Glauben, dass die Ampel rot ist, einem selbstfahrenden Auto zuzuschreiben, das sich genauso verhält wie der menschliche Fahrer.
Der Dispositionalismus wird manchmal als eine spezifische Form des Funktionalismus angesehen.[3] Er definiert Glauben nur in Bezug auf seine Rolle als Verhaltensursache oder als Disposition, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten.[14][15] Zum Beispiel ist der Glaube, dass in der Speisekammer ein Kuchen ist, mit der Disposition verbunden, dies zu bejahen, wenn man gefragt wird und zur Speisekammer zu gehen, wenn man Hunger hat.[5] Während es unstrittig ist, dass der Glaube unser Verhalten prägt, ist die These umstritten, dass Glaube ausschließlich durch seine Rolle bei der Erzeugung von Verhalten definiert werden kann. Das Problem besteht darin, dass die Mechanismen, die unser Verhalten prägen, zu komplex zu sein scheinen, um den allgemeinen Beitrag einer bestimmten Glaubenshaltung für jede mögliche Situation herauszuheben.[3][14] Zum Beispiel kann man sich entscheiden, nicht zu bejahen, dass ein Kuchen in der Speisekammer ist, wenn man gefragt wird, weil man dies geheim halten will. Oder man würde den Kuchen trotz Hunger nicht essen, wenn man zusätzlich glaubt, dass er vergiftet ist.[5] Aufgrund dieser Komplexität können wir nicht einmal einen so einfachen Glauben wie diesen in Bezug auf die Verhaltensdispositionen definieren, für die er verantwortlich ist.[3]
Interpretationismus
Laut dem Interpretationismus ist der Glaube einer Entität in gewisser Weise abhängig von oder relativ zu der Interpretation durch jemand anders.[3][16] Daniel Dennett ist ein wichtiger Verfechter einer solchen Position. Er vertritt die Auffassung, dass wir Entitäten Glaubenshaltungen zuschreiben, um vorherzusagen, wie sie sich verhalten werden. Entitäten mit einfachen Verhaltensmustern können anhand physikalischer Gesetze oder in Bezug auf ihre Funktion beschrieben werden. Dennett bezeichnet diese Erklärungsformen als den physikalischen Standpunkt und den funktionalen Standpunkt. Diese Standpunkte werden dem intentionalen Standpunkt gegenübergestellt, der auf Entitäten mit einem komplexeren Verhalten angewendet wird, indem diesen Entitäten Glaubenszustände und Begierden zugeschrieben werden.[17][18] Wir können z. B. vorhersagen, dass eine Schachspielerin ihre Dame nach f7 ziehen wird, wenn wir ihr die Begierde zuschreiben, das Spiel zu gewinnen, und den Glauben, dass dieser Zug dies erreichen wird. Das gleiche Verfahren lässt sich auch auf die Vorhersage des Verhaltens eines Schachcomputers anwenden. Die Entität hat den betreffenden Glauben, wenn dieser Glaube verwendet werden kann, um ihr Verhalten vorherzusagen.[3] Einen Glauben zu haben ist relativ zu einer Interpretation, da es verschiedene gleich gute Möglichkeiten geben kann, Glaubenshaltungen zur Vorhersage von Verhalten zuzuschreiben.[3] Es kann also eine andere Interpretation geben, die den Zug der Dame nach f7 vorhersagt, welche nicht den Glauben beinhaltet, dass dieser Zug zum Sieg führen wird. Eine andere Version des Interpretationismus geht auf Donald Davidson zurück,[16] der das Gedankenexperiment der radikalen Interpretation verwendet, bei dem es darum geht, das Verhalten und die Sprache einer anderen Person von Grund auf zu verstehen, ohne die Sprache dieser Person zu kennen.[3] Dieser Prozess beinhaltet, dem Sprecher Glaubenszustände und Begierden zuzuschreiben. Der Sprecher hat diese Glaubenszustände wirklich, wenn dieses Projekt prinzipiell erfolgreich sein kann.[3]
