Kleinsassen
Kleinsassen ist ein Ortsteil der Gemeinde Hofbieber im Landkreis Fulda mit rund 470 Einwohnern. Der Ortsteil Malerdorf Kleinsassen liegt am Fuße der Milseburg in der hessischen Rhön und ist weit über die Grenzen des Fuldaer Landes als Künstlerdorf bekannt.
Kleinsassen Gemeinde Hofbieber | |
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Höhe: | 475 m ü. NN |
Fläche: | 8,39 km²[1] |
Einwohner: | 472 (30. Jun. 2017)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 56 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1971 |
Postleitzahl: | 36145 |
Vorwahl: | 06657 |
Kleinsassen von der Milseburg aus gesehen |
Geographie
Kleinsassen erstreckt sich in einer Höhenlage von 450 bis 500 Meter Höhe im Biosphärenreservat Rhön, etwa 14 Kilometer östlich von der Barockstadt Fulda in einer waldreichen Mittelgebirgslandschaft. Der Ort wird von dem Bach Bieber durchflossen. Der Ort ist von folgenden Bergen umgeben: Milseburg (835,2 Meter), Stellberg (726,1 Meter), Ziegenkopf (567 Meter), Schackau-Berg (559 Meter), Bieberstein (506,6 Meter).
Geschichte
Die Gegend um den heutigen Ort Kleinsassen ist bereits seit der Steinzeit besiedelt, wie eindeutig nachgewiesene Siedlungsspuren an der Milseburg, dem Hausberg von Kleinsassen, belegen. Dort wurde das Oppidum Milseburg als eisenzeitliche Siedlung identifiziert. Reste der Burg Milseburg lassen sich auf das 11. Jahrhundert zurückführen.
Namensherkunft
Kleinsassen ist höchstwahrscheinlich im späten 8. Jahrhundert entstanden. Erwähnt wird der Ort allerdings urkundlich erst im Jahr 1375 unter dem Namen Sassen, der heutige Ortsname Kleinsassen ist für das Jahr 1722 belegt.[3] Bereits 1493 lässt sich eine Kirche in Kleinsassen urkundlich nachweisen. Eine Kapelle befand sich schon seit früher, um 1420, im Dorf, denn schon bald nach dem Verkündigen des christlichen Glaubens wurden solche an vielen Orten erbaut, wo zuvor noch germanische Kultstätten standen. 1783 wird mit dem Bau der Barockkirche begonnen, wie sie bis heute noch erhalten ist. Sie ist wie das erste Gotteshaus dem Heiligen Laurentius geweiht.
Verwaltungsbezirke
Kleinsassen war über mehrere Jahrhunderte verschiedenen Verwaltungsbezirken zugeordnet:[4]
- 1789: Herrschaft der Freiherren von Rosenbach und in deren Nachfolgerin, die Familie von Guttenberg
- 1806–1813: Großherzogtum Würzburg, Patrimonialgericht Schackau
- 1820–1848: Königreich Bayern, Patrimonialgericht Schackau
- 1848–1862: Königreich Bayern, Regierung Unterfranken und Aschaffenburg, Landgericht Hilders
- 1862–1866: Königreich Bayern, Regierungsbezirk Unterfranken, Bezirksamt Gersfeld
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Gersfeld
- 1932: Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Fulda
Eingemeindung
Die beiden Ortsteile Kleinsassen und Schackau bildeten bis zur Gebietsreform eine politische Gemeinde. Am 31. Dezember 1971 wurde Kleinsassen im Zuge der hessischen Gebietsreform als Ortsteil in die neu gebildete Gemeinde Hofbieber eingegliedert.[5] Zu Kleinsassen gehören folgende Orte und Weiler:
- Karhof
- Schackenbergshof
- Waldhaus
- Gangolfshof
Politik
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Malerkolonie
Seit den 1850er Jahren entdeckten Maler Kleinsassen. Sommer für Sommer kamen zahlreiche Maler und Studentengruppen aus den Akademiestädten Dresden, Weimar, Leipzig, München und Düsseldorf zum Naturstudium in den Ort.[7] Aus der großen Zahl von Künstlernamen ist aus dem vorigen Jahrhundert unter anderem Friedrich Preller (der Jüngere) zu nennen, ein Dresdner Landschafts- und Marinemaler. Vom Jahre 1881 an kam Preller, der Akademieprofessor geworden war, oft mit einer größeren Anzahl von Schülern in das Rhöndorf Kleinsassen. 1883 brachte er den gebürtigen Düsseldorfer Kunstschüler Julius von Kreyfelt (1863–1947) mit in das Malerdorf. Durch sein künstlerisches Schaffen machte sich dieser bald einen Namen. 1887 ließ sich von Kreyfelt in Kleinsassen nieder.[8] Von Kreyfelt war einer der produktivsten und zugleich kommerziell erfolgreichsten Rhönmaler, der sich zur Zentralfigur des Dorfes entwickelte. Um die Jahrhundertwende baute er ein vierstöckiges Malerhotel mit Ateliers, von 1919 bis 1924 bewirtete er auch die Milseburghütte des Rhönklubs. Die Lage unterhalb des markanten Berges Milseburg trug einiges zur Anziehungskraft des Malerdorfes der Rhön bei. Ein bedeutender in Kleinsassen geborener Maler war Paul Klüber (1904–1944).
Sehenswürdigkeiten
Da der Ort auch in der Gegenwart noch als Malerdorf gilt, gibt es zahlreiche künstlerische Angebote und Sehenswürdigkeiten.
