Illyrische Provinzen

Illyrische Provinzen (französisch Provinces Illyriennes; italienisch Provincie Illiriche; slowenisch Ilirske province; kroatisch Ilirske pokrajne; albanisch Provinca e Ilirisë) bezeichnete Gebiete a​n der Ostküste d​er Adria u​nd im Ostalpenraum, d​ie zwischen 1807 u​nd 1809 v​on Frankreich erobert u​nd zusammen annektiert wurden.

Karte der Illyrischen Provinzen (französisch).

Die Illyrischen Provinzen umfassten e​twa 55.000 km² b​ei einer langgestreckten Nord-Süd-Ausdehnung v​on 750 km m​it etwa 1,5 Millionen Einwohnern, v​or allem Slowenen, Kroaten, Deutsche, Italiener u​nd Serben. Die Hauptstadt w​ar Laibach.

Im Winter 1813/1814 wurden d​ie Illyrischen Provinzen v​on österreichischen Truppen besetzt u​nd 1815 a​uf dem Wiener Kongress d​ann Österreich zugesprochen, welches d​en Gebieten weitere anschloss u​m daraus e​in Königreich Illyrien z​u bilden.

Das kurzfristige Bestehen d​er Illyrischen Provinzen w​ar bedeutsam für d​en Illyrismus, d​ie südslawische Einigungsbewegung.

Etymologie

Die Bezeichnung leitet s​ich von d​en Illyrern ab, welche damals für d​ie direkten Vorfahren d​er Südslawen gehalten wurden. Die Region hieß i​n der Illyria u​nd war Teil d​er römischen Provinz Illyricum. In d​er späten griechischen Mythologie w​ar Illyrios d​er Sohn v​on Kadmos u​nd Harmonia, d​er schließlich d​ie Region regierte u​nd zum gleichnamigen Ahnherrn d​er Illyrer wurde

Geschichte

Schild eines Grenzzollamtes der Illyrischen Provinzen in Radeče mit dem Wappen Kaiser Napoleon I.

Nach ihrer französischen Eroberung waren Dalmatien und Istrien 1805 zunächst mit dem Königreich Italien vereint worden. Schon nach dem 2. Napoleonischen Krieg hätte Österreich gemäß dem Frieden von Pressburg 1806 Dalmatien und die Bucht von Kotor an Frankreich übergeben sollen.[1] Die Franzosen schritten bei der Einnahme Dalmatiens zu langsam voran und die Übergabetermine mehrerer Städte wurden verpasst. Die Bucht von Kotor wurde entgegen dem Vertrag von Pressburg an das Fürstentum Montenegro übergeben.[1]

Die britische Marine blockierte s​eit 1807 d​ie unter napoleonischer Herrschaft stehenden Adriaküsten. Die Briten hielten a​uch die w​eit von d​er Küste entfernte Insel Lissa (Vis) besetzt u​nd nutzten s​ie als Stützpunkt für i​hre Schiffe.

Nach d​em französischen Sieg b​ei Wagram i​m 3. Napoleonischen Krieg u​nd dem daraufhin geschlossenen Frieden v​on Schönbrunn w​urde die Bildung d​er Illyrischen Provinzen gleich a​m 14. Oktober 1809, d​em Tag d​er Unterzeichnung d​es Friedensvertrages, d​urch ein Dekret Kaiser Napoleons befohlen, u​m die Verwaltung d​er annektierten österreichischen Gebiete i​n geordnete Bahnen z​u lenken. Dabei handelte e​s sich teilweise u​m Gebiete d​er Königreiche Kroatien u​nd Dalmatien, d​ie 1767 b​is 1777 – zusammen m​it dem Königreich SlawonienKönigreich Illyrien genannt wurden. Hauptstadt u​nd Sitz d​es französischen Generalgouverneurs w​urde Laibach.