Der Interpretationismus kann mit dem Eliminativismus und dem Instrumentalismus bezüglich des Glaubens kombiniert werden. Eliminativisten sind der Meinung, dass es streng genommen keine Glaubenshaltungen gibt. Instrumentalisten stimmen den Eliminativisten zu, fügen aber hinzu, dass Glaubenszuschreibungen dennoch nützlich sind.[3] Diese Nützlichkeit kann im Sinne des Interpretationismus erklärt werden: Glaubenszuschreibungen helfen uns, vorherzusagen, wie sich Entitäten verhalten werden. Es wurde argumentiert, dass der Interpretationismus auch in einem realistischeren Sinne verstanden werden kann: dass Entitäten wirklich die ihnen zugeschriebenen Glaubenszustände haben und dass diese Glaubenszustände am kausalen Netzwerk beteiligt sind.[19] Damit dies jedoch möglich ist, könnte es notwendig sein, den Interpretationismus als eine Methodik und nicht als eine ontologische Sichtweise zum Glauben zu definieren.[16]
Abgrenzung zu Meinung, Überzeugung und Wissen
Glaube im weitesten Sinne umfasst jede Art des Fürwahrhaltens.[20][21] Der Begriff wird jedoch oft in einem engeren Sinn verwendet als ein Fürwahrhalten, das nur subjektiv aber nicht objektiv begründet ist. In diesem Sinn steht Glaube im Kontrast zu Wissen, welches objektive Begründung beinhaltet, und bloßer Meinung, der neben der objektiven Begründung noch die subjektive Begründung fehlt.[22][23][24][25] Dieser Unterschied wird manchmal daran festgemacht, dass man im Meinen zwar etwas für wahr hält, sich aber nicht praktisch im Handeln darauf verlassen würde. Beim Glauben hingegen verlässt man sich persönlich im Handeln darauf, während man beim Wissen zusätzlich annimmt, dass es jeder so sehen müsste, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet.[26] Eine weitere Unterscheidungsform bezieht die Meinung auf ein Urteil über mögliche Sachverhalte, den Glauben auf ein Urteil über wirkliche Sachverhalte und das Wissen auf ein Urteil über notwendige Sachverhalte.[27][26] Der Begriff der Überzeugung wird oft für einen Glauben verwendet, bei dem sich der Glaubende sehr sicher ist, also für einen festen, unerschütterlichen Glauben.[28] Die Verwendung dieser Begriffe in der deutschsprachigen Fachliteratur ist bezüglich dieser verschiedenen Sinnkonnotationen jedoch uneinheitlich.[20] So wird Wissen z. B. auch manchmal in Bezug auf Glauben definiert als ein begründeter wahrer Glaube.[21] Diese Unterscheidungen finden weniger Bedeutung in der englischsprachigen Fachliteratur, in der der Oberbegriff „belief“ in all diesen Kontexten verwendet wird.[20][29]
Arten
Glaubenshaltungen können in verschiedene Arten eingeteilt werden, je nach ihrem ontologischen Status, ihrem Grad, ihrem Objekt oder ihren semantischen Eigenschaften.
Okkurrent und dispositionell
Einen okkurrenten Glauben zu haben, dass Ayers Rock in Australien ist, beinhaltet, dass man die mit diesem Glauben verbundene Vorstellung erwägt, zum Beispiel, indem man aktiv daran denkt. Aber die große Mehrheit unserer Glaubenshaltungen ist die meiste Zeit nicht aktiv, sie sind lediglich dispositionell.[3] Sie werden normalerweise aktiviert oder treten auf, wenn sie gebraucht werden oder in irgendeiner Weise relevant sind, und fallen danach wieder in ihren dispositionellen Zustand zurück.[3] Zum Beispiel war der Glaube, dass 57 größer als 14 ist, wahrscheinlich dispositionell für den Leser vor dem Lesen dieses Satzes, ist beim Lesen okkurrent geworden und wird wohl bald wieder dispositionell werden, wenn sich der Geist auf andere Dinge konzentriert. Die Unterscheidung zwischen dem okkurrenten und dem dispositionellen Glauben wird manchmal mit der Unterscheidung zwischen dem bewussten und dem unbewussten Glauben gleichgesetzt.[30][31] Es wurde jedoch argumentiert, dass die beiden Unterscheidungen trotz ihrer Überschneidungen nicht übereinstimmen. Der Grund dafür ist, dass der Glaube das Verhalten einer Person prägen und in ihrem Denken involviert sein kann, auch wenn die Person sich dessen nicht bewusst ist. Solche Glaubenszustände sind Fälle von unbewussten okkurrenten mentalen Zuständen.[30] Aus dieser Sicht ist etwas okkurrent, wenn es aktiv ist, entweder bewusst oder unbewusst.[31]