- Barockkirche St. Laurentius[9][10]
- Öffentliche Veranstaltungen des Traumtheaters[11]
- Pfundsmuseum
- Kunststation Kleinsassen
- Kleinsassener Kunstwoche (jeweils im August)
Bildung und Freizeit
Überregionale Bekanntheit hat Kleinsassen auch durch das Ludwig-Wolker-Haus, einer Jugendbildungs- und Freizeitstätte des Jugendwerks St. Michael, erlangt. Es ist benannt nach Ludwig Wolker dem Gründer des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Das Ludwig-Wolker-Haus ist die erste Bildungsstätte des Jugendwerks St. Michael e.V., wurde bereits 1959 gegründet und durch den damaligen Bischof von Fulda, Adolf Bolte, eingeweiht. Es wurde mehrfach erweitert und umgestaltet und entspricht heute dem aktuellen Standard zeitgemäßer Jugendbildungsarbeit.[12]
Von überregionaler Bedeutung ist auch das Pfundsmuseum, das eine der größten Sammlungen von Waagen und Gewichten in Deutschland aus allen Perioden und Ländern in sieben Ausstellungsräumen präsentiert.
Der Milseburgradweg führt wenige 100 Meter an Kleinsassen vorbei.
Wissenswertes
Milseburgtunnel bot Schutz
In der Karwoche des Jahres 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, stand im bombensicheren Milseburgtunnel ein 400 Meter langer, von zwei Lokomotiven gezogener Zug des Oberkommandos der Wehrmacht West (OKW) mit hochrangigen Offizieren und Soldaten. Nachdem die US-Armee bei ihrem Vormarsch bereits Fulda erreicht hatte, suchten die deutschen Soldaten bei ihrem Rückzug von der Westfront Schutz in der Rhön, um eine Gegenwehr gegen die vorrückenden Amerikaner zu organisieren. Der Zug bestand aus Kommandoabteilen, Versorgungs- und Schlafwagen. Einquartierungen in den umliegenden Dörfern erfolgten. Auf der Maulkuppe wurde eine Funkstation errichtet, die die Verbindung zum OKW herstellen sollte. Um den Zug vor Tieffliegern zu schützen, wurden Flakgeschütze auf die Anhöhe von Danzwiesen gebracht. Tagsüber stand der Zug im Tunnel, nachts wurde er zur Frischluftversorgung herausgezogen. Dies blieb den Amerikanern nicht verborgen, die daraufhin mit Bombenabwürfen die Tunnelportale und die Bahnstrecke unbefahrbar zu machen versuchten. Als die verlegten Fernmeldekabel gekappt wurden, hatte Generalfeldmarschall Albert Kesselring im Zug keinen Kontakt mehr zur Außenwelt und den anderen Truppenteilen. In der Nacht zu Karfreitag verließ der Zug den Tunnel und fuhr Richtung Vacha. Am 6. April 1945 zogen die Amerikaner in Kleinsassen ein, ohne dass es nennenswerte Schäden im Dorf gab.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter des Ortes
- Paul Klüber (1904–1944), deutscher Maler
Persönlichkeiten mit Bezug zu Kleinsassen
- Johann-Markus Oestreich (1738–1833), deutscher Orgelbauer der Barockzeit und des Klassizismus
- Friedrich Preller der Jüngere (1838–1901), deutscher Landschafts- und Marinemaler
- Otto Piltz (1846–1910), deutscher Maler, arbeitete ab 1870 wiederholt in der Künstlerkolonie Kleinsassen
- Heinrich Stein (1850–1913), deutscher Landschaftsmaler
- Julius von Kreyfelt (1863–1947), deutscher Maler
- Gerhard Jürgen Blum-Kwiatkowski (1930–2015), deutsch-polnischer Künstler
Literatur
- Michael Mott: Ein barockes Kleinod / In Kleinsassen: Ein eindrucksvolles Zeugnis Rhöner Handwerkskunst, in: Fuldaer Zeitung, 8. Mai 1991, S. 14 (Serie: DENK-mal!).
Weblinks
- Kleinsassen im Internetauftritt der Gemeinde Hofbieber
- Kleinsassen, Landkreis Fulda. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Literatur über Kleinsassen In: Hessische Bibliographie[13]
- Private Website zu Kleinsassen
- Webseite zum Ort des Vereins „Malerdorf-Kleinsassen e.V.“
- Internetpräsenz der Katholischen Kirchengemeinde St. Laurentius Kleinsassen
Einzelnachweise
- Kleinsassen, Landkreis Fulda. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 7. November 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- „Zahlen Daten Fakten der Gemeinde Hofbieber“, abgerufen im Juli 2020.
- Geschichte des Ortes Kleinsassen. Abgerufen am 25. Januar 2017.
- Kleinsassen, Landkreis Fulda. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 394.
- Ortsbeiräte der Gemeinde Hofbieber. In: Webauftritt. Gemeinde Hofbieber, abgerufen im April 2019.
- Friedrich A. Wagner: Dies ist ein Gebirge zum Wandern. In: Die Rhön (= Merian, Jg. 17 (1964), Heft 4), S. 5–10, hier S. 5.
- Frau Pabst: Rhönlexikon: Kreyfelt. In: www.rhoen.info. Abgerufen am 13. Dezember 2016.
- Gerhard Reinhold: Otto-Glocken. Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, hier insbes. S. 520, 549.
- Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 566, hier insbesondere S. 483, 506, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
- Traumtheater Kleinsassen
- Ludwig-Wolker-Haus
- Info: Bitte auf Vorlage:HessBib umstellen, um auch nach 2015 erfasste Literatur zu selektieren!