hart aber fair
hart aber fair ist eine wöchentliche politische Talkshow. In der 75-minütigen Sendung, die am Montagabend im Ersten ausgestrahlt wird, diskutiert Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen ein aktuelles kontroverses Thema. Die Zuschauer erhalten durch kurze Einspielfilme zusätzliche Informationen und können sich direkt beteiligen. Vor dem Wechsel ins Hauptprogramm der ARD lief die Sendung sieben Jahre lang im WDR Fernsehen.
Fernsehsendung | |
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Originaltitel | hart aber fair |
Produktionsland | Deutschland |
Erscheinungsjahr | seit 2001 |
Produktions- unternehmen |
Ansager & Schnipselmann |
Länge | 75 Minuten |
Ausstrahlungs- turnus |
wöchentlich (montags 21:00 Uhr) |
Genre | politische Talkshow |
Produktion | Jürgen Schulte (A&S) |
Moderation |
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Erstausstrahlung | 31. Januar 2001 auf WDR Fernsehen |
Konzept
Der Name geht auf die Sprache von Fußballkommentaren seit der Nachkriegszeit zurück.[1] Wie der Name andeutet, sollte die Diskussion offen und kontrovers geführt werden. Statt ideologisch und parteipolitisch geprägter Aussagen sollen dabei sachliche Argumente im Vordergrund stehen. Deshalb gehören neben Politikern auch wissenschaftliche Experten, Vertreter anderer Organisationen und direkt beteiligte oder betroffene Personen zu den Teilnehmern der Diskussionsrunde. Die Gäste werden so ausgewählt, dass unterschiedliche Positionen vertreten werden. Die Redaktion recherchiert Informationen zum Thema der jeweiligen Sendung, um zusätzliche Argumente zu liefern und die Hintergründe für die Zuschauer verständlicher darzustellen.
Ablauf der Sendung
Zu Beginn der Sendung nennt der Moderator Frank Plasberg das zu diskutierende Thema, das mit einem Slogan als Frage formuliert ist. Anschließend werden die fünf Gäste einzeln vorgestellt, wobei eine Off-Stimme deren Name und Funktion nennt und die Person mit einem Zitat einordnet. Die Gäste sind dabei üblicherweise so am Tisch platziert, dass die Vertreter der extremsten Pro- und Contra-Argumente ganz außen sitzen. Im Verlauf der nun beginnenden Diskussionen greift Plasberg bei entsprechender Gelegenheit mit Einspielfilmen ein. In den kurzen Beiträgen erhalten die Zuschauer ergänzende Informationen durch Statistiken, Interviews oder Zeitungsberichte. Manchmal wird auch einer der Gäste in einem Beitrag direkt angesprochen und mit seinen früheren, umstrittenen Aussagen konfrontiert.
Zusätzlich zu den Gästen am Tisch gibt es meistens noch ein Einzelgespräch mit einer Person, die sich auf besondere Weise mit dem Thema beschäftigt. Im Laufe der zweiten Hälfte der Sendung spricht Plasberg mit seiner Mitarbeiterin Brigitte Büscher, die eine Auswahl von Zuschauerreaktionen vorträgt. Die TV-Zuschauer haben vor und während der Sendung die Möglichkeit, telefonisch, per E-Mail, via Facebook oder im Gästebuch auf der Website einen Kommentar zum Thema abzugeben. In der Schlussrunde mit den Gästen am Tisch wird mit einer fantasievollen Frage ermittelt, wer wen überzeugt hat. Am Dienstagmittag veröffentlicht die Redaktion im Internet den sogenannten Faktencheck, in dem einige strittige Aussagen oder von den Gästen genannte Zahlen überprüft werden.
Produktion und Ausstrahlung
Die Sendung wird entweder aus Köln oder Berlin live gesendet. In Köln findet die Produktion im Studio A An der Rechtschule des WDR statt. Der Berliner Standort, der wegen der räumlichen Nähe zur Bundesregierung gewählt wurde, befindet sich in den Studios der Studio Berlin Adlershof GmbH in Adlershof. Vor dem 21. Oktober 2009 nutzte man in der Hauptstadt das Globe City Studio. Die montägliche Live-Ausstrahlung beginnt in der Regel um 21:00 Uhr. Die ersten Wiederholungen der aktuellen Ausgabe sind in der darauf folgenden Nacht um 03:10 Uhr und am Dienstagmorgen um 8:45 Uhr bei Das Erste zu sehen, bei 3sat am gleichen Tag um 10:15 Uhr. Außerdem zeigt das digitale ARD-Programm tagesschau24 die Sendung dienstags um 20:15 Uhr.