Ein dispositioneller Glaube ist nicht dasselbe wie eine Disposition zu glauben.[15] Wir haben verschiedene Dispositionen zu glauben, wenn wir die richtige Wahrnehmung haben, zum Beispiel zu glauben, dass es regnet, wenn wir Regen wahrnehmen. Ohne diese Wahrnehmung gibt es immer noch eine Disposition zu glauben, aber keinen tatsächlichen dispositionellen Glauben.[15] Laut der dispositionalistischen Konzeption des Glaubens gibt es keine okkurrenten Glaubenshaltungen, da alle Glaubenshaltungen in Bezug auf Dispositionen definiert werden.[3]
Vollständig und partiell
Ein wichtiger Streitpunkt in der formalen Epistemologie betrifft die Frage, ob Glaubenshaltungen als vollständige Glaubenshaltungen (full beliefs) oder als partielle Glaubenshaltungen (partial beliefs) konzeptualisiert werden sollten.[32] Vollständige Glaubenshaltungen sind Alles-oder-Nichts-Einstellungen: Entweder man glaubt an eine Proposition oder nicht. Diese Konzeption reicht aus, um viele in der Alltagssprache vorkommende Glaubenszuschreibungen zu verstehen, z. B. Pedros Glaube, dass die Erde größer als der Mond ist. Aber einige Fälle, in denen es um Vergleiche zwischen Glaubenszuständen geht, lassen sich nicht ohne weiteres durch vollständige Glaubenszustände allein erfassen, zum Beispiel, dass Pedros Glaube, dass die Erde größer als der Mond ist, sicherer ist als sein Glaube, dass die Erde größer als die Venus ist. Solche Fälle werden am natürlichsten in Form von partiellen Glaubenshaltungen analysiert, die Glaubensgrade beinhalten und in der englischen Fachliteratur als „credences“ bezeichnet werden.[32][33] Je höher der Grad eines Glaubens, desto sicherer ist der Glaubende, dass die geglaubte Proposition wahr ist.[34] Dies wird in der Regel durch Zahlen zwischen 0 und 1 formalisiert: Ein Grad von 1 steht für einen absolut sicheren Glauben, ein Glaube von 0 entspricht einem absolut sicheren Unglauben und alle Zahlen dazwischen entsprechen dazwischen liegenden Gewissheitsgraden. Beim Bayesschen Ansatz werden diese Grade als subjektive Wahrscheinlichkeiten interpretiert,[35][36] z. B. bedeutet ein Glaube des Grades 0,9, dass es morgen regnen wird, dass die Person glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit von Regen morgen 90 % beträgt. Der Bayesianismus verwendet diese Beziehung zwischen Glauben und Wahrscheinlichkeit, um die Rationalitätsnormen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsgesetze zu definieren.[34] Dazu gehören sowohl synchrone Gesetze darüber, was man zu jedem Zeitpunkt glauben sollte, als auch diachrone Gesetze darüber, wie man den eigenen Glauben nach Erhalt neuer Belege revidieren sollte.[33][34]
Die zentrale Frage im Streit zwischen vollständigen und partiellen Glaubenshaltungen ist, ob es sich bei diesen beiden Arten wirklich um unterschiedliche Arten handelt oder ob eine Art durch die andere Art erklärt werden kann.[32] Eine Antwort auf diese Frage wird die Locke'sche These (Lockean thesis) genannt. Sie besagt, dass partielle Glaubenshaltungen grundlegend sind und dass vollständige Glaubenshaltungen als partielle Glaubenshaltungen oberhalb eines bestimmten Schwellenwerts zu verstehen sind, zum Beispiel, dass jeder Glaube über 0,9 ein vollständiger Glaube ist.[32][37][38] Verfechter eines primitiven Begriffs des vollständigen Glaubens haben dagegen versucht, partielle Glaubenshaltungen als vollständige Glaubenshaltungen über Wahrscheinlichkeitsgrade zu erklären.[32] Nach dieser Auffassung ist ein partieller Glaube vom Grad 0,9, dass es morgen regnen wird, dasselbe wie der vollständige Glaube, dass die Wahrscheinlichkeit von Regen morgen 90 % beträgt. Ein anderer Ansatz umgeht den Begriff der Wahrscheinlichkeit ganz und ersetzt Glaubensgrade durch Grade der Disposition, den eigenen vollständigen Glauben zu revidieren.[32] Aus dieser Perspektive können sowohl ein Glaube des Grades 0,6 als auch ein Glaube des Grades 0,9 als vollständige Glaubenshaltungen angesehen werden. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass der erste Glaube leicht geändert werden kann, wenn man neue Belege erhält, während der letztere stabiler ist.[32]
