La Belle (Diskothek)
La Belle war eine Diskothek in der Hauptstraße 78 im Berliner Ortsteil Friedenau, auf die in der Nacht vom 4. auf den 5. April 1986 ein Bombenanschlag verübt wurde, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Als Auftraggeber des Attentats wird die damalige Regierung Libyens unter Muammar al-Gaddafi vermutet.
Gebäude
Das Gebäude, in dem sich das La Belle befand, wurde 1929 als Stahlskelettbau unter dem Namen Roxy-Palast als Büro- und Geschäftshaus mit angeschlossenem Lichtspieltheater mit 1106 Sitzplätzen erbaut. Es gilt als Hauptwerk der Neuen Sachlichkeit des Architekten Martin Punitzer. Im Geschäftstrakt des Gebäudes befand sich die Diskothek.
Attentat
Das La Belle war eine bei den in West-Berlin stationierten US-Soldaten beliebte Diskothek. Verteilt über den Abend und die Nacht, die auf den Zahltag bei der US-Army folgte, befanden sich insgesamt rund 500 Besucher in dem Gebäude. Gegen 1:45 Uhr[1] wurde der drei Kilogramm schwere, mit Nägeln und Eisenstücken versehene Sprengsatz durch einen elektronischen Zünder zur Explosion gebracht. Das überwiegend von afroamerikanischen Angehörigen der US-Streitkräfte besuchte Lokal, in dem sich zu diesem Zeitpunkt etwa 260 Gäste aufhielten, wurde zerstört. Der US-Soldat Kenneth T. Ford und die türkische Besucherin Nermin Hannay starben sofort, ein weiterer US-Soldat, James E. Goins, starb kurz darauf im Krankenhaus. 28 Menschen trugen schwere Verletzungen davon, rund 250 Anwesenden zerriss der Luftdruck das Trommelfell.
Die Diskothek wurde nach dem Anschlag nicht mehr weiterbetrieben.
Täterschaft und Gerichtsverfahren
Westdeutschen und US-amerikanischen Ermittlungsergebnissen zufolge wurde das Attentat vom libyschen Volksbüro (Eigenbezeichnung der libyschen Botschaft) in Ost-Berlin organisiert. Nach der deutschen Wiedervereinigung stützten Akten des Ministeriums für Staatssicherheit diese These. Das Bürgerbüro enthüllte, 1986 habe die Staatssicherheit der DDR sichergestellten Sprengstoff einem arabischen Terroristen wieder ausgehändigt im Wissen, dass dieser die Diskothek La Belle zerstören sollte.[2]
An der Täterschaft Libyens wurden aber auch Zweifel geäußert. Es gab Ermittlungsergebnisse, die auf eine Beteiligung Syriens hindeuteten, wie die West-Berliner Polizei und das Außenministerium der Vereinigten Staaten 1988 mitteilten. In diesem Zusammenhang wurde eine 27 Jahre alte Deutsche Anfang 1988 in Lübeck festgenommen.[3][4]
Im Jahr 1992 gab es eine erste juristische Anklage gegen Drahtzieher des Attentats. Der Prozess wurde 1993 jedoch eingestellt. 1997 begann ein neuer Prozess, an dessen Ende im November 2001 das Landgericht Berlin die vier Täter verurteilte. Die Hauptschuldige Verena Chanaa wurde wegen dreifachen Mordes sowie versuchten Mordes zu 14 Jahren Haft verurteilt. Sie hatte die Bombe gelegt, behauptete jedoch, sie habe geglaubt, es handele sich bei dem Sprengkörper lediglich um eine Rauchbombe.
„Ich wußte gar nicht, was ich tat. Ich dachte nur, dabei zu helfen, den Amerikanern einen Schrecken einzujagen.“
Ihr Tatmotiv: Sie soll gehofft haben, dadurch die Gunst von Ali Chanaa, mit dem sie seit 1984 in Scheidung lebte, zurückzugewinnen. Wegen Beihilfe zu den Morden wurden Yasser Shraydi, Musbah Eter und Ali Chanaa zu 14 bzw. 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Die fünfte Angeklagte Andrea Häusler (Schwester von Verena Chanaa) wurde freigesprochen.