Von der Premiere am 31. Januar 2001 bis zum 10. Oktober 2007 wurde hart aber fair mittwochs um 20:15 Uhr als 90-minütiges Format im WDR Fernsehen ausgestrahlt.[2] Im Internet wird die aktuelle Sendung als Livestream in der ARD-Mediathek gezeigt. Dort sind auch vergangene Ausgaben der Sendung zu sehen, die zudem auf der hart aber fair-Webseite eingebunden sind, wo neben dem Player weitere Informationen zu den Sendungen und den Gästen vorgehalten werden.
Rezeption
Aussagen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zur Jugendkriminalität sorgten im Januar 2008 für Unruhe bei türkischen Migranten.[3][4]
Im Oktober 2009 sah sich die Redaktion dem Vorwurf mangelhafter Recherche ausgesetzt, als der Journalist Klaus Martens ein umstrittenes Medikament gegen Neurodermitis vorstellte.[5] Der Rundfunkrat des WDR verurteilte anschließend Martens’ Dokumentarfilm, wies aber die Programmbeschwerde gegen hart aber fair ab.[6] Für große Aufmerksamkeit sorgte auch der Auftritt des wegen seiner Aussagen über Migranten kritisierten Thilo Sarrazin im September 2010.[7]
Eine Sendung zum Thema Baumärkte am 23. April 2012 erregte beachtlichen Unmut bei den Zuschauern, die darin eine Verflachung der ansonsten anspruchsvoll-politischen Themenkultur der Talkshow sahen. Auch in anderen Medien und im Feuilleton stieß die Sendung unter dem Titel Wissen, wo der Hammer hängt – was treibt die Deutschen in den Baumarkt? auf Kritik und manche Ironie.[8] Verschiedene Stimmen brachten das aus Sicht vieler Stammzuschauer eigentümliche Thema mit Quoten-Problemen des Talkformats in Verbindung. Tatsächlich hatte die Baumarkt-Folge die niedrigste Quote seit dem Wechsel der Sendezeit von Mittwoch auf Montag.[9]
Die Sendung vom 2. März 2015 Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn? wurde aufgrund einer Empfehlung des Rundfunkrates nach Programmbeschwerden und Protesten nachträglich aus der WDR-Mediathek und dem ARD-Portal gelöscht. Laut einer Erklärung der Vorsitzenden des WDR-Rundfunkrates, Ruth Hieronymi, war die Auswahl der Talkgäste (Wolfgang Kubicki, Anton Hofreiter, Birgit Kelle, Anne Wizorek und Sophia Thomalla) und die Gesprächsleitung der Ernsthaftigkeit des Themas Gender nicht gewachsen.[10] Unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung warf dem WDR Zensur vor. Der Fernsehdirektor des WDR, Jörg Schönenborn, wies dies „entschieden zurück“, da ein solcher Tadel zu „gravierend“ sei, um ihn leichtfertig zu nutzen. Ende August wurde die Sendung wieder in die Mediathek aufgenommen. Jörg Schönenborn äußerte dazu, dass schon der Anschein einer mangelnden Unabhängigkeit, der durch die nicht angemessenen Vorwürfe von Selbstzensur und Zensur entstanden sei, die Arbeit des WDR beeinträchtige. Die heftigen Reaktionen zeigten seiner Ansicht nach, dass die Entscheidung, den Beitrag zu löschen, nicht richtig war.[11] Am 7. September 2015 wurden die Kritik an der vorherigen Sendung und die Gender-Debatte in einer weiteren Ausgabe der Talkshow thematisiert. Zusätzlich zu den Gästen vom 3. März nahmen Jörg Schönenborn und die Grünen-Politikerin Sybille Mattfeldt-Kloth, die als Vorsitzende des Landesfrauenrates Niedersachsen eine Programmbeschwerde eingereicht hatte, teil.[12]
Am 22. Mai 2018 wurde hart aber fair in der Kabarettsendung Die Anstalt als „hart aber leer mit Frank Blasbalg“ thematisiert. Kritisiert wurde u. a., dass privat produzierte Talkshows wie hart aber fair deutlich teurer sind als Eigenproduktionen wie Maybrit Illner.[13]
Auszeichnungen
- 2003: Deutscher Fernsehpreis in der Kategorie Beste Informationssendung[14]
- 2005: Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus[15]
- 2005: Adolf-Grimme-Preis in der Kategorie Information & Kultur[16]
- 2005: Ernst-Schneider IHK Medienpreis für die Sendung Firma saniert – Mitarbeiter ruiniert vom 20. Oktober 2004[17]
- 2006: Bayerischer Fernsehpreis an Frank Plasberg für seine Moderation[18]
- 2019: Die Goldene Kartoffel für ihre Sendungsinhalte[19]
Trivia
- Das Titellied und die Liedsequenzen im Hintergrund sind aus dem Lied Thank you der britischen Band Faithless.[20]
- Das Lied, welches ursprünglich während der kurzen Filmbeiträge fast immer im Hintergrund lief, heißt Cups und stammt vom britischen Elektronik-Duo Underworld.[21][22] Mittlerweile wird allerdings eine daran angelehnte Eigenproduktion gespielt.