Glaube-an und Glaube-dass
Traditionell haben sich Philosophen bei ihren Untersuchungen zum Glauben hauptsächlich auf den Begriff des Glaubens-dass (belief-that) konzentriert.[39] Der Glaube-dass kann als eine propositionale Einstellung zu einer Behauptung charakterisiert werden, die entweder wahr oder falsch ist. Der Glaube-an (belief-in) hingegen ist enger mit dem Begriff des Vertrauen verwandt, da er sich in der Regel auf eine Einstellung zu Personen bezieht.[39] Der Glaube-an spielt eine zentrale Rolle in vielen religiösen Traditionen, in denen der Glaube an Gott eine der zentralen Tugenden ihrer Anhänger ist.[40] Der Unterschied zwischen Glaube-an und Glaube-dass ist manchmal verschwommen, da verschiedene Ausdrücke, die den Begriff „Glaube an“ verwenden, in entsprechende Ausdrücke übersetzt werden können, die stattdessen den Begriff „Glauben dass“ verwenden.[41] Zum Beispiel kann man sagen, dass ein Glaube an Feen dasselbe ist wie ein Glaube, dass Feen existieren.[40] Nicht alle Verwendungen von „Glauben-an“ beziehen sich auf die Existenz von etwas: Einige sind befürwortend, da sie eine positive Einstellung zu ihrem Objekt zum Ausdruck bringen.[42][39] Es wurde vorgeschlagen, dass diese Fälle auch im Sinne von Glauben-dass erklärt werden können. Zum Beispiel könnte der Glaube an die Ehe übersetzt werden als der Glaube, dass die Ehe gut ist.[40] Der Glaube-an wird in einem ähnlichen Sinne verwendet um Selbstvertrauen oder Glauben an sich selbst oder an die eigenen Fähigkeiten ausdrücken.
Verfechter einer reduktiven Auslegung vom Glauben-an haben diesen Gedankengang verwendet, um zu argumentieren, dass der Glaube an Gott auf ähnliche Weise analysiert werden kann, z. B. dass er auf einen Glauben hinausläuft, dass Gott mit seinen charakteristischen Attributen wie Allwissenheit und Allmacht existiert.[40] Die Gegner dieser Auslegung räumen oft ein, dass der Glaube an Gott verschiedene Formen des Glaubens-dass mit sich bringen kann, dass es jedoch noch zusätzliche Aspekte des Glaubens-an gibt, die nicht auf den Glauben-dass reduzierbar sind.[41] Zum Beispiel kann der Glaube an ein Ideal den Glauben beinhalten, dass dieses Ideal etwas Gutes ist, aber er beinhaltet zusätzlich eine positive evaluative Einstellung zu diesem Ideal, die über eine bloße propositionale Einstellung hinausgeht.[40] Angewandt auf den Glauben an Gott können Gegner des reduktiven Ansatzes die Ansicht vertreten, dass der Glaube, dass Gott existiert, zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Glauben an Gott ist.[40][41]
Glauben mit Sachbezug
Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt das Verb glauben die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: „Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird“ oder „Ich glaube, es geht hier entlang und nicht dort.“ Im Unterschied zur Wortverwendung im religiösen Kontext ist „glauben“ mit Sachbezug immer auch dem Irrtum unterworfen, kann also durch Tatsachen oder neue Erkenntnisse widerlegt und korrigiert werden. Im Satz „Ich glaube, dass es regnen wird“ wird also die Möglichkeit zugelassen, dass sich diese Vermutung auch nicht bestätigt. In solchem Glauben im alltäglichen Sinne drückt sich also die Meinung aus: „Vielleicht ist es wahr bzw. wird es wahr, vielleicht auch nicht.“ Glauben bedeutet hier auch „meinen“ oder „vermuten“.