Es gab eine Vielzahl von Rechtsanwälten, die für die Opfer des Anschlags im Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Berlin gegen die Verantwortlichen als Nebenklägervertreter tätig waren. Maßgeblich für die Verurteilung der Angeklagten war neben dem Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz. Er hat nicht zuletzt durch das Auffinden geheimer Dokumente erreicht, dass das Landgericht Berlin feststellte, es sei überzeugt, dass der libysche Geheimdienst den Anschlag geplant und verübt habe.
Die Staatsanwaltschaft ging gegen das Urteil in Revision, um eine lebenslange Freiheitsstrafe zu erreichen. Am 24. Juni 2004 bestätigte allerdings der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Leipzig die Urteile des Landgerichts; sie wurden damit rechtskräftig.[1] Der Bundesgerichtshof bestätigte den politischen Aspekt der Tat. Die Richter gaben dem Staat Libyen eine Mitverantwortung an dem Attentat. In der Urteilsbegründung heißt es, dass bei dem Strafmaß zu berücksichtigen sei, „dass nicht die eigentlichen Haupttäter – libysche Drahtzieher und Hintermänner – vor Gericht standen“. Nach Überzeugung des Gerichts hatten Beamte Libyens den Anschlag geplant und den Sprengstoff nach Berlin geschafft.
Ein US-Journalist glaubte, nach jahrelangen investigativen Recherchen die Identität des Täters herausgefunden zu haben, der die Bomben für den Anschlag auf die Diskothek La Belle in Berlin und auf das über Lockerbie abgestürzte Flugzeug gebaut haben soll. Abu Agila Mas’ud war ein Geheimdienst-Offizier unter Gaddafi und stand im Herbst 2015 in Tripolis vor Gericht für Verbrechen gegen die Bevölkerung Libyens. Er wurde auch beschuldigt, Bomben gebaut zu haben, die gegen Oppositionelle eingesetzt wurden.[5]
Reaktionen
Bereits am Tag nach dem Anschlag beschuldigte US-Präsident Ronald Reagan den libyschen Revolutionsführer und de facto Staatschef Muammar al-Gaddafi, das Attentat angeordnet zu haben, um damit die Versenkung zweier libyscher Kriegsschiffe durch US-amerikanische Streitkräfte im März 1986 im Rahmen der Operation Attain Document zu rächen. Zu diesem Schluss kam die US-amerikanische Regierung wohl durch im Rahmen der Operation Rubikon erlangte Informationen, da es ihr möglich war, die verschlüsselte Kommunikation der libyschen Botschaft mitzulesen. Am 12. April 1986 beschlossen die drei westlichen Alliierten für West-Berlin in Abstimmung mit dem Berliner Senat aufgrund des La-Belle-Anschlags umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Stadt. Am 13. April 1986 besuchte der libysche Außenminister Hassan al-Mansur Syrien. Die syrische Regierung gab bekannt, dass es im Falle einer US-Militäraktion Libyen unterstützen würde.
Am 14. April 1986 starteten auf den Luftwaffenstützpunkten Lakenheath und Upper Heyford in Großbritannien 24 Kampfflugzeuge mit Ziel Tripolis in Libyen. Es war der Beginn der Operation El Dorado Canyon, der Bombardierung der libyschen Hauptstadt Tripolis und der Stadt Bengasi, wodurch auch 15 Zivilisten getötet wurden. Ebenfalls verloren zwei US-amerikanische Soldaten ihr Leben. Es wird behauptet, dass dieser Vergeltungsschlag von Präsident Reagan einer der Gründe für den späteren Lockerbie-Anschlag auf den PanAm-Flug 103 am 21. Dezember 1988 gewesen sein soll.