- Im Jahre 2009 wurde die Sendung in den Handlungsstrang der Fernsehserie Der kleine Mann einbezogen. Als Thema wurde Die Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschland verwendet.[23] Auch in dem erfolgreichen Spielfilm Er ist wieder da kommt die Sendung hart aber fair vor.
- Im Januar und Februar 2020 vertrat erstmals Susan Link den erkrankten Plasberg als Moderatorin.
Zwischenfälle
Am 16. Dezember 2019 störte eine Feministin die Sendung, indem sie in der Diskussion zum Thema Tierschutz aus dem Zuschauerbereich auf die Bühne ging und forderte, die „Bundesnachrichtendienste“ der Bundesregierung sollten aufhören, Antifeminismus im Internet zu betreiben. Nach einem kurzen Streitgespräch mit einem Talkgast ließ Plasberg sie aus dem Studio begleiten. Der WDR erklärte am Folgetag, dass eine Lücke im Sicherheitskonzept der Sendung für den Zwischenfall verantwortlich gewesen sei.[24]
Literatur
- Tobias Könning: Alles bloß Geschwätz!? Diskurspotenziale der politischen Talkshow ‚Hart aber fair‘. VDM, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-639-12639-6.
Weblinks
- hart aber fair auf der Website des WDR.
- Stefan Winterbauer: Die Erfolgsformel des Frank Plasberg. Meedia.de, 26. August 2010.
- Hart aber fair in der Internet Movie Database (englisch)
- Hart aber fair in der Das Erste: Mediathek
- Hart aber fair als Podcast (RSS)
Einzelnachweise
- Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik. VEB Verlag Enzyklopädie, Berlin (Ost) 1954, S. 307.
- Helmut Ziegler: Die weibliche Ader. In: Berliner Zeitung, 21. September 2007.
- Roland Koch rudert zurück. In: Rheinische Post. 11. Januar 2008, abgerufen am 24. November 2010.
- Marcus Bäcker: Wurde der gar nicht gebrieft? In: Berliner Zeitung, 11. Januar 2008.
- Stefan Schmitt: Internet prangert allzu unkritischen WDR-Bericht an. In: Die Zeit, Nr. 45/2009.
- WDR-Rundfunkrat: WDR-Rundfunkrat entscheidet über Programmbeschwerden gegen „Heilung unerwünscht“ und „Hart aber fair“. In: wdr.de. 20. Mai 2010, archiviert vom Original am 21. Mai 2010; abgerufen am 24. November 2010.
- Niels Kruse: Verflixt und zugespitzt. In: Stern. 2. September 2010, abgerufen am 24. November 2010.
- Peer Schader: „Hart aber fair“ – Schraube locker. In: FAZ.NET, 24. April 2012. Abgerufen am 28. April 2012.
- Uwe Mantel: Schwächste Zuschauerzahl bislang. Plasbergs Baumarkt-Talk floppt. In: DWDL.de, 24. April 2012.
- Sophia Thomalla empört über WDR-Löschaktion – „Wer entscheidet denn, was unseriös ist?“ In: Tagesspiegel-online, 23. August 2015, abgerufen am 23. August 2015.
- „Hart aber fair“ mit Gender-Thema wieder in der Mediathek. In: Tagesspiegel-online, 31. August 2015, abgerufen am 5. September 2015.
- Michael Hanfeld: „Ist der WDR ein Waschlappenverein?“ In: FAZ-Feuilleton, 5. September 2015, abgerufen am 6. September 2015.
- Die Anstalt vom 22. Mai 2018: Politsatire mit Max Uthoff und Claus von Wagner. In: ZDF.de. Abgerufen am 28. Mai 2018.
- Deutscher Fernsehpreis - Preisträger 2003
- Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis - Pressemitteilung 2005 (Memento vom 12. August 2012 im Internet Archive)
- Grimme-Preis - Preisträger 2005 (Memento vom 12. April 2010 im Internet Archive)
- Ernst-Schneider IHK Medienpreis - Pressemitteilung 2005 (Memento vom 11. Oktober 2007 im Internet Archive) (PDF; 69 kB)
- Bayerischer Fernsehpreis – Preisträger 1989–2010 (Memento vom 8. April 2014 im Internet Archive) (PDF; 109 kB)
- Preisverleihung Goldene Kartoffel 2019. Neue Deutsche Medienmacher, 2. November 2019, abgerufen am 23. April 2020.
- https://m.youtube.com/watch?v=QdCsoF0rMPs
- last.fm Hart aber fair
- youtube: Underworld - Cups - Full Length
- Kurzkritik: Der kleine Mann. xTown.net
- WDR räumt Fehler beim Sicherheitskonzept ein. RND, 17. Dezember 2019.