Der Glaube kann dabei plausibel und pragmatisch sein, zum Beispiel „Ich glaube, dass ich kein Gehirn in einem Glas bin und dass die Umwelt, die ich sehe, real ist.“
In aller Regel bedeutet glauben, etwas Fürwahrhalten auf Grund eines glaubwürdigen Zeugen oder einer glaubwürdigen Informationsquelle. Auch kann das Fürwahrhalten von wissenschaftlichen Theorien, die nicht verifiziert wurden bzw. werden können, als Glauben verstanden werden. Dies ist etwa bei wissenschaftlichen Hypothesen der Fall. Glauben in diesem Sinne impliziert stets das Fehlen einer akzeptierten Rechtfertigung oder das Fehlen eines Beweises. Wird diese Rechtfertigung oder dieser Beweis später möglich, etwa indem neue Tatsachen oder Erkenntnisse die Rechtfertigung oder den Beweis ermöglichen, kann das hypothetische Glauben an die Wahrheit eines Sachverhalts zum Wissen werden.
Glauben mit Personenbezug
Glauben findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch auch in anderer Bedeutung als im Sinne von „meinen“ und „vermuten“ wieder, beispielsweise Sätzen wie: „Ich glaube dir.“, „Ich glaube an die Liebe zwischen uns.“ Ein solches Glauben ist hier nicht so sehr ein Vermuten über Sachverhalte, sondern drückt primär eine zwischenmenschliche Beziehung aus, in der sich eine Person vom Geglaubten her leiten lässt. Glauben wird hier in der Bedeutung von „vertrauen“ verwendet. In Sätzen wie „Ich glaube dir“ kann jedoch auch zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Meinung der angesprochenen Person übernimmt (ihr also vertraut), ohne diese Meinung jedoch selbst überprüft zu haben.
„Glaube“ in diesem rein menschlichen Sinn bezeichnet den Bewusstseins-Akt des Vertrauens (Vertrauensglaube) mit dem dazugehörenden vertrauenden Handlungs-Akt (Tatglaube), dass das Geglaubte eine Möglichkeit ist, die Realität werden kann oder eine noch nicht erfahrbare Realität ist, so dass so gehandelt wird, dass das Geglaubte Realität werden kann oder als ob das Geglaubte schon erfahrbare Realität sei. Andernfalls wäre der Glaube nur ein Pseudo-Glaube bzw. das Vertrauen nur ein Pseudo-Vertrauen.
Anders formuliert ist der Glaube, in einem engen Zusammenhang mit dem Vertrauen oder dem „vertrauen können“ zu sehen. Diese Form von Glauben kann daher mit einer Aufhebung der alleinigen Verantwortung einhergehen, die sich aus dem angenommenen Glauben nährt und dadurch das eigene Handeln rechtfertigt.
De dicto und de re
Der Unterschied zwischen de dicto und de re Glauben bzw. den entsprechenden Zuschreibungen betrifft die Beiträge, die singuläre Begriffe wie Namen und andere referentielle Mittel zu den semantischen Eigenschaften des Glaubens oder seiner Zuschreibung leisten.[3][43] In regulären Kontexten ändert sich der Wahrheitswert eines Satzes nicht durch die Substitution von koreferentiellen Begriffen.[44] Da sich beispielsweise die Namen „Superman“ und „Clark Kent“ auf dieselbe Person beziehen, können wir in dem Satz „Superman ist stark“ den einen durch den anderen ersetzen, ohne seinen Wahrheitswert zu verändern. Aber diese Angelegenheit ist komplizierter im Falle von Glaubenszuschreibungen.[44] Zum Beispiel glaubt Lois, dass Superman stark ist, aber sie glaubt nicht, dass Clark Kent stark ist.[3] Diese Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass sie nicht weiß, dass sich die beiden Namen auf dieselbe Entität beziehen. Glaubenshaltungen oder Glaubenszuschreibungen, bei denen diese Substitution im Allgemeinen nicht funktioniert, sind de dicto, andernfalls sind sie de re.[3][44][43] Im de-re-Sinne glaubt Lois also, dass Clark Kent stark ist, während sie es im de-dicto-Sinn nicht tut. Die Kontexte, denen de-dicto-Zuschreibungen entsprechen, werden als referentiell opake Kontexte bezeichnet, während de-re-Zuschreibungen referentiell transparent sind.[3][44]
Glaubensinhalte
Als mentale Repräsentationen haben Glaubenszustände Inhalte. Der Inhalt eines Glaubens ist das, worum es in diesem Glauben geht oder was er repräsentiert. Innerhalb der Philosophie gibt es verschiedene Auseinandersetzungen darüber, wie Glaubensinhalte zu verstehen sind. Holisten und Molekularisten vertreten die Ansicht, dass der Inhalt einer bestimmten Glaubenshaltung von anderen Glaubenshaltungen, die derselben Person gehören, abhängt oder von diesen determiniert wird, was von Atomisten bestritten wird. Die Frage der Abhängigkeit oder Determination spielt auch in der Internalismus-Externalismus-Debatte eine zentrale Rolle. Der Internalismus besagt, dass der Inhalt des Glaubens einer Person nur von dem abhängt, was innerhalb dieser Person ist: Sie werden ausschließlich durch die Dinge bestimmt, die im Kopf dieser Person vor sich gehen. Der Externalismus hingegen behauptet, dass dabei auch die Beziehungen zur eigenen Umwelt eine Rolle spielen.