Entschädigungen
Da das Landgericht Berlin feststellte, dass der libysche Geheimdienst den Anschlag geplant und verübt hatte, gelang es den Opfern, das Auswärtige Amt dazu zu bewegen, sich zugunsten deutscher und anderer europäischer Geschädigter völkerrechtlich dafür einzusetzen, dass Libyen eine Entschädigung zahlt. Am 17. August 2003 signalisierte Libyen (vertreten durch die Gaddafi Foundation), dass es bereit sei, in Verhandlungen für Kompensationszahlungen für die nicht-amerikanischen Opfer einzutreten. Ein Jahr später, am 10. August 2004, willigte Libyen schließlich ein, insgesamt 35 Millionen US-Dollar an die 168 Opfer und Hinterbliebenen in Deutschland zu zahlen.
Die 79 US-amerikanischen Opfer und deren Hinterbliebene, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Schulz zusammen mit den US-amerikanischen Lawfirms PattonBoggs und Stein Mitchell & Mezzines, konnten erst vier Jahre später, im November 2008, eine Entschädigungszahlung in Höhe von 280 Millionen US-Dollar gegen Libyen durchsetzen.[6] Im Vergleich zu den Entschädigungen, die die Gruppe der Nicht-US-Amerikaner erhielt, betrug die Entschädigungssumme der US-Staatsbürger ein Vielfaches, nämlich rund drei Millionen US-Dollar pro Person, von denen die US-Staatsbürger allerdings rund ein Drittel an die amerikanischen Anwälte abgeben mussten (Erfolgshonorarvereinbarung). Die Gruppe der Deutschen (nicht-US-Amerikaner) musste sich mit vergleichsweise geringen Schadenersatzzahlungen zufriedengeben, obgleich es hier gemäß den Verletzungen Unterschiede in der Entschädigungshöhe gegeben hat.
Weblinks
- Flashback: The Berlin disco bombing auf bbc.co.uk (englisch).
- Fatina Keilani: Entschädigung mit zweierlei Maß. In: Der Tagesspiegel, 24. November 2008, abgerufen am 15. April 2011.
- Andreas Baum: Anschlag am Zahltag. Vor 20 Jahren explodierte ein Sprengsatz in der Berliner Diskothek „La Belle“. Deutschlandfunk, 5. April 2006, abgerufen am 15. April 2011.
- Peter Siebenmorgen: Gaddafis Puppe. In: Focus Online Nachrichten. 10. November 1997, abgerufen am 15. April 2011 (Focus Magazin Nr. 46/1997).
- Der Angeklagte sitzt in Tripolis. In: Die Welt, 18. November 1997.
- Entschädigung nach 18 Jahren. In: Berliner Morgenpost, 11. August 2004.
- Kanzlerberater soll im „La Belle“-Prozess aussagen. In: Berliner Zeitung, 16. Mai 2001
- Libya case lobbyists net $2M. Bei: Triblive.com, 8. März 2009 (englisch).
- Statement by Attorneys for Families of Pan Am 103 and La Belle Disco Bombing. 30. Juli 2008 (englisch).
- Christopher M. Blanchard, Congressional Research Service: Libya: Background and US-Relations (auf Google Books), 3. August 2009, englisch.
- Certification under Section 5(A)2of the Libyan Claims Resolution Act relating to the Receipt of Funds for Settlement of Claims against Libya (englisch; PDF; 174 kB).
- BStU, Themenbeitrag: Tödlicher Anschlag in West-Berlin
Einzelnachweise
- BGH 5 StR 306/03 – Urteil vom 24. Juni 2004
- Unheilige Allianz mit dem islamischen Terror. In: B.Z., 23. September 2001
- German Is Seized In Disco Bombing. In: The New York Times, 12. Januar 1988.
- Bomb Suspect Held; Syria Tie Probed. In: Los Angeles Times, 12. Januar 1988.
- The Avenger. In: The New Yorker, 28. September 2015
- Fatina Keilani: Entschädigung mit zweierlei Maß. In: Der Tagesspiegel. 24. November 2008, abgerufen am 29. Januar 2014.