Katholischer Männerverein Tuntenhausen
Der Katholische Männerverein Tuntenhausen (KMVT) ist ein 1945 durch Alois Hundhammer gegründeter konservativer Verein für katholische Männer. Der Verein gilt als Herz des politischen Katholizismus im Freistaat Bayern.[1] Der Verein weist durchgängig seit seiner Gründung eine enge personelle und programmatische Verflechtung mit den Führungsgremien der CSU auf, bindet insbesondere deren konservativ-klerikalen Flügel grundlegend ein und gilt als Denkfabrik der Partei.[2]
Den Vereinsvorsitz haben seit seiner Gründung stets prominente Politiker der CSU inne. Der Verein hatte im Jahr 2008 rund 1000 Mitglieder.[3] Vereinszweck ist es, „in der Öffentlichkeit für die Vertiefung des katholischen Glaubenslebens zu wirken und die katholischen Grundsätze zur Geltung zu bringen“.[4] Seit Ende 2009[5] ist Marcel Huber Vorsitzender des Vereins.[6][7][8]
Geschichte
Der Verein versteht sich selbst als Fortführung des 1869 ebenfalls in Tuntenhausen gegründeten Bayerisch-Patriotischen Bauernvereins.[9] Dieser hatte sich am 27. Juli 1933 mit rund 5000 Mitgliedern in Rosenheim auf Druck der Nationalsozialisten selbst liquidiert.[3] Vor seiner Selbstauflösung war der Verein sehr eng mit der Bayerischen Volkspartei verbunden.
Die Neugründung des Vereins in den ersten Monaten nach dem Zweiten Weltkrieg geht auf eine Initiative des Tuntenhausener Pfarrers Innozenz Lampl und den Weihbischof im Erzbistum München und Freising Anton Scharnagl zurück. Zwischen beiden Vereinen bestanden sehr enge personelle Kontinuitäten. Erster Vereinsvorsitzender wurde Alois Hundhammer, der diese Rolle im Anschluss für fast 30 Jahre innehatte. Bereits zum ersten öffentlichen Auftritt des Vereins bei der Basilikafeier an Pfingsten 1946 kamen verschiedene prominente CSU-Politiker zur Wallfahrt, unter ihnen Franz Josef Strauß, und hielten Reden.
Tätigkeit und Diskurs des Vereins wurden in den folgenden Jahrzehnten immer wieder mit kontroversen, christlich konnotierten CSU-Themen wie zum Beispiel den Diskussionen um die Einführung der Antibabypille,[10] der Reform des Paragraphen 218 StGB,[1] der angeblichen AIDS-Gefahr durch Homosexuelle,[11] dem Kampf um Kruzifixe in Klassenzimmern[12] und dem Streit um die Stammzellforschung[13] in Verbindung gebracht.
Mitgliedschaften bzw. Verbindungen zu dem Verein werden in den deutschen Medien seit Jahrzehnten als eindeutiges Indiz für stark konservativ-christliche Grundhaltungen prominenter Politiker angeführt.[14]
Thomas Goppel erklärte in Tuntenhausen 1992: „Es gibt nichts Verbindenderes, als nebeneinander, Kopf an Kopf, mit gefalteten Händen auf der Gebetsbank zu knien.“ Im selben Jahr bezeichnete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Verein als „[…] ein symbiotisches Bündnis von katholischem Klerus und dem fundamentalistischen Flügel der CSU […]“.[1]
Die seit Jahrzehnten bestehende Nähe zwischen der Führung der katholischen Kirche in Bayern und der Veranstaltung dauert nach wie vor an. Im April 2010 betonte der Münchner und Freisinger Erzbischof Reinhard Marx in Tuntenhausen erneut die Einigkeit mit dem katholischen Flügel der CSU.[15]
Jahrestreffen
Traditionell treffen sich die Vereinsmitglieder zweimal im Jahr zu Wallfahrtsgottesdiensten in der Wallfahrtskirche Tuntenhausen. Neben der Frühjahrstagung (jeden letzten Sonntag im April) findet jährlich ein weiteres Treffen, die Herbsttagung (jeden letzten Sonntag im September), statt. Der Ablauf sieht, nach einem gemeinsamen Besuch der heiligen Messe in der Tuntenhausener Kirche, stets einen Politfrühschoppen in der Festhalle des Gasthauses Schmid vor.[1] Die politischen Reden finden aufgrund ihrer häufig polarisierenden Inhalte spätestens seit Ende der 1950er Jahre Widerhall in den überregionalen Medien.[16]
Leitung und Struktur des Vereins
Zur Leitung des Vereins gehört außer dem 1. und einem stellvertretenden Vorsitzenden, einem Schriftführer, einem Kassier und fünf Beisitzern auch der jeweilige Pfarrer von Tuntenhausen. In jeder Pfarrei mit mindestens sieben Mitgliedern wird ein Obmann aufgestellt.[4] Die Geschäftsstelle des Vereins ist mit dem Pfarramt Tuntenhausen verbunden. Ihre Leitung hat der dortige Pfarrer.[4]
Der Verein ist Mitglied im Landesverband Katholischer Männergemeinschaften in Bayern e.V.[17] und durch diesen über die Bundesvereinigung Katholischer Männergemeinschaften Deutschlands e.V. mit der Internationalen Vereinigung Katholischer Männer verbunden.[18]
Vereinsvorsitzende
Alle bisherigen Vereinsvorsitzendenhatten hatten führende Positionen innerhalb der CSU und in der Regierung des Freistaats Bayern inne.