Atomismus, Molekularismus und Holismus
Die Meinungsverschiedenheit zwischen Atomismus, Molekularismus und Holismus betrifft die Frage, wie der Inhalt einer Glaubenshaltung von den Inhalten anderer Glaubenshaltungen derselben Person abhängt.[45] Atomisten leugnen solche Abhängigkeitsbeziehungen, Molekularisten beschränken sie auf einige wenige, eng verwandte Glaubenshaltungen, während Holisten der Meinung sind, dass sie zwischen zwei beliebigen Glaubenshaltungen bestehen können, egal wie wenig sie miteinander in Beziehung zu stehen scheinen.[3][4][45] Nehmen wir zum Beispiel an, dass Mei und Benjamin beide behaupten, dass Jupiter ein Planet ist. Die einfachste Erklärung, die von den Atomisten gegeben wird, wäre, dass sie denselben Glauben haben, d. h. dass sie denselben Inhalt für wahr halten. Aber nehmen wir nun an, dass Mei auch glaubt, dass Pluto ein Planet ist, was Benjamin bestreitet. Dies deutet darauf hin, dass sie unterschiedliche Begriffe von Planeten haben, was bedeuten würde, dass sie unterschiedliche Inhalte bejahten, als sie beide sich einig waren, dass Jupiter ein Planet ist. Diese Argumentation führt zum Molekularismus oder zum Holismus, weil der Inhalt des Jupiter-Glaubens in diesem Beispiel vom Pluto-Glauben abhängt.[3][45]
Eine wichtige Motivation für diese Position ergibt sich aus dem Bestätigungsholismus von W. V. Quine, der besagt, dass wir aufgrund dieser Vernetzung einzelne Hypothesen nicht bestätigen oder widerlegen können, sondern dass die Bestätigung auf der Ebene der Theorie als Ganzes geschieht.[45][46] Eine weitere Motivation ist auf Überlegungen zur Natur des Lernens zurückzuführen: Es ist oft nicht möglich, einen Begriff, wie die Kraft in der Newtonschen Physik, zu verstehen, ohne andere Begriffe, wie Masse oder kinetische Energie, zu verstehen.[45] Ein Problem für den Holismus besteht darin, dass echte Meinungsverschiedenheiten unmöglich oder sehr selten zu sein scheinen: Diskussionsteilnehmer würden in der Regel aneinander vorbeireden, da sie nie genau das gleiche Netz von Glaubenshaltungen teilen, das notwendig ist, um den Inhalt der Quelle der Meinungsverschiedenheit zu bestimmen.[3][45]
Internalismus und Externalismus
Internalismus und Externalismus sind sich uneinig darüber, ob der Inhalt unseres Glaubens nur durch das, was in unserem Kopf passiert, oder auch durch andere Faktoren bestimmt wird.[3][4][47][48] Internalisten leugnen eine solche Abhängigkeit von externen Faktoren. Sie behaupten, dass eine Person und eine molekülgenaue Kopie exakt die gleichen Glaubenszustände haben würden. Hilary Putnam widerspricht dieser Position durch sein Gedankenexperiment der Zwillingserde. Er stellt sich eine Zwillingserde in einem anderen Teil des Universums vor, die genau wie unsere ist, nur dass ihr Wasser eine andere chemische Zusammensetzung hat, obwohl es sich genauso verhält wie unseres.[3][47][48] Laut Putnam bezieht sich der Gedanke des Lesers, dass Wasser nass ist, auf unser Wasser, während der Gedanke des Zwillings des Lesers auf der Zwillingserde, dass Wasser nass ist, sich auf deren Wasser bezieht. Dies ist der Fall, obwohl die beiden Leser die gleiche molekulare Zusammensetzung haben. Es scheint daher notwendig, externe Faktoren einzubeziehen, um den Unterschied zu erklären. Ein Problem an dieser Position ist, dass dieser inhaltliche Unterschied keinen kausalen Unterschied mit sich bringt: Die beiden Leser verhalten sich genau gleich. Dies lässt Zweifel an der These aufkommen, dass es einen echten erklärungsbedürftigen Unterschied zwischen den Inhalten der beiden Glaubenshaltungen gibt.[3][47][48]
Philosophie
Im philosophischen und speziell erkenntnistheoretischen Sinn bedeutet Glauben ein Fürwahrhalten eigener Wahrnehmungen, Überzeugungen (Glaube, Dogma, Paradigma) und Schlussfolgerungen, die hier jedoch nicht logisch zwingend sein müssen. Dieses Fürwahrhalten bedarf nicht zwingend objektiver Begründung und kann subjektiv sein.
