Jüdisches Zentrum München
Das Jüdische Zentrum München ist das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern in der Altstadt Münchens. Zu ihm zählen die im November 2006 geweihte Hauptsynagoge Ohel Ja'akov (hebräisch אהל יעקב ‚Zelt Jakobs‘), ein Kultur- und Gemeindehaus mit Versammlungsräumen, Grundschule und Gymnasium, Kindergarten, Jugendzentrum und Restaurant sowie das Jüdische Museum, das in Trägerschaft der Landeshauptstadt München im März 2007 eröffnet wurde.
Jüdisches Zentrum München | |
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Jüdisches Zentrum München mit Jakobsplatz | |
Baujahr: | 2003 |
Lage: | 48° 8′ 4,5″ N, 11° 34′ 20,6″ O |
Anschrift: | St.-Jakobs-Platz 18 München Bayern, Deutschland |
Zweck: | Orthodoxes Judentum Synagoge |
Gemeinde: | Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern |
Webseite: | www.ikg-m.de |
Zwischen 1947 und 2007 war das Gemeindezentrum mit der früheren Hauptsynagoge und einem kleinen Museum in der Reichenbachstraße 27 untergebracht.
Bauten
Die Bauwerke befinden sich am Sankt-Jakobs-Platz zwischen der Schrannenhalle, dem katholischen Kloster der Armen Schulschwestern mit angegliederter Kirche St. Jakob und dem Oberanger. Nördlich des Haupteinganges befindet sich das Münchner Stadtmuseum.
Mit dem Jüdischen Zentrum verfügt die zweitgrößte jüdische Gemeinde Deutschlands nach der Zerstörung der Hauptsynagoge durch die Nationalsozialisten wieder über ein Domizil in der Münchner Altstadt. Die Planung war dem Saarbrücker Büro Wandel, Hoefer und Lorch anvertraut worden, das einen zweistufigen Architekturwettbewerb für sich entscheiden konnte und zuvor bereits die Neue Synagoge in Dresden entworfen hatte.
Synagoge
Der Sockel der 28 Meter hohen Ohel-Jakob-Synagoge (Zelt Jakobs), die 585 Sitzplätze aufweist, erinnert an die Klagemauer, den einzig erhaltenen Teil des Jerusalemer Tempels. Darüber thronen – in einem quaderförmigen Oberlicht – ineinander verschachtelte Davidsterne aus Stahl. Sie sind verglast und mit einem bronzefarbenen Metallnetz verhängt. Das Oberlicht soll tagsüber Licht einlassen und nachts Licht in die Umgebung abgeben. Die einfallenden Sonnenstrahlen werden mehrfach gebrochen und tauchen das Innere der Synagoge, das mit Zedernholz aus dem Libanon und hellem Jerusalem-Stein verkleidet ist, in warmes Licht. Der Glasaufbau deutet ein Zelt an, das die 40-jährige Wanderung der Juden durch die Wüste Sinai symbolisiert. Das sechs Meter hohe Portal wurde in Budapest gefertigt. Darauf stehen (von oben nach unten, von rechts nach links) die ersten zehn Buchstaben des hebräischen Alphabets (hebräisch א ב ג ד ה ו ז ח ט י), das auf hebräisch auch zum Zählen benutzt wird; sie erinnern damit an die Zehn Gebote.
Die Synagoge Ohel Jakob trägt den gleichen Namen wie die in der Pogromnacht 1938 zerstörte orthodoxe Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße. Wie alle Synagogen ist auch das Gotteshaus Ohel Jakob in West-Ost-Richtung angelegt. An der nach Osten, d. h. nach Jerusalem gelegenen Wand befindet sich, von einer dunkelblauen Parochet verdeckt, der Toraschrein. Vor ihm brennt das Ewige Licht. Das Lesepult (Bima) befindet sich, wie in aschkenasisch-orthodoxen Synagogen üblich, in der Mitte des Raumes. Für die Männer sind die Stuhlreihen in der Mitte der Halle bestimmt, die Frauen nehmen auf den nur leicht erhöhten Seitenemporen Platz.
Museum und Gemeindehaus
Die beiden übrigen Bauten des Zentrums (Museum, Gemeindehaus) bestehen aus rechtwinkligen, funktionalen Solitären. Als einheitliche Materialoberfläche dienen unterschiedlich strukturierte Travertin-Platten von der Schwäbischen Alb.
Im Kindergarten, der im Gemeindehaus untergebracht ist, werden fünf Gruppen zu je 18 bis 25 Kindern betreut.[1] Die Sinai-Grundschule, die wie der Kindergarten auch nicht-jüdischen Kindern offensteht, ist als Ganztagsschule für 150 Kinder konzipiert.[2] Kurse zur jüdischen Geschichte, Religion und Kultur sowie Sprachkurse bietet die Jüdische Volkshochschule an.[3] Außerdem gibt es im Gemeindezentrum eine Präsenzbibliothek[4] und ein Archiv, das Zeitungen, Zeitschriften und Dokumente zum jüdischen Leben früher und heute sammelt.[5] Im Restaurant Einstein im Erdgeschoss des Gemeindezentrums wird koscheres Essen zubereitet. Eine Sporthalle im Keller des Zentrums nutzt unter anderem der TSV Maccabi München. Unterricht in israelischem Volkstanz wird von Matti Goldschmidt erteilt. Ein 880 Quadratmeter großer Veranstaltungsraum im Gemeindezentrum, der größte in der Münchner Innenstadt, ist nach dem Verleger Hubert Burda benannt, der den Bau des Jüdischen Zentrums förderte.[6]
In einem 32 Meter langen, unterirdischen Gang der Erinnerung zwischen dem Gemeindezentrum und der Synagoge sind rund 4500 Namen von Münchner Juden verewigt, die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.
Im Oktober 2008 wurde das Jüdische Zentrum München mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet.[7]
- Portal der Synagoge
- Toraschrein
- Davidsternmotiv im Glasaufbau
Grundsteinlegung und Einweihung
Die Grundsteinlegung fand in Anwesenheit des Bundespräsidenten Johannes Rau am 9. November 2003 statt.[8] Für diesen Tag hatte die neonazistische Vereinigung „Kameradschaft Süd“ einen Bombenanschlag auf das Gelände geplant, den die Polizei vereitelte. Nach Angaben des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein stellten die Ermittler 14 Kilogramm Sprengstoff sowie Attentatspläne sicher.[9] In zwei Prozessen wurden insgesamt acht Frauen und Männer zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Wie ursprünglich vorgesehen konnte am 28. Oktober 2005 das Richtfest für die Synagoge gefeiert werden.[10][11][12] Der Baubeginn hatte sich mehrfach verzögert, da unvermutet mittelalterliche Fundamente gefunden wurden und daher eine Notgrabung erforderlich war.[13] Am 9. November 2006 − genau 68 Jahre nach der Reichspogromnacht von 1938 − wurde die Synagoge eingeweiht.[14] An dem Festakt nahmen hochrangige Gäste aus dem In- und Ausland teil, so Bundespräsident Horst Köhler, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und das gesamte bayerische Kabinett, Israels Botschafter Shimon Stein, der Oberrabbiner aus Tel Aviv, Israel Meir Lau, sowie zahlreiche Vertreter von Parteien und Glaubensgemeinschaften. Geleitet wurde die Eröffnungszeremonie von Charlotte Knobloch, der in München aufgewachsenen Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. Viele Münchner hatten am Vormittag den Umzug der neun feierlich geschmückten Tora-Rollen von der alten in die neue Synagoge begleitet; im Gotteshaus spielte der Klarinettist Giora Feidman Shalom Chaverim (deutsch „Friede, Freunde!“). Mehr als 1500 Polizeibeamte waren aufgeboten worden, um das Areal rund um den Sankt-Jakobs-Platz abzusichern.