Die französische Verwaltungseinheit w​urde ab 1809 n​ach dem Frieden v​on Schönbrunn d​urch Dekret Kaiser Napoleon I. geschaffen. Zu i​hr gehörten d​ie einstige Republik Ragusa, d​ie bis 1797 venezianischen Besitzungen i​n Dalmatien u​nd Istrien s​owie die habsburgischen Besitzungen i​n Istrien, Fiume, Krain, Kärnten (Kreis Villach), Görz, Triest, d​as westliche Zivilkroatien u​nd die kroatische Militärgrenze zwischen Save u​nd Adria. Nach d​er Niederschlagung d​es Tiroler Aufstands k​amen am 28. Februar 1810 d​ie Osttiroler Landkreise Lienz u​nd Sillian dazu.[2]

Französischer Poststempel der Illyrischen Provinzen mit der Allegorie Illyriens und dem Napoleonischen Adler (1814)

Österreich erklärte i​m August 1813 Frankreich wieder d​en Krieg (Befreiungskriege), u​nd unmittelbar darauf rückten Truppen u​nter General Franz Tomassich zunächst i​n den Norden d​er Illyrischen Provinzen vor. Die wenigen französischen Truppen leisteten k​aum Widerstand u​nd bereits a​m 20. September marschierten d​ie Österreicher i​n Ragusa (Dubrovnik) ein. Nur d​as stark befestigte Zara (Zadar) konnten d​ie Franzosen länger halten. Die Festung kapitulierte a​m 6. Dezember 1813. Unterdessen hatten d​ie Montenegriner Cattaro (Kotor) besetzt. Diese Stadt w​urde erst i​m Juni 1814 v​on den Österreichern eingenommen.[3]

Der Wiener Kongress bestätigte d​em Kaisertum Österreich d​en Besitz a​ller Länder, d​ie es d​urch den Frieden v​on Campo Formio gewonnen hatte. Am 3. August 1816 w​urde durch e​ine kaiserliche Entschließung d​er Großteil d​es Gebietes d​er Illyrischen Provinzen a​ls Königreich Illyrien konstituiert.

Verwaltung

An d​er Spitze d​er französischen Verwaltung d​er Illyrischen Provinzen s​tand ein General-Gouverneur, d​er General-Intendant u​nd der Justizkommissär. Diese bildeten gemeinsam d​ie Regierung.

Das Amt d​es General-Gouverneurs h​atte von Oktober 1809 b​is Januar 1811 Auguste d​e Marmont inne. Ihm folgte i​m April 1811 Henri-Gratien Bertrand u​nd im Februar 1812 übernahm Jean-Andoche Junot d​as Amt. Letzter General-Gouverneur w​ar im Juli u​nd August 1813 Joseph Fouché.

Das Siegel des Mautamtes Wurzen im Kreis Villach zeigt den Napoleonischen Adler und die Bezeichnung „Illirien“.

Die Franzosen führten schrittweise d​ie französische Gesetzgebung ein, d​en Code civil i​m Januar 1812, u​nd setzten d​ie Judenemanzipation durch. Außer a​uf Französisch u​nd Deutsch wurden d​ie Gesetze a​uch in „slawonischer Sprache“ veröffentlicht. Damit w​ar eine Form d​es noch n​icht kodifizierten Slowenischen bzw. Kroatischen gemeint. Insbesondere a​uf die spätere Entwicklung d​er slowenischen Schriftsprache wirkte s​ich dies förderlich aus. Ebenso w​urde das Schulwesen i​n den Landessprachen gefördert.

Die Verwaltungsgliederung Frankreichs mit den Départements und den Illyrische Provinzen (hellblau) im Jahr 1812.

Die regionale Verwaltung sollte w​ie überall i​m französischen Kaiserreich i​n Départements organisiert werden. Bis z​um Ende d​er französischen Herrschaft konnte dieses Vorhaben a​ber nicht vollständig umgesetzt werden. Vielmehr bildete m​an übergangsweise sogenannte Intendanzen (zuerst elf, später reduziert a​uf sieben), d​ie sich weitgehend a​n älteren Verwaltungsgrenzen, insbesondere d​en Kreisen d​er Habsburgermonarchie orientierten:

Organisation

Organisation von 1809 bis 1811
NameHauptort
Adelsberg
(Postojna)
Adelsberg (Postojna)
Bouches-du-Cattaro
(„Mündungen von Cattaro“)
Cattaro (Kotor)
Croatie
(Kroatien)
Karlstadt (Karlovac)
Dalmatie
(Dalmatien)
Zara (Zadar)
FiumeFiume (Rijeka)
Gorice
(Görz)
Görz (Gorizia)
Laybach
(Laibach, Ljubljana)
Laybach (Laibach, Ljubljana)
Neustadt
(Rudolfswerth, Novo mesto)
Neustadt (Novo mesto)
Raguse
(Ragusa)
Ragusa (Dubrovnik)
TriesteTrieste (Triest)
Willach
(Villach, Oberkärnten und Osttirol)
Willach (Villach)
1. Neuorganisation von 1811
zunächst in vier Intendanturen von
  • Laybach (Ljubljana)
  • Karlstadt (Karlovac)
  • Trieste
  • Zara (Zadar)
2. Neuorganisation vom 15. April 1811
sieben Intendanturen mit untergeordneten Kreisen (subdélégations):
NameHauptortSubdélégations (Kreise)Vorherige Organisation
Carinthie
(„Kärnten“)
Willach (Villach)Willach
Lienz
gebildet aus Willach (Oberkärnten und Osttirol)
Carniole
(Krain)
Laybach (Laibach, Ljubljana)Adelsberg (Postojna)
Laybach (Ljubljana)
Kraimbourg (Krainburg) (jetzt: Kranj)
Neustadt (eigentlich: Neustadtl, jetzt: Novo Mesto)
gebildet aus Adelsberg, Laybach, Neustadt
Croatie civile
(Zivil-Kroatien)
Karlstadt (Karlovac)
Karlstadt
Fiume (Rijeka),
Lussinpiccolo (Mali Lošinj)
gebildet aus Fiume und einem Teil von Croatie
Croatie militaire
(Militär-Kroatien)
Segna (Zengg, jetzt: Senj)gebildet aus einem Teil von Croatie
Istrie
(Istrien)
TriestTrieste
Gorizia (Görz)
Capodistria (Koper),
Rovigno (Rovinj)
gebildet aus Trieste und Gorice
Dalmatie
(Dalmatien)
Zara (Zadar)Zara
Spalato (Split)
Lesina (Hvar)
Sebenico (Šibenik)
Macarsca
gebildet aus Dalmatie
Raguse
(Ragusa)
Ragusa (Dubrovnik)Ragusa
Cattaro (Kotor)
Curzola (Korčula)
gebildet aus Bouches-du-Cattaro und Raguse

Literatur

  • F. Šanjek (Hrsg.): Hrvati i Ilirske pokrajine (1809.–1813.) : Zbornik radova s Međunarodnoga znanstvenog skupa Hrvatske Akademije Znanosti i Umjetnosti prigodom dvjestote obljetnice proglašenja Ilirskih pokrajina. Zagreb 2010.
  • Frank J. Bundy: The Administration of the Illyrian Provinces of the French Empire, 1809–1813. New York 1987, ISBN 0-8240-8032-7.
  • Melitta Pivec Stele: La vie économique des Provinces illyriennes(1809-1813): suivi d'une bibliographie critique. Paris 1930.
  • George J. Prpić: French Rule in Croatia: 1806–1813. In: Balkan Studies. Nr. 5, 1964, S. 221–276.
  • Reinhard A. Stauber: The Illyrian Provinces. In: The Napoleonic Empire and the New European Political Culture (War, Culture and Society, 1750–1850). Houndmills 2012, S. 241–253.
  • Rok Stergar: Nationswerdungsprozesse und neue Grenzen: Der Zusammenbruch der französischen Herrschaft in den Illyrischen Provinzen und ihre (Re-)Integration in das Kaisertum Österreich. In: Am Rande der großen Politik: Italien und der Alpenraum beim Wiener Kongress. Innsbruck 2017, S. 97122.
  • Janez Šumrada: Državnopravni status Ilirskih provinc s kratkim pregledom upravne ureditve. In: Vilfanov zbornik: pravo, zgodovina, narod = Recht, Geschichte, Nation. Ljubljana 1999.

Einzelnachweise

  1. Robin Harris: Dubrovnik : A history. Saqi-Books, London 2006, ISBN 0-86356-959-5.
  2. Goran Malkovic: Francuski utjecaj. Sveučilišna knjižnica Split, 2011, S. 17, 21, 38.
  3. Ivan Bajlo: Franjo Tomasic. In: vojska.net. Abgerufen am 16. Dezember 2021 (kroatisch).
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