1962 untersuchte Jaakko Hintikka die logischen Strukturen von Glaubens- und Wissensäußerungen in seinem Werk Knowledge and Belief und begründete damit einen neuen Zweig der philosophischen Logik; die epistemische Logik, in der Wissen und Glauben in ihren reinen Formen als sich ausschließende Gegensätze gegenübergestellt sind.
Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube Wissen sei (Glaubenswissen,[49] GWG-Behauptung). Edmund Gettier gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, dass zum Wissen gerechtfertigter wahrer Glaube nicht ausreicht (Gettier-Problem).
Rechtlich
In manchen Gesetzen kommt der Begriff „Glauben“ bzw. „guter Glaube“ vor, z. B. im § 8 des deutschen Patentgesetzes. Dies unterstellt der Partei eine begründete Annahme, die nicht durch besseres Wissen oder stark begründete Zweifel verworfen wird. So kann auf die Korrektheit einer Produktbeschreibung in gutem Glauben ausgegangen werden, da diese ja durch gesetzliche Anforderungen korrekt sein muss.
Ein anderes Beispiel stellt der gutgläubige Eigentumserwerb in § 932 des BGB dar. Nach dieser Rechtsnorm ist es prinzipiell möglich, dass eine Partei Eigentum an einer Sache erwerben kann, obwohl der Veräußerer gar nicht Eigentümer war. Eine der Voraussetzungen hierfür ist, dass der Erwerber nicht bösgläubig in Bezug auf das Eigentum war, also er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig dahingehend handelte, dass dem Veräußerer die Sache nicht gehört (§ 932 Abs. 2 BGB).[50]
Siehe auch
- doxastische Logik (Logik des Glaubens)
Weblinks
- Glauben In: Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Band 1. Berlin 1904, S. 391–395.
Einzelnachweise
- Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen
- DWB
- Eric Schwitzgebel: Belief. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University. 2019.
- David Pitt: Mental Representation. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University.
- Donald Borchert: Macmillan Encyclopedia of Philosophy, 2nd Edition. Macmillan, 2006, Belief (philpapers.org).
- Philosophy of mind - Propositional attitudes. In: Encyclopedia Britannica.
- Graham Oppy: Propositional attitudes. In: www.rep.routledge.com.
- Davide Fassio: Aim of Belief. In: Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Matthew Katz: Language of Thought Hypothesis. In: Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Edward Craig: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Routledge, 1996 (philpapers.org).
- Janet Levin: Functionalism. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University.
- Thomas W. Polger: Functionalism. In: Internet Encyclopedia of Philosophy.
- John Bickle: Multiple Realizability. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Metaphysics Research Lab, Stanford University.
- Jake Quilty-Dunn, Eric Mandelbaum: Against dispositionalism: belief in cognitive science. In: Philosophical Studies. 175, Nr. 9, 1. September 2018, ISSN 1573-0883, S. 2353–2372. doi:10.1007/s11098-017-0962-x.
- Robert Audi: The Cambridge Dictionary of Philosophy. Cambridge University Press, Belief (philpapers.org).
- William Child: Causality, Interpretation, and the Mind. Oxford, UK: Oxford University Press, 1. Interpretationism (philpapers.org).
- Daniel Dennett: The Intentional Stance. The MIT Press, 1989 (englisch, mit.edu).
- Daniel C. Dennett: Precis of the Intentional Stance. In: Behavioral and Brain Sciences. 11, Nr. 3, 1988, S. 495–505. doi:10.1017/S0140525X00058611.
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