- 1945–1974 Alois Hundhammer
(1945 Mitbegründer der CSU, von 1964 bis 1969 stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Bayern)
- 1974–1989 Max Streibl
(Bayerischer Ministerpräsident von 1988 bis 1993)
- 1989–2009 Hans Zehetmair
(von 1993 bis 1998 stellvertretender Ministerpräsident des Freistaates Bayern, von 2004 bis 2014 Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung)
- seit 2009 Marcel Huber
(von 2011 bis 2013 und 2018 Staatsminister für Umwelt, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei 2011 und 2014 bis 2018)
Ehrenvorsitzende
- Hans Zehetmair
Angebot der Mitgliedschaft an Papst Benedikt XVI.
Da Joseph Kardinal Ratzinger wiederholt an den Wallfahrtsveranstaltungen teilgenommen hatte,[19] sandte ihm der Verein nach seiner Ernennung zum Papst eine Broschüre mit Aufnahmeantrag und dem Angebot zu, das 1000. Mitglied des Vereins zu werden.[20] In einem Antwortschreiben teilte der Vatikan 2006 mit, Papst Benedikt XVI. könne der Bitte nicht entsprechen, da persönliche Zugehörigkeiten in privaten, kulturellen und sozialen Organisationen nicht der Praxis des Amtes entsprächen.[21]
Literatur
- Katholischer Männerverein Tuntenhausen (Hrsg.): Katholischer Männerverein Tuntenhausen – Christliche Werte brauchen neue Ideen Tuntenhausen ruft – Rufen Sie zurück. (Broschüre)
Weblinks
- Katholischer Männerverein Tuntenhausen (Homepage)
Einzelnachweise
- Zur letzten Reife – Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1992, S. 44–47 (online).
- Wir sind Stoiber! Wie die Chaostage der CSU die altbairische Seele aufwühlen. Eine Wallfahrt zur Gnadenmutter nach Tuntenhausen. In: Die Zeit, Nr. 10/2007 oder Ja so sans Tuntenhausen und die CSU-Männer . (Memento des Originals vom 30. November 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vorwaerts.de, 27. November 2009
- Geschichte - Der Bayerisch-Patriotische Bauernverein und der Katholische Männerverein Tuntenhausen. maennerverein-tuntenhausen.de
- Satzung des Katholischen Männervereins Tuntenhausen
- Der Neue in Tuntenhausen. Zeitungsausschnitt der Pressewoche auf der Website des Katholischen Männervereins Tuntenhausen, 19. Dezember 2009, abgerufen am 25. Januar 2016.
- Kontrabass, Feuerwehr und Tuntenhausen. Süddeutsche Zeitung, 2. März 2011, abgerufen am 25. Januar 2016.
- Gegen Sex, Bikinis und die Pille. Süddeutsche Zeitung, 26. Oktober 2010, abgerufen am 25. Januar 2016.
- Vorstandschaft. Katholischer Männerverein Tuntenhausen, abgerufen am 25. Januar 2016.
- Seehofer: Aufstieg eines Sozialromantikers. handelsblatt.com, 6. Oktober 2008
- Personalien: Alois Hundhammer. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1968, S. 198 (online). Zitat: „Alois Hundhammer […] erläuterte den Mitgliedern des Katholischen Männervereins im oberbayrischen Tuntenhausen ‚die drei großen Sorgen des Jahres 1968‘: an erster Stelle die Unruhe in der Kirche, danach die schlechten Ernteaussichten und schließlich die Vorgänge in der CSSR. Nachdem der Minister so sein Weltbild dargelegt und auch heftig für das päpstliche Pillen-Verbot plädiert hatte (‚Mit der Anwendung der Pille wird die Grenze zwischen Gut und Böse überschritten‘) […] unterbrach eine Stimmbandlähmung Hundhammers Rede“
- Zeugung hamma net – Bayerns Kultusminister Zehetmair, klerikaler Fundi der CSU, gerät in der eigenen Partei zum Gespött. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1991, S. 72–75 (online).
- Barbara Supp: Heiliger Edmund, bitt’ für uns. Über den Kruzifix-Kampf in Bayern. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1995, S. 114–115 (online).
- Die schwarze Seele – Der Konservative ist altmodisch in seinen Sehnsüchten, aber modern in seiner Lebensweise. Er zieht es vor, den Dingen nicht auf den Grund zu gehen – und lebt gut damit. In: Die Zeit, Nr. 31/2008
- Alisis Stunde. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1962, S. 20–29 (online).
- Politik und Kirche treffen sich in Tuntenhausen – Erzbischof Marx betont Einigkeit mit dem katholischen Flügel der CSU. (Memento des Originals vom 13. April 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (ddp)/themenportal.de, 25. April 2010
- Wahlkampf: Nur wegen der Gaudi. In: Der Spiegel. Nr. 28, 1953, S. 5–6 (online). Mir san mir. In: Der Spiegel. Nr. 1, 1964, S. 30–42 (online). Syrus der Sklave. In: Der Spiegel. Nr. 39, 1964, S. 58 (online).
- Webseite des Landesverbandes kath. Männergemeinschaften
- Impressum der Webseite des KMVT
- Bilder: Joseph Kardinal Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI. maennerverein-tuntenhausen.de
- Die schwarze Bastion umwirbt große Männer. merkur-online.de, 5. Juli 2006
- Papst wird nicht Mitglied im Männerverein Tuntenhausen. (Memento des Originals vom 8. April 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. dradio.de, 25. Juli 2006