Drei Tage nach der offiziellen Eröffnung hatte die Münchner Bevölkerung an einem „Tag der Begegnung“ Gelegenheit, die Synagoge und das Gemeindezentrum zu besichtigen. Das unerwartet große Interesse der Bevölkerung führte dazu, dass sich nach wenigen Stunden eine mehrere hundert Meter lange Schlange vor der Synagoge bildete. Die Polizei musste den weiteren Zugang zum Platz aus Sicherheitsgründen reglementieren. Insgesamt sahen sich 15.000 Menschen die neuen Einrichtungen an.[15]
Zehnter Jahrestag der Einweihung
Am 9. November 2016 wurde der zehnte Jahrestag der Einweihung der Ohel-Jakob-Synagoge in einem Festakt begangen. Während des Festakts wurde die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Ohel-Jakob-Medaille in Gold – der höchsten Auszeichnung der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern – ausgezeichnet.[16] Anwesend waren neben viel Politprominenz die bisherigen Preisträger, wie Christian Ude, Günther Beckstein, Hubert Burda, Harald Strötgen, Hans-Jochen Vogel und Horst Seehofer.[17]
- St.-Jakobs-Platz München, Eingang zum Empfang am zehnten Jahrestag der Synagoge
- Festakt zum zehnten Jahrestag der Synagoge
- Festrede von Angela Merkel beim Festakt der Ohel-Jakob-Synagoge
Finanzierung
Das neue Jüdische Zentrum kostete nach Informationen der Wochenzeitung Die Zeit insgesamt 57 Millionen Euro.[18] Finanziert wurde das Projekt von der Landeshauptstadt München, vom Freistaat Bayern, von der Israelitischen Kultusgemeinde und durch Spenden. Der Beitrag der Landeshauptstadt und der Staatsregierung beläuft sich auf etwa 30 Millionen Euro. Weitere 20,5 Millionen Euro wurden aus dem Verkauf des Grundstückes an der Herzog-Max-Straße erzielt, auf dem die alte Hauptsynagoge der damals reformierten Gemeinde stand. Käufer war die Karstadt Warenhaus GmbH, die damit ihr benachbartes Oberpollinger-Kaufhaus erweitern konnte. Das 5500 Quadratmeter große Areal am Sankt-Jakobs-Platz stellte nach einem Vorschlag des Oberbürgermeisters Christian Ude die Stadt München kostenlos zur Verfügung.[19] Eine Inschrift im Innern der Synagoge erinnert daran, dass auch die Erzdiözese München und Freising unter Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern einen Geldbetrag zur Errichtung des Zentrums spendeten.[20]
Sonstiges
Am 13. März 2007 wurde eine Sondermarke der Deutschen Post vorgestellt, das dem Jüdischen Zentrum gewidmet ist; Erstausgabetag der Briefmarke war der 1. März 2007. Sie wurde von Barbara Dimanski aus Halle gestaltet. Die Auflage der 55-Cent-Marke lag bei 6,5 Millionen Exemplaren.[21]
Die Synagoge und das Jüdische Zentrum bildeten den Schauplatz für den Tatort-Krimi Ein ganz normaler Fall, dessen Erstausstrahlung am 27. November 2011 stattfand.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Alexander-Moksel-Kindergarten. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Die Sinai-Ganztages-Grundschule stellt sich vor. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Die Jüdische Volkshochschule. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Die Bibliothek. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Archiv des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde und der Jüdischen Volkshochschule München (Memento vom 23. Februar 2010 im Internet Archive). Archive in München, 16. Mai 2009.
- Süddeutsche Zeitung, 10. Februar 2006.
- Jüdisches Zentrum – Städtebaupreis 2008 vergeben. Baunetz, 10. Oktober 2008, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum Jakobsplatz in München. zentralratdjuden.de, 9. November 2003, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Neonazis wollten jüdisches Zentrum sprengen. sueddeutsche.de, 19. Mai 2010, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Lisa Sonnabend: Richtfest für das Jüdische Zentrum. muenchenblogger.de, 28. Oktober 2005, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Hans Bleibinhaus: Richtfest des Neuen Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz in München am 28. Oktober 2005. (PDF-Datei) juedischeszentrumjakobsplatz.de, 28. Oktober 2005, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Richtfest für die Hauptsynagoge am 28. Oktober 2005. juedischeszentrumjakobsplatz.de, 28. Oktober 2005, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Bauarbeiten laufen seit dem 24.6.2004 auf Hochtouren. juedischeszentrumjakobsplatz.de, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Das Jüdische Zentrum am St.-Jakobs-Platz. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Doris Näger, Bernd Kastner: Riesiges Interesse am jüdischen Zentrum. Mehr als 15.000 Besucher sind beim „Tag der Begegnung“ zum jüdischen Zentrum gekommen. Die Polizei musste den Sankt-Jakobs-Platz wegen Überfüllung sperren. sueddeutsche.de, 17. Mai 2010, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Wolfgang Ranft: Münchens Juden umarmen die Kanzlerin. Bild, 9. November 2016, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Die Ohel-Jakob-Medaille. Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Angelika Dietrich: Zurück im Herzen Münchens. Am 9. November wird die neue jüdische Synagoge eingeweiht. zeit.de, 2006, abgerufen am 23. Mai 2018.
- Stadt München stellt Areal am Sankt-Jakobs-Platz kostenlos zur Verfügung. (Nicht mehr online verfügbar.) muenchen.de, ehemals im Original; abgerufen am 23. Mai 2018. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Knobloch dankt Wetter für finanzielle Unterstützung. (Memento vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive) Radio Vatikan, 4. Juli 2007.
- Jüdisches Zentrum München – Sondermarke der Deutschen Post. (Nicht mehr online verfügbar.) startzentrum.de, archiviert vom Original am Oktober 2007; abgerufen am 23. April